Dokumentation: MAD will „fehlende Verfassungstreue“ stärker in den Blick nehmen
Bereits zum dritten Mal haben die Präsidenten der drei Nachrichtendienste des Bundes – Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst (MAD) – in einer öffentlichen Anhörung vor dem Bundestag ihre aktuelle Arbeit erläutert. Im Kampf gegen den Extremismus nicht zuletzt von rechts werde der MAD dabei künftig auch unterhalb der Strafbarkeitsschwelle die fehlende Verfassungstreue von Soldaten im Blick haben, sagte MAD-Präsident Christoph Gramm.
Zu der Anhörung vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages am (heutigen) Dienstag haben alle drei Präsidenten eine vorbereitete Erklärung abgegeben; die Statements von Thomas Haldenwang vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Bruno Kahl vom Bundesnachrichtendienst gibt es unter den jeweiligen Links zum Nachlesen, ebenso eine gemeinsame Pressemitteilung.
Da es bei Augen geradeaus! vor allem um die Streitkräfte geht, ein genauerer Blick auf die Eingangserklärung von MAD-Präsident Gramm: Da war auffällig, wie er den Kampf gegen den schleichenden Einfluss rechtsextremen Gedankenguts in die Truppe als wesentliche Aufgabe seiner Behörde beschrieb – und auch Konsequenzen ankündigte. Aus dem Statement:
Wir werden in Zukunft bei Personen mit fehlender Verfassungstreue unterhalb der Schwelle zum klar erkannten Extremisten noch genauer hinschauen. Nicht nur Extremisten, sondern auch Bundeswehrangehörige mit fehlender Verfassungstreue haben in der Bundeswehr nichts verloren. Ins Visier rücken damit verstärkt auch Mitarbeiter, die verfassungsfeindliche Inhalte in sozialen Netzwerken tauschen, ohne deswegen gleich Extremisten im Sinne des Gesetzes zu sein. (…) Klares Ziel ist es, Personen mit fehlender Verfassungstreue aus der Bundeswehr zu entfernen und andere Personen von einschlägigem Gedankengut abzuhalten. Es gilt Entwicklungen vorzubeugen, in denen ein falscher Geist besteht und fehlende Verfassungstreue geduldet wird. Eine besondere Herausforderung besteht mitunter darin, fehlende Verfassungstreue von „kräftiger Meinung“ zu unterscheiden. (…) Politische Ignoranz, Sorglosigkeit und Unbedachtheit nach dem Motto „man wird ja wohl noch sagen dürfen“ sind gerade in den Graubereichen mit der Loyalitätspflicht nicht vereinbar. (…) Gerade in den Graubereichen wird versucht, Begriffe und Gedanken hoffähig zu machen, die mit der gebotenen Verfassungstreue nicht vereinbar sind.
Rassistische Inhalte, antisemitische Äußerungen, sozialdarwinistische Träumereien, die planmäßige Missachtung und Verfälschung der Realität, die Ablehnung der Bundesrepublik als Staat oder ein übersteigerter Patriotismus mit einem extrem zugespitzten Freund-Feind-Denken, aber auch ein anti-pluralistischer Alleinvertretungsanspruch unter dem anmaßenden und ausgrenzenden Markenzeichen „Wir sind das Volk“ stellen die Grundlagen unserer offenen Gesellschaft in Frage.
Die wesentliche Frage wird dabei natürlich sein, wie der Apparat Bundeswehr auf die von Gramm angesprochenen Probleme reagieren wird und kann. Der MAD-Präsident verwies als Beispiel auf die kürzliche Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Koblenz, das die Entlassung eines mutmaßlich radikalisierten Muslims aus der Bundeswehr in zweiter Instanz bestätigt hatte – allerdings aufgehängt an seiner Weigerung, Soldatinnen (und Frauen überhaupt) die Hand zu geben. In dem Fall war die Entlassung vor allem dadurch möglich, dass der Soldat noch keine vier Jahre im Dienst war.
Das komplette Statement von Grams unten; hier das Video des Bundestages zur gesamten, mit Fragen und Antworten drei Stunden dauernden Anhörung:
Die Eingangserklärung von Gramm gibt es auf der MAD-Webseite und angesichts des absehbaren Relaunchs der Bundeswehr-Webseiten zur Dokumentation fürs Archiv hier im Wortlaut:
Sehr geehrter Herr Vorsitzender, sehr geehrte Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums, sehr geehrte Damen und Herren, als Vertreter des kleinsten Nachrichtendienstes des Bundes ist es dieses Mal meine Aufgabe den Aufschlag zu machen.
Seit der letzten öffentlichen Anhörung ist inhaltlich auch für den Militärischen Abschirmdienst das Thema Rechtsextremismus in den Vordergrund getreten. Ausgelöst wurde dies zunächst durch Berichte über eine angebliche Schattenarmee. Auch wenn sich die Existenz einer „rechten Untergrundarmee“ in der Bundeswehr bislang so nicht bestätigt hat, ist spätestens seit dem Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke klar geworden, dass wir es mit einer echten Zäsur zu tun haben. Es gibt in Deutschland wieder einen Nährboden, auf dem Extremismus, Antisemitismus und Rassismus wachsen können. Das gilt insbesondere für die Foren und sozialen Netzwerke im Internet. Der Anschlag in Halle ist ein weiterer Beleg, dass sich in diesen „Echokammern“ nicht nur die verbale Gewalt verstärkt, sondern es gilt leider zu oft die bittere Wahrheit: Erst kommt das Wort, dann folgt die Tat.
Auch die Bundeswehr und der Militärische Abschirmdienst stellen sich dieser Bedrohung. Tatsächlich hat der MAD bereits mit zahlreichen Maßnahmen reagiert. Das gilt mit Blick auf unsere Organisation, aber auch mit Blick auf unsere Arbeitsweisen und auf das Personal. Ich will an dieser Stelle nicht verhehlen, dass wir dabei wichtige Impulse für unsere Weiterentwicklung auch dem Parlamentarischen Kontrollgremium verdanken. Unsere bereits im Sommer 2017 begonnene Neujustierung hätte ohne die Anmerkungen aus dem parlamentarischen Raum wohl nicht die aktuelle Dynamik entfaltet. Was haben wir nun konkret getan? Beginnen wir mit dem Personal: Der MAD wächst personell seit rund zwei Jahren kontinuierlich auf. Dieser Aufwuchs setzt sich fort und wird noch Jahre in Anspruch nehmen.
Veränderungen finden derzeit auch bei unserem Spitzenpersonal statt, und zwar in einem Umfang, wie man ihn sonst eher aus großen Wirtschaftsunternehmen kennt. Über die Hälfte wird neu besetzt. Gestärkt wird dabei auch der zivile Anteil im MAD. Im Bereich der Organisation werden wir die Bereiche Extremismusabwehr und Spionageabwehr stärken. Beide Bereiche waren bisher in einer Abteilung abgebildet. Seit dem 1. Oktober sind diese Aufgabenbereiche organisatorisch getrennt. Die Abteilung Extremismusabwehr wird mit Priorität ausgebaut. Alleine der Blick auf Organisation, Kopfzahlen und Prozesse greift allerdings zu kurz. Zugespitzt gesagt, geht es dabei auch um einen Mentalitätswandel, den ich mit dem Schlagwort „über den eigenen Tellerrand hinaus schauen“ umschreiben möchte. Vielleicht ist dieser Perspektivwechsel hin zum „Blick aufs Ganze“ die wichtigste Veränderung überhaupt. Traditionell war die Arbeitsweise des MAD stark auf Personen in der Bundeswehr ausgerichtet, von denen eine besondere Gefahr ausging. Wir haben erkannt, dass dies heute nicht mehr ausreicht und unsere Sensorik für Verbindungen von Verdachtspersonen untereinander, für Kennverhältnisse und für Beziehungsgeflechte verfeinert. Dafür stärken wir unsere Auswertungskapazitäten. Ziel ist es, ein komplexes und umfassendes Lagebild über die Bedrohungslage für die Bundeswehr im Inland zu erzeugen. Vernetzungsprozesse finden heute keineswegs nur in der relativen Abgeschlossenheit der Welt des Militärs statt. Tatsächlich sind die Übergänge von der Bundeswehr in die Gesellschaft trotz der Aussetzung der Wehrpflicht fließender geworden. Heute arbeiten Soldaten häufig nicht mehr da, wo sie zu Hause sind. Und zweitens sind sie in den sozialen Netzwerken genauso präsent wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger. Wir nehmen deswegen Anschlusspunkte auch jenseits der Grenzen der Bundeswehr stärker in den Blick. Einzelne Verdachtspersonen, personelle Vernetzungsprozesse und Beziehungsgeflechte, die ideologischen Grundlagen, aber auch die Hardware, beispielsweise abhanden gekommene Waffen, werden in Zukunft das Planquadrat bilden, in dem wir operieren.
Dies tun wir selbstverständlich nicht alleine. Ein wichtiger Teil unseres Maßnahmenpaketes betrifft deswegen die Kooperation mit anderen Behörden. Dazu gehört insbesondere die Intensivierung der Partnerschaft mit dem BfV, aber auch mit dem BND. So haben wir über die seit Sommer 2017 eingerichtete AG-Reservisten hinaus weitere Zusammenarbeitsformate geschaffen, um die gemeinsame Kooperation weiter zu verstärken. Erlauben Sie mir noch ein paar Worte zu den Zahlen. Seit 2017 sind die von uns bearbeiteten Verdachtsfälle kontinuierlich angestiegen. Zurzeit bewegen wir uns in einer Größenordnung von rund 500 Verdachtsfällen alleine im Phänomenbereich Rechtsextremismus. Die Zahl der im Ergebnis tatsächlich erkannten Extremisten bewegt sich allerdings seit Jahren auf einem ähnlichen Niveau. Über alle Phänomenbereiche hinweg sind das rund 10 Personen pro Jahr, davon die Hälfte Rechtsextremisten. Richtig ist, dass wir uns in der Vergangenheit sehr stark auf diesen Personenkreis konzentriert haben, wenn sie so wollen: auf die schweren Fälle. Dabei haben wir vielleicht zu wenig beachtet, dass es auch unterhalb dieser Schwelle verfassungsfeindliche Verhaltensweisen gibt. Bekanntlich wird niemand als Extremist geboren, sondern es gibt in der Regel eine persönliche Entwicklung. Personen, die nach den Buchstaben des Gesetzes keine Extremisten sind, aber durch verfassungsfeindliche Äußerungen oder Handlungen Nährboden für Extremisten bereiten, fehlt die Verfassungstreue. Im Unterschied zu anderen Bürgerinnen und Bürgern sind Soldaten und Beamte, im Übrigen auch Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst, verpflichtet, die Verfassung anzuerkennen – und darüber hinaus auch aktiv dafür einzutreten. Wer sich als Staatsdiener nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren, verstößt gegen seine Loyalitätspflicht. Ein Verstoß hat rechtliche Konsequenzen. Hierzu ein aktuelles Beispiel: Das OVG Rheinland-Pfalz hat vor kurzem in aller wünschenswerten Klarheit entschieden, dass die Entlassung eines Soldaten wegen des Verstoßes gegen die Pflicht zur Verfassungstreue rechtens war, weil er sich aus religiösen Gründen weigerte, einer Frau die Hand zu geben.
Zusätzlich zu den 10 erkannten Extremisten haben wir derzeit rund 30 Personen in der Bundeswehr identifiziert, bei denen Erkenntnisse über fehlende Verfassungstreue vorliegen. Wir werden in Zukunft bei Personen mit fehlender Verfassungstreue unterhalb der Schwelle zum klar erkannten Extremisten noch genauer hinschauen. Nicht nur Extremisten, sondern auch Bundeswehrangehörige mit fehlender Verfassungstreue haben in der Bundeswehr nichts verloren. Ins Visier rücken damit verstärkt auch Mitarbeiter, die verfassungsfeindliche Inhalte in sozialen Netzwerken tauschen, ohne deswegen gleich Extremisten im Sinne des Gesetzes zu sein. Hier arbeiten wir im Gesamtsystem Bundeswehr in engem Schulterschluss mit dem koordinierenden Verteidigungsministerium, mit der militärischen Führung, insbesondere den Disziplinarvorgesetzten und dem Bundesamt für das Personalmanagement, um diesem Personenkreis mit allen rechtlichen Möglichkeiten zu begegnen. Klares Ziel ist es, Personen mit fehlender Verfassungstreue aus der Bundeswehr zu entfernen und andere Personen von einschlägigem Gedankengut abzuhalten. Es gilt Entwicklungen vorzubeugen, in denen ein falscher Geist besteht und fehlende Verfassungstreue geduldet wird. Eine besondere Herausforderung besteht mitunter darin, fehlende Verfassungstreue von „kräftiger Meinung“ zu unterscheiden. Hier gibt es erhebliche Graubereiche und Grenzregionen. Für Staatsdiener sind Grundkenntnisse über diese Grenzverläufe unverzichtbar. Politische Ignoranz, Sorglosigkeit und Unbedachtheit nach dem Motto „man wird ja wohl noch sagen dürfen“ sind gerade in den Graubereichen mit der Loyalitätspflicht nicht vereinbar. Deswegen gehören in diesen Grenzbereichen Aufklärung und Prävention in der Bundeswehr ebenfalls zu unseren Kernaufgaben, auch wenn wir natürlich nicht alleine für die politische Bildung in der Bundeswehr verantwortlich sind. Die Sorglosigkeit im Umgang mit der öffentlichen Sprache nimmt leider zu. Gerade in den Graubereichen wird versucht, Begriffe und Gedanken hoffähig zu machen, die mit der gebotenen Verfassungstreue nicht vereinbar sind.
Rassistische Inhalte, antisemitische Äußerungen, sozialdarwinistische Träumereien, die planmäßige Missachtung und Verfälschung der Realität, die Ablehnung der Bundesrepublik als Staat oder ein übersteigerter Patriotismus mit einem extrem zugespitzten Freund-Feind-Denken, aber auch ein anti-pluralistischer Alleinvertretungsanspruch unter dem anmaßenden und ausgrenzenden Markenzeichen „Wir sind das Volk“ stellen die Grundlagen unserer offenen Gesellschaft in Frage. Hier sind wir dringend darauf angewiesen, dass Soldaten und Beamte in der Bundeswehr, aber auch darüber hinaus, ein hinreichendes Maß an innerer Widerstandskraft gegen verfassungsfeindliche Inhalte zeigen. Persönliche Resilienz braucht Selbstbewusstsein und einen klaren Wertekompass. Auch hier sehen wir uns in der Pflicht.
mir fehlt in jedweder debatte zum „schutz der fdgo“ die uneingeschränkte betrachtung aller extreme. ich komme nicht umhin eine klare nutzlastigkeit auf seiten der gefahrendefintion aus richtung „rächts“ zu erkennen.
eben genau dieser „anstrich“, nämlich dunkelstes rot, erweckt auch in mir den eindruck und den ziehbaren vergleich zu glücklicherweise längst vergangenem politsprech der „einen“ partei.
ich unterstelle jedem demokraten, der sich so nennt, beste absichten im sinne dergleichen gesellschaftsform. jedoch ganz im ernst: ist es pure ignoranz oder schlichte kindliche naivität, tendenzen in zeitgenössischer um- und durchsetzung der meinungsfreiheit nicht zu erkennen?
Wie sieht eine Wehrhafte Demokratie aus?
Vielleicht genau so wie der MAD dies repräsentiert. Denn eine Partei deren Vorsitzende offen den Bürgerkrieg planen, sind mit über 20% in manche Landtage gewählt worden.
Ja, jetzt beginnt das Immunsystem im Rahmen des Grundgesetzes damit, zu scannen und lebenswichtige Organe zu schützen.
P. S: Die Metaphorik, um es bestimmten Faschisten zu ermöglichen, nachzuvollziehen, was gerade passiert.
P. P. S: Erst Islamismus, jetzt Faschismus. Man sollte auch hier, angelehnt an die Antiterrorgesetze, eine Rücknahme der Maßnahmen in der Zukunft verankern. Den der Verfassungskern ist einem jeden Humanisten eine heilige Kuh!
@Luftikus sagt:
@Pete
…„besondere charakterliche Eignung“ (wie AB kommentierte) ist hier das Zauberwort…“
– Das „Zauberwort“ in diesem Faden heißt „Verfassungstreue“, so wie es in der Überschrift auch steht. Und diesen Begriff hat der MAD-Chef auch verwendet. Also sollten wir über diesen Begriff auch debattieren. Emotional besetzte und sehr subjektive Begriffe wie „besondere charakterliche Eignung“ führen vom eigentlichen Thema weg.
– Ich bin mir nicht sicher, ob Jeder in diesem Blog überhaupt weiß wie „Verfassungstreue“ verbindlich definiert ist und welche „grundlegenden Prinzipien“ derselben zu Grunde liegen. Daher hier ein Link zu einem Belehrungsbogen für die „Belehrung über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst“:
https://www.justiz.sachsen.de/download/Verfassungstreue.pdf
– Der Inhalt dieses Belehrungsbogens ist die rechtliche Grundlage und der Maßstab auf welcher der Angehörige des Öffentlichen Dienstes hinsichtlich seiner Verfassungstreue gemessen werden kann. Und dieser Belehrungsbogen gibt dem Angehörigen des Öffentlichen Dienstes Orientierung.
– Weil in dieser Debatte – aber auch in anderen- häufig die „Verfassungstreue“ von SoldatInnen in Frage gestellt wurde, wenn diese eine bestimmte Partei wählen würden, weiße ich auf die folgenden – im Belehrungsbogen genannten – grundlegenden Prinzipien hin, an denen „Verfassungstreue“ eines Angehörigen des Öffentlichen Dienstes gemessen wird, Zitat:
„…Zu den grundlegenden Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind insbesondere zu rechnen:…
– die Chancengleichheit für alle politischen Parteien und
– das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.
Die Teilnahme an Bestrebungen, die sich gegen die durch die vorgenannten Grundsätze gekennzeichnete freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes richten, ist unvereinbar mit den Pflichten eines im öffentlichen Dienst Beschäftigten…“
Dieses Zitat sollte auch jedem Klarheit darüber verschaffen warum die angeblichen Äußerungen des Kommandeurs des Zentrums Innere Führung zu einer politischen Partei kritisch hinterfragt wurden.
Und weil der Begriff der „Freiheitlich Demokratischen Grundordnung“ (FDGO) in der Debatte – zu Recht – auch immer wieder als Begründung herangezogen wird sei hier die Definition der FDGO aus dem obigen Link auch noch erwähnt:
„…Freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vergleiche Urteil vom 23. Oktober 1952 – BVerfGE 2 S S. 1 ff.) eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Sie ist das Gegenteil des totalitären Staates, der – häufig im Gegensatz zu verbalen Beteuerungen – Menschenwürde, Freiheit des Einzelnen und Gleichheit vor dem Gesetz negiert…“
Abschließend möchte ich feststellen:
1. Ich stimme dem MAD- Chef selbstverständlich darin zu, dass „…Bundeswehrangehörige mit fehlender Verfassungstreue …in der Bundeswehr nichts verloren…“ haben. Die fehlende „Verfassungstreue“ möchte ich aber dann auch an den obigen Kriterien gemessen haben und nicht an „schwammigen“ Begründungen.
2. Weil die Kriterien der fehlenden Verfassungstreue in meinen Augen sehr klar definiert sind, stimme ich dem MAD-Chef nicht zu wenn er sagt: „…Eine besondere Herausforderung besteht mitunter darin, fehlende Verfassungstreue von „kräftiger Meinung“ zu unterscheiden…“
Eine „kräftige Meinung“ ist im Bereich der „Zurückhaltung bei Öffentlichen Meinungsäußerungen“ angesiedelt und sollte bei Bedarf vom Disziplinarvorgesetzten geregelt werden. „Fehlende Verfassungstreue“ ist hingegen eine grundsätzliche EINSTELLUNG zu der FDGO. Das ist ein sehr großer Unterschied.
Guten Morgen aus dem (einzigen?) Bundesland ohne Feiertag heute oder morgen: Jetzt machen sich einige einen Spaß daraus, Listen mit „darf ich das noch sagen“ zusammenzustellen und hier rein zu posten. Das machen wir nicht.
§2 Absatz 2 Bundelaufbahnverordnung
http://www.gesetze-im-internet.de/blv_2009/__2.html
(2) Eignung erfasst insbesondere Persönlichkeit und charakterliche Eigenschaften, die für ein bestimmtes Amt von Bedeutung sind.
Aha, wir brauchen also für das Personal das wir selber ausgewählt und eingestellt haben, einen Geheimdienst der sich um die Verfassungstreue dieses Personals in den sozialen Medien kümmert. Ich frage mich warum? Haben wir in den letzten 30 Jahren doch auch nicht gebraucht. Zumal die oben genannte Fallzahl bei der Anzahl der Soldaten sehr gering ist. Oder eher, weil jetzt unser ehemaliges Spitzenpersonal in Form von Obersten und Generalen (Wundrack, Lucassen, Pazderski etc.) der AFD aktiv sind? Hat man schon Angst das evtl. so jemand einmal IBUK werden könnte?
Wenn unsere ehemals Besten der Besten der Besten, zu deren Dienstzeit Facebook und soziale Medien bestimmt noch keine Rolle spielten, zur AFD übertreten, scheint es ja entweder mit der Auswahl und Förderung des Spitzenpersonals nicht besonders weit her zu sein oder es läuft in diesem Staat doch das ein oder andere falsch.
Aber wahrscheinlich ist es einfacher, den Hauptgefreiten der bei Facebook öffentlich Kritik am Umgang der Politik mit bestimmten Themenfeldern äußert, zu überwachen und zu maßregeln. Außerdem muss das BAMAD ja auch seinen Personalaufwuchs irgendwie rechtfertigen.
@Junger Träumer & @Thomas Wiegold
Die Ankündigung des Militärischen Abschirmdienstes ist überaus besorgniserregend unabhängig von ihrer angeblichen oder tatsächlichen politischen Stoßrichtung.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz gem. Art. 3 (1) GG und der Grundsatz des gleichen Zugangs zu öffentlich Amtspositionen nach Art. 33 (2) GG dürften den angekündigten Verfahrensänderungen (zumindest in der bisher verlautbarten Form) einen Riegel vorschieben, ebenso die von der Rechtsprechung aus der Verfassung hergeleiteten Anforderungen an die unzweideutige Bindung staatlichen Handelns an klare Rechtsgrundlagen. [Beck’scher Grundgesetz-Kommentar/ Kischel Art. 3 Rn. 30 ff.; Hense Art. 33 Rn. 9–10]
Eine Behörde kann nicht ohne zumindest einfachgesetzliche Grundlage Entscheidungen treffen, die Grundrechte wenigstens mittelbar berühren.
Die Definition des Grundgesetzes von Verfassungsfeindlichkeit ist längst nicht so beliebig, wie die Äußerungen des MAD-Präsidenten es nahezulegen scheinen. Sie findet sich in Art. 9 (2) GG und ist nach gesprochenem Recht auch auf Personen anwendbar: Demnach ist eine Vereinigung als verfassungsfeindlich einzustufen, „deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten“.
Rechtsprechung und Lehre haben unzweideutig herausgearbeitet, was dies bedeutet.
Verfassungsfeind ist demnach [Beck’scher Grundgesetz-Kommentar/ Cornils Art. 9 Rn. 23–30], wer aus politischer Gesinnung gegen Strafgesetze verstößt, wer aktiv einen Konflikt zwischen der BR Deutschland und fremden Mächten herbeizuführen sucht oder wer sich gegen die (egalitär begriffene) Menschenwürde, den Rechtsstaat und das Demokratieprinzip richtet (die sog. freiheitlich-demokratische Grundordnung), wobei sich ebendieses „richtet“ als „kämpferisch-aggressiv[es] verwirklichen [W]ollen“ definiert. Weder nach geschriebenem Recht noch nach ständiger Rechtsprechung ist hingegen Verfassungsfeind, wer den besagten Grundsätzen nur ablehnend gegenübersteht oder Positionen vertritt, die diese schmälern.
Oder um es verständlicher zu formulieren: Es offenbart sich hier der im politischen Diskurs oft verwischte Unterschied zwischen (schon verfassungsfeindlichem) Extremismus und (noch nicht verfassungsfeindlichem) Radikalismus. Jeglicher Radikalismus genießt den Schutz des Grundgesetzes.
Man kann diese Definition für ungenügend halten, oder vielleicht sogar eine Gesetzeslücke dahingehend behaupten, dass es widersinnig sei, Leute einzustellen, über deren Köpfen dann das Damokles-Schwert des Rausschmisses schwebt, da an den Soldaten höhere Anforderungen in puncto Verfassungstreue gestellt werden als an einfache Staatsbürger.
Doch Tatsache ist und bleibt, dass der MAD nicht einfach beschließen kann, Verhaltensweisen „in den Blick zu nehmen“, die Legislative und Judikative nicht in den Blick genommen wissen wollten. Es kommt der Exekutive nicht zu, den Willen des Gesetzgebers und die Rechtsprechung durch eine Rechtsanwendung zu umgehen, die sich unterhalb ebender Schwelle bewegt, welche diese festgesetzt haben. Dies ist ein elementarer Grundsatz der Gewaltenteilung: Die Exekutive kann sich nicht selbst ermächtigen.
[Netter Versuch. Ist jetzt die Gleichsetzung der Aussage des MAD-Präsidenten „fehlende Verfassungstreue“ mit Ihrer Interpretation „verfassungsfeindlich“ so reingerutscht, oder haben Sie das mit voller Absicht getan? T.W.]
@T.W.
„Netter Versuch. Ist jetzt die Gleichsetzung der Aussage des MAD-Präsidenten „fehlende Verfassungstreue“ mit Ihrer Interpretation „verfassungsfeindlich“ so reingerutscht, oder haben Sie das mit voller Absicht getan? T.W.]“
Mit der folgenden Aussage hat @Muck schlicht und ergreifend Recht:
„Eine Behörde kann nicht ohne zumindest einfachgesetzliche Grundlage Entscheidungen treffen, die Grundrechte wenigstens mittelbar berühren.“
– Es wird eventuell Ihnen und vielen Anderen nicht passen, aber an die Verfassung und die rechtsstaatlichen Verfahren müssen sich alle exekutiven Behörden und deren Leiter – dazu gehört auch der Präsident des MAD – halten. Man kann nicht einfach – nach dem Motto „weil es ja gute Gründe gibt“ – den Rechtsstaat außer Kraft setzen. Das geht nicht! Punkt! Und zwar für NIEMANDEN! Das haben wir aus der Geschichte gelernt!
– Deswegen ist es in der Tat sehr bedenklich, dass ganz offen von vielen Behörden der Exekutive die Partei AfD ganz offen diskreditiert wird ohne dass ein ähnliches Verfahren wie beim „Radikalenerlaß“ gegen die KPD bislang angestrengt wurde. In einem Rechtsstaat geht das nicht! Man kann ein solches Verfahren selbstverständlich anstrengen, aber nicht ohne ein solches Verfahren Parteien vom demokratischen Prozess einfach ausschließen. Das läßt der Rechtsstaat schlicht und ergreifend nich zu!
– Man darf in unserem Rechtsstaat nicht einfach auf Grund von „Meinungen“ – und seien sie auch von so hohen Positionen wie der Bundeskanzlerin oder dem Bundespräsidenten oder Anne Will geäußert- eine Partei aus den demokratischen und rechtsstaatlichen Prozessen ausschließen. Das ist nicht erlaubt!
– Wenn man das will und glaubt das sei geboten, dann muss man auch den Mumm haben ein entsprechendes rechtsstaatliches Verfahren einzuleiten. Es kann ja durchaus sein, dass am Ende ein neuer Radikalenerlaß gegen die AfD das Ergebnis ist. Es kann aber auch sein, dass man damit scheitert. Aber einfach und ausschließen auf Grund von „Meinungen“ von gefühlten Meinungsführern eine Partei ins Abseits zu stellen ist in unserem demokratischen und rechtsstaatlichen System schlicht und ergreifend nicht erlaubt!
@Thomas Wiegold
Aber ebenda liegt doch der Hase im Pfeffer. Ich habe behauptet, mich dabei auf die herrschende Lehre und die mir bekannte Rechtslage stützend, dass die Exekutive nur zwischen Extremisten (d.h. Verfassungsfeinden) und Nicht-Extremisten (d.h. Nicht-Verfassungsfeinden) unterscheiden dürfe.
Die Formulierung „[Fehlende Verfassungstreue] unterhalb der Schwelle zum klar erkannten Extremisten“ enthält jedoch bereits den Verweis auf ihr Nichtgründen in einer Definition, die an Bestimmtheit den Anforderungen der Rechtsordnung genügen würde. Die genannte „Schwelle“ ist nämlich gerade die Definition, und diese Definition will der MAD künftig nicht mehr als Ausschlusskriterium in Anwendung bringen.
Dazu, so behauptete ich, fehlt ihm die Befugnis. Die Exekutive hat mit den Tatbeständen zu arbeiten, die ihr das Gesetz an die Hand gibt.
Wie absurd das Gegenteil wäre, kann jeder Leser nachvollziehen, der jemals mit Verwaltungshandeln in Berührung gekommen ist, denn ein jedes Verwaltungshandeln beruht auf konkreten Definitionen. Selbst dort, wo der Exekutive ein Ermessensspielraum gesetzlich eingeräumt wurde, sind die Grenzen ebendieses Ermessensspielraumes klar definiert.
Als Brillenträger darf ich etwa darauf vertrauen, dass der Sehschärftest, der zur Erteilung einer Fahrerlaubnis erfolgreich absolviert werden muss, auf einem konkret definierten und dem Gebot der Regelungsnotwendigkeit genügenden, d.h. wissenschaftlich fundierten Visus-Wert beruht. Liegt mein Wert bei 0,7 oder höher, bekomme ich den Lappen. Die Führerscheinstelle kann nicht ihren eigenen Maßstab anlegen mit dem Argument, dass der Unterschied zwischen 0,70 und 0,69 zu geringfügig ausfiele, als dass man es verantworten könne, eine Blindschleiche wie mich durch die Gegend fahren zu lassen. Und umgekehrt brauche ich bei einem Wert von 0,69, der immerhin fast ausreichend wäre, nicht zu betteln: Ich bin durchgefallen.
Dieses Beispiel illustriert auch, warum eine Rechtsgrundlage vorliegen und diese hinreichend konkret definieren muss, und warum die erklärte Absicht des MAD, sich in nicht durch das Gesetz kartographierte Gefilde vorzuwagen, dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht genügen kann.
Formulierungen wie „netter Versuch“ und „mit voller Absicht“ weisen übrigens auf eine recht vehemente Ablehnung Ihrerseits hin. Was mir als Reaktion auf meinen Versuch, mich dem Thema objektiv und ohne politische Färbung zu nähern, verwunderlich und unangebracht erscheint. Immerhin haben Sie doch erst kürzlich zu einer Versachlichung der Debatte aufgerufen.
Zum Thema der charakterlichen Eignung hatte Heinz Karst, der als Stellvertreter von Wolf Graf Baudissin in den Anfangsjahren der Bundeswehr für das Thema Innere Führung verantwortlich war, einige zu diesem Thema passende Dinge gesagt. Eine gewisse „Freiheit gegenüber der öffentlichen Meinung“ und der „Mut, wenn es sein muß, auch unzeitgemäß zu sein“, seien die Eigenschaften, die die gute militärische Führungskraft ausmachen:
„Die Neigung, nur nicht anzuecken, nur nicht angegriffen zu werden, stets anerkannt, unauffällig und beliebt zu sein, dieses Kennzeichen der Außenleitung des Menschen durch die Umwelt wäre seinem Beruf tödlich und machte ihn als Führenden unglaubwürdig. Zivilcourage kann sich nur darin äußern, daß man anders denkt und handelt, als von ‚oben‘ oder in der Öffentlichkeit erwartet wird.“
Wer aus Furcht vor der öffentlichen Meinung schweige, „erleidet einen Bruch im Charakter, der nicht wieder gutzumachen ist“. Anpassertum unter deutschen Offizieren habe die Verbrechen des Nationalsozialismus mit ermöglicht.
Die Äußerungen des Leiters des BAMAD haben mit diesem auf den Erfahrungen der deutschen Geschichte beruhenden Verständnis von Innerer Führung nichts zu tun. Herr Gramm und seine Vorgesetzten wollen offenbar nicht den Staatsbürger in Uniform, sondern einen vor allen möglicherweise aus kontrovers empfundenen Themen zurückscheuenden stummen Befehlsempfänger.
Es ist wirklich erstaunlich wie viele Soldaten mich hier offensichtlich unbedingt davon überzeugen wollen dass sie für den Dienst nicht geeignet sind. Ein signifikanter Teil hier scheint den Unterschied zwischen den Rechten die unsere Verfassung auch ihren Gegnern einräumt und den Pflichten denen Inhaber des Gewaltmonopols unterliegen nicht verstehen zu wollen.
Für BOS-Kräfte und Militär reicht es nicht aus sich nur gerade so nicht strafbar zu machen. Vielmehr haben sie klar und unzweideutig nicht nur auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen, sondern dieses auch aktiv zu verteidigen. Wie dies mit einer ablehnenden passiven Haltung, geschweige denn mit entsprechenden Äußerungen, vereinbar sein soll kann hier auch niemand erklären. Wer in dieser Anforderung eine Gesinnungspolizei vermutet ist für seinen Job offensichtlich nicht geeignet.
Hier im Verlauf der Kommentare hab es ja sogar Äußerungen die es für angemessen halten Artikel 1 des Grundgesetzes zu ignorieren. Anders kann ich die Gleichsetzung von Landesverteidigung und Schüssen auf einfach nur illegal die Grenze übertretende Flüchtlinge nicht verstehen. Dazu kann ich nur sagen: ja, das disqualifiziert für den Dienst an der Waffe. Sollte der MAD da neuerdings wirklich mal seinen Job machen wird das für die Betroffenen vielleicht ungewohnt. Man kann ja aber wohl kein Gewohnheitsrecht für Untreue einfordern.
Um die bisherigen empörten Reaktionen mal auf den Punkt zu bringen:
– Der MAD-Präsident sagt, von Soldaten müsse Verfassungstreue erwartet werden – die Reaktion: das darf er gar nicht, weil das so nicht im Gesetz steht.
– Wenn der MAD-Präsident Erwartungen und Beobachtungsfelder des Dienstes definiert, wird das als exekutive Handlung verstanden, obwohl der MAD ja nicht die Entscheidung über mögliche Entfernungen aus dem Dienst trifft (Hinweis: das exekutive Verwaltungshandeln, das dazu führt, ist ja eine gerichtlich überprüfbare Entscheidung und keine Geheimdienstentscheidung).
Habe ich die Kritik so richtig verstanden?
@T. Wiegold
Den Kern der Kritik geben sie m. E. nur verkürzt wieder. Die Formulierung, dass das, was das BAMAD ankündigt, „so nicht im Gesetz steht“, ist eine sehr harmlose (um nicht zu sagen verharmlosende) Formulierung zur Beschreibung eines mutmaßlichen Bruchs mit rechtsstaatlichen Prinzipien. Alles weitere müsste ein Gericht klären.
Ich fasse es noch einmal zusammen:
Ein Kernauftrag des BAMAD ist die im MAD-Gesetz festgehaltene Extremismusbekämpfung in der Bundeswehr. Der Leiter des BAMAD erklärt nun, abweichend davon auch „Gedanken“ in „Grauzonen“ bekämpfen zu wollen. Wenn Sie möchten, erläutere ich Ihnen gerne die behördliche Definition von Extremismus (eine gesetzliche gibt es leider nicht), aber das, was Herr Gramm in seinen Worten beschreibt, gehört auf jeden Fall nicht dazu.
Es ist aus rechtsstaatlicher Sicht höchst problematisch, wenn der Leiter einer Bundesbehörde (insbesondere eines Inlandsnachrichtendienstes) scheinbar seinen gesetzlich festgelegten und begrenzten Auftrag eigenmächtig erweitert und dabei rechtlich unbestimmte, beliebig interpretierbare Begriffe verwendet, die keine gesetzliche Grundlage haben. Hier sind m. E. gleich zwei Grundprinzipien des Rechtsstaates potenziell verletzt, nämlich die Gesetzesbindung staatlichen Handelns sowie die Notwendigkeit der gesetzlichen Ermächtigung dieses Handelns.
Wenn dies zudem offiziell mit der Sorge begründet wird, dass bestimmte „Gedanken hoffähig“ werden könnten, wird sogar offen eingestanden, dass das Motiv für die Handlung nicht die Erfüllung des gesetzlich definierten Auftrags der Behörde, sondern politischer Natur ist.
@T.Wiegold
„– Der MAD-Präsident sagt, von Soldaten müsse Verfassungstreue erwartet werden – die Reaktion: das darf er gar nicht, weil das so nicht im Gesetz steht…
Habe ich die Kritik so richtig verstanden?“
– Zumindest mich haben Sie nicht richtig verstanden. Ich hatte hierzu Folgendes geschrieben (@Pete sagt: 31.10.2019 um 10:38 Uhr), Zitat:
„…1. Ich stimme dem MAD- Chef selbstverständlich darin zu, dass „…Bundeswehrangehörige mit fehlender Verfassungstreue …in der Bundeswehr nichts verloren…“ haben. Die fehlende „Verfassungstreue“ möchte ich aber dann auch an den obigen Kriterien gemessen haben und nicht an „schwammigen“ Begründungen…“
Zum besseren Verständnis für die festgelegten Kriterien hatte ich die „Belehrung über die Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst“ als link angegeben:
https://www.justiz.sachsen.de/download/Verfassungstreue.pdf
– Wenn also der MAD-Chef die definierten „Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ zum Maßstab seines Handelns macht, dann ist ja Alles in Ordnung. Das ist aber bereits geregelt und jeder Bewerber des Öffentlichen Dienstes muss diese Erklärung bereits jetzt abgeben. Ein Verstoß gegen die „Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst“ führt also bereits jetzt zu Sanktionen des Dienstherrn.
– Was allerdings unterschwellig in der Debatte – auch in diesem Blog- suggeriert wird, ist der Gedanke, dass bereits die Zugehörigkeit zu einer Partei – welcher auch immer- ein Verstoß gegen die „Pflicht zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst“ sein könnte. Das ist nicht korrekt. Dazu bedarf es eines „Radikalenerlasses“.
– Die Bundesrepublik Deutschland hat ja ihre Erfahrungen mit dem so genannten „Radikalenerlaß“ gemacht. Die Älteren unter uns können sich daran noch erinnern.
– Menschen wie der heutige Ministerpräsident von Baden Württemberg wurden zu dieser Zeit wegen seines politischen Engagements an der Universität mit einem zeitweiligen Berufsverbot belegt. Jeder mag sich seine eigenen Gedanken dazu machen ob diese Maßnahme hilfreich für die Demokratie in der BRD war. Meine Antwort ist ein klares NEIN! Die Stuttgarter Zeitung hat aus den damaligen Akten zitiert („Die Akte Kretschmann“).
– „…Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) stellte am 26. September 1995 im Fall der aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der DKP aus dem Staatsdienst entlassenen und später wieder eingestellten Lehrerin Dorothea Vogt einen Verstoß gegen die Art. 10 und Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit) fest und verurteilte die Bundesrepublik zur Zahlung von Schadensersatz…“
– Niedersachsen richtete 2016 „…als erstes Land der Bundesrepublik…eine Kommission zur Aufarbeitung des „unrühmlichen Kapitels“ in der Landesgeschichte ein…“
https://de.wikipedia.org/wiki/Radikalenerlass
Unter dem Strich:
Man kann ja auch einmal aus der eigenen Geschichte lernen und sollte sich in den fundamentalen Fragen der Rechtsstaatlichkeit nicht von aktuellen Emotionen mitreißen lassen. Das gilt dezidiert auch für diejenigen, die in hohen exekutiven Ämtern, politisch oder als Beamter/Soldat, Verantwortung tragen. Die Demokratie wird nur durch die strikte Beachtung des rechtsstaatlichen Handelns geschützt.
Hm, die Frage, ob der MAD-Präsident die Erwartung an die Verfassungstreue von Soldaten einfordern darf, wird ja immer wieder umgangen…
Herr Wiegold,
ich fürchte, dass Sie den Kern der vorgebrachten Kritik da tatsächlich einmal nicht getroffen haben.
Sie schreiben: „Hm, die Frage, ob der MAD-Präsident die Erwartung an die Verfassungstreue von Soldaten einfordern darf, wird ja immer wieder umgangen…“
Ich möchte dem entgegen, dass die Notwendigkeit der sogen. „Verfassungstreue“ – also nennen wir einmal so die grundsätzliche Unterstützung der freiheitlichen, rechtsstaatlichen, sozialen, föderalen und demokratischen Verfasstheit der Republik – überhaupt nicht in Frage steht. Nur, wer seinem Eid folgt, ist überhaupt dem Wesen nach Soldat. Das ist hier meiner Lesart nach nicht strittig.
Hier geht es um das „wie?“. Das denkende Individuum Soldat braucht, nicht nur als Bürger, aber insbesondere als solcher, präzise Maßstäbe. Diese Maßstäbe sind vorhanden, sie sind durch einige Jahrzehnte der Gesetzgebung und Rechtsprechung geschaffen worden. An diesen Maßstäben kann man im Detail auch bestimmt auch legitime Kritik üben, grade als Leiter einer Behörde. Aber wenn diese Maßstäbe geändert werden sollen, dann durch den vom souverän gewählten Gesetzgeber und die zur Deutung berufenen, an der Verfassung messbaren judikativen Instanzen.
Herr Grams ist dazu berufen, die Anwendung dieser Maßstäbe zu exekutieren. Hier stellt er sich aber öffentlich hin und verkündet, diese Maßstäbe seien nicht die seinen und er nähme nun eben andere. Diese anderen Maßstäbe sind nicht transparent hergeleitet sondern auf Oberstufenniveau aus einem sozusagen feuilletongetriebenen Gefühl heraus mal eben so ein bißchen dahergesagt. Nach dem, was er dort zum gültigen Maßstab des Aussortiertwerdens erhoben hat, kann man nicht handeln, weil es nicht präzise ist und in erheblichem Teil den rechtsgültigen Maßstäben auch widerspricht, wie ich weiter oben bereits andeutete. Und es ist keine Polemik, das zu nennen, was es ist: die Definition von Willkür.
Selbst wem, aus welchen Gründen auch immer, das Ergebnis dieser neuen Sortierung dann gefällt, dem sei gesagt, dass diese Willkür jedermanns Freiheiten nimmt, nicht nur die der vermeintlich oder tatsächlich Rechten. Viele der Freiheitsrechte gegen den Staat, die gerichtsfest für Soldaten festgestellt wurden, wurden von Linken erstritten und kommen heute eben vielleicht anderen zugute, aber nicht aus schlechteren Gründen, sondern aufgrund verfassungsrechtlicher Prinzipien.
Der Erziehungs- und Selektionseffekt im Offizierkorps – und das ist das vordergründig entscheidende – den allein diese Debatte hat, ist seit geraumer Zeit recht weit fortgeschritten. Wer klug ist, weiß längst, wann er lieber den Mund zu halten oder den Raum zu verlassen hat. Kann man gut finden, ist aber das Scheitern des Staatsbürgers in Uniform.
T.Wiegold sagt: 01.11.2019 um 11:09 Uhr
„Hm, die Frage, ob der MAD-Präsident die Erwartung an die Verfassungstreue von Soldaten einfordern darf, wird ja immer wieder umgangen…“
Ich möchte kein Erbsenzähler sein, aber der MAD fordert die Verfassungstreue nicht ein; er überwacht sie lediglich. Diese Forderung wird in letzter Instanz vom Bürger aufgestellt, der durch die Abgeordneten des Deutschen Bundestag vertreten wird. Sprache ist nicht zufällig, sagte mein alter Prof. immer.
Das passt doch gut zum Zeitgeist – jedenfalls aus der Sicht unserer Berliner und Hamburger Politik/Medienblase.
Nicht genehme Gedanken und Einstellungen werden gerne diffamiert, als Bedrohung der Demokratie denunziert. So erspart sich der mit der“richtigen“ Haltung gesegnete Repräsentant der herrschenden Kirche auch dieses lästige Argumentieren, auch zuhören kann dann entfallen.
„Haltung“ eben.
Wo hatte ich das bereits einmal gesehen? Stimmt …NVA. War auch wesentlich bequemer für die politische Leitung. Streitkräfte, bei denen nicht zu befürchten steht, daß in den Kadern ein Nährboden für unbequeme, abweichende Gedanken entsteht ….
Sehr bedauerlich. Eigentlich hatte ich gehofft, 2 Diktaturen im letzten Jahrhundert waren genug, um Deutschland gegen verordnete Meinungen zu immunisieren.
@TW:
Ich bin da ganz bei ihnen und wie sie die Kritik hier lesen. Sie haben das ganz wesentliche getroffen – das was gesagt wird und das was unter den Tisch gefallen lassen wird. Es ist schon erschütternd dass ich nicht erschüttert bin von so manchen ‚intellektuellen‘ Ver- bzw. Ausrenkungen die man unternimmt um hier mangelnde Verfassungstreue als Ansicht bzw. Meinung zu verteidigen – das ist schon normal geworden.
Wenn man es mal etwas überspitzt darstellen möchte:
aktive und ehem Soldaten hier in jedem zweiten Thread: Der Soldatenberuf ist etwas besonderes da man an der Waffe dient und im Zweifelsfall Leben nimmt und das eigene Leben genommen werden kann. Da geht es um mehr als nur Sold und Dienst nach Vorschrift, das ist gelebte Tradition (wird angeführt ob es jetzt um Mangelenden Nachwuchs geht, ob man IT Quereinsteiger zulassen soll, Flachbild TV auf der Stube geht, oder die vermeintlich mangelnde Wertschätzung für den eigenen Beruf in der Bevölkerung geht).
auch aktive und ehem Soldaten hier:
Nee Soldatenberuf ist gar nicht speziell – von uns kann man doch keine spezielle Verfassungstreue einfordern nur weil wir Dienst an der Waffe leisten. Das dürfen die ja auch gar nicht qua Gesetzt. Da muss man schon genau aufs Gesetz und all Vorschriften schauen.
Kommentator trifft es auf den Punkt. Man kann nur hoffen, dass die Herren Geheimdienstler endlich den Schuss gehört haben und endlich die ganzen Rechten aus den Sicherheitsbehörden, Verwaltung und wo auch immer sie sich sonst noch eingenistet haben entfernen. Dann kann man auch wieder darüber nachdenken ob wir eine schlagkräftige Armee brauchen – so lange sich hier aber Soldaten angstfrei zur AFD bekennen sollte es keine einzige Patrone geben! Und an alle die jetzt jammern und ihre Rechte einfordern: Sie haben als Staatsdiener kein Recht sich mit denen zu solidarisieren dir für die Abschaffung der Demokratie und die Tötung von Geflüchteten sind! All die AFD Nazis hier sollten sofort aus dem Dienst entfernt werden und sicherheitshalber überwacht werden denn sie sind eine Gefahr für den Staat und die Leute die hier leben- völlig egal wo die herkommen oder welchen Pass die haben! Sie müssen bereit sein die auch zu verteidigen, nicht nur die anderen Deutschen!!! Es müssen endlich Taten gegen die immer extremer werdenden Rechten folgen und notfalls Gesetze geändert und Rechte und Freiheiten entzogen werden.
@tt.kreischwurst
Niemand hier hat „mangelnde Verfassungstreue als Ansicht bzw. Meinung“ verteidigt. Wer solche Unterstellungen vornimmt, sollte sie begründen können.
Verfassungstreue wird im Übrigen schon seit langem von Soldaten gesetzlich eingefordert und ein sichtbarer Mangel entschlossen geahndet. Die Behauptung, dass es diesbezüglich aktuell besonderen Handlungsbedarf gebe, ist von keinerlei Fakten gestützt. Das BAMAD hat selbst eingeräumt, dass die angeblichen „Schattenarmeen“ oder rechtsextreme Netzwerke in der Bundeswehr nicht existieren. Wenn es im Zusammenhang mit der Bundeswehr eine relevante „planmäßige Missachtung und Verfälschung der Realität“ gibt, wie Herr Gramm behauptet, dann besteht sie in solchen Verschwörungstheorien, die scheinbar auch in der Bundeswehr Anhänger haben. Würden Sie es befürworten, dass entsprechende Soldaten demnächst durch den BAMAD beobachtet werden, oder leuchtet es Ihnen vielleicht doch ein, dass sich mit den Formulierungen von Herrn Gramm die Beobachtung von allem und jedem begründen lässt und sie deshalb aus rechtsstaatlicher Sicht problematisch sind?
Die beiden vorangegangenen Kommentare haben recht klar die jeweiligen Pole der Diskussion hier markiert – und dabei wird auch deutlich, welche Schärfe in dieser Debatte zunimmt.
Ich nehme das mal als Schlussstrich, denn entscheidend neue Gesichtspunkte scheinen mir hier nicht mehr eingebracht zu werden, sondern mehr oder weniger Bekräftigungen der jeweiligen Position.