Deutsch-Französischer Ministerrat: Einigung über Rüstungsexporte – aber noch keine Details (Nachtrag)

Bei den deutsch-französischen Regierungskonsultationen in Toulouse scheint es noch keine endgültige Einigung über die geplanten Regeln für Rüstungsexporte bei Gemeinschaftsprodukten beider Länder gegeben zu haben. Die Verhandlungen darüber seien zwar abgeschlossen, aber die letzten Schritte sollten so bald wie möglich umgesetzt werden, heißt es in der gemeinsamen Abschlusserklärung.

Mit dem im Januar abgeschlossenen Aachener Vertrag für eine engere Zusammenarbeit Deutschlands und Frankreichs hatten sich beide Länder unter anderem darauf verständigt, Festlegungen für den Export von Rüstungsgütern zu treffen, die Teile aus dem jeweils anderen Land enthalten – konkret also vor allem französisches Gerät mit Anteilen deutscher Technik. Die Regeln dafür sollen in einer Vereinbarung festgelegt werden, deren Entwurf schon seit Februar vorliegt – aber in einem wichtigen Detail noch nicht endgültig fixiert ist:

Defence products developed by one Party’s manufacturer (outside the framework of cooperation projects) and incorporated by the manufacturers of the other Party shall be subject to the de minimis principle: so long as the portion of the activity of the manufacturers of one State in the defence systems transferred or exported by the other State remains below a percentage jointly determined beforehand, the Party will issue the respective export authorizations without delay.

Und genau um diesen Prozentsatz geht es. Nach Berichten, die vor allem auf französische Quellen zurückgehen, soll er bei 20 Prozent festgeschrieben worden sein:

Nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP soll auf dem Ministerrat eine Einigung in dem Streit um Rüstungsexporte verkündet werden. Nach Angaben aus französischen Regierungskreisen sind Berlin und Paris übereingekommen, dass Deutschland Ausfuhren gemeinsamer Rüstungsgüter künftig nicht blockiert, wenn diese weniger als 20 Prozent deutscher Bauteile enthalten.

hatte der Deutschlandfunk vor dem Treffen berichtet.

Das gemeinsame Papier aus Toulouse vom heutigen Tag ist dagegen, nun, etwas zurückhaltender, eine Einigung wurde nicht wirklich verkündet:

Die Bundesregierung und die französische Regierung haben im Vertrag über die deutsch-französische Zusammenarbeit und Integration (Vertrag von Aachen) vereinbart, einen gemeinsamen Ansatz für Rüstungsexporte zu entwickeln. Beide Seiten haben heute ihre Verhandlungen zu einem rechtlich bindenden Abkommen abgeschlossen, dessen letzte Schritte so bald wie möglich umgesetzt werden.

Das ist feinster Diplo-Sprech. Unter letzte Schritte könnte ich mir zum Beispiel die Festlegung einer Prozentzahl vorstellen…

Nachtrag: Aus der gemeinsamen Pressekonferenz von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel dazu (nach dem Transkript des Bundespresseamtes):

Macron: Wir haben große Fortschritte im Bereich der Verteidigung erreicht, vor allem auch was den industriellen Bereich angeht. Beim Deutsch-Französischen Sicherheits- und Verteidigungsrat heute Nachmittag haben die Außen- und Verteidigungsminister verschiedene Hindernisse überwinden können, um hier wirklich voranzukommen. Es gab eine Absichtserklärung für den MGCS, also den Panzer der Zukunft, der ja ganz wichtig für unsere Industrie und auch für die Ökosysteme ist, sowie eine Grundsatzerklärung bezüglich der gemeinsamen Arbeit in der nächsten Zukunft, was FCAS angeht – im Rahmen von Le Bourget haben wir bereits darüber gesprochen. Wir haben uns bis Ende Januar Zeit gegeben, um hier die fünf Säulen auszuarbeiten. Es wurde viel von der Industrie und von den Ministerien geleistet. Wir wollen die Ziele, die wir uns gesteckt haben, erreichen, um bis 2026 die ersten Demonstrationsobjekte zu haben, die wir dann unserer Industrie und den Streitkräften zur Verfügung zu stellen.
Wir haben auch ein rechtsverbindliches Abkommen für Rüstungsexporte abgeschlossen, das von den Ministern paraphiert wurde. Das war mehr als ein Jahr Arbeit, die hiermit heute zum Abschluss gebracht werden konnte. (…)

Merkel: Ich will ausdrücklich die Arbeit des Deutsch-Französischen Sicherheits- und Verteidigungsrats hervorheben. Hier sind sozusagen große historische Projekte in Gang gesetzt worden. Man kann sich das noch gar nicht genau vorstellen, aber wenn Deutschland und Frankreich gemeinsam im Flugzeugbereich und im Panzerbereich die Entwicklung vorantreiben, dann kann das, ähnlich wie es bei Airbus der Fall ist, wirklich auch ein großes Momentum entwickeln. Wichtig war, dass wir nach langen und auch nicht immer ganz einfachen Verhandlungen ein Rüstungsexportabkommen fertiggestellt und abgeschlossen haben und damit auch mehr Sicherheit in diese Fragen hineinbringen, die von der Gesamtkultur her in Deutschland und Frankreich in den vergangenen Jahren unterschiedlich gesehen wurden, und dass wir einfach versuchen, uns einander ein Stück weit anzunähern. (…)

Frage: Frau Bundeskanzlerin, die erste Frage an Sie, und zwar zu dem Abkommen über Rüstungsexporte: Inwieweit ist dieses Abkommen quasi wasserdicht, so dass sich Frankreich darauf verlassen kann? Wird die SPD zustimmen? Inwieweit sind die Exporte nach Saudi-Arabien davon betroffen?
Herr Präsident, ich habe noch eine Frage zu den Rüstungsexporten. Könnten Sie vielleicht erklären, warum Frankreich Waffen nach Saudi-Arabien exportiert, Waffen, die im jemenitischen Bürgerkrieg verwendet werden können?

Merkel: Das Abkommen ist ganz federführend durch die Außenministerien verhandelt worden, und der deutsche Außenminister ist Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Das ist sicherlich bekannt. Insofern konnte es gegen den Willen der SPD gar nicht abgeschlossen werden. Außerdem würden wir so etwas in der Koalition nie tun.
Wir werden es noch im Kabinett verabschieden. Darin werden vor allen Dingen die sogenannten De-minimis-Regeln geregelt. Das heißt, wenn ein Land Komponenten zu den Rüstungsprodukten eines anderen Landes beiträgt, dann ist dafür die Genehmigung erteilt. Ganz wesentlich geht es auch um Gemeinschaftsprojekte, damit man bei diesen Gemeinschaftsprojekten Verlässlichkeit hat.
Wir haben uns natürlich nicht mit jedem Land einzeln befasst. Dieses Abkommen wird jetzt für eine lange Zeit abgeschlossen. Je nach Lage und politischer Einschätzung – Sie haben ja gehört, dass Frankreich sagt: Es gibt zurzeit keine Waffenexporte in die Türkei – wird man natürlich Entscheidungen treffen. Dieses Abkommen ist sozusagen ein Rahmen für Verlässlichkeit. Ich denke, dass es sehr gut ist, dass wir es abschließen konnten.

Macron: Zum Thema der französischen Waffenexporte: Das Ganze unterliegt der Genehmigung eines entsprechenden Ausschusses unter Vorsitz des Premierministers. Bei diesem Thema gibt es Exporte, wie es sie auch in Deutschland gibt, mit unterschiedlichen Verfahrensweisen für die Genehmigung. Ich lade Sie ein, sich immer wieder anzusehen, welches Land das Zielland ist, vom Herkunftsland in das Zielland. Manchmal läuft das Ganze auch über Drittländer. Das führt natürlich dazu, dass man dann sehr informiert darüber diskutieren kann.
Jetzt zum Thema Saudi-Arabien: Wir haben eine strategische Beziehung mit diesem Land genauso wie auch mit den Vereinigten Arabischen Emiraten. Es gibt Rüstungsexporte. Saudi-Arabien gehört aber weder zu den Hauptzielländern noch zu den Hauptvertragspartnern. Es gibt mehrere Ausrüstungs- und Rüstungsverträge – die sensibelsten davon wurden bereits vor einigen Jahren unterzeichnet -, die dazu führten, dass es Einschränkungen gab oder dass Erklärungen verlangt wurden, damit die Produkte nicht in entsprechenden Einsatzgebieten verwendet werden.
Die Frage ist jetzt: Gibt es in diesem Kontext Grund dafür, dass wir das in Richtung Saudi-Arabiens vollständig hätten stoppen sollen? Unsere Entscheidung war, dass Saudi-Arabien für uns ein Partner ist, der auf seinem Hoheitsgebiet auch selbst angegriffen wird. Die Tatsache, dass wir diese strategische Partnerschaft haben, führte zu der Einschätzung, dass der brutale Abbruch der Beziehungen dazu geführt hätte, dass man Misstrauen geschaffen und damit Türen für andere geöffnet hätte, die von heute auf morgen Ersatz geleistet hätten, ohne jede Form von Effizienz. Aber natürlich betrachten wir die militärische Situation ganz genau und haben auch Erklärungen gefordert.

Nachtrag 2: Interessant dazu die Einschätzung aus dem Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI):