Rüstungsexporte: Frankreichs Botschafterin beklagt „Willkür innenpolitischer Debatten“
In ungewöhnlicher scharfer Form hat sich Frankreichs Botschafterin in Deutschland in die Debatte über deutsche Exportbeschränkungen bei gemeinsamen Rüstungsprojekten eingeschaltet. Wenn bei Vorhaben wie dem geplanten französisch-deutschen Future Combat Air System (FCAS) Exporte außerhalb der EU aus Prinzip blockiert oder der Willkür aktueller innerpolitischer Debatten in einem der Partnerländer unterstellt werden, dann stellt dies die langfristige Realisierbarkeit dieses Programms in Frage, schrieb Botschafterin Anne-Marie Descôtes in einem Gastkommentar für die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS), der am (heutigen) Dienstag veröffentlicht wurde.
Die Diplomatin reagierte damit auf die jüngsten Entscheidungen der Bundesregierung, vor allem Rüstungslieferungen an Saudi-Arabien auszusetzen und damit auch Exporte anderer EU-Länder zu stoppen, wenn die Waffensysteme deutsche Zulieferteile enthalten. Es gebe eine Unvorhersehbarkeit der deutschen Politik zu Ausfuhrkontrollen, insbesondere die Ungewissheit über die Umsetzung der im Koalitionsvertrag festgeschriebenen Leitlinien selbst bei nur geringen deutschen Anteilen wie Dichtungen oder Kugellager, klagte Descôtes.
Dieses Problem geht weit über die Länder hinaus, die am Jemen-Krieg beteiligt sind, und betrifft auch Exporte nach Senegal, Indien, Indonesien oder den Niger. Das verstärkt den Eindruck, dass das deutsche Exportkontrollsystem nicht restriktiv, sondern unberechenbar ist, und dass es sich vor allem an der aktuellen deutschen Innenpolitik und nicht allein an der strikten Anwendung europäischer Kriterien und internationaler Verpflichtungen ausrichtet.
Die Botschafterin wies die in der deutschen Debatte angeführte Ansicht zurück, die Regeln für den Rüstungsexport würden in Frankreich und anderen EU-Ländern großzügiger gehandhabt als in Deutschland. Entgegen einiger Stimmen aus Berlin ist das französische Kontrollsystem für Waffenexporte genauso streng wie das deutsche System. Es beruht auf klaren und vorhersehbaren Genehmigungsverfahren, betonte Descôtes. Zugleich verwies sie auf einen Schwachpunkt der deutschen Exportbeschränkungen, der in Frankreich nicht gelte: Ferner achtet Frankreich ganz besonders darauf, dass seine Waffenausfuhrkontrollinstrumente durch ausländische Niederlassungen französischer Unternehmen nicht umgangen werden. Deutsche Unternehmen wie der größte deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall waren unter anderem deswegen in die Kritik geraten, weil über Tochterfirmen oder Beteiligungen zum Beispiel in Italien und Südafrika Waffen an arabische Länder exportiert wurden.
Die Botschafterin mahnte Deutschland, bei den Entscheidungen über Rüstungsexporte gemeinsam produzierter System zum Prinzip des gegenseitigen Vertrauens zurückzukehren, wie es jahrzehntelang der Fall war. Das sei vor allem für die geplante Vereinbarung für die Exportregeln bei den künftigen gemeinsamen Projekten wie FCAS und das Main Ground Combat System (GMCS) bedeutsam: Es geht vielmehr um gemeinsame Bewertungsgrundsätze, die auf dem Vertrauen beider in die Sorgfalt des anderen ruhen.
Die Wortmeldung Descôtes‘ ist vor allem für die laufenden deutsch-französischen Gespräche über eine Zusatzvereinbarung zum Aachener Vertrag von Bedeutung, mit der der Umgang mit Rüstungsexporten geregelt werden soll. Der im Februar bekannt gewordene Entwurf sieht vor, dass keines der beiden Länder den Exportplänen des anderen widerspricht, so lange nicht dessen direkte Interessen oder die nationale Sicherheit beeinträchtigt sind. Diese Vereinbarung komme auch unter Beteiligung der SPD zustande, betonte die Botschafterin: Entgegen dem, was wiederholt berichtet wurde, wird dieses Abkommen mit der gesamten Bundesregierung ausgehandelt, also mit allen Partnern der Großen Koalition (CDU, CSU und SPD).
Schließlich habe auch SPD-Vizekanzler Olaf Scholz im August vergangenen Jahres vor französischen Unternehmern erklärt, Europa brauche eine gemeinsame Herangehensweise für militärische Ausrüstung: Daraus müssen wir die notwendigen Konsequenzen ziehen und uns auf gegenseitiges Vertrauen und auf klare, effiziente und vorhersehbare Genehmigungsverfahren für Waffenexporte stützen können.
Der Wortlaut des Gastkommentars ist hier verfügbar.
(Archivbild: Jahresempfang des Wehrbeauftragten in der französischen Botschaft in Berlin am 12.6.2018, v.l. Wehrbeauftragter Hans-Peter Bartels, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die Vorsitzende des Europa-Ausschusses im Französischen Parlament, Sabine Thillaye, und Botschafterin Anne-Marie Descôtes – Marco Urban/Deutscher Bundestag)
Ob man die Botschafterin auch zur persona non grata erklären möchten, wie das bei Richard Grenell vor ein paar Wochen der Fall war?
Spaß beiseite:
Wie es aussieht, sind die Verbündeten nicht länger willens, die deutschen Eskapaden mitzutragen. Das war auch nur eine Frage der Zeit. Bin schon mal auf die offizielle Antwort der Regierungsparteien gespannt.
Trevor Faith | 26. März 2019 – 12:07
„Bin schon mal auf die offizielle Antwort der Regierungsparteien gespannt.“
sehr passend, dass Sie nicht von DER Regierung sprechen sondern von DEN Regierungsparten ;)
Eine Antwort DER Regierung wird es wohl nicht geben. Dazu müsste man sich erstmal auf irgendwas einigen können. Ob Frau Merkel wohl noch weiß, wo sie ihre Richtlinienkompetenz hingelegt hat, als sie diese zuletzt benutzt hat?
@f28
Angeblich gerade erst, als sie NorthStream mit der Zustimmung zu Artikel 13 von den Franzosen erkauft hat.
Insofern: Wogegen möchte man den Rüstungsexport eintauschen?
Hat sich FR nicht in EU Verträgen ebenso festgelegt nicht in Kriesengebiete zu liefern?
Ist gemäß NATO Vertrag Artikel 1-4 eine Lieferung an SA nicht eher auszuschließen?
Im Gegensatz zu dem US-Botschafter und dessen ständigen Sanktionsdrohungen gegen Deutschland, kommt die französische Botschafterin ganz sachlich daher und nicht im Befehlston eines Hochkommissars einer Besatzungsmacht!
In der Sache hat sie vollkommen Recht. Nur, ob dies was hilft, ist zweifelhaft.
Denn die SPD-Chefin Frau Nahles will ja den Exportstopp für den Jemen um 6 Monate verlängern, ihre Lieferungen mit ein paar deutschen Dichtungen auszunehmen und ohne darüber nachzudenken, daß der Meteor im Jemen nicht eingesetzt werden kann, weil die Rebellen keine Luftwaffe haben.
@f28 Die Richtlinienkompentenz hat die Kanzlerin doch vermutlich gerade bei der Urheberrechtsreform eingesetzt, denn laut Koalitionsvertrag hätte Deutschland gegen die Urheberrechtsreform stimmen müssen.
Ich glaube nicht, daß die Kanzlerin oder AKK diesen Monat ernst machen, sondern sie werden wieder vor der schwachen SPD Position einknicken und den Exportstopp um einen Monat verlängern……Daran wird auch die französische Botschafterin nichts ändern können. Hier geht es nur um Innenpolitik und Wahlkampf, nach dem Motto, nach mir die Sinnflut.
Interessant wäre nur noch zu wissen, in welche Länder Deutschland aktiver Waffen exportieren soll als Frankreich? Denn mir fällt das nur Israel ein.
Worum geht es?
„Das Europa, das wir kennen, ist zu langsam, zu schwach, zu ineffektiv“ so Macron in seiner Rede vom 05. März zur Erneuerung Europas.
Die Feststellung trifft für sämtliche strategisch relevanten Entscheidungen der EU (mit/ohne UK) im Verhältnis ihrer globalen Mitbewerber, den USA und China zu.
Der EU fehlt notwendiges Format in der Geschwindigkeit politischer Willensbildung, der reziproken Marktöffnung mit Drittstaaten und nicht zuletzt militärischer Fähigkeiten, ganz besonders auf den Weltmeeren.
Macron: „… Erhöhung der Militärausgaben, Anwendungsfähigkeit der Klausel über die gegenseitige Verteidigung, Europäischer Sicherheitsrat unter Einbeziehung Großbritanniens zur Vorbereitung unserer gemeinsamen Entscheidungen“.
Dringliche Ansätze, mahnend aber diplomatisch fein verpackt, liefert Paris seit 2017.
– Rede an der Sorbonne samt 15-monatiger „Gähn“pause in Berlin
– Aachener Vertrag
– Rede „Erneuerung Europas“ vom 05.03.19
– Antwort AKK, statt Kanzlerin
– Koalitionsvertrag mit Zusagen Richtung 2% via 1,5%
– Anspruch deutsch-französisches Parlament, gestern.
Dass nunmehr die Botschafterin an prominenter Stelle der BAKS sehr undiplomatisch Klartext bringt, legt nahe, der kongeniale Partner verliert seine Geduld, – Macron verliert diese. Denn natürlich spricht Madame Anne-Marie Descôtes namens ihres Präsidenten.
Es geht dabei nicht allein um FCAS oder das GMCS, sondern z.B. sicher auch um die Nicht-Einsetzbarkeit der D/F Brig zu bspw Peace Enforcement. Kennzeichnend, er, der Präsident spricht von Europa, die Botschafterin benennt den deutschen Bremsklotz.
@Travor Faith
Möglicherweise wird Kubicki auch ihre Ausweisung fordern ^^
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Ernsthaft: in Zeiten internationaler Partnerschaften und Kooperationen, sind nationale Egoismen eben nicht umsetzbar.
Mit dieser Wahrheit wird sich auch die Koalition bei Gelegenheit beschäftigen müssen.
Eine weitere Wahrheit ist, dass man vor der Wahl steht, die Rüstungsindustrie schlicht endgültig an die Wand zu fahren und das Feld anderen zu überlassen. So könnte man endlich behaupten, dass deutsche Waffen nicht mehr bei kriegerischen Auseinandersetzungen Verwendung finden.
Die Kehrseite der Medaille muss jedem klar sein.
Speziell zu Saudi Arabien: der deutsche „Gutmensch“ weiß aber schon noch, um was es da geht und welche Folgen ein Sieg der iranischen Vasallen für Weltwirtschaft haben könnte?
Wir können das jetzt hier ad infinitum mit „Logik und Rationalität“ durchdeklinieren wie wir wollen: Ein nicht geringer Anteil der Bundesbürger findet Rüstungsexporte in solch „problematische Regionen“ wie den Mittleren Osten eben generell nicht sonderlich toll. [Zynismus an] Man kann noch so viel Loblieder auf die Nahrhaftigkeit von Spinat singen, eine ganze Menge Leute werden das Zeug auch weiterhin zum Kotzen finden. [Zynismus aus] Und genau auf die schielt die SPD mit ihrem kategorischen Nein, teils aus Wahltaktik, teils aus eigener Überzeugung (solls ja auch geben).
Willkür innenpolitischer Debatte!? Ich meine, das haben Demokratien so an sich???
Ich verstehe die Argumentation der Botschafterin nicht. Wenn die Regeln in Frankreich genauso streng sind wir hier kann es sich zu hat keinen Unsicherheiten kommen. Schließlich werden die Regeln ja hier schon aus Opportunitätsgründen regelmäßig gedehnt. Wenn Frankreich sogar strengere Regeln hat kann es sich gar nicht zu einer Blockade durch Deutschland kommen. Umgekehrt würde dann ja eher Frankreich deutsche Exporte bedrohen.
Ich würde der Botschafterin aber zustimmen. Planbarkeit ist wichtig. Wir sollten es und also in Zukunft verkneifen die Regeln zu dehnen und solche Exporte an Länder mit einer Menschenrechtssituation wie Saudi-Arabien grundsätzlich nicht zupfen. Damit kann man dann prima planen.
Klare Worte zur aktuellen Lage und den realitätsfernen Vorstellungen in der deutschen Debatte (insbesondere zur Europäisierung der Ausfuhrgenehmigung).
Es bleibt abzuwarten, ob zumindest die „in-minimus“-Regel wirklich bald umgesetzt wird.
Mal sehen, ob es zumindest eine Replik aus Deutschland auf ähnlichem Niveau geben wird. Dafür bräuchte es jedoch ein Grundverständnis der hier skizzierten politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge und den politischen Mut sich mit einer ggf. innenpolitisch unbequemen Meinung in die politische Debatte einzubringen.
@AoR | 26. März 2019 – 17:43
„Willkür innenpolitischer Debatte!? Ich meine, das haben Demokratien so an sich???“
Nur weil wir Deutschen uns daran gewöhnt haben, dass es bei uns leider häufig so ist, heisst das noch lange nicht, dass es auch so sein sollte…
Natürlich unterliegt auch die Außenpolitik einem demokratischen Diskurs und einer demokratischen Kontrolle. Aber deswegen sollte Außenpolitik noch lange nicht mit sachfremder Innenpolitik vermischt werden.
Ihre Exzellenz hat Recht. Die innenpolitische Debatte in diesem Land trägt z.B. nicht im Mindesten der Tatsache Rechnung, dass Deutschland vor allem Schiffe und sog. Dual Use-Güter exportiert, bspw. Lastkraftwagen und Computersysteme. Dergleichen als „Waffenexporte“ zu titulieren oder etwas von der blutigen Niederschlagung friedlicher Demonstrationen zu fabulieren, fällt für mich unter bewusste Irreführung.
Alles in allem würde ich meinen, dass das Verhalten Deutschlands auf der Weltbühne im Jahr 2019 eher zum Jahr 1949 gepasst hätte: Emotionen und moralinsaure Absichtserklärungen anstelle von Realpolitik. Freilich sind unsere Partner daran nicht ganz unschuldig. Mich würde nicht wundern, wenn manche Entscheidung Frau Merkels in den letzten Jahren dadurch beeinflusst worden wäre, dass Demonstranten in angeblich befreundeten Staaten mit Merkel-Puppen in Nazi-Uniform paradierten.
Die beiden Positionen stehen nebeneinander im Raum, ohne dass sich die eine Seite mit den Argumenten der Gegenseite inhaltlich stark auseinandersetzt (positive Ausnahme war Sicherheitshalber).
Die jeweiligen Interessenvertreter (einige Außen- und Verteidigungspolitiker, Wirtschaftsvertreter gegen Menschenrechtsvertreter und Politiker anderer Lager) formulieren nur ihre eigenen Interessen, statt dass auf die Interessen des Anderen eingegangen würde. Diese Phase der Startposition-markieren wird aber nicht verlassen, sondern immer kultiviert.
Dabei drängt sich der Gedanke auf, dass es weniger um das Gestalten als um das Gehört-werden geht.
Es bleibt bei der Rhetorik „Profitgier“ gegen „Wirtschaftsstandord in Gefahr“.
So kann kein Ausgleich gelingen zwischen Werten und Sicherheit in der Außen-, Wirtschafts- und Verteidigungspolitik.
Wie kommen wir da raus?
Den Koalitionsvertrag gibt es seit Februar 2018. Es gibt wohl eher die Debatte, ob man sich daran halten solle oder ein „verlässlicher Partner“ sein wolle.
Ich verstehe nicht, warum Waffenlieferungen an SA in Frankreich und UK nicht umstritten sind? Kriegen die dortigen Regierungen keinen Gegenwind von ihren Wählern? Wo wollen die denn die “Rote Linie” ziehen, wenn nicht bei Saudi Arabien? Nur bei Russland oder was?
Für mich ist die Sache eindeutig: der Jemenkrieg wurde noch nicht beendet, in Saudi Arabien sind noch die gleichen Leute an der Macht, die den Oppositionellen haben töten lassen, und in Deutschland ist noch die gleiche Regierung an der Macht, die bei Regierungsbildung den Stopp der Waffenlieferungen in den Koalitionsvertrag geschrieben hat. Wieso sollte man da das Moratorium jetzt beenden? Es hat sich absolut nichts an der Ausgangslage geändert.
Nur weil wir gerne auf Ebene von EU und NATO eine Vereinheitlichung der Ausrüstung haben wollen, und es stückzahlmässig billiger wird, wenn wir gemeinsam Panzer und Flugzeuge entwickeln, heisst das noch lange nicht, dass wir deshalb das Zeug in den Rest der Welt exportieren müssen! Der Kram dient der Landes- und Bündnisverteidigung, und die Position sollte man nicht einfach so aufgeben, nur weil die EU oder NATO Partner da eine andere Meinung haben: das muss man halt politisch ausverhandeln! Da haben nicht einfach von vornherein die anderen Recht! – Waffenexporte sind und bleiben eine politische Entscheidung und ein politisches Druckmittel. – Zu glauben, dass man da die Außenpolitik raushalten könnte, und das einfach nach Vertragstext läuft, und im Zweifelsfall die Gerichte entscheiden, ist meines Erachtens absolut unpolitisch und illusorisch, und auch nicht wünschenswert. Waffenexporte sind primär Außenpolitik, und eben nicht Wirtschaftspolitik!
Ich denke, die Debatte existiert in Frankreich und GB ebenfalls, ist aber vermutlich von deutlich höherem Pragmatismus (bzw. Zynismus) geprägt. Frei nach dem Motto: „Die geben ihr Geld sowieso mit vollen Händen für Waffen aus, dann können sie halt auch gleich unsere kaufen.“
Ich muss gestehen, dass ich aber auch die deutsche Moralposition hier ein Stück weit als ebenso miesen Zynismus begreife. Nach dem Motto: „Wenn wir keine G36 dorthin liefern, dann hat der Kindersoldat in Afrika immerhin kein deutsches Gewehr!“ Wer sich schon allein deshalb wirklich besser fühlt, setzt dann m.E. seine Prioritäten auch irgendwie komisch.
Die einzige „moralisch saubere“ Alternative wäre, selbst überhaupt keine Waffen mehr herzustellen. Nicht einmal mittelbar und durch Zulieferer! Das würde aber effektiv bedeuten, sich rüstungspolitisch vollkommen in Abhängigkeit von anderen Ländern zu bringen und ist definitiv auch keine tragfähige Position. Abgesehen von den Schwierigkeiten, die man hätte, beispielsweise Lieferungen von Stahl oder Maschinenteilen an andere Staaten dahingehend zu prüfen, ob nicht möglicherweise doch vielleicht Waffen damit hergestellt werden könnten…
@Koffer:
Sehr guter Einwand. Was ist der Michel bereit für Selbstachtung uns werteorientierte Selbstwirksamkeit bereit zu bezahlen. Der Preis muss selbstverständlich auch Teil der öffentlichen Debatte sein.
Saudi Arabien hat für viele eine Grenze überschritten.
Jeder Waffenexport nach Saudi-Arabien ist ein Bruch deutschen Rechts, der nur durch Korruption erklärbar ist. Darauf setzen die Kritiker.
Die gut 20.000 Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie könnten durch Konversion leicht in konstruktive Arbeit ohne Todesfolgen umgesetzt werden und die deutsche Politik wäre danach völlig berechenbar. Aber gute Konservative setzen im Konflikt zwischen Werten und Geschäft auf das Geschäft. Welche Christdemokraten beschweren sich in der aktuellen Situation über die Enthauptung von Christen in Saudi-Arabien? Das schadet nur dem Umsatz.
Es bleibt nur zu hoffen, dass die Mitglieder des Bundessicherheitsrates, die Waffenexporte genehmigt haben, eines Tages als Angeklagte auf Gerichtsbänken Platz nehmen für ihre Beteiligung am Massenmord.
[So, jetzt wird es langsam pöbelnd, das lassen wir hier. T.W.]
Mir ist bewusst, dass diese Seite durchaus von militärfreundlichen Lesern genutzt bzw. besucht wird, doch einige Meinungen und Aussprachen (z.B: „nationale Egoismen“ , „unzuverlässiger Partner“) gehen mir doch jenseits von gut und böse an dem Thema vorbei.
Ich denke mal, dass wir uns einigen können, dass im Jemen zurzeit einer der heftigsten militärischen Konflikte der letzten Jahre tobt. Es wurden bereits schwere Verletzungen des Humanitären Völkerrechts (HVR) und anderem geltendem Kriegsrecht festgestellt. Rechtsgrundlagen die zumindest die Bundesrepublik Deutschland (BRD) anerkennt.
Zum Zweiten hat man sich in einem Koalitionsvertrag zur der Thematik „Jemen-Konflikt“ geeinigt. Ich finde es gerade zu heuchlerisch, dass der systematisch durchgeführte Mord an einem Journalisten (= eine Person) zum Anlass für den Exportstop nach Saudi-Arabien (SA) genommen wurde und der Konflikt bislang anscheinend diesbezüglich mit seinen zehntausenden Toten nicht ausreichend war. Da ist für mich die Scham aufgehangen!
Das Argument der nicht lethalen Mittel, die ebenso als Rüstungsgüter aufgeführt werden… nunja, wäre eine Debatte wert, doch prominente Beispiele wie Eurofighter und Patrouillenboote (erstere bereits im Krieg im Einsatz gewesen, zweite im Sinne von Hafenblockaden durchaus einsetzbar) sind nicht von der Hand zu weisen und ob auch ein Computersystem letztendlich als sekundärer Faktor im Krieg mitmischt ist zu prüfen.
Das Argument oder besser gesagt die Drohung in der freien Wirtschaft sind Arbeitsplätze, in der Rüstungsindustrie kommt der Erhalt bestimmter Kernfähigkeiten und -Technologien dazu. Dies darf meines Erachtens nicht dazu führen, dass wir unsere moralischen und sogar rechtlichen Ansprüche an uns selbst über Bord werfen, auch wenn es andere „Partner“ tun mögen. Der Sicherheitssektor ist schließlich auch zum Schutz dieser aufgestellt.
Der Export ist sicherlich ein Standbein, doch die Abhängigkeit muss eben insofern reduziert werden, dass wir diese moralische Grenze ziehen können. Aus meiner Sicht ist es Aufgabe der BRD, den Erhalt der notwendigen Rüstungsindustrie auch gegen den Wiederstand der Bevölkerung oder zu Lasten andere, zivilen wie militärischen Bereiche zu garantieren, damit wir weiterhin international unsere Werte vertreten können. Finanzierung von Gehältern, Entwicklungshilfe, Ankauf auf Anleihe… alles denkbare Möglichkeiten.
Die neue Debatte über den tatsächlichen Anteil deutscher Beteiligung an internationalen Projekten ist meines Erachtens übrigens richtig und wichtig. Um über einen Rüstungsexport mitentscheiden zu dürfen, sollte man doch wesentlicher Teil des Projektes gewesen sein, das sind nicht 10%. Die Länge dieser Debatten bzw. des Entscheidungsprozesses sind allerdings lächerlich und zeigen wenig Verständnis (aus meiner Sicht) für beide Seiten in der Diskussion.
Metallkopf | 27. März 2019 – 9:44
„Ich muss gestehen, dass ich aber auch die deutsche Moralposition hier ein Stück weit als ebenso miesen Zynismus begreife. Nach dem Motto: „Wenn wir keine G36 dorthin liefern, dann hat der Kindersoldat in Afrika immerhin kein deutsches Gewehr!“ Wer sich schon allein deshalb wirklich besser fühlt, setzt dann m.E. seine Prioritäten auch irgendwie komisch.“
G36, G3, und MG3 sind von Saudi Arabien aus an ISIS nahe Milizen in Syrien/Irak gelangt. Es sind auch Waffen aus den USA von Saudi Arabien an diese Milizen geliefert worden. Nicht zu vergessen Osteuropa, wo man Flüchtlinge verabscheut aber das Geld des Krieges liebt. Die USA haben sie aber auch teilweise direkt beliefert.
Damit wurde ein Krieg am Laufen gehalten, der sonst früher hätte enden können.
Ich denke die Grenze war nicht erst da überschritten, sondern schon vorher. Saudi Arabien hat vor Jahren rumgetönt das G36 alleine herstellen zu können und exportieren zu wollen.
Nachdem das G3 das zweitmeistverbreitete Sturmgewehr und zweitmeist genutzte Waffe für Bürgerkriege ist, sollte man da doch Grenzen ziehen.
Allerdings hat noch niemand irgendeinen Vorschlag zu „Bomben für die Welt“ gemacht.
Rheinmetall liefert Bomben die im Jemen aufschlagen aber eben nicht aus Deutschland, sondern aus Italien und Südafrika. Rheinmetall hat den Saudis auch eine Munitionsfabrik für Granaten gebaut (Mörser, Artillerie…).
Die Patrouillenboote können durchaus für Seeblockaden genutzt werden, selbst deutsche Minenjagdboote wurden dafür eingesetzt.
Im Bundessicherheitsrat haben deren Mitglieder sich heute nicht einigen können, wie dpa meldet. Am 31. März läuft der Exportstopp aus. Die Koalition will jetzt weiter verhandeln und dann noch mal den Bundessicherheitsrat einberufen bis zum 31.03.2019.
Mir scheint die Union allerdings dumm zu sein, wenn sie vor dem 1. April weiter verhandelt, weil ohne Einigung läuft der Exportstopp ab und dies würde die Verhandlungsposition der Union stärken und die der SPD schwächen.
[Die verlinkbare dpa-Meldung dazu:
https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/id_85473864/bundessicherheitsrat-keine-einigung-ueber-ruestungsexportstopp.html
T.W.]
Letzten Endes läuft es doch auf die Kardinalfrage hinaus, ob man überhaupt eine Rüstungsindustrie haben will. Die implizite Antwort lautet derzeit offensichtlich „Nein“!
Nicht wegdiskutieren kann man nun Mal, das der europ. Markt zu klein ist um mit den derzeitigen Kapazitäten wirtschaftlich produzieren zu können.
Ergo:
Entweder macht man den Markt größer=> Export
Oder man ist bereit mehr Geld für die Rüstungsprodukte zu zahlen => Bedeutet mehr Geld im EP14.
Wenn man beides offensichtlich nicht haben/machen will, ist die logische Konsequenz, das man die Kapazitäten abbauen muss. Mit allen Folgen die das mit sich bringt (Abhängigkeit von Lieferanten, stark reduzierte sicherheitspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten, Arbeitsplatzverluste, Verlust der nationalen Werstschöpfungskette, teilweiser bis gänzlicher Verlust der Bewertungsfähigkeit, etc. etc)
Damit braucht man dann aber auch nicht mehr von Deutschland als Teil (oder sogar Treiber) einer europäischen, strategischen Selbstständigkeit, europäischen Rüstungsprogrammen oder eine „Armee der Europäer“ schwadronieren. Das ist dann eigentlich nur noch lächerlich.
Aber wenn man natürlich primär von innenpolitischen Erwägungen (und Umfragen) getriebene Politik macht, braucht einen das nicht kümmern. Nur wird das Ergebnis, je länger diese Hängepartie dauert, eh immer mehr in die Richtung gehen, das sich keiner mehr auf das Abenteuer einlassen wollen wird, mit den Deutschen etwas gemeinsam zu starten.
Es gibt ja nicht umsonst immer mehr europäische Konzerne der Branche, die sich mit dem Thema „German-free“ beschäftigen (Airbus ging ja bereits durch die Medien, andere zwar noch nicht, aber dort gibt es ähnliche Erwägungen). Das hat die Frau Botschafterin (FRA) in Ihrem BAKS Beitrag gestern ja ganz zutreffend thematisiert. Ebenfalls interessant in diesem Kontext ist auch der letzte Policy Brief des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK) zum Thema „Deutschlands Rüstungsexportpolitik auf dem Prüfstand“. Ebenso wie die FRA Botschafterin ziemlich „spot on“!
„Everything in life comes at a price“. Da macht Moral keine Ausnahme. Ich frage mich nur, ob den derzeit Handelnden der längerfristigere Preis vollumfänglich bewusst ist. Ich hab da so meine Zweifel….
In Frankreich gibt es durchaus eine Debatte über Waffenexporte.
Nur fehlt den Franzosen halt die deutsche Eigenheit, das Wohl der Welt definieren und gleich auch noch durchsetzen zu wollen.
Die deutsche Öffentlichkeit scheint zu glauben, dass europäische Rüstungsexporte Kriege fördern oder (sofern sie eingestellt werden) beenden, zumindest aber stark behindern könnten.
Das ist natürlich Unsinn. Es ist auch nicht unsere Rolle, anderen Völkern & Staaten vorzuschreiben, auf welche Weise sie Konflikte zu lösen, militärisch auszutragen oder zuzukleistern haben. This is not our business!
Saudi-Arabien führt diesen Krieg im Jemen, solange es das kann und für gerechtfertigt hält. Irgendjemand wird ihnen die dazu nötigen Waffen liefern – wenn Europa es nicht tut, dann eben China, Indien oder sonstwer.
Mancher mag ein gutes moralisches Gefühl haben, wenn wir keine militärischen Güter mehr nach Saudi-Arabien liefern – es wird aber gar nichts ändern.
Insofern halte ich die deutsche öffentliche Diskussion für ein sehr gutes Beispiel sinnloser Hypermoral. Die wir unseren Partnern dann auch noch aufzwingen („Multilateralismus“? War da nicht was?)
FPW | 27. März 2019 – 18:21
Das ist zu kurz gedacht.
Man könnte auch mit extrem billigen Krediten der Exportkreditbank die Modernisierung der Streitkräfte Europas beschleunigen UND an Länder liefern die unverdächtig sind irgendwelche Kriege anzuzetteln und nur ihr Territorium verteidigt wissen wollen.
@ SvD: Ich verstehe Ihren Vorschlag leider nicht. Streitkräfte werden nicht mit Krediten ausgerüstet, sondern mit Rüstungsgütern. Unternehmen entwickeln und produzieren diese nur, wenn es einen ausreichend aufnahmefähigen Markt hierfür gibt.
Dafür brauchen wir auch Exportmärkte. Die hinreichend groß sind – und deren Belieferung bitteschön in unserem Interesse liegen sollte.
@SvD:
Aus meiner Sicht geht Ihr Vorschlag am Kern des Problems vorbei!
1.) Geht es nicht um die finanzielle Absicherung eines Auslandsgeschäfts. Da fallen mir, selbst mit meinem begrenzten Wissen in dem Feld genügend Mechanismen ein. Aber das sind keine Mechanismen, die dafür gedacht sind die sicherheitspolitischen Ambitionen Europas zu subsumieren. Dafür gibt es die jeweiligen Verteidigungshaushalte. Und hier zeigt sich eben, das der europäische Markt zu klein ist, um konkurrenzfähige Produkte (im Sinn Entwicklungs- und „Stückkosten“) wirtschaftlich zu produzieren. Letzten Endes schlagen Sie aus meiner Sicht eine Vergrößerung des Marktbudgets durch Zweckentfremdung anderer Mittel vor. Ist ja eigentlich nichts anderes als ein „rechte Tasche, linke Tasche Spiel“. Politisch vielleicht ein netter Winkelzug, weil man sich dann dem politischen Diskurs ein Stück weit entziehen kann. Aber im Endeffekt auch nur Etikettenschwindel!
2.) Die Deutsche Definition bzw. das deutsche Verständnis von „irgendwelche Kriege anzuzetteln und nur ihr Territorium verteidigt wissen wollen“ ist halt auch verdammt eng. Da sind wir dann beim im ISPK Policy Brief kritisierten deutsche Rüstungsexportpolitik mit kaum umsetzbaren moralisches Anspruchsniveau und missionarischen Sendungsbewusstsein. Ohne die Wahl der Mittel und Methoden durch SA in irgendeiner Weise verteidigen zu wollen, ist deren Rational jedoch auch nicht völlig unbegründet, wenn man mal auf die Auslöser des Konflikts und die iranische Rolle dabei schaut.
Aus meiner Sicht ist und bleibt das Kernproblem eben in Deutschland verortet. Hier will man sich „moralisch lupenrein“ halten und ignoriert nach Kräften die realen und globalen Tatsachen. Geht natürlich schon, hat aber eben dann langfristig den Preis, das man hier wirtschaftlich und sicherheitspolitisch gedacht „den Laden Rüstungsindustrie“ letztlich zumacht. Mit allen von mir ausschnittsweise angerissenen Konsequenzen. Und hier sehe ich eben eine deutliche Dissonanz! Macht man sich in dem Punkt nicht ehrlich, werden wir immer und immer wieder in die aktuellen Probleme reinlaufen. Die aktuell auf SA abhebende politische Diskussion wird dann halt bei nächster Gelegenheit wieder an einem anderen Beispiel durchexerziert. Und beim übernächsten wieder.
Und die Neigung der internationalen Partner, sich das dauerhaft anzutun scheint offensichtlich sehr überschaubar!
@SVD: Ich spiele jetzt einfach mal den advocatus diaboli.
„G36, G3, und MG3 sind von Saudi Arabien aus an ISIS nahe Milizen in Syrien/Irak gelangt.“
Ja. Und? Ist das jetzt wirklich unsere Verantwortung, oder die von Saudi-Arabien? Die G3-Lizenzfertigungsverträge enthielten keine Klauseln hinsichtlich anderweitiger Endverwendungen der Waffen. Das mag man sicherlich als Fehler einschätzen, wenn man aus Gründen des persönlichen Wohlbefindens lieber nicht will, dass die eigenen Produkte in Kriegen landen, es ist aber in diesem Falle nun einmal so und lässt sich nachträglich auch nicht mehr ändern.
„Es sind auch Waffen aus den USA von Saudi Arabien an diese Milizen geliefert worden. Nicht zu vergessen Osteuropa, wo man Flüchtlinge verabscheut aber das Geld des Krieges liebt. Die USA haben sie aber auch teilweise direkt beliefert.
Damit wurde ein Krieg am Laufen gehalten, der sonst früher hätte enden können.“
…oder, der stattdessen mit Waffen und Munition aus anderen Ländern genauso weiter gelaufen wäre.
Wenn man an Menschen Produkte liefert, muss man wissen, dass diese Leute sowohl Fehler machen, als auch bewusst gegen Regeln verstoßen können. Wir haben nun durchaus Regeln, die den Export von Kriegswaffen regulieren und eindämmen. Es ist aber illusorisch zu glauben, dass diese Regeln nun primär dem Weltfrieden dienen, oder der Moral. Es geht schlicht um außenpolitische Handhabe gegenüber Käuferstaaten oder unterstaatlichen Gruppierungen im Falle der Unterstützung beispielsweise der Peschmerga. Frankreich wird auch in Staaten nicht liefern, die offen gegen französische Interessen opponiert haben oder dies gerade tun, es sei denn, um eine Verhaltensänderung herbeizuführen.
Sich in dieser Frage hinter moralischen Zeigefingern verstecken zu wollen, ist doch realitätsfern. Staaten haben Interessen. Auch Deutschland. Unser moralisches Wertegefüge mag unsere Interessen formen und beeinflussen, aber wenn wir unter Hinweis auf den Jemen-Konflikt keine Waffen mehr an Saudi-Arabien und weitere dort beteiligte Länder liefern, während der Iran und Hizbullah den Huthi-Rebellen materielle Unterstützung in großem Stil zukommen lassen, nehmen wir de facto gleichwohl Partei in diesem Konflikt, und zwar auf Seiten der schiitischen Milizen.
Abgesehen davon ist das ohnehin kaum nachvollziehbar, dass wir jetzt keine Waffen nach Saudi Arabien, Jordanien undsoweiter mehr liefern, aber mit Tornados im Rahmen von Counter Daesh von Al-Asrak (Jordanien!) aus munter gegen den IS im Irak und Syrien Aufklärung und Luftbetankung für die Koalition fliegen, die u.a. auch mittelbar den Kurden zugute kommt, die im Übrigen mit Gewehren und Raketen aus Deutschland bestens ausgestattet sind und noch dazu von deutschen Soldaten dort ausgebildet werden.
Wir unterstützen also selbst andere Staaten sowie unterstaatliche Akteure in einem Bürgerkriegsgebiet gegen den IS, beliefern letztere sogar mit Waffen und Munition während wir einen Einsatz, den die von Saudi-Arabien geführte Koalition gegen eine iranisch geförderte Insurgentenarmee, die gewiss auch nicht den Frieden mit dem Westen anstrebt, zum Vorwand nehmen, um dort Waffenlieferungen zu stoppen?!
Aus der „moralischen“ Sicht betrachtet kann das eigentlich nicht unser Ernst sein!
Es kann eigentlich nur daran liegen, dass wir über das Druckmittel der Exportgenehmigungen unseren Einfluss auf den Konflikt über Saudi-Arabien geltend machen wollen, weil dort wiederum Verbindungen zu Al-Quaida-Personal hochploppen, die nicht in unserem Interesse sind. Freilich liegt aber auch ein Sieg der Huthi-Milizen im Jemen wohl kaum im deutschen Interesse.
Um den Elefanten im Raum mal anzusprechen: Es geht hier nicht um Moral. Es geht einzig und allein um deutsche außenpolitische Interessen.
@FPW
Warum muss ein Staat Rüstungsgüter welmarktfähig produzieren?
Nein, die Bundesrepublik Deutschland hat kein Sendungsbewußtsein, sondern die Regierung hält sich in diesem Fall uU an internationale Verträge (siehe UN Carta, NATO Vertrag, Vertrag von Lissabon) da ein Teil der Bevölkerung nicht glaubt, dass es gut ist Waffen in Kriegsgebiete zu liefern.
Könnte es sein, dass unsere Partner vertragbrüchig sind? Könnte es sein, dass viele in Europa Interessen haben, welche eben nicht nur Handelsgetrieben sind?
Gibt es auf dieser Erde Staaten welche noch weniger Rüstungsgüter produzieren als wir?
Ist Deutschland nicht sogar an der Weltspitze der Rüstungsexporte?
Würden sich die europäischen Staaten daran halten nur mit NATO/EU Partnern Rüstungsgüter zu handeln, wäre das ein Problem?
Japan hat 70Jahre nicht für den Rüstungseexport produziert.
Europa müsste uns genügen
Wenn unsere Partner weiter Politik wie vor 1945 betreiben wollen, muss das nicht unser Weg sein und Deutschland ist mit dieser Ansicht nicht alleine.
Ja, die Politik muss sich ehrlich machen und ggf der Industrie den entstandenen Schaden erstatten und den Partnern klar sagen was mit uns geht und was nicht.
Selbstverständlich kann man Geschäfte über alles stellen, aber will das die Bevölkerung wirklich? Wäre das in unserem nachhaltigen Interesse?
@Zimdarsen | 28. März 2019 – 12:10
Warum muss ein Staat Rüstungsgüter welmarktfähig produzieren?
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Nur zur Klärung, da es mir klingt, als wenn sie DEU meinen: Die deutsche Rüstungsindustrie arbeitet privatwirtschaftlich und nicht staatlich. Das ist aber auch einer der inhärenten Konflikte dieses Konstrukts, weil sie zwar privatwirtschaftlich arbeitet und produziert, der markt selber aber nicht privatwirtschaftlich organisiert und geregelt ist.
Die Alternative wäre eine staatliche Rüstungsindustrie wie in Frankreich. Da ist es möglich, dass der Staat als Förderer seiner eigenen Unternehmen „offensiv“ Werbung mit seinen Produkten macht, wenn beispielsweise eine Fregatte als „Show Boat“ zu einem potentiellen Kunden beordert wird.
Außerdem kann man es sich als staatlicher Betreiber der Industrie erlauben, in Zeiten von Auftragstiefs das Personal trotzdem zu halten, weil die entstehenden Kosten (keine Aufträge, aber Personalkosten) in keiner Wirtschaftlichkeitsbilanz gegengerechnet werden müssen, wie es ein Privatunternehmer täte.
@Fussgaenger | 28. März 2019 – 12:26
Warum es so ist wie es ist, müssen Sie hier keinem erklären die Frage ist: “ muss ein Staat Rüstungsgüter welmarktfähig produziere?
Nein, muss er nicht und die USA und Deutschland tun genau die bei einigen militärischen Produkten.
Der Staat hat die Hoheit zu entscheiden was im SiPo Interesse gehandelt wird.
Der Punkt ist nur, wenn es dann teuer wird, muss man bereit sein die Mehrkosten zu tragen (siehe auch G5 Thematik).
@ Zimdarsen
Da haben Sie mich missverstanden! Ich plädiere nicht dafür, dass ein Staat (hier konkret DEU) Rüstungsgüter weltmarktfähig produzieren muss.
Thema Verträge: Teil der Wahrheit ist auch, dass es Verträge wie etwa den Arms Trade Treaty gibt, den der BT bereits 2013 ratifiziert hat. Darin wird ja der Waffenhandel entsprechend geregelt. Nur legt man hier in DEU bei der Auslegung wieder mal die berüchtigte „extra Schippe drauf“ und blockiert sich selbst. Auch div. EU Richtlinien für einen gemeinsamen Rüstungsbinnenmarkt werden hier offensichtlich ignoriert, weil die nicht in den Kram passen.
„Ist Deutschland nicht sogar an der Weltspitze der Rüstungsexporte?“
Sollte man auch mal differenzieren. Stichwort „Wert eines Klasse 212 U-Boots und sein Anteil am Exportvolumen“! Davon abgesehen werden die SIPRI-Zahlen, die diese Wahrnehmung in DEU ja wesentlich begünstigen, ja auch seit einiger Zeit wegen Ihrer mangelnden Vergleichbarkeit deutlich kritisiert. Allerdings schlägt sich das in der medialen Berichterstattung erschreckend wenig nieder….
„Gibt es auf dieser Erde Staaten welche noch weniger Rüstungsgüter produzieren als wir?“
Klar, aber was hat das mit uns zu tun? Um mal etwas provokant zu fragen: Vergleichen wir uns mit eher mit Lesotho? Oder ist unsere Vergleichsebene doch eher Frankreich oder UK & Co?
„Würden sich die europäischen Staaten daran halten nur mit NATO/EU Partnern Rüstungsgüter zu handeln, wäre das ein Problem?“
Ja, da der europäische Markt offensichtlich zu klein ist. Kann man natürlich durch entsprechende nationale VtdgHH entsprechend kompensieren. Will man aber ebenso offensichtlich nicht.
Entsprechend stimmt „Europa müsste uns genügen“ eben nicht!
„…und Deutschland ist mit dieser Ansicht nicht alleine.“ Welche für uns relevanten Staaten teilen diese Sicht denn?
„Ja, die Politik muss sich ehrlich machen und ggf der Industrie den entstandenen Schaden erstatten und den Partnern klar sagen was mit uns geht und was nicht.“
Womit Sie dann gleichzeitig die Konsequenzen erklären müssten. Aber hier herrscht nach meiner Bewertung „Feigheit vorm Wahlvolk“ vor. Wäre man so konsequent, müsste man die DEU Werftenindustrie beispielsweise ziemlich schrumpfen. Bin mal gespannt was dann die MdB aus dem jeweiligen Wahlkreisen sagen, bzw. zu hören bekommen! Wie gesagt, kann man alles machen, aber die Aufrichtigkeit scheint die Bundespolitik eben nicht aufzubringen.
Und bisher ist auch eher das Gegenteil der Fall. Wir sagen unseren Partnern bei verschiedensten Gelegenheiten (NATO 2% Ziel, div. Reden i.R.v. MSC, PESCO, EU BGs, etc. etc.) etwas simplifiziert „Wir wollen“. Übrigens auch die entsprechenden Spitzenpolitiker der SPD. Aber das eben nur so lange die Scheinwerfer an sind und es schöne Bilder gibt.
Wenn es dann an die konsequente Umsetzung geht, wird aber meist unter Zuhilfenahme eher fragwürdiger Begründungen, „gekniffen“. Ihrem Gedanken folgend wäre die ehrliche Message doch eher „Wir wollen nicht und melden uns ab!“.
Gibt aber schlechte Presse, macht also keiner!
„Selbstverständlich kann man Geschäfte über alles stellen, aber will das die Bevölkerung wirklich? Wäre das in unserem nachhaltigen Interesse?“
Das ist der Knackpunkt. Die deutsche Durchschnittbevölkerung müsste mal befragt werden. Derzeit nimmt man doch eher die am lautesten schreienden Interessengruppen wahr, aber wie repräsentativ sind die denn?
Und hat sich der „gemeine Durchschnittsdeutsche“ wirklich mal dem Gedanken hingegeben, was das langfristig bedeuten würde? Educated guess: Nööö, kein Stück!
Thomas Becker | 28. März 2019 – 0:09
„@ SvD: Ich verstehe Ihren Vorschlag leider nicht. Streitkräfte werden nicht mit Krediten ausgerüstet, sondern mit Rüstungsgütern.“
Und womit bezahlen sie diese Rüstungsgüter?
„Unternehmen entwickeln und produzieren diese nur, wenn es einen ausreichend aufnahmefähigen Markt hierfür gibt.“
Jein, Nachfrage kann man auch durch billige Kredite schaffen. Man darf es nicht übertreiben, wie z.B. bei der HSH Nordbank und deren Schiffskrediten oder dem Konsumprogramm in den USA. Diese Kreditblase hat Schockwellen über den Planeten geschickt, als sie letztendlich platzte.
„Dafür brauchen wir auch Exportmärkte. Die hinreichend groß sind – und deren Belieferung bitteschön in unserem Interesse liegen sollte.“
Würde der MediaMarkt ohne seine 0% Finanzierung wohl mehr oder weniger verkaufen?
Deutschland stünde ohne die KfW (3. größte Bank des Landes), KfW Entwicklungsbank und die KfW IPEX-Bank (Import-Export) wesentlich schlechter da. Die sind aber nicht in der Rüstung aktiv.
Daneben könnte man Exporte, die uns sicherheitspolitisch nützlich sind, subventionieren. Geht bei Israel auch, so rein aus industriepolitischen Gründen. Ging auch früher bei Portugal und deren Fregatten (über die Nato).
Man könnte noch mehr machen.
In den USA gibt es das Foreign Military Sales Programm, kurz FMS.
Das Verteidigungsministerium kauft Systeme und/oder bestellt für ausländische Käufer mit, die dann die Systeme direkt von den US Streitkräften geliefert bekommen. Es kommt ein kleiner Verwaltungsaufschlag auf den Preis, die Lieferung wird nach Aufwand abgerechnet. Training und Aufbau der Logistik vor Ort kosten extra. Letzteres könnte man bei der Bundeswehr vergessen, der Rest wäre aber möglich.
Litauen wollte so den Boxer bestellen, wir haben abgewunken und das Land an den Hersteller Artec verwiesen, die erst mal den Preis und die Bedingungen für diesen Einzelvertrag ausgestalten mussten, dann brauchte es eine Exportgenehmigung usw. Das dauerte alles.
Exportgenehmigungen für das EU Ausland sind irgendwie lächerlich und was daran Monate dauert weiß wohl auch niemand. Man könnte diese Länder als sichere Empfängerländer deklarieren und gut ist’s. Bei Demokratiedefiziten in Osteuropa müsste man nochmal genau hinschauen was man liefert. Das könnte man auch auf andere Länder ausweiten. Politiker mögen ja so gerne Ampeln:
Grün = keine Bedenken, keine Genehmigung notwendig.
Gelb = irgendwelche Bedenken, übliche Prüfung
Rot = Waffenembargo
Das lässt sich auch differenziert für bestimmte Klassen an Rüstungsgütern einführen.
Der Bund müsste eigentlich eh wissen wie es um die Weltsicherheitslage steht und welche Staaten problematische Entwicklungen durchmachen.
FPW | 28. März 2019 – 8:47
„Geht es nicht um die finanzielle Absicherung eines Auslandsgeschäfts.“
Genau so ist es, es geht um die FINANZIERUNG eines Auslandsgeschäftes. Die Streckung der Anschaffungskosten über mehrere Jahre, damit diese in den Haushalt passt. Es geht darum ordentliche Produktionsvolumen zusammen zu bekommen um den Stückpreis zu drücken. Und letztendlich kann man so schneller und auf breiter Front modernisieren.
„Letzten Endes schlagen Sie aus meiner Sicht eine Vergrößerung des Marktbudgets durch Zweckentfremdung anderer Mittel vor.“
Es sind keine Haushaltsmittel, die aus irgendwelchen Töpfen stammen, es sind Bankkredite und Banken sind erstklassig darin Geld aus dem Nichts zu schaffen. Unser Geldsystem ist schon ulkig. Die KfW könnte Geld in die Produktion pumpen und die KfW IPEX den Exportkredit stellen. Es wäre nur ein neues Geschäftsfeld für diese staatlichen Banken. Sofern die Politik dies erlaubt können die loslegen. Der Exportkredit könnte aber auch aus dem Bund kommen, zu quasi 0% Zinsen (die KfW IPEX darf das nicht mehr). Damit könnte man auch den Verteidigungshaushalt aufblasen ;-)
Metallkopf | 28. März 2019 – 11:07
Wollen Sie ernsthaft die Lieferung von Waffen an IS nahe Milizen in Syrien/Irak relativieren?
Auch mit unseren Waffen werden da Kriegsverbrechen begangen und Menschen aus ihrer Heimat vertrieben. Manche davon sollen nach Deutschland geflohen sein. Saudi Arabien hat diese Lieferungen durchgeführt.
Eigentlich müssten wir, auch wegen den Millionen von Flüchtlingen im Land, gegen die Lieferstaaten vorgehen. Da wir selbst dazu gehören, geht das schlecht.
Diese Exporte haben sich unterm Strich bestimmt Volkswirtschaftlich gelohnt. /s
„Wir unterstützen also selbst andere Staaten sowie unterstaatliche Akteure in einem Bürgerkriegsgebiet gegen den IS, beliefern letztere sogar mit Waffen und Munition während wir einen Einsatz, den die von Saudi-Arabien geführte Koalition gegen eine iranisch geförderte Insurgentenarmee, die gewiss auch nicht den Frieden mit dem Westen anstrebt, zum Vorwand nehmen, um dort Waffenlieferungen zu stoppen?!“
Ja. Man kann da differenzieren. Wir haben andere bei der Selbstverteidigung gegen den IS unterstützt. Saudi Arabien bombardiert seit Jahren zivile Einrichtungen, selbst Friedhöfe und Wochenmärkte. Da sind sogar Clusterbomben eingesetzt worden. Das ging auch durch die Medien. Und bevor Saudi Arabien diese nachbestellen konnte, hat Textron Systems erklärt die Produktion einzustellen, da es eh keinen Markt mehr für die Bomben gäbe. Zufälle gibts… Die Lenkbombe auf den Schulbus war auch nicht schlecht, oder? Ein ganzes Land auszuhungern, medizinische Importe abzufangen und die Zivilbevölkerung ins Visier zu nehmen ist auch etwas anderes, als andere bei ihrer Selbstverteidigung gegen Barbaren zu unterstützen.
„Um den Elefanten im Raum mal anzusprechen: Es geht hier nicht um Moral. Es geht einzig und allein um deutsche außenpolitische Interessen.“
Wie scheinen seltsame Interessen zu haben.
[Pardon, aber in dieser Länge machen wir das bitte hier nicht mehr. T.W ]