Fürs Archiv: Außenminister Maas zu Verteidigungsausgaben
Außenminister Heiko Maas hat sich in einem Interview der Welt am Sonntag am 24.3.2019 nicht nur zu Fragen der Außenpolitik, sondern auch zu den deutschen Verteidigungsausgaben geäußert.
Da es in der Debatte in nächster Zeit eine Rolle spielen dürfte (und da das Auswärtige Amt, wie ich erst jetzt sehe, den Wortlaut des Interviews auf seiner Seite veröffentlicht hat, so dass kein Link auf die Verlagswebseite erforderlich ist), hier die wesentlichen Sätze fürs Archiv:
Auf die Frage, ob US-Präsident Donald Trump nicht Recht habe, wenn er auf dem Anteil der Verteidigungsausgaben von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (im veröffentlichten Fragetext steht fälschlich ‚der Haushaltsausgaben‘) beharre:
Man muss sich an Dinge halten, die man vereinbart hat. Wenn wir uns dazu verpflichtet haben, wie alle anderen NATO-Verbündete auch, gilt das. Und wir haben einen Weg beschrieben, wie wir bis 2024 auch die 1,5 Prozent erreichen werden.
Auf den Hinweis, dass 1,5 Prozent nicht zwei Prozent seien:
Wir werden uns Schritt für Schritt dahin bewegen. Und: Das wird keine Aufrüstungsdebatte, sondern eine Ausrüstungsdebatte, eben, weil die Flieger fliegen und die Schiffe fahren müssen.
(Archivbild: Maas beim Besuch von deutschen Soldaten im MINUSMA-Einsatz im Camp Castor in Gao,/Mali Ende Februar 2019 -Xander Heinl/photothek.de )
Heiko Maas, der Rufer in der sozialdemokratischen Wüste?
Wäre er nicht Saarländer, könnte geglaubt werden, er sei beim hanseatischen Realisten Helmut Schmidt geschult worden. Dies trifft allerdings allein auf den Wächter im neuen Juliusturm zu; Olaf Scholz wird seine eigene Meinung zum Ansatz des forschen Außenministers haben. Auf die innerparteiliche Debatte der Sozialdemokratie darf gespannt gewartet werden.
Die ohne Vorwarnung gesetzte Attacke auf das bisherige SPD-Selbstverständnis, „wir haben in Deutschland andere Sorgen als sinnlose Aufrüstung“ (SPD-Vizechef Ralf Stegner) wird die Partei umtreiben.
Diese forsche Attacke, denn das ist es doch wohl, wird von der Kanzlerin nach überdeutlichen FRA Vorhaltungen seit Sorbonne 2017 endlich aufgenommen und realisiert werden?
Sie muss das Momentum, das Maas anbietet, als Chance erkennen.
BM Maas:
„Und wir haben einen Weg beschrieben, wie wir bis 2024 auch die 1,5 Prozent erreichen werden.“
BM Scholz betont in der heute FAZ, daß die Bundeskanzlerin der Nato in Absprache mit ihm das Ziel genannt habe, die Verteidigungsausgaben bis 2024 auf 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu steigern. Im Sinne einer konservativen mittelfristigen Finanzplanung habe man dabei bewusst auf Zwischenwerte verzichtet.
Also der eine Minister ist der Meinung man habe einen Weg hin zu 1,5% beschrieben und der andere behauptet man habe auf Zwischenwerte bis dahin (= Weg) verzichtet.
Interessanterweise beziehen sich beide auf aktuelle Dokumente im jeweils anderen Verantwortungsbereich (FinPlan und Status-Report an die NATO).
Anspruch und Wirklichkeit driften immer weiter auseinander.
Denn sie wissen nicht was sie tun.
pacta sunt servanda
@Memoria: „Und wir haben einen Weg beschrieben, wie wir bis 2024 auch die 1,5 Prozent erreichen werden.“ Als ich das gelesen habe, habe ich meinem Gegenüber in der S-Bahn fast meinen Kaffee vor lauter Lachen ins Gesicht…
Wie Sie richtig beschrieben haben, widersprechen sich da zwei Minister unter Bezug auf Dokumente/Meldungen im jeweils anderen Verantwortungsbereich. Und beschrieben wurde vor allem ein Weg, wie der Anteil absinkt und sich dann plötzlich – oh Wunder und unter einer neuen Regierung in einer anderen Legislaturperiode – in einem Jahr um 10-15 Milliarden Euro (bei stärker wachsendem BIP auch mehr) ansteigt, die kein BMVg, kein BAAINBw, keine Industrie so plötzlich verarbeiten kann. Zumal dann schon der Zwischenschritt 2023 verfehlt wurde. Lächerlich.
Sagt er das, weil sich „Ausrüstung“ für den Wähler besser anhört als „Ausrüstung“ oder meint er das wirklich so?
Im letzten Falle wäre damit ja das Eingeständnis verbunden, dass es gravierendste Ausrüstungsprobleme gibt … Ansonsten würde ich die (erwünschte/erhoffte/geplante) Zunahme der Personalstärke samt mehr Großgerät und neuen Fähigkeiten (Cyber!) sehr wohl als „Aufrüstung“ betrachten.
„Trevor Faith | 27. März 2019 – 7:51
pacta sunt servanda“
1+
Und insofern ist wohl der freche,schillernde US Botschafter der einzig ernstzunehmende Verbündete der deutschen Streitkräfte im heutigen Berlin.
Es ist ja nicht gerade so, dass die Staatsverschuldung (geschweige denn die Bürgschaften) wieder auf das Vorkrisenniveau abgesunken ist. Das ist nicht gerade eine Neuigkeit, auch wenn viele an der Schwarzen Null (sprich: kein Defizit) rütteln wollen (sprich: noch mehr Schulden).
Auf der diplomatischen Schiene scheinen die Internationalen Partner an die Bundesregierung derzeit ziemlich viele Fragen zu haben.
Insbesondere die Vorgänge in und um der Unterabteilung „Außendienst für friedenserzwingende Maßnahmen“ wirken zusehend „unilateral“.
Kurzer Zwischenstopp: Hat es einen Grund, warum dieser Thread zu den Aussagen des Außenministers zu den Verteidigungsausgaben jetzt für die Debatte über Rüstungsexporte missbraucht wird, statt die entsprechenden Kommentare in den ja vorhandenen passenden Thread einzubringen?
Ich lösche die Kommentare, die hier fehl am Platze sind.
Ist dies nicht indirekt eine (mMn weitere) „Aufgabe“ der eigenen Grenzen?
„Aufklärung“ (welche hier betrieben wird) ist ebenso eine „Allgemeine Aufgabe im Einsatz“, wie „Sicherung“.
Welchen Sinn und Zweck hat denn die „Aufklärung“, wenn die Informationen nicht in die „Sicherung“ einfliessen?
Oder anders gefragt:
Was nutzt ein Aufklärungsergebnis, wenn es niemanden (an Bord eines Schiffes) gibt, der zeitnah darauf reagieren kann?
Eine Lösung könnte sein, dass sich die Bundesregierung darauf verständigt, dass das BMVg oberhalb des Eckwertes anmeldet und Verpflichtungsermächtigungen entsprechend der Annahme „1,5% in 2024“ erteilt werden.
Passiert dieses nicht und die Bundeswehr erhält einfach nur im laufenden Haushalt „am Ende“ jedes Jahr mehr Geld als im Eckwert vorgesehen, dann können zwar 1,5% in 2024 erreicht, die Mittel aber nicht zielführend verwendet werden.
Für einen sehr großen Anteil des benötigten Materials gibt es keinen Anbieter auf dem Markt, der „auf die Schnelle“ und in den erforderlichen, großen Stückzahlen liefern und damit die Mittel zum Abfluss bringen kann. Mittel- bis langfristige Planbarkeit sowie das Eingehen mehrjähriger Bindungen sind im Verteidigungsressort zwingend.
@Nordlicht
Eindeutig WIN-WIN: wir erreichen – auf dem Papier – 1,5% und die Mittel können nicht abfließen und werden zurückgegeben.
‚hat ja keiner gesagt, daß das auch ausgegeben werden muß. Oder wir erhöhen die Pacht für die Liegenschaften ^^
„Allies whose current proportion of GDP spent on defence is below this level will:
halt any decline in defence expenditure;
aim to increase defence expenditure in real terms as GDP grows;
aim to move towards the 2% guideline within a decade with a view to meeting their NATO Capability Targets and filling NATO’s capability shortfalls.“
Quelle: Statement of Foreign Ministers on the Readiness Action Plan, 02 Dez. 2014
Es ärgert mich ungemein, dass wir immer noch dies Ausgabendebatte führen. Es scheint als hoffe man in Berlin auf einen Rückgang beim Wirtschaftswachstum bis 2024. Dann wären die 2% erreicht.
Aber im Ernst. Wieso lässt sich die BR darauf ein, sich an Ausgaben zu messen anstatt mit Fähigkeiten zu argumentieren? Als Normalverbraucher gehe ich doch auch nicht zum Gebrauchtwagenhändler und erzähle dem, dass ich heute 50.000 EUR ausgeben will.
Die 2% Vorgabe ist doch in Wirklichkeit noch unter dem Eindruck gemeinsamer Kooperation entstanden. Die Formulierung ist butterweich. Getrieben durch den „frechen“ Botschafter wird jetzt so getan als handle es sich um eine Rechnung, die bezahlt werden müsse.
Innerhalb der NATO ist diese Debatte nur noch peinlich. Wo immer ich mich befinde wird das Thema gemieden, weil auch in der Kommandostruktur eingesetze Amerikaner sich für das Gebahren ihrer Regierung mittlerweile schämen. Ein Verbündeter versteht die innenpolitischen Debatten in einem Bündinsstaat und nutzt klug seine diplomatischen Mittel, um seine Ziele zu erreichen. Das Gebahren der aktuellen Washingtoner Administration tut genau das Gegenteil. Sie öffnet Anti-Amerikanern Tür und Tor. Am Ende wird es damit wesentlich einfacher gegen das 2% Ziel zu argumentieren und Kitas, die Bahn oder andere Investitionsfelder in der Debatte zu platzieren. Maas sollte jetzt, in seiner innerparteilichen Debatte, der Rücken gestärkt werden.