Übersicht A400M: Die Problemberichte

Nachdem das Verteidigungsministerium vor zehn Tagen einen neuen Rüstungsbericht veröffentlicht hatte, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch aus dem zweiten, geheimen Teil dieses Berichts Details durchsickern. An diesem Osterwochenende gilt das erst mal für das Transportflugzeug A400M; gleich drei Medien zitieren daraus Einzelheiten.

Zunächst mal aus der offenen Darstellung, wie sie  im öffentlichen Teil des Berichts auf Seite 121 nachlesbar ist:

Inzwischen befinden sich 16 Flugzeuge in der Nutzung. Neben Einsatzprüfung und ergänzender Nachweisführung werden im
Wesentlichen laufende Einsätze der Bundeswehr unterstützt. Insgesamt unterliegt das Programm signifikanten Verzögerungen bei der Auslieferung und dem Fähigkeitsaufwuchs. (…)
Aktuelle technische Probleme schränken weiterhin die Verfügbarkeit ein. Eine mittel- bis langfristige Lösung wird angestrebt. (…)
Hinsichtlich des Fähigkeitsaufbaus im geschützten Lufttransport steht aktuell das Selbstschutzsystem im besonderen Fokus. Das Risiko, dass die taktischen A400M möglicherweise nicht zeitgerecht mit dem im Rahmen von DIRCM vorgesehenen Flugkörperwarner ausgerüstet werden können, birgt die Gefahr einer weiteren Verschiebung der Zeitlinien. (…)
Aufgrund der hohen Anzahl der durch den Auftragnehmer zu vertretenden technischen Probleme und der Unsicherheiten in der Auslieferungsplanung ist die Einsatzbereitschaft aktuell und der Fähigkeitsaufwuchs des A400M in wesentlichen taktischen Fähigkeiten auf der Zeitlinie noch nicht zuverlässig ausplanbar.

Technische Probleme im Antriebsbereich führen bis zur vollständigen Implementierung der technischen Lösungen zu Einschränkungen in der materiellen Einsatzbereitschaft. Gleiches gilt für notwendige Nachrüstungen an den Luftfahrzeugen zum Bereitstellen der vertraglich vereinbarten Fähigkeiten.
Die zeitgerechte Ausrüstung mit dem vorgesehenen Flugkörperwarner als elementarer Bestandteil des DIRCM-Systems ist gefährdet. Damit ist eine wesentliche Voraussetzung zum Betrieb unter Bedrohung noch nicht gegeben.

Das ist eigentlich schon deutlich genug und in Teilen auch schon länger bekannt. Aus den aktuellen Berichten vom (heutigen) Gründonnerstag noch ein paar Details aus dem Rüstungsbericht, die weitere Baustellen auflisten:

Spiegel Online: Öldämpfe im Cockpit vom A400M
In Cockpit und Kabine treten bei Flügen Öldämpfe aus. Die Ursache der Störung, die bereits bei mehreren Flügen aufgetreten ist, konnte bislang nicht gefunden werden. Besatzung und Passagiere könnten als „unmittelbare Auswirkungen“ unter „Unwohlsein und Augenreizungen“ leiden. (…)
Wie gefährlich die Dämpfe sind, soll durch Messungen geklärt werden. Doch diese mussten wegen der „derzeit stark eingeschränkten Verfügbarkeit einsatzklarer A400M“ erst einmal aufgeschoben werden, heißt es weiter in dem Bericht.

Reuters: Bericht rügt massive Probleme beim Militärtransporter A400M
Weil die zahlreichen IT-Systeme zur Einsatzplanung nicht vernetzt seien, müssten vor jedem Flug umfangreiche Datenmengen etwa zum Spritverbrauch von Hand zwischen den einzelnen Anwendungen ausgetauscht werden, heißt es im vertraulichen Teil des Rüstungsberichts, der Reuters am Donnerstag vorlag. “Dies kann für einen Hin- und Rückflug bis zu über 50 Mann-Stunden Vorbereitungszeit in Anspruch nehmen, was aus operationeller Sicht nicht akzeptabel ist und deutlich verkürzt werden muss.” (..)
Kurzfristige Einsätze zur Evakuierung Verwundeter oder in der Katastrophenhilfe seien “mit diesem enormen Vorlauf nicht durchführbar”, heißt es im Bericht. Zudem könnten Einsätze “wegen dieses übermäßigen Zeitbedarfs” nicht kurzfristig geändert werden.

tagesschau.de: Das fliegende Milliardenrisiko
Die [Politik] versucht, den Verkauf des wenig beliebten Ladenhüters anzukurbeln und gewährte Airbus ein großzügiges Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Doch offenbar rechnet man im Verteidigungsministerium inzwischen damit, dass die Exportbemühungen ziemlich fruchtlos bleiben könnten und Airbus den Kredit nicht oder nur teilweise zurückzahlen kann. (…) In einer vertraulichen Einschätzung des Ministeriums, die tagesschau.de vorliegt, wird eine drohende Belastung in Milliardenhöhe attestiert. Sollte sich kein weiterer Exportverkauf ergeben, „wäre das bewilligte Darlehen nicht zurückzuzahlen und würde den Einzelplan 14 durch Zins und Zinseszins mit zirka 1,382 Milliarden Euro bei unveränderter Laufzeit belasten“, heißt es in der Einschätzung im nicht öffentlichen Teil des jüngsten Rüstungsberichtes.

(Angesichts der schon im offenen Teil angesprochenen Probleme verstehe ich nicht ganz, warum das alles in den zweiten Teil geschoben wurde – vielleicht auch, damit die Bilanz nicht noch verheerender ausfällt als ohnehin schon? Der Vollständigkeit halber sei aber auch erwähnt, was der Hersteller Airbus zumindest zu dem von Reuters angesprochenen Planungsproblem sagt:

Ein Sprecher des Konzerns erklärte, die aufgeführte Planungsdauer unterscheide sich deutlich von den Erfahrungen mit den A400M anderer Länder. „Die Missionsplanung einer taktischen Mission der französischen Luftwaffe dauert nach unseren Kenntnissen maximal 90 Minuten, Routinemissionen lediglich 40 bis 60 Minuten.“

berichtet das Handelsblatt (Link aus bekannten Gründen nicht).

(Archivbild: A400M der Luftwaffe bei der ILA2016 in Berlin-Schönefeld – Foto mit freundlicher Genehmigung von Horatio Guanta)