Reden wir über Tradition (leider über alles)
Die Bundeswehr hat am (heutigen) Donnerstag die Reihe ihrer Workshops auf dem Weg zu einem neuen Traditionserlass fortgesetzt – Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte ja unter dem Eindruck des Falles Franco A., aber auch vor dem Hintergrund des Fundes von Wehrmachts-Gedenkstücken in Kasernen in der entbrannten Debatte über das Traditionsverständnis der Streitkräfte eine Überarbeitung des seit 1982 geltenden Traditionserlasses angekündigt (die Roadmap für die diversen Workshops hier).
Und eigentlich hätte es bei den Vorträgen und Diskussionsrunden am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam um die Geschichte und mögliche Traditionslinien eben vor NS-Zeit und Wehrmacht gehen sollen. Der Titel war eigentlich unmissverständlich: Kostbares Erbe oder drückende Last der Vergangenheit? Funktion und Bedeutung der älteren deutschen Militärgeschichte für die Tradition der Bundeswehr
Um es vorweg zu nehmen: Es ging eben nicht nur um die ältere deutsche Militärgeschichte, also nicht wie von der Ministerin schon mal skizziert um die Ereignisse seit den Befreiungskriegen gegen Napoleon oder die preußischen Militär-Reformer oder gar die Folgen der Frankfurter Nationalversammlung für deutsche Streitkräfte. Genauer: darum ging es nur am Rande, denn irgendwie wurde es dann doch wieder zu einer Debatte über jegliche deutsche Militärgeschichte und -Tradition, vor der Gründung der Bundeswehr und danach, und mit einem nicht unerheblichen Teil Debatte über die Wehrmacht und ihre Auswirkungen auf aktuell gefühlte oder gelebte Tradition.
Die Vorträge habe ich im Originalton hier dokumentiert; ein paar Beobachtungen und Anmerkungen:
Der Berliner Politikprofessor Herfried Münkler (den O-Ton habe ich leider aus technischen Gründen nicht) verwies einleitend darauf, dass auch der Rückgriff für die Reformer Anfang des 19. Jahrhunderts nicht unproblematisch seien – Scharnhorst, Gneisenau oder Clausewitz seien sicherlich nicht Demokraten in unserem heutigen Sinne gewesen und die Traditionslinien aus dem 19. Jahrhundert eben auch nicht unproblematisch. Der leitende Wissenschaftler des ZMSBw, Michael Epkenhans, brachte das auf die Formel: Ihr nationalistisches Gedankengut, ja der regelrechte Franzosen- und bei Gneisenau später Polenhass sind darüber hinaus ausdrücklich nicht traditionswürdig. Alle Reformer bedürfen deshalb der Kontextualisierung.
Epkenhans stellte darüber hinaus auch die Orientierung an Soldaten des 1. Weltkrieges infrage – inbesondere bei Traditionsnamen, die sich bei der Luftwaffe finden: Klassische militärische Leistungen und Tugenden, Tapferkeit und Ritterlichkeit oder das berühmte Feldherrngenie von Soldaten vor 1933 reichen allein nicht aus, um … traditionsbildend zu sein. … In der Konsequenz bedeutet dies, dass es für eine Hindenburg-Kaserne heute ebensowenig einen Platz gibt wie für eine Emmich-Cambrai-Kaserne oder die nach Immelmann, Richthofen oder Boelcke benannten Traditionsgeschwader der Luftwaffe. (Epkenhans kompletter Vortrag ist auf der Dokumentationsseite nachzulesen.)
Das dürfte nun vermutlich nicht bedeuten, dass die Taktischen Luftwaffengeschwader 51 31, 71 und 51 (wie zuvor schon 74) demnächst ihren Traditionsnamen verlieren. Aber es zeigte sich im Verlauf der Debatte ein, sagen wir, Disconnect zwischen den Wissenschaftlern und den Brigadegeneralen, die sich quasi als Vertreter der Truppe äußerten. Vor allem Kai Rohrschneider, der deutsche Stabschef bei der U.S. Army Europe und Panzeroffizier, verwies auf die grundsätzlich andere Wahrnehmung von Tradition in der Truppe als in der Öffentlichkeit (und wohl auch in der Wissenschaft).
Auch wenn der eigentliche Begriff der Tradition für die Soldaten eher sperrig sei – die Truppe habe eben ein besonderes, berufsspezifisches Verhältnis zur Militärgeschichte, und das führe zu einer Dynamik, die Soldaten von Historikern unterscheide. Soldaten, so eine von Rohrschneiders Thesen, suchten in der Tradition vor allem nach Vorbildern für das Gefecht, ihre wesentliche Aufgabe – und nähmen Geschichte deshalb anders wahr als die Gesellschaft.
Zugleich zeigte sich der Brigadegeneral ausdrücklich offen für eine Ausweitung des Traditionsspektrums – sowohl vor 1933 als auch nach 1956, nach Aufstellung der Bundeswehr. Dabei müssten sich alle von der obsessiven Betrachtung der Jahre 1933 bis 1945 lösen und nicht so tun, als wären 1.000 Jahre wirklich 1.000 Jahre gewesen. Vor allem aber: Symbole brauche die Truppe, um sich daran festzuhalten – und müsse dafür eine neue Formensprache finden.
Rohrschneiders Ansatz spielte auch in der Diskussion eine Rolle (die unter Chatham House Rules stattfand, aus der ich also berichten kann, aber ohne die Aussagen den Personen zuzuschreiben). Da wurde die ausdrückliche Warnung laut, Verbänden oder Einheiten ihre (Traditions)Namen einfach wegzunehmen – und schon gar nicht per Anweisung von oben: Der Name wird als Teil der Identität empfunden.
An der Stelle dürfte langfristig der Disconnect der Wissenschaftler (und der Gesellschaft?) und den Soldaten in eine schwierige Auseinandersetzung münden. Denn die einen sehen in bestimmten Traditionslinien und -Namen nicht die Verehrung von – zumindest teilweise auch fragwürdigen – militärischen Vorbildern, sondern eben einen wichtigen Bestandteil ihres Berufsverständnisses. Und die anderen argumentieren, dass es oft genug für die Auswahl dieser Traditionslinien und -Namen fragwürdige Kriterien gebe, die sie eben nicht traditionswürdig machten.
Der Wissenschaftler Epkenhans nannte in diesem Zusammenhang (auch nach der Diskussion im Gespräch mit mir) das Beispiel Helmut Lent: Wenn der erfolgreichste Nachtjäger der Luftwaffe während des Zweiten Weltkrieges as Vorbild und Namensgeber gewählt werde, bedeute das nichts anderes, als die Zahl seiner Abschüsse zum Maßstab für diese Vorbildfunktion zu nehmen. Ob das ausreiche? Ich meine nein.
Mit anderen Worten: Die Debatte über das, was künftig die Tradition der Bundeswehr ausmacht, wird auch mit dem für November (dann an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin) geplanten vierten und abschließenden Workshop dazu noch lange nicht beendet sein. Und vermutlich auch nicht mit der Inkraftsetzung eines neuen Traditionserlasses – wann immer der auch, angesichts der absehbar langwierigen Bildung einer neuen Koalitionsregierung, tatsächlich kommen mag.
Nachtrag: Das Deutsche Heer hat dazu ein Eigen-Interview mit Heeresinspekteur Jörg Vollmer veröffentlicht. Es steht hier auf der Webseite des Heeres; für das dauerhafte Auffinden und fürs Archiv hier die Seite als pdf-Datei:
20171012_Tradition_InspH_Vollmer_Interview
(Foto: Generalinspekteur Volker Wieker bei einem Diskussionsbeitrag während des Workshops)
@JoFi
Weil der MG-Schütze nach drei Nächten im 2-Mann-Kampfstand in der Überwachung einer Sicherungsminensperre im Morgennebel keinen Hochwassereinsatz an der Oder im Hinterkopf hat, sondern seine Motivation aus Kampfsituationen derer zieht, die vor ihm waren.
Weil der Ladeschütze im KPz mit der 120 mm KE auf den Knien, 5 sek später, im Moment da er den Panzerturm sich „aufbäumen“ fühlt, während gleichzeitig 30 cm vor ihm das BK-Rohr 1 zurückdonnert und der Pulverqualm ihm kurz den Atem nimmt, sich nicht über den vergangenen Schneeräum-Einsatz motiviert sieht, sondern über Panzerduelle derer, die vor ihm waren.
Gen Sollfrank hat in seinem Vortrag Beispielgebendes mit tradierbarem Verhalten aus ISAF-Einsätzen dargestellt.
JoFi,
ich kann diese Fragestellung nicht mehr hören.
Warum man die Katastropheneinsätze und die Gefechte der Bundeswehr nicht ALLEINE zur Traditionsbegründung nehmen kann, kann nur jemand fragen, der nicht der Kampftruppe angehört.
Jeder militärhistorisch Interessierte, der sich mit der deutschen Geschichte befasst, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus, was militärisch auf deutscher Seite in den beiden Weltkriegen geleistet wurde. Dagegen sind die Gefechte in Afghanistan belanglose Scharmützel gewesen (ohne den beteiligten Kameraden zu nahe treten zu wollen, die dort treu und tapfer ihren Dienst geleistet haben – es ist aber einfach eine ganz andere Intensität und Größenordnung).
Dazu kommt, dass der Großteil der Truppengattungen des Heeres im 1. und 2. Weltkrieg den Ursprung haben, der auch heute noch ihren Auftrag, ihre Gliederung und ihre Einsatzgrundsätze wesentlich vorgibt.
Wenn sie den Soldaten das alles wegnehmen und ihnen nur die Bundeswehrgeschichte lassen, ist es so, als würden sie einem fußballbegeisterten Jungen verbieten die Championsleague zu sehen und ihm stattdessen empfehlen die örtliche Kreisklasse auf dem Dorfbolzplatz als Ersatz zu nehmen.
Es ist einfach nicht praktikabel und es macht auch inhaltlich keinen Sinn, weil Millionen unserer Großväter ohne Schuld aus zu sich zu laden damals ihrem Land genau so gedient haben – im Glauben daran das richtige zu tun – wie wir es heute tun. Und ich persönlich würde keine Hand mehr für dieses Land rühren, sollte ich gezwungen werden, meine eigene Familie zu verleugnen.
@JoFi | 13. Oktober 2017 – 18:36
1. Weil Katastropheneinsätze der Bundeswehr nicht ausreichen um soldatisch zu motivieren. Katastrophenhilfe kann das THW besser. Ich stimme hier @Klaus-Peter Kaikowsky | 13. Oktober 2017 – 19:18 umfänglich zu!
1a. Die Frage nach der NVA ist ein schwierige Sonderproblematik.
2. (und viel wichtiger!) Es geht nicht um ENTWEDER/ODER sondern um SOWOHL/ALS AUCH.
„Warum diskutiert man über Leistungen, die in ganz anderen staatlichen Grenzen und anderen politischen Systemen mit deren Wertesystemen erbracht wurden?“
Soldatische Traditionen sind nur eingeschränkt mit politischen Systemen verbunden. Sie müssen es bis zu einem gewissen Grade sein, denn soldatische Tugenden müssen immer auch wertgebunden eingesetzt werden, aber es gibt auch „handwerkliche Traditionen“ und diese sind nicht strikt an das politische System gebunden. Überspitzt gesagt wechseln wir ja auch die nach Verteidigungsministern benannten Kasernen nicht nach einem Regierungswechsel zu einer anderen Partei aus ;)
@ Sagittarius
Die 3a ( Absicht der übergeordneten Führung) wurde mit der flächendeckenden Einführung von LotUS Notes durch ein :
„Weiterleiten an denunterstellten Bereich“ ersetzt.
Solange Befehle von Kommandobehörden per weiterleitungskette bis auf Teileinheitsebene kommen, muss 1. Der Vorgesetzte keine Entscheidung Fällen, die 2. Seinem Vorgesetzten missfällt.
Weiterhin, auch das ist gesagt, fehlt eine 3a der Politik bzw. Der obersten militärischen Führung. Wenn klar ist, was positiv sein soll und was nicht.
Seltsamerweise werden Ehrenkreuze zu hunderten permanent vergeben. Aber selbst AFN schafft es besser, Leistungen von Soldaten der EinheitsEbene besser darzustellen.
Vom Leistungsorientierte, die ausgeklügelt werden, ganz zu schweigen. So bekomme ich auch keine Vorbilder oder stelle ih kein traditionswürdiges Handeln in den Vordergrund.
Ja die Bw hat viel erreicht in 60 Jahren. Wo sind denn die Kuratorium ab Divisionsebene? Alleine die Forschung über die faktische Geschichte von bestimmten Verbänden oder Truppengattungen der Bw ist doch schon sehr schwer.
Wie Tradition würdig dargestellt wird,
Kann man im Gebäude von General Rohrschneiders aktuellem Dienstsitz sehen….
Ich war über sechs Monate in Mali, bei einer Kontingentsstärke von roundabout 120 Soldaten war keine Rede von Tradition und warum nicht? – weil vom Hauptgefreiten bis zum Oberst niemand daran interessiert war !!! – Im eigenen Bataillon redet ebenso niemand von Tradition: die einen nicht weil sie erkannt haben das wir mittlerweile genug Tradition srit 1956 entwickelt haben, die anderen nicht, weil sie einen befristeten Zeitarbeitsvertrag von 8 – 12 Jahren haben und danach einer anderen Tätigkeit nachgehen werden, nachdem sie 2-3 Auslandseinsätze hinter sich haben,aber ihre Medaillen trotzdem in Ehren halten.
Weviel ewig Gestrige hier ihre vollkommen überholten Kommentare abgeben, vor allem die Ungedienten,man erkennt sie an Ihrem Stil, – also, da kann ich mich nur wundern.
Wieviele von diesen Schwadronierern haben Ihren Arsch im Auslandseinsatz für Deutschland hingehalten -?
Übrigens, warum haben wir in Mali so einen guten Ruf? – weil Deutschland das erste Land war das seinerzeits die Unabhängikeitserklärung von Mali anerkannt hat – das ist das Verständnis der Malier von (unserer) Tradition .
Woher ich das weiß? – weil malische Soldaten und Zivilisten dies immer wieder gesagt haben – auch wenn man dann mal den Sparchführer Bambara benutzen muss, aber meistens war es ja in französisch!
So werden wir im Ausland wahrgenommen, und das ist in der heutigen Zeit gut! ich brauche keine Geschichten über Flieger, MG-Schützen odr Panzerkommandaten aus längst vergangenen Kriegen.
Warum benennt man keine Kasernen nach unseren für Deutschland im Auslandseinsatz gefallenen Kameraden?
BTW, ich will noch bemerken, das der Hausherr dieses Blogs jünger ist als ich! –
@Klaus-Peter Kaikowsky | 13. Oktober 2017 – 19:18
„Weil der MG-Schütze nach drei Nächten im 2-Mann-Kampfstand in der Überwachung einer Sicherungsminensperre im Morgennebel keinen Hochwassereinsatz an der Oder im Hinterkopf hat, sondern seine Motivation aus Kampfsituationen derer zieht, die vor ihm waren.“
Wann haben Sie sich das letzte Mal mit einem Mannschaftsdienstgrsd unterhalten oder soll ich lieber fragen: „Was haben Sie denn geraucht“ – Sorry, ich kann Ihre Aussagen eigentlich nur als „Bullshit“ bezeichnen.
Traditonsverständnis:
Die FA/UA i ziehen in der Regel Ihre Motivation nicht aus Kampfsituationen vergangener Kriege sondern aus dem monatlichen Gehaltsscheck – das sind die Realitäten !!!!
Ich habe gestern abend das letzte mal mit den Jungs und Mädels gesprochen – ich glaube also, ich bin up to date.
2017: Der Kriegstechniker im kleinen Team :
– und wenn Sie sich mal das Gewerbe der PMC ansehen, die Aufträge von UN, NATO und EU haben (DynCorp, Ciano, E.d.A., ASAH etc).: Gut, da es die gibt, denn „starliteaviation.com“ fliegt auch unbewaffnet MEDEVAC,da wo wir erst noch disskutieren ob der NH90 das kann/darf/soll/will oder nicht. (Habe mit der Besatzung gesprochen die ich bereits aus einem anderen Einsatz her kannte) – dann kann ich auch hier nach Tradition suchen – denn die Typen sind wirklich gut (und Frauen sind auch als Besatzung dabei).
Wie soll man das nachvollziehen? Tradition steht über Inhalt?!
Die Motivation wird nicht aus dem Nutzen gezogen. Das ist eine Bankrotterklärung der deutschen Politik! Warum stellt sich diese Traditionsfrage? Wann war der letzte Verteidigungskrieg?
Die reale Situation ist eine ganz andere: Schaut man sich den Irak an, so würde man doch Traditionsstiftendes daraus ziehen, dass man angeblich den armen Kurden hilft, sich selbst und den wehrlosen Jesiden gegen den IS zu helfen!
Hawija ist vom irakischen Militär erobert worden. Damit ist die IS-Gefahr für die Kurden quasi gebannt. Die Mission erfolgreich!
Die Waffen? Sind wohl weg! Bestenfalls gegen eine AK + ein paar Durchschnittgehälter getauscht.
Es gab heute erste Berichte, dass irakische Truppen und Milizen sich auf das kurdisch gehaltene Kirkuk zubewegen
Wenn man bedenkt, dass Syrien und Irak nur ca. 50km regierungskontrolliertes Gebiet gemein haben, kann man dann STOLZ darauf sein, dass den Kurden gegen den IS geholfen wurde oder kann man STOLZ darauf sein, dass die Kurden gegen schiitische Milizen ausgebildet wurden?
Will man überhaupt, dass Soldaten sich diese Frage stellen?
@Mackiavelli
„Es ist einfach nicht praktikabel und es macht auch inhaltlich keinen Sinn, weil Millionen unserer Großväter ohne Schuld aus zu sich zu laden damals ihrem Land genau so gedient haben – im Glauben daran das richtige zu tun – wie wir es heute tun.“
Und Millionen unserer Großväter waren vor 1945 keine Bürger des deutschen Reiches.
Wer glaubt, dass wir Namen aus dem WKII benötigen um unsere Soldaten zu motivieren und gut auszubilden, der kennt unser System nicht oder hält es für ungeeignet.
Wir haben top Soldaten auch ohne Personenkult.
Man hätte Herrn Wolffson u.ä. eben vorgeben müssen (am besten per Ausschreibung :)) viele Lichtfiguren in der Preußischen Geschichte zu finden, anstatt (im Grunde antihistorisch – und antihermeneutisch) zu arbeiten und Menschen zu finden die dem „demokratischen“ Traditionserlass (welcher nirgends definiert ist) – nicht entsprechen – denn ansonsten könnte man ja selbst als Historiker diesen anhand von Beispielen kritisieren … Das es zur Zeit der Preußischen Heeresreform in Preußen mit einem Gottesgnadentum als Staatsdoktin keine Demokraten gab die als soldatische Demokratische Vorbilder dienen können kann aus Historischer Sicht ja wohl nur als Witz gelten.
Haben die Polizeien im Land ähnliche Debatten?
Nein
Könnt man mal drüber nachdenken.
Die Polizei mit dem Militär zu vergleichen ist absolut unpassend.
Ein Polizist wird niemals einen Auftrag erhalten, bei dem klar ist, dass 50 % der Beantem dabei ihr Leben verlieren. In der Bundeswehr mit ihrer HEUTIGEN Auftragslage passiert das auch nicht und wer sich nur damit befasst, dem erscheint es auch nicht klar zu sein, dass das nicht alles ist, was eine Armee ausmacht.
Das wirklich scharfe Ende unseres Berufes hat die Bundeswehr bisher kaum erfahren (und muss sie hoffentlich auch nicht), aber der Auftrag Landesverteidigung erfordert es eigentlich, dass wir uns mit einem richtigen Krieg gegen einen ebenbürtigen Gegner auseinandersetzen. Und da kommt der Aspekt „Tapferkeit“ aus unserem Eid zum Tragen, der das Einsetzen des eigenen Lebens recht wahrscheinlich macht.
Das unterscheidet uns von allen anderen Berufen und darauf kommt es letzen Endes an. Und für diesen entscheidenden Aspekt unseres Berufes brauchen wir auch inhaltliche Vorbilder, die uns die deutsche Militärgeschichte reichhaltig liefert.
Und aus diesem Grund kann man gebetsmühlenartig die eigene Tradition der Bundeswehr beschwören, sobald sich Soldaten Vorbilder für Gefechtssituationen suchen, werden sie bei der Bundeswehr nicht fündig und werden sich automatisch mit Soldaten der Wehrmacht befassen. Das lässt sich nicht abstellen, es ist eine Zwangsläufigkeit.
@Mackiavelli
Vorbilder zu suchen ist eine Sache, Tradition aber viel mehr.
Um sich zu orientieren kann man auch ohne Personenkult sich mit Handlungweisen auseinandersetzen und Gutes übernehmen, dass wäre dann Tradition.
Aber das Anhimmeln von Menschen ist es gerade, was uns immer wieder wie Schafe werden lässt.
In meiner Wahrnehmung sind es gerade die Mannschaften, welche sich eher wenig mit Geschichte auseinander setzen und eher nach Ritualen, Brauchtum, Verfahren und Symbolen schauen.
Was sagen denn die Mannschaften dazu? Welche Person ist ihnen denn bekannt und dient als Vorbild? Ich glaube kaum, dass wirklich viele Soldaten sich mit Scharnhorst oder Gneisenau wirklich auseinandergesetzt haben. Wo dient zB ein Rommel für einen 20 Bundesbürger in Uniform zum Vorbild für seinen Dienst ohne den er diesen nicht so ausführen könnte.
Ich komme langsam zu dem Ergebnis, dass wir in der Gegenwart nicht in der Lage sind, eine Tradition zu definieren und es somit darauf hinausläuft, keine Tradition zu haben. Mit all seinen Folgen, incl. Geschichtsvergessenheit.
Wir haben uns in der Gegenwart nun mal darauf geeinigt, dass es ein richtiges Leben im falschen nicht geben kann. Zudem hat unsere Gesellschaft die Grundauffassung entwickelt, dass Anwendung von Gewalt kein zulässiges Mittel der Politik sei. Frau Merkel hat das mit folgenden Worten definiert: „Sie müssen das verstehen, wir haben eine Bundeswehr, aber die Bundeswehr ist nicht dafür da, um zu kämpfen.”
Damit hat sich auch Tradierung der Vergangenheit erledigt. Alles vor 1918 kommt nicht in Frage, waren schließlich alles keine Demokraten. 1918-1933 kommt nicht in Frage, denn die Weimarer Republik hat den Humus produziert, auf dem der Faschismus gedeihen konnte. 1933-1945 ist sowieso indiskutabel. Wer nun eine Kaserne nach ehemaligen Wehrmachtssoldaten benannt hat, kann eigentlich nur noch zurücktreten.
1955-1990 geht auch nicht, schließlich waren die Entscheidungen, gerade in der Sicherheitspolitik nicht souverän, sondern unter allliiertem Vorbehalt, also undemokratisch. Die NVA scheidet als Tradition eh aus.
Bleiben noch die Jahre 1990-2017. Da hätten wir dann den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg im Kosovo 1999. Die Teilnahme am gescheiterten Nation-Building in Somalia. Der gescheiterte Kulturimperialismus durch ISAF in Afghanistan? Da wir Deutschen im Jahr 2017 Friedensmacht sind, muss grundsätzlich darüber diskutiert werden, ob Menschen und Organisationen überhaupt traditionswürdig sein können, die ihre Macht aus der Androhung oder Anwendung von Gewalt herleiten. Eine Tradierung von Gefallenen von Kampfhandlungen oder gar von erfolgreichen Niederschlagungen von Feinden kommt nicht in Frage, denn Gewaltanwendung als Tradition widerspricht dem Anspruch der Friedensmacht.
Dazu kommt ein Zeitgeist, der keine Denkmale mehr will und sehr gern Denkmale vom Sockel holt. Wer nicht Säulenheiliger ist, wird verdammt.
Dazu wird in Deutschland eine Person nicht im zeitlichen Kontext beurteilt, sondern nach heutigen Vorstellungen. Es wird nicht mehr lange dauern, und man wird sich an den Teilnehmern am Kosovo-Krieg 1999 abarbeiten, schließlich war das ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg.
Begrenzender Faktor dieses geschichtsvergessenen Neo-Jakobinertums könnte das von Wolfsohn formulierte Argument sein, dass es den Säulenheiligen nicht gibt. Zu solchen Differenzierungen sind wir im Jahr 2017 offenbar nicht in der Lage, denn sie wird von der Stampede der vermehrt auftretenden Möchtegern-Robespierres niedergewalzt.
@Mackiavelli | 13. Oktober 2017 – 19:37
„Wenn sie den Soldaten das alles wegnehmen und ihnen nur die Bundeswehrgeschichte lassen, ist es so, als würden sie einem fußballbegeisterten Jungen verbieten die Championsleague zu sehen und ihm stattdessen empfehlen die örtliche Kreisklasse auf dem Dorfbolzplatz als Ersatz zu nehmen.“
Sehr pointiert, aber grundsätzlich zutreffend!
Und nochmehr unlogischer würde es ja dadurch, dass einem die Jungs des Nachbardorfs regelmäßig auf die „Championsleague“ ansprechen in der das eigene Dorf ja schon mal gespielt hat!
@cosmo | 13. Oktober 2017 – 22:13
„Ich war über sechs Monate in Mali, bei einer Kontingentsstärke von roundabout 120 Soldaten war keine Rede von Tradition und warum nicht? – weil vom Hauptgefreiten bis zum Oberst niemand daran interessiert war !!!“
Ich denke Sie verwechseln hier etwas.
Sie haben nichts von Tradition gehört, weil im Einsatz nicht über Tradition gesprochen wird. Da geht es um das „hier und heute“. Tradition ist für Erziehung und Ausbildung wichtig und ist für das schaffen eines allgemeinen Verbandszusammenhaltes zuständig.
Und nebenbei: Sie waren doch mit GebJg im Einsatz, oder? Dann kann ich Ihnen versichern, dass das sehr wohl mit Traditionen vor 1956 gearbeitet wird!
„So werden wir im Ausland wahrgenommen, und das ist in der heutigen Zeit gut! ich brauche keine Geschichten über Flieger, MG-Schützen odr Panzerkommandaten aus längst vergangenen Kriegen.“
Wenn Sie das nicht brauchen gut.
Aber andere Kameraden jung wie alt, niedriger Dienstgrad wie hoher wollen es haben.
Und im Ausland werden wir ständig mit unseren militärischen Leistungen der Vergangenheit gleichgesetzt. Ich weiß nicht mit wie vielen ausländischen Kameraden ich schon über Rommel, Moltke, Beck, Clausewitz etc. gesprochen haben. Und über Führen mit Auftrag in echten Kriegen etc. etc.
„Warum benennt man keine Kasernen nach unseren für Deutschland im Auslandseinsatz gefallenen Kameraden?“
1. A und B sind überhaupt kein Widerspruch.
2. Grundsätzlich spräche da nichts gegen, aber Kasernenbenennung erfolgt nach DEU Brauch normalerweise nach „strategischen“ oder zumindest „operativen“ Persönlichkeiten. Die in AFG gefallen Kameraden erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Zudem ist kaum einer (keiner?!?!) von diesen Kameraden bei persönlichen Aufopferungshandlung gefallen.
3. Es sprich aber ja gar nichts dagegen nicht unterhalb der Ebene Kaserne nach einigen dieser Kameraden Räume/Straßen/Gebäude zu benennen.
@cosmo | 13. Oktober 2017 – 23:29
„Wann haben Sie sich das letzte Mal mit einem Mannschaftsdienstgrsd unterhalten“
Ich kann nicht für @KPK sprechen, aber in Bezug auf meine Person würde ich vorgestern sagen.
„oder soll ich lieber fragen: „Was haben Sie denn geraucht“ – Sorry, ich kann Ihre Aussagen eigentlich nur als „Bullshit“ bezeichnen.“
UIUIUI.
Es sei Ihnen ja Ihre Meinung gegönnt, aber das diffamieren von anderen ist vielleicht nicht angemessen, oder?!
„Die FA/UA i ziehen in der Regel Ihre Motivation nicht aus Kampfsituationen vergangener Kriege sondern aus dem monatlichen Gehaltsscheck – das sind die Realitäten !!!!“
Nein, sind sie nicht!
„2017: Der Kriegstechniker im kleinen Team :“
ICH will nicht in einer Armee dienen, die aus „Kriegstechniker“ besteht!
@Elahan | 14. Oktober 2017 – 2:27
„Wer glaubt, dass wir Namen aus dem WKII benötigen um unsere Soldaten zu motivieren und gut auszubilden, der kennt unser System nicht oder hält es für ungeeignet.“
Naja, wir machen es ja seit 60 Jahren sehr erfolgreich auch unter Abstützung auf den 2WK… Von daher würde ich Ihre Aussage durch die Geschichte der Bw als widerlegt betrachten.
„Wir haben top Soldaten auch ohne Personenkult.“
Niemand benötigt einen Personenkult, aber gute Traditionspflege stützt sich natürlich AUCH auf Vorbilder ab…
Wenn die These von Rohrschneider stimmen sollte und unsere Kämpfer in der Tradition vor allem nach Vorbildern für das Gefecht suchen, dann sollten deren Vorgesetzte mal damit beginnen ihnen ein Vorbild zu sein Ich glaube nicht, dass Soldaten die Geschichte anders wahr nehmen als die Gesellschaft, außer dort, wo Vorgesetzte ihnen andere Geschichten erzählen. Viele Soldaten leisten einen hervorragenden Dienst ohne Personenkult, doch mit viel Tradition (zB Wachbataillon).
Wer uns aber seit Jahren die Standorte schließt, umbenennt, regelrecht zertrümmert, viel Tradition zerstört muss sich über solche Verengung im Thema nicht wundern.
Viel Verbände leisten ihren Dienst auch ohne, dass ihre Kaserne oder Verband nach einer Person benannt ist.
@Elahan | 14. Oktober 2017 – 10:36
„Wenn die These von Rohrschneider stimmen sollte und unsere Kämpfer in der Tradition vor allem nach Vorbildern für das Gefecht suchen, dann sollten deren Vorgesetzte mal damit beginnen ihnen ein Vorbild zu sein“
Das ist m.E.n. ein unzulässige Verknüpfung von Argumenten!
NATÜRLICH benötige ich AUCH lebende Vorbilder. Das ersetzt aber nicht eine angemessene Traditionspflege. BEIDES ist notwendig.
„Viele Soldaten leisten einen hervorragenden Dienst ohne Personenkult, doch mit viel Tradition (zB Wachbataillon).“
Niemand benötigt Personenkult. Aber das wird auch derzeit von niemandem gefordert!
Und nebenbei, die Traditionspflege des Wachbataillon ist ja so etwas von außerhalb der bisherigen drei Haupttraditionslinien, dass diese geradezu der Beweis dazu ist, dass wir MEHR Traditionslinien benötigen und nicht weniger!
„Wer uns aber seit Jahren die Standorte schließt, umbenennt, regelrecht zertrümmert, viel Tradition zerstört muss sich über solche Verengung im Thema nicht wundern.“
Da bin ich allerdings deutlich bei Ihnen! Ich habe immer gesagt Traditionspflege vor 1955 ersetzt nicht die Bw-eigene Tradition, sondern muss sie ergänzen.
Aber die Bw-Führung und vor allem die politische Leitung hat seit der 2. Struktur in den 60er und vor allem seit 1990 in ärgerlichster Art und Weise verhindert, dass Bw-eigene-Traditionen entstehen :(
Ein büschen Ironie:
Aus meiner Sicht ist es gute Heerestradition unermüdlich und mit viel Elan teilweise über 100 Jahre alte Strategien und Konzepte in die Realitäten von heute und möglichst auch morgen zu pressen. So nach dem Motto „Was hätte Moltke dazu gesagt“. Die andere Große Tradition beim Heer ist sich ständig zu reformieren aka Heeresstrukturreformen.
Da kann einem schon schwindlig werden als Außenstehender.
Eine weitere Tradition scheint imho eine gewisse Bockigkeit im Sinne von „Was Heer ist bestimmt das Heer“ zu sein. Dazu ist allein schon das Interview des InspH mit Blick auf seine beabsichtigte „Feldtraditionstudie“ bis auf die molekülare Ebene aka Gruppenebene im nächsten Jahr zur „Begleitung“ der Überarbeitung des Traditionserlasses für mich ein ganz aktueller Beleg.
Zum Thema Kämpfer/Gefecht und Tradition fällt mir auf, dass man offenbar das ewige Wiederkäuen von operativen und taktischen Verfahren aus der Kriegsgeschichte als adequaten Ersatz für eine moderne Lesson Learnt/Best Practice Weiterentwicklungskultur für Einsatzdoktrinen und Verfahren betrachtet….aber das kann man dem Heer nicht anlasten, denn aufgrund jahrzehntelanger Diät in Sachen Großübungen inkl. Erprobung/Weiterentwicklung neuer Verfahren/Doktrinen steckt man eben in der train as U fight, fight as U train – Sackgasse, denn das letzte große konventionelle Gefecht eines deutschen Heeres liegt ja nun ziemlich weit in der Vergangenheit. Das ist ein Dilemma, das man aber auch als solches erkennen und ansprechen muß anstatt immer wieder nur die Traditionskeule zu schwingen.
Das Heer benötigt anscheinend eine PTET = Post-Tradition-Entlastungs-Therapie.
/Ironie OFF
;-)
@klabautermann:
Das Heer hat vor wenigen Wochen erstmals seit Jahren oder besser Jahrzehnten einen Blick in die Zukunft gewagt:
http://www.pivotarea.eu/2017/09/22/thesenpapier-des-deutschen-heeres-so-will-die-bundeswehr-kuenftige-landkriege-gewinnen/
Vergleichbares von anderen TSK kenne ich nicht.
Oder gar aus dem Bereich Planung für die ganze Bundeswehr.
Lessons learned der letzten 10 Jahre führen nämlich in eine gefährliche Sackgasse.
Krieg ist ein Chamäleon – sagte schon Clausewitz…
„Das wirklich scharfe Ende“ erleben Polizisten IM EIGENEN LAND fast JEDEN TAG, für gewöhnlich überraschend und aus dem Nichts.
Ja, das klassische „Stahlgewitter“ steht als worst case für Soldaten im Raum, so wahrscheinlich wie ein thermonuklearer Krieg.
Polizisten fallen nicht in Zugstärke, jedoch kontinuierlich, je nachdem wo sie Dienst tun oder auf welche Soziopathen oder Berufskriminelle sie gerade treffen. Das ist jedoch nur selten mehr als eine Meldung in der regionalen Presse wert.
Zusätzlich dürfen sie sich nicht nur von „anpolitisierten Jugendlichen“ oder Gelegenheitsrandalierern beleidigen, bespucken und ins Krankenhaus prügeln lassen sondern können noch mehr als in der Truppe darauf bauen, stets von der eigenen Führung unterlaufen und bei Bedarf von Hans und Franz an den Pranger gestellt zu werden.
Makes U go hmmm, warum diese NICHT irgendeinen Polizeidirektor als verkappten Säulenheiligen oder „1. Mai 87 Berlin“ als große Vorbildschlacht brauchen.
Jeder der hier davon redet, wie ehrenvoll es doch sei, das eigene Leben zu geben, tapfer zu fallen und als heroischer Soldat in das kollektive Gedächtnis einzugehen, ist a) als Offizier nie dieser Situation ausgesetzt und b) auf der befehlsgebenden Seite zu verorten. Man könnte auch sagen, diverse Kommentatoren sehnen sich nach einem „richtigen“ Krieg, in dem sie endlich und vor dem eigenen Ableben ihrer Bürde, Menschenmaterial verheizen zu müssen pflichtbewusst entsprechen dürfen und sodann ihre Entscheidungen über Leben und Tod anderer (!) im romantischen Stile dessen rechtfertigen können, wie heldenhaft und tapfer der Auftrag ausgeführt wurde und was für tolle Soldaten man doch gehabt hatte.
Nennen sie doch mal den Namen von einem gefallenen Fußsoldaten aus dem hier so verehrten 2. Weltkrieg (Familienangehörige ausgenommen).
Die ganze Traditionsdiskussion ist das Resultat enttäuschter Lebenserwartungen und – ausgenommen der frischen Verirrten und Verwirrten – Hilferuf von jenen, die mit dem Heute überfordert sind und daher retrospektiv den eigenen Lebenszweck zu bestimmen suchen. Früher war eben alles besser, nicht wahr?
Im Interview des InspH ist unter einem Bild eines mil. Trabant der Begriff der „Armee der Einheit“ benutzt. In der gesamten Diskussion fehlt m.E. aber wenigstens ein Hinweis, welches Element aus dieser Erfahrung heraus traditionsstiftend sein könnte. Die heutige Bundeswehr und deren Reserve besteht sowohl aus Männern der „alten“ Bundeswehr als auch aus Soldaten der NVA.
@klabautermann | 14. Oktober 2017 – 13:24
Ich bin mir nicht sicher, ob Sie hier Tradition und „handwerkliche“ Ausbildung mit einander Verwechseln…
Moltke kann uns natürlich für beide Bereich etwas bieten, aber die von Ihnen beschriebenen Aspekte passen eher in die ideengeschichtliche und operationstechnische Ausbildung, denn in die Traditionsbildung.
Unnötig zu sagen, dass ich (entgegen gesetzt zu Ihnen) auch und gerade die ideengeschichtliche und operationstechnischen Ansätze von Moltke heute noch für relevant halte.
Übrigens in guter Übereinstimmung mit Generalstabs- und Kriegsakademien aus aller Welt, die dies genauso sehen! Im Jahr 2017! Und dies nicht als Widerspruch betrachten, sondern geradezu als Befruchtung und Verbesserung der aktuellen Lehre!
Niemand den ich im Heer kenne, möchte übrigens aktuelle „Lessons Learned“ mit „klassischer Ideengeschichte“ austauschen. Hier kann es nur heißen „SOWOHL/ALS AUCH“!.
„eine gewisse Bockigkeit im Sinne von „Was Heer ist bestimmt das Heer“ zu sein.“
Wer denn sonst?! Im Sinne des Bildes vom selbstbestimmten Staatsbürger in Uniform einerseits und der Erkenntnis, dass aufgezwungene Traditionen auch nicht „funktionieren“ kann nur das Heer für sich selbst Tradition bilden und weiterentwickeln. Natürlich im Rahmen der rechten und linken Grenze, die die politische Leitung vorgibt, aber grundsätzlich muss das Heer natürlich seine eigene Traditionsbildung betreiben.
@Memoria | 14. Oktober 2017 – 15:23
„Lessons learned der letzten 10 Jahre führen nämlich in eine gefährliche Sackgasse.
Krieg ist ein Chamäleon – sagte schon Clausewitz…“
Touché :)
@Blackbox | 14. Oktober 2017 – 15:26
„Polizisten fallen nicht in Zugstärke, jedoch kontinuierlich, je nachdem wo sie Dienst tun oder auf welche Soziopathen oder Berufskriminelle sie gerade treffen.“
1. Niemand schätzt den Dienst unserer Polizei gering.
2. Polizei und Bundeswehr mit einander zu vergleichen wird beiden nicht gerecht. Aus vielerlei Gründen. „Harten Faktoren“ wie „weichen Faktoren“.
@Mathias | 14. Oktober 2017 – 17:29
„Die heutige Bundeswehr und deren Reserve besteht sowohl aus Männern der „alten“ Bundeswehr als auch aus Soldaten der NVA.“
Die NVA ist aus vielerlei Gründen für die Traditionspflege ein ganz heißes Eisen und kann natürlich (genauso wenig wie die Wehrmacht) als ganzes traditionsbildend wirken.
Ob einzelne Angehörige der NVA Vorbildfunktion haben können (z.B. wegen Aufopferungshandlungen) ist aus guten Gründen heftig umstritten…
Vor meinem Statement/Frage noch ein kurzer Disclaimer: Ich bin zwar großer Anhänger „der Truppe“, friste meinen Lebensunterhalt als ziviler AN der Bw und bin auch Reservist, aber trotz dieser relativen Nähe habe ich zu diesem Gesamtthema „Tradition“ bisher keinen Zugang gefunden.
Konkret die auch beschriebenen Beispiele …:
„Klaus-Peter Kaikowsky | 13. Oktober 2017 – 19:18
@JoFi
Weil der MG-Schütze nach drei Nächten im 2-Mann-Kampfstand in der Überwachung einer Sicherungsminensperre im Morgennebel keinen Hochwassereinsatz an der Oder im Hinterkopf hat, sondern seine Motivation aus Kampfsituationen derer zieht, die vor ihm waren.“
… setzen bei mir irgendwie „nicht um“ im Kopf.
Ich könnte mich auch meines Großvaters bedienen, der im WK2 einen verletzten Kameraden trotz bereits anlaufender Hilfsmaßnahmen nicht länger im Minenfeld liegen lassen wollte und bei der Rettungsmaßnahme – mit dem verletzten Kameraden auf den Schultern – selbst seine Beine durch eine Mine verlor.
Ich habe ihn ob dieses Mutes bewundert – aber ich bin mir nicht sicher, ob SEIN Handeln massgebend für MEIN Handeln sein wird, sollte ich jemals in vergleichbare Extremsituationen kommen.
Und genau so geht es mir bei all den anderen Vorbildern und Traditionen. Ich tue mich schwer damit, MEIN Handeln und Denken mit diesen in Korrelation zu setzen, denn ich bin seit Jahrzehnten stolz darauf, dass zu tun, was ICH für richtig halte – und da brauche ich niemanden, in dessen Fusstapfen ich treten soll.
Habe ich damit ein grundsätzliches Missverständnis für Tradition? Bin ich nur besonders eigensinnig? Fehlt mir die erlebte Extremsituation?
Man sollte die Bw einfach umbenennen in Technische Einheit zur Bewältigung außerstaatlicher Verwaltungsprobleme. Dann gibts keine Anknüpfungspunkte mehr. Nicht an die Schuld. Nicht an den Rest. Dann wärs endlich gut.
@Koffer
IHRE Meinung zu diesem Thema kenne ich schon.
Wenn aber der InspH zum Thema Traditionsverständnis das Bild der „Armee der Einheit“ bemüht, dann würde mich schon interessieren, welchen Aspekt er oder andere hohe Führungskräfte der BW in diesem geschichtlichen Kontext für traditionswürdig hält bzw. halten.
@Klabautermann
Etwas Vergleichbares von anderen TSK kenne ich auch nicht, aber etwas von einer anderen TSK.
http://augengeradeaus.net/2016/01/lesestoff-deutschlands-neue-militaerische-luftfahrtstrategie/
@Shepard | 14. Oktober 2017 – 16:02
„Man könnte auch sagen, diverse Kommentatoren sehnen sich nach einem „richtigen“ Krieg,“
Ich sehe nicht, wie Sie aus den hier getätigten Kommentaren eine solche Schlussfolgerung ziehen können.
„in dem sie endlich und vor dem eigenen Ableben ihrer Bürde, Menschenmaterial verheizen zu müssen pflichtbewusst entsprechen dürfen“
Keine Ahnung warum Sie glauben Ihre Meinung mit Tiefschlägen verschärfen zu müssen, aber ich darf Ihnen sagen, dass es im Regelfall nicht zur Glaubwürdigkeit Ihrer Argumente beiträgt, wenn Sie andere unfair diffamieren, nur weil diese eine andere Meinung haben als Sie…
„Nennen sie doch mal den Namen von einem gefallenen Fußsoldaten aus dem hier so verehrten 2. Weltkrieg (Familienangehörige ausgenommen).“
1. Der 2. Weltkrieg wurde hier durch NIEMANDEN verehrt.
2. Da gibt es viele. Um mal ein Beispiel eines Soldaten zu nennen, der sogar noch eine schlachterscheidende Rolle spielte und zudem ein gutes Beispiel für Verantwortungsfreude bietet –> Fw Rubarth.
„Die ganze Traditionsdiskussion ist das Resultat enttäuschter Lebenserwartungen“
Uiuiui, da lehnt sich aber jemand weit aus dem Fenster :(
Wie gut, dass diese Diskussion nicht nur von „alten Männern“, sondern auch von jungen Soldaten geführt wird…
„Früher war eben alles besser, nicht wahr?“
Bei bestimmten Dingen ja, bei den meisten Dingen sicherlich nicht, aber hat das irgendjemand hier im Diskussionsfaden behauptet?!
@Fussgaenger | 14. Oktober 2017 – 18:46
Traditionspflege in Armeen hat multiple Facetten und nicht jeder wird durch alle Facetten im gleichen Maße motiviert.
Mein Argument, Herr MikeMolto, wird nicht durch eine fadenscheinige Behauptung Ihrerseits nichtig.
Mein Beispiel zeigt, dass man eine belastete Bezeichnung durch Umbenennung neutralisieren (wenn nicht vielleicht sogar demokratisieren) kann.
@Memoria | 14. Oktober 2017 – 15:23
Volltreffer, sie haben meine Ironie offenbar verstanden. Die LL-Sackgasse aus den Einsätzen (insbesondere ISAF) ist doch aber letztendlich auch die Sackgasse der traditionalistischen Kämpferfraktion, die sich auf „Leistungen“ des einfachen, deutschen Soldaten und ihrer taktischen Führer beruft in den beiden Weltkriegen Und damit sollte nun klar sein, dass es den Protagonisten der deurschen Kämpferfraktion gar nicht um Tradition geht, sondern um Ideologie. Die kleine, feine ,Kampfgemeinschaft als Heimatersatz und Schicksalsgemeinschaft, die sich fern der Heimat im „Krieg“ nur auf sich selbst und ihren gemeinsam geteilten Kämpferethos verlassen kann mit dem Willen und der Fähigkeit zu kämpfen und dabei auch zu täten…..und – zugegeben zynisch – füge ich an: egal wie der spezifisch taktische und übergeordnete operativeAuftrag lautet. Das ist imho ein seltsames Verständnis von „Auftragstaktik“ im Zeitalter von vernetzter Operationsführung.
Nun, das „Dilemma“ habe ich ja in meinem Kommentar angesprochen. Das deutsche Heer muß wieder zu einer Übungskultur finden, die vom Gefreiten bis zum Oberst „im Felde“ ein professionelles Team&Idendity Building ermöglicht – ohne VIP-Day, aber mit den notwendigen Ressourcen um z.Bsp 10 Tage lang möglichst realistisch den verbandseigenen Einsatz-und Gefechrsrhythmus zu „erfahren“.
We are overtrained but underexercised – daran sollte man als InspH arbeiten und nicht an Feldstudien in Sachen Traditionspflege in der Truppe.
Just my 2 cents.
@ Fussgaenger | 14. Oktober 2017 – 18:46
„Habe ich damit ein grundsätzliches Missverständnis für Tradition? Bin ich nur besonders eigensinnig? Fehlt mir die erlebte Extremsituation?“
Vielleicht sind sie auch nur ein ganz normaler, braver deutscher Bürger, der militärische Tradition un seinem alltäglichen Beruf nicht benötigt, um in verschiedenen, auch extremen Situationen, Halt und Orientierung zu finden.
Vielleicht gibt es aber im Sport-, Fußball-, Kegel-, Kleingarten- oder Kaninchenzuchtverein dem sie (vielleicht) angehören so etwas wie Tradition oder traditionelle und somit leibgewonnene Verhaltensweisen bzw. Vorbilder die ihnen in ihrer Situation durchaus ausreichen.
@Elahan | 14. Oktober 2017 – 23:22
Auch die Marine ist dabei das Rad der TSK-spezifischen Weiterentwicklung neu zu erfinden: https://dmkn.de/marine-in-fu%cc%88hrung/
Kleine Randnotiz sei mir erlaubt, dass ich als ehemaliger OP3 Flotte und später Leiter WEM mit Schmunzeln diese konzeptionelle Gefechtskehrtwende aller drei TSK zur Kenntnis nehme. Joint Warfare aus dem CAX-Labor ist schlicht und einfach „akademisch“. So etwas muß wachsen über auch irl erprobte Component Warfare. Von daher ist das von @Memoria verlinkte Heereskonzept imho ein sehr begrüßenswerter Ansatz, denn afaik ist es a. waffengattungsübergreifend und b. rein heeresspezifisch und greift nicht gleich nach dem Joint Starwar..
Back to the roots of CD&E.
@MA
Gutes Beispiel, denn in in Vereinen spiegelt sich die Gesellschaft wieder und es gibt Vereine mit Tradition mit Mehrwert und es gibt Vereine welche einen Personenkult betreiben. Viele sind der Überzeugung, dass um gut/erfolgreich im Vereinssinn zu sein es genügt Vorbilder in der Sache zu haben aber diese Vorbilder nicht zu glorifizieren.
Meine Erfahrung ist, je mehr glorifiziert wird, desto mehr wird eine Legende gebastelt und gelogen und Menschen beeinflußt. Das Personenkult in Deutschland nach 1945 einen andern Stand hat als in Nordkorea, Russland oder den USA ist gut so. Tradition im Sinn von Weitergabe (das Tradere) von Handlungsmustern, Überzeugungen und Glaubensvorstellungen u. a. oder das Weitergegebene selbst (das Traditum, beispielsweise Gepflogenheiten, Konventionen, Bräuche oder Sitten -Wiki-) ist wichtig und die Grundlage von vielen Vereinen.
Eine Bitte: Die Traditionsdebatte scheint schwierig genug, da jetzt auch div. operationelle Grundlagendiskussionen mit einzuführen, sprengt endgültig den Rahmen.
@ klabautermann | 15. Oktober 2017 – 9:55
Da laeuft ja im OCT 17 die CD&E.-conference in London.
Gefechtskehrtwendungen sind wohl nicht zu erwarten (politische Stagnation in GB, EU & DE) aber vielleicht Kurskorrekturen.
@T.W.
Schon klar wollte nur @Memoria und @Elahan antworten, die ja auf meine Dilemma-These eingegangen sind. Werde das nicht weiter verfolgen.
@klabautermann:
Ihre Ablehnung der Heerestraditionen und die Gleichsetzung dieser mit rückwärtigem Denken kann ich weiter nicht nachvollziehen. Die Delegationen von Verantwortung ist ein zeitloses Führungsprinzip. Wer dies betont und in der Kampfgemeinschaft umgesehen haben will ist kein ewiggestriger Undemokrat.
In der aktuellen amerikanischen Diskussion wird deutlich, dass die selbständig agierende Kampfgemeinschaft sehr stark an Bedeutung gewinnen wird.
Im Rahmen von Multi-Domain-Battle denkt sogar die amerikanische Luftwaffe darüber nach die Entscheidungen erheblich zu dezentraliiseren.
Ja und dann sind wir wieder bei Moltke und seinen Ideen zur Auftragstaktik und seinen Überlegungen zu notwendigen Fertigkeiten der Offiziere. Diese Linie ließe sich verlängern zu den Ideen von Seeckt und Guderian. Danach kommt dann die große geistige Leere der Bw.
Dies sind auch auf den ersten Blick nur operative Fragen.
Die Tradition soll ja herausstellen was für die Zukunft von Bedeutung ist.
Also müsste man sich intensiv Gedanken machen was wichtig sein wird und entsprechend die Traditionspflege ausrichten.
Man könnte sogar auf den Gedanken kommen, dass der Jagdkampf der Lützow’schen Jäger ein herausragendes Beispiel für eigenverantwortlichen Kampf im 21. Jahrhundert unter russischer EloKa-Wirkung im Rahmen der Bündnisverteidigung sein könnte.
Aber das ist sicher zu aggressiv und berücksichtigt nicht alle Aspekte von Lützow aus dem Blickwinkel der heutigen FDGO.
@klabautermann | 15. Oktober 2017 – 8:12
Erst kritisieren Sie die „konservativen“ Generale und behaupten, dass sie Traditionspflege an den jungen Soldaten vorbei machen und dann diffamieren Sie diejenigen (jung und alt) die vorschriftsgemäß und zielführend Anhängern der „kleinen Kampfgemeinschaft“ sind.
Große Worte für einen Außenstehenden…
Kann es sein, dass Sie einfach als jeden und alles kritisieren möchten, solange es nicht IHRER Vorstellung von Traditionspflege entspricht?!
Ich habe das auch schon außerhalb der Kommentarspalten dieses Blogs festgestellt, aber hier kommt es auch deutlich heraus: manche Anhänger einer „progressiv“ und/oder „technokratischen“ Traditionspflege sind einfach intolerant gegenüber anderen Vorstellungen :(
Ich mache Ihnen mal Vorschlag: Sie dürfen Ihre Traditionsvorstellungen behalten und werden (weiterhin) dafür von mir nicht beschimpft und dafür lassen Sie andere Traditionsvorstellungen zu ohne diese zu diffamieren. Was halten Sie davon?
@Koffer | 14. Oktober 2017 – 23:39
„Der Krieg ist das Gebiet der Ungewißheit; drei Vierteile derjenigen Dinge, worauf das Handeln im Kriege gebaut wird, liegen im Nebel einer mehr oder weniger großen Ungewißheit. Hier ist es also zuerst, wo ein feiner, durchdringender Verstand in Anspruch genommen wird, um mit dem Takte seines Urteils die Wahrheit herauszufühlen.“
Carl von Clausewitz: Vom Kriege
In Zusammenhang mit Tradionspflege anhand von vermeintlch vorbildlicher und beispielhafter Personen und deren Handeln in jahrzehntelang zurückliegenden Kriegen tritt dann zum Nebel des damaligen Krieges noch der „Nebel der Geschichtsschreibung“ hinzu. Damit haben wir also – neudeutsch – einen doppelten Verpixelungseffekt in Sachen „Wahrheit“ sozusagen um in der Clausewitz’schen Diktion zu bleiben.
Man muß also bestimmte Personen und deren Handlungen politisch und moralisch in ihrer Epoche gar nicht kontextualisieren, schlichte Clausewitz’sche Logik reicht aus um die Plausibilität einer solchen Traditionspflege im Einzelfall nicht nur anzuzweifeln, sondern sogar grundsätzlich und generell als untauglich und schadlich in Sachen Innere Führung und bewaffneter Einsatz zu betrachten.
Ich denke, dass doppelt vernebelte Traditionen unseren Soldaten in den bewaffneten Einsätzen eher schaden als helfen.
Na prima, dank Moltke’s zeitlosem Genie brauchen wir keine Weiterentwicklung von Taktik und Verfahren, die „kleinen Kampfgemeinschaften“ werden es schon dezentral richten.
Klingt logisch: wenn man alle Gefechte gewinnt, dann gewinnt man am Ende auch den Krieg – fragt sich nur wie lange das dauert bis der „Feind“ bedingungslos kapituliert oder um einen Waffenstillstand bettelt/cyn
Ich schau jetzt lieber Fußball ;-)
@klabautermann | 15. Oktober 2017 – 12:14
Danke. Das meine ich ganz ehrlich. Sie haben mit dieser Stellungnahme einen m.E.n. interessanten Aspekt zur Diskussion hinzugefügt, aber ohne andere Meinungen zu diffamieren.
Auch hier halte ich Ihnen aber wieder entgegen, dass dies Ihre Meinung sein kann und sie ein Recht auf diese Meinung haben. Aber warum wollen Sie anderen, die eine andere „konservativere“ Auffassung von Traditionspflege haben diese verweigern?
Es ist doch mit der Traditionspflege genauso wie mit den „bunten Uniformen und Abzeichen“ zu Beginn der Bundeswehr im Verteidigungsausschuss heftig umstritten waren mit der ja Argumentation, dass Soldaten am besten intrinsisch motiviert sein sollten und deswegen äußere Abzeichen nicht notwendig seien. Dem hielt aber ein lebenserfahrener und gelassener Abgeordneter entgegen: Lasst sie doch, wenn sie es wollen!
Und genau das möchte ich Ihnen entgegen halten: Wenn Sie eine konservativ-traditionelle ans „Herz“ appellierende Traditionspflege nicht brauchen und sich lieber nur über das hier und heute und den „Verstand“ motivieren, dann sei Ihnen das gegönnt. Solange Sie Ihre Pflichten genauso ernsthaft und gut erfüllen wie andere, haben Sie m.E.n. sogar ein Recht auf einen solchen Ansatz.
Aber warum wollen Sie anderen etwas anderes verwehren?
Um auf Ihr Argument mit dem Nebel des Krieges und dem Nebel der Geschichtsschreibung konkret zu antworten: Sie unterliegen meines Erachtens nach einer typisch deutschen Vorstellung von „Wahrheit“ und „perfekten Vorbildern“.
Für eine wirksame Traditonspflege ist aber gar nicht notwendig die „absolute Wahrheit“ (so es diese denn überhaupt geben kann) über ein Gefecht zu kennen oder den „perfekten Helden“ (den es definitiv nicht geben kann) zu finden.
Bei traditionell-konservativer Traditionspflege geht es um „Archetypen“ und „Geschichten“ sozusagen um „Blaupausen“ auf die man sich selbst projizieren kann.
Rein theoretisch könnte man das auch erfundenen Personen und Gefechten machen, aber das wäre nun einmal nicht so effektiv wie durch historische Personen und Gefechte.
Ich möchte auch noch etwas deutlich unterstreichen: Eine historisch-konservative Traditionspflege stützt sich keinesfalls nur auf Vorbilder und konkrete Gefechte. Diese sind vielmehr nur ein Baustein. Zwar ein wichtiger, aber eben nur ein Teil.
Damit eine solche Traditionspflege funktioniert benötige ich auch andere Aspekte: Verbandstraditionen, Formen und Rituale seien hier beispielsweise genannt.
Um die Diskussion hier mal auf Meta-Ebene zu beleuchten schildere ich mal eine Analogie:
Studentische Verbindungen.
Man trifft in älteren Universitätsstädten gelegentlich noch diese kuriosen Grüppchen, die in ehemals imposanten, aber mittlerweile ziemlich heruntergekommenen Verbindungshäusern sitzen. Diese Leute kleiden sich anders, sprechen mit sonderbarem Wortschatz und versuchen bei näherer Betrachtung, durch ihr Verhalten eine glorreiche Vergangenheit wach zu halten, vielleicht auch wiederzubeleben. Für den Außenstehenden wirkt das oftmals tragikomisch.
Es klappt nämlich einfach nicht, denn die Bedeutung der Verbindungen ist mit dem Verlust ihrer maßgeblichen FUNKTION stetig zurück gegangen. Früher ging für den Studenten kaum ein Weg an Verbindung oder Corps vorbei – diese Einrichtungen gaben nicht nur Kost und Logis, sondern waren für das Studium und die persönliche Entwicklung maßgeblich.
Nicht durch die Tradition, sondern durch ihre FUNKTION erlangten sie Bedeutung!
Heute erinnert man sich aber eher an die Auswirkungen, die diese wichtige Funktion auf die Umgebung hatte: Der trinkfeste, fürsorgliche Fuchsmajor oder der zersäbelte, stets aufrechte X… und nennt dies Tradition.
Und wie sieht es bei der Truppe aus? Haben wir hier nicht eine ganz ähnliche Situation?
Im Anklammern an ein paar alte Traditionen sehnt der Durchnittslandser NICHT die Zeit im Schützengraben seines Großvaters zurück, behaupte ich mal.
Aber er schaut wehmütig auf eine im Großen und Ganzen ‚funktionierende‘ Armee der Vergangenheit. Dass sich jemand verantwortungsvoll um Unterkunft, Infrastruktur, Material, Personal und das Zusammenwirken aller Komponenten sorgte, dass man ’sein gewähltes Leben‘ mit einer gewissen Selbstverständlichkeit führen konnte und sogar Anerkennung dafür erfuhr. Ein Infanterieregiment mit seinen ‚integrativen Aktivitäten‘ als erweiterte Familie, im Kontrast zur willkürlichen Liegenschaft XY, in der der heutiger Pendelsoldat für 2-3 Jahre zum Dienst erscheint. Bis dann von P der nächste Standort ausgewürfelt wird.
Die Traditionsfrage beschreibt also aus meiner Sicht eher ein Verlustsymptom. Man hat das permanente Gefühl, dass irgendwas nicht stimmt oder fehlt und meint dann, es wären die Werte oder Haltungen der Altvorderen. Aber eigentlich fehlt uns nur eine funktionierende Armee.
Wenn der MG-Posten heute im Nest hockt und im Morgennebel friert, was wärmt ihn wohl mehr: Die Erinnerung an Heldentaten in irgendeinem Grabenabschnitt im 1.WK?
Oder vielmehr die Gewissheit, dass er Teil eines funktionierenden Verbandes ist – mit verlässlicher Ausrüstung, moderner Führungsunterstützung, erfahrener Führung, politischem Rückhalt und einem klaren, sinnstiftenden Auftrag?
Ich würde sagen: Letzteres! Und da können wir hinter kaum einen Punkt nen Haken setzen. Darum auch diese Flucht in die Vergangenheit mit all ihren teils schrägen Ausprägungen.
Warum sollten Rodger Young, Audie Murpgy, die Ratten von Tobruk Pawlow nicht als Vorbild dienen?
@Stöber:
„Aber eigentlich fehlt uns nur eine funktionierende Armee.“
Sehr passender und treffender Beitrag mit der richtigen Kernaussage.
Deswegen ist auch die Traditionsdebatte in der Bundeswehr und hier so kontrovers ist. Es geht im Kern um den Zustand der Streitkräfte und noch vielmehr die dahinterliegende Einstellung zum Soldstenberuf
@klabautermann | 15. Oktober 2017 – 12:53
„Na prima, dank Moltke’s zeitlosem Genie brauchen wir keine Weiterentwicklung von Taktik und Verfahren, die „kleinen Kampfgemeinschaften“ werden es schon dezentral richten.“
Da war ich wohl mit meinem Lob und Dank zu schnell ;) Warum muss es schon wieder auf diese Ebene abgleiten?!
@Stöber | 15. Oktober 2017 – 14:24
Zu Ihren „fachkundigen“ Vorstellungen vom Verbindungsstudententum sage ich mal lieber nichts, diese sprechen glaube ich für sich selbst…
Zu Ihrer Behauptung, dass man statt Traditionspflege eher eine funktionierende benötigt, widerspreche ich und sage: das eine ist kein Widerspruch zum anderen! Vielmehr unterstützt eine gute Traditionspflege die Kampfkraft einer Armee. Sie ersetzt nicht modere Ausrüstung, gute Ausbildung und zeitgemäße Taktik, aber sie wirkt als „Kitt“, die die Armee zusammenhält. Sozusagen als Kampfkraftverstärker…
Ich möchte Sie (und @all) mal etwas ganz anderes Fragen: Warum glauben Sie, dass nahezu alle Armeen dieser Welt mit einer klassisch-konservativen Traditionspflege gute Erfahrungen gemacht haben und diese auch heute noch hochhalten? Und warum glauben Sie, dass wir als DEU es besser wissen und es unseren Soldaten verbieten sollten es so zu machen, wie sie es selbst wollen und wie es sich in andere Armeen bewährt hat?
@ Stöber | 15. Oktober 2017 – 14:24
„Man trifft in älteren Universitätsstädten gelegentlich noch diese kuriosen Grüppchen, die in ehemals imposanten, aber mittlerweile ziemlich heruntergekommenen Verbindungshäusern sitzen. Diese Leute kleiden sich anders, sprechen mit sonderbarem Wortschatz und versuchen bei näherer Betrachtung, durch ihr Verhalten eine glorreiche Vergangenheit wach zu halten, vielleicht auch wiederzubeleben. Für den Außenstehenden wirkt das oftmals tragikomisch.“
Die Umschreibung ist ja auch auf den Generalstabslehrgang oder andere Bw Einrichtungen sehr zutreffend (scnr).
@Koffer
Aber ist dies der Kitt, den wir für die BW wollen?
Des Kaisers Heer hatte einige Eigenschaften selbst im Frieden von WWI gar nicht erst anzufangen über Dolchstoßlegende, Staat im Staat in der Weimarer Republik.
Wir sollten nicht ignorieren das sich die Kriegskunst seit Moltke weiterentwickelt bzw. Dinge umfasste für die Moltke vielleicht keinen Bedarf hatte oder nicht kannte.
Taktik und Verfahren zu entwickeln auf bewährtem aufbauen, mit neuem zu ergänzen, das ist Tradition im besten Sinn und unentbehrlich.
Nun verstehe ich nicht, wozu ich da Beteiligte an dieser Entwicklung heroisieren muss.
Auch Vorbilder in einem Thema sind wichtig im Besondern wenn es um Haltung geht, doch dabei ist die persönliche Bekanntschaft wichtig und keine Überhöhung.
Geht es jedoch um Taktik und Verfahren, sind die meisten aktiven Soldaten nicht gefordert und Vorbilder schon garnicht. Wenn Stabsoffiziere und Generale für unseren militärischen Dienst Helden aus der Vergangenheit benötigen, muss ich mir wohl Sorgen machen!
@ThoDan | 15. Oktober 2017 – 18:22
„Aber ist dies der Kitt, den wir für die BW wollen?“
Keine Ahnung, was Sie wollen. Ich möchte das schon. Da wir beide auf dem Boden der FDGO stehen, werde ich Ihnen meine Meinung nicht aufzwingen und ich erwarte, dass Sie daher auch meine Vorstellungen respektieren.
„Des Kaisers Heer hatte einige Eigenschaften selbst im Frieden von WWI gar nicht erst anzufangen über Dolchstoßlegende, Staat im Staat in der Weimarer Republik.“
Ja, und? Wer hat denn jemals gesagt, dass wir uns die schlechten Eigenschaften zu eigen machen sollen/wollen?!?!?
„Wir sollten nicht ignorieren das sich die Kriegskunst seit Moltke weiterentwickelt bzw. Dinge umfasste für die Moltke vielleicht keinen Bedarf hatte oder nicht kannte.“
Seufz.
In Bezug auf Moltke und Ihren letzten Satz müssen wir in zwei Bereiche untergliedern:
a) Handwerk –> hat mittel bis wenig mit Traditionspflege zu tun
b) Vorbildfunktion –> hat eine sehr viel mit Traditionspflege zu tun
Bei b) ist es vollkommen egal, ob die Kriegskunst sich damals weiter entwickelt hat oder nicht. Es ist relevant, ob Moltke persönliche Eigenschaften hatte und/oder persönlich Leistungen erbracht hat, die für einen Soldaten heute noch als Vorbild dienen können.
Bei a) ist es natürlich sehr wohl relevant, wo seine Lehren fachlich heute stehen. Und da muss man sagen, dass er uns zwar teilweise noch heute Ideen und Prinzipien gibt, die hilfreich sind, aber diese dürfen nicht ohne Transferleistung ins hier und heute übertragen werden. Darüber hinaus sind diese handwerklichen Aspekte sicherlich zunehmend geringer werdend.
@Elahan | 15. Oktober 2017 – 20:02
„Taktik und Verfahren zu entwickeln auf bewährtem aufbauen, mit neuem zu ergänzen, das ist Tradition im besten Sinn und unentbehrlich.“
Ich halte es auch für unentbehrlich, aber es hat wenig mit Traditionspflege im engeren Sinne zu tun!
„Nun verstehe ich nicht, wozu ich da Beteiligte an dieser Entwicklung heroisieren muss.“
1. Im Bereich der Taktikausbildung benötige ich keine Helden. Hier kann man sogar von Verbrechern lernen…
2. Im Bereich der Prägen und Erziehung aber sehr wohl. Hier kann ich die Leistungen eines Menschen nicht von seinem Charakter trennen.
„Auch Vorbilder in einem Thema sind wichtig im Besondern wenn es um Haltung geht, doch dabei ist die persönliche Bekanntschaft wichtig und keine Überhöhung.“
Für Vorbilder aus dem Sportverein mag das gelten.
Bei Soldaten weltweit gilt das aber traditionell nur eingeschränkt.
Alleine schon deswegen, weil die wenigsten Nationen ständig im Krieg sind und man deswegen im Bereich der Personenvorbilder regelmäßig auf frühere Generationen zurück greifen muss.
Darüber hinaus besteht klassisch-konservative Traditionspflege nicht nur aus der Erinnerung an Personen (Helden, Vorbilder) und Handlungen (Gefechte etc.), sondern auch und nicht zu einem geringeren Teil aus der Verbandskontinuität bzw. Truppengattungskontinuität und aus Ritualen und militärischen Formen.
„Wenn Stabsoffiziere und Generale für unseren militärischen Dienst Helden aus der Vergangenheit benötigen, muss ich mir wohl Sorgen machen!“
Wenn jemand glaubt keine Vorbilder aus der Vergangenheit benötigt (egal ob Landser oder Vier-Sterne-General), dann würde ICH das als Hybris bezeichnen…
@Elahan
Wir müssen auch bereit sein ins Museum stellen, was dysfunktional geworden ist, und dürfen daran nicht festhalten.
@Koffer
Das war keine rhetorische Frage, das war ernst gemeint, können wir wirklich nur das nehmen was wir wollen und das andere nicht oder relativieren wir das, was wir nicht wollen?
Entschuldigung
Ich meinte das b) auch auf a) angewandt werden müsste.