Reden wir über Tradition (leider über alles)
Die Bundeswehr hat am (heutigen) Donnerstag die Reihe ihrer Workshops auf dem Weg zu einem neuen Traditionserlass fortgesetzt – Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte ja unter dem Eindruck des Falles Franco A., aber auch vor dem Hintergrund des Fundes von Wehrmachts-Gedenkstücken in Kasernen in der entbrannten Debatte über das Traditionsverständnis der Streitkräfte eine Überarbeitung des seit 1982 geltenden Traditionserlasses angekündigt (die Roadmap für die diversen Workshops hier).
Und eigentlich hätte es bei den Vorträgen und Diskussionsrunden am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam um die Geschichte und mögliche Traditionslinien eben vor NS-Zeit und Wehrmacht gehen sollen. Der Titel war eigentlich unmissverständlich: Kostbares Erbe oder drückende Last der Vergangenheit? Funktion und Bedeutung der älteren deutschen Militärgeschichte für die Tradition der Bundeswehr
Um es vorweg zu nehmen: Es ging eben nicht nur um die ältere deutsche Militärgeschichte, also nicht wie von der Ministerin schon mal skizziert um die Ereignisse seit den Befreiungskriegen gegen Napoleon oder die preußischen Militär-Reformer oder gar die Folgen der Frankfurter Nationalversammlung für deutsche Streitkräfte. Genauer: darum ging es nur am Rande, denn irgendwie wurde es dann doch wieder zu einer Debatte über jegliche deutsche Militärgeschichte und -Tradition, vor der Gründung der Bundeswehr und danach, und mit einem nicht unerheblichen Teil Debatte über die Wehrmacht und ihre Auswirkungen auf aktuell gefühlte oder gelebte Tradition.
Die Vorträge habe ich im Originalton hier dokumentiert; ein paar Beobachtungen und Anmerkungen:
Der Berliner Politikprofessor Herfried Münkler (den O-Ton habe ich leider aus technischen Gründen nicht) verwies einleitend darauf, dass auch der Rückgriff für die Reformer Anfang des 19. Jahrhunderts nicht unproblematisch seien – Scharnhorst, Gneisenau oder Clausewitz seien sicherlich nicht Demokraten in unserem heutigen Sinne gewesen und die Traditionslinien aus dem 19. Jahrhundert eben auch nicht unproblematisch. Der leitende Wissenschaftler des ZMSBw, Michael Epkenhans, brachte das auf die Formel: Ihr nationalistisches Gedankengut, ja der regelrechte Franzosen- und bei Gneisenau später Polenhass sind darüber hinaus ausdrücklich nicht traditionswürdig. Alle Reformer bedürfen deshalb der Kontextualisierung.
Epkenhans stellte darüber hinaus auch die Orientierung an Soldaten des 1. Weltkrieges infrage – inbesondere bei Traditionsnamen, die sich bei der Luftwaffe finden: Klassische militärische Leistungen und Tugenden, Tapferkeit und Ritterlichkeit oder das berühmte Feldherrngenie von Soldaten vor 1933 reichen allein nicht aus, um … traditionsbildend zu sein. … In der Konsequenz bedeutet dies, dass es für eine Hindenburg-Kaserne heute ebensowenig einen Platz gibt wie für eine Emmich-Cambrai-Kaserne oder die nach Immelmann, Richthofen oder Boelcke benannten Traditionsgeschwader der Luftwaffe. (Epkenhans kompletter Vortrag ist auf der Dokumentationsseite nachzulesen.)
Das dürfte nun vermutlich nicht bedeuten, dass die Taktischen Luftwaffengeschwader 51 31, 71 und 51 (wie zuvor schon 74) demnächst ihren Traditionsnamen verlieren. Aber es zeigte sich im Verlauf der Debatte ein, sagen wir, Disconnect zwischen den Wissenschaftlern und den Brigadegeneralen, die sich quasi als Vertreter der Truppe äußerten. Vor allem Kai Rohrschneider, der deutsche Stabschef bei der U.S. Army Europe und Panzeroffizier, verwies auf die grundsätzlich andere Wahrnehmung von Tradition in der Truppe als in der Öffentlichkeit (und wohl auch in der Wissenschaft).
Auch wenn der eigentliche Begriff der Tradition für die Soldaten eher sperrig sei – die Truppe habe eben ein besonderes, berufsspezifisches Verhältnis zur Militärgeschichte, und das führe zu einer Dynamik, die Soldaten von Historikern unterscheide. Soldaten, so eine von Rohrschneiders Thesen, suchten in der Tradition vor allem nach Vorbildern für das Gefecht, ihre wesentliche Aufgabe – und nähmen Geschichte deshalb anders wahr als die Gesellschaft.
Zugleich zeigte sich der Brigadegeneral ausdrücklich offen für eine Ausweitung des Traditionsspektrums – sowohl vor 1933 als auch nach 1956, nach Aufstellung der Bundeswehr. Dabei müssten sich alle von der obsessiven Betrachtung der Jahre 1933 bis 1945 lösen und nicht so tun, als wären 1.000 Jahre wirklich 1.000 Jahre gewesen. Vor allem aber: Symbole brauche die Truppe, um sich daran festzuhalten – und müsse dafür eine neue Formensprache finden.
Rohrschneiders Ansatz spielte auch in der Diskussion eine Rolle (die unter Chatham House Rules stattfand, aus der ich also berichten kann, aber ohne die Aussagen den Personen zuzuschreiben). Da wurde die ausdrückliche Warnung laut, Verbänden oder Einheiten ihre (Traditions)Namen einfach wegzunehmen – und schon gar nicht per Anweisung von oben: Der Name wird als Teil der Identität empfunden.
An der Stelle dürfte langfristig der Disconnect der Wissenschaftler (und der Gesellschaft?) und den Soldaten in eine schwierige Auseinandersetzung münden. Denn die einen sehen in bestimmten Traditionslinien und -Namen nicht die Verehrung von – zumindest teilweise auch fragwürdigen – militärischen Vorbildern, sondern eben einen wichtigen Bestandteil ihres Berufsverständnisses. Und die anderen argumentieren, dass es oft genug für die Auswahl dieser Traditionslinien und -Namen fragwürdige Kriterien gebe, die sie eben nicht traditionswürdig machten.
Der Wissenschaftler Epkenhans nannte in diesem Zusammenhang (auch nach der Diskussion im Gespräch mit mir) das Beispiel Helmut Lent: Wenn der erfolgreichste Nachtjäger der Luftwaffe während des Zweiten Weltkrieges as Vorbild und Namensgeber gewählt werde, bedeute das nichts anderes, als die Zahl seiner Abschüsse zum Maßstab für diese Vorbildfunktion zu nehmen. Ob das ausreiche? Ich meine nein.
Mit anderen Worten: Die Debatte über das, was künftig die Tradition der Bundeswehr ausmacht, wird auch mit dem für November (dann an der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin) geplanten vierten und abschließenden Workshop dazu noch lange nicht beendet sein. Und vermutlich auch nicht mit der Inkraftsetzung eines neuen Traditionserlasses – wann immer der auch, angesichts der absehbar langwierigen Bildung einer neuen Koalitionsregierung, tatsächlich kommen mag.
Nachtrag: Das Deutsche Heer hat dazu ein Eigen-Interview mit Heeresinspekteur Jörg Vollmer veröffentlicht. Es steht hier auf der Webseite des Heeres; für das dauerhafte Auffinden und fürs Archiv hier die Seite als pdf-Datei:
20171012_Tradition_InspH_Vollmer_Interview
(Foto: Generalinspekteur Volker Wieker bei einem Diskussionsbeitrag während des Workshops)
@ JCR
„Frage ist, wer käme denn beim Anlegen derart harter Maßstäbe an Demokratietreue überhaupt als Traditionsträger in Frage.“
Wenn man den hier bemühten Maßstab ‚Demokraten in unserem heutigen Sinne‘ anwendet, sind nur jeweils die letzten paar Jahrzehnte überhaupt traditionswürdig. Was in anderen Worten bedeutet, es kann keine Tradition geben.
Aus den bisherigen Workshop-Berichten lassen sich für mich keine Diskrepanzen zwischen DER Truppe und DER Gesellschaft ausmachen. Wo wären dafür denn die inhaltlichen und statistischen Belege? Interpretation der „öffentlichen Wahrnehmung“? Interpretation der „veröffentlichten Meinung“? Ist es nicht eher politische Furcht davor, dass es hier irgendwann zu fundamental unterschiedlicher Einschätzung kommen könnte?
Was mich grundsätzlich in allen bisherigen Veranstaltungen bei meiner eigenen Historiker-Zunft irritiert, ist die völlig vernachlässigte Frage danach, wie militärische Tradition überhaupt entsteht – beziehungsweise die erstaunliche Ansicht, dass sich Tradition (was schon dem Begriff als solchem widerspricht) wie ein Baukasten zusammensetzen und verordnen lässt, alles verbunden mit einer selbstverständlichen Erwartungshaltung, dass diese „Tradition“ anschließend von der „Truppe“ gelebt wird.
Dass wir die Institution Streitkräfte und den Begriff der Tradition naturgemäß vor dem Hintergrund unserer jüngeren Geschichte etwas argwöhnisch betrachten (müssen), ist selbstverständlich. Die Herangehensweise, die Entwicklung einer Tradition durch ein umfängliches Regelwerk in ein strammes Korsett pressen zu können, erscheint mir allerdings wenig aussichtsreich. T.W.s sehr anschauliche Wiedergabe der Diskussion in Potsdam spricht doch Bände. Die Frontverläufe in diesen Veranstaltungen sind auch nicht gerade neu. Es sei nur an Loretana de Liberos „Tradition in Zeiten der Transformation“ von 2006 für die theoretisierende Richtung verwiesen, auf Möllers/Schlaffer „Sonderfall Bundeswehr?“ von 2014 für die eher aus Truppensicht verfasste Untersuchung – beide übrigens aus dem ZMSBw.
Erstaunlich auch, dass in der Debatte der Blick über den Tellerrand so gar keine Chance erhält. Ist die deutsche Geschichte, aus der sich hiesige Tradition speist, eine andere als bei anderen Streitkräften, sind die Mechanismen, die die Entwicklung von Traditionen bewirken, dagegen sicher überall ähnlich. Aus eigener Erfahrung bei britischen und italienischen Streitkräften weiß ich, dass es dort zwar Diskussionen über tradierte Ereignisse gibt, aber kaum das Infragestellen der Notwendigkeit ihrer Überlieferung. Vielleicht ist es aber auch nur typisch deutsch, Tradition mit Verehrung gleichzusetzen. Verlorene Schlachten gehören genauso zur britischen Regiments-Tradition wie das Erinnern an Brüche durch Krimkrieg, Faschismus und Kolonialeinsätze bei den Italienern.
Na ja, wenn’s denn sein muß:
Die wohl älteste „Tradition“ der BW ist die der (partei)politischen Neutralität im Bereich Innere Führung. Politische Überzeugungen – egal ob konservativ, neo-liberal, sozialistisch oder populistisch – haben im Kanon der Führungsmittel der BW nichts verloren. Das gilt natürlich auch für die Tarditionspflege in den Streitkräften, die ja nicht nur über-parteilich sondern auch über-regional, -landsmannschaftlich und -konfessionell zu organisieren ist, denn die BW ist die „Armee“ der Bundesrepublik Deutschland und nicht die Armee einer Partei, Koalition, Konfession oder eines Bundeslandes etc. Von daher ist imho angesichts der seit einiger Zeit laufenden gesellschafts-/politischen Richtungs-Debatten, die ja nun durch den Einzug der AfD – nach mehreren Landtagen – in den Bundestag bestimmt nicht verstummen werden, eine Neutralisierung und Objektivierung des Traditionserlasses und der Traditionspflege im Sinne der von mir oben skizzierten „ältesten Tradition“ der BW schlicht und einfach unabdingbar. Die BW kann diese seit Monaten laufenden „verzerrten Diskussionen“ weder im Grundbetrieb noch im Einsatz wirklich gebrauchen im Rahmen der dienstlich-geistigen Gesunderhaltung der Truppe und was die körperliche Gesunderhaltung anbelangt offenbar ganz und gar nicht wenn ich an den einen oder anderen Ausbildungs“vorfall“ in jüngster Zeit denke.
Man kann natürlich anführen, dass der „Kämpferethos“ überparteilich, überkonfessionell und überhaupt ist, aber dann muß man eben auch belegen können, dass dieser Kämpferethos Teil der „flächendeckenden“ Traditionspflege der BW seit ihrer Austellung war, und zweitens aus zeitlosen und grundsätzlichen, funktionalen Gründen in der Breite notwendig ist für die Herstellung und Erhaltung der Einsatzbereitschaft, Schlagkreft und Kampfkraft der Truppe(n). Und drittens – selbst wenn erstens und zweitens nachgewiesen sind – kann man doch wohl vom Heer erwarten, dass es diesen Kämpferethos auch ohne Bilder/Vorbilder aus WK I und II in Erziehung und Ausbildung „in die Köpfe“ der Soldaten verpflanzen kann 62 Jahre nach Aufstellung der BW.
Und viertens muß dann das Heer natürlich u.U. sich die Frage gefallen lassen, wieviele „Kämpfer“ die BW denn nun tatsächlich strukturell benötigt. Die pauschale Forderung nach „every soldier, sailor and airman is a warrior“ kann’s ja wohl nicht sein und auch „every soldier is a warrior“ verlangt imho einen „Forderungsnachweis“ im Sinne wieviel wofür.
Just my 4 cents.
@ Koffer | 15. Oktober 2017 – 16:18:
„Ich möchte Sie (und @all) mal etwas ganz anderes Fragen: Warum glauben Sie, dass nahezu alle Armeen dieser Welt mit einer klassisch-konservativen Traditionspflege gute Erfahrungen gemacht haben und diese auch heute noch hochhalten?“
So unproblematisch, wie Sie das hier darstellen, ist eine konservative Traditionspflege auch andernorts nicht:
http://www.politico.com/story/2017/08/18/military-bases-confederate-names-241799
https://www.washingtonpost.com/news/powerpost/wp/2017/08/15/rebel-base-names-statues-disgrace-u-s-military-facilities-and-congress/?utm_term=.7cb19d058395
http://www.defenseone.com/ideas/2017/08/rename-us-army-bases-heroes-not-confederates/140326/
@Aufklärer | 16. Oktober 2017 – 9:52
Sie sprechen hier ein vermeintliches Spannungsfeld an, das aber nach mehr als 15 Jahren bewaffneter Einsatz in Koalition mit anderen Streitkräften so nicht mehr wirklich aufrecht erhalten werden kann. Die Innere Führung ist zwar kein Exportartikel geworden – Amerikaner, Franzosen, Briten, Kanadier etc. kommen mit ihrer traditionsbasierten Führungskultur ganz wunderbar zurecht – allerdings ist die BW mit der Beachtung und Einhaltung der Prinzipien der Inneren Führung in den bewaffneten Auslandseinsätzen wohl auch gut „zurecht“ gekommen. Führungskulturell ist Tradition in den deutschen Streitkräften in Frieden und Krieg eine Untermenge der Inneren Führung und nicht umgekehrt.
Daraus folgt natürlich, dass Tradition/Traditionspflege in gar keinem Fall das Innere Führungsmittel der 1. Wahl ist und sein kann, schon gar nicht mit Blick auf das soldatische Selbstverständnis inkl ethische und moralische Grundlagen. Anders formuliert: das Leitbild vom Staatsbürger in Uniform ist auch für die kämpfende Kampftruppe uneingeschränkt gültig.
Eine nur auf Tradition und Traditionspflege verengte Diskussion ist imho schlicht und einfach irreführend und schon gar nicht zielführend, es sei denn man hat als Zieldefinition ein anderes Leitbild im (Hinter)Kopf – also diese sui-generis-Definition des Staatsbürgers in Uniform.
Von daher ist ihre These: „Die Herangehensweise, die Entwicklung einer Tradition durch ein umfängliches Regelwerk in ein strammes Korsett pressen zu können, erscheint mir allerdings wenig aussichtsreich.“ m.M.n. schlicht und einfach falsch. Überall da, wo „gelebte“ Tradition und Traditionspflege nicht mit den Prinzipien der Inneren Führung vereinbar ist, muß eben nachgeregelt werden dürch die politisch-militärische Führung der BW. Es sei denn wir wollen zulassen, dass der soldatische Schwanz irgendwann traditionell mit dem zivilgesellschaftlichen Hund wedelt in Deutschland – sorry for my french.
@Aufklärer
„Vielleicht ist es aber auch nur typisch deutsch, Tradition mit Verehrung gleichzusetzen. Verlorene Schlachten gehören genauso zur britischen Regiments-Tradition wie das Erinnern an Brüche durch Krimkrieg, Faschismus und Kolonialeinsätze bei den Italienern.“
Keiner setzt Tradition mit Verehrung gleich aber viele (siehe Kommentare) beschäftigen sich zum Thema Tradition NUR mit Personen und deren Verehrung/Erinnerung/Vorbild.
Verlorene und gewonnen Schlachten gehören zur Geschichte, auch zu unserer aber eben auch jene welche nicht nur von Vorgängerstaaten der BRD (im Besonderen 1866) geführt wurden, denn oft standen sich unsere Vorfahren gegenüber. Das war eben in GB/FR z.T.anders. Was der Staat und seine Institutionen für traditionswürdig erachten ist eben nicht Geschichte, sondern im Besonderen die Lehren aus dieser. Brauchtum und Zeremonien entwickeln sich und werden oft durch Vorschriften beschrieben, diese ständig anzupassen ist wichtig und trägt zum entwickeln dieser gelebten Kultur bei.
Daraus entwickelt sich eine gelebte Kultur und die ist eben anders als in GB …. und das ist gut so.
Schon jetzt entwickelt sich im Baltikum eine neue Kultur und mit Sicherheit wird einiges tradiert und sich in einigen mili Gemeinschaften in Europa wieder finden. Kultur lebt und Tradition ist EIN kulturbildendes Element.
Militär, das opfern unserer Kinder, ist in Deutschland eben kein beliebiges Instrument der Politik, sondern -ultima ratio- und daraus folgt eine kulturelle Besonderheit in Europa.
Alles was einen Krieg und unser Handwerk überhöht, wird deshalb kritisch betrachtet und das ist gut so. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir eine historisch gewachsene Kultur militärischer Zurückhaltung haben und dies hat Tradition. Diese Kultur ist in Mitteleuropa nicht nur in Deutschland, historisch gewachsen und sie ist sehr gut begründet, sie ist ein Wert an sich.
@Aufklärer
Mir ist jetzt auch nicht ersichtlich, warum eine verlorene Schlacht schändlich – kriminell – nicht erinnerungswürdig und Vorbildhaft sein sollte?
Der Rückzug der US Marines in Korea z.B.
Die kuk Soldaten und ihre Verbündete bei Königgrätz
@ Elahan | 16. Oktober 2017 – 12:13
Ich fürchte, auch bei der Debatte um Tradition hat Churchill Recht: „Man hat die Deutschen entweder an der Gurgel oder zu Füßen.“
Wir finden nicht das richtige Maß zwischen im Staub kriegen und einen auf dicke Hose machen. Das sieht man in dieser Traditionsdebatte sehr deutlich. Kein Franzose würde auf die Idee kommen, die zahlreichen Hervorhebungen von Napoleon bilderstürmerisch zu beseitigen, dabei hatte man ihn doch schon zu Lebzeiten verbannt. Der Sklavenhalter George Washington ist in den USA immer noch Namensgeber der Hauptstadt und die Kolonialgeschichte gehört selbstverständlich zur Tradition der britischen Streitkräfte.
Den Ausspruch „Steht doch endlich mal zu eurer Geschichte“ müssen wir wohl mal wieder beherzigen. Dabei ist dann zu bedenken, dass es – oft in einer Person verdichtet – historische Tatsachen gibt, auf die wir stolz sind und eben solche, die wir bedauern bis verachten. Nur machen wir den unschönen Teil der Geschichte nicht dadurch besser, dass wir ihn verleugnen oder, und das ist aktuell ein Problem, wenn wir positive Taten/Ereignisse immer mit dem Negativen aufwiegen.
Beim tradierbaren, also „schönen“ Teil der Geschichte wird zwangsläufig eine Verkürzung vorgenommen, die bis zur Verklärung geht. Dieses tradierte Kondensat dient dann in der Gegenwart als Hilfsmittel bei der Organisation von Willenskraft und geistiger Gesundheit.
Haben wir nicht ein viel zu verkrampftes Verhältnis zu unserer Vergangenheit / Geschichte?
Nicht nur als Streitkräfte sondern als Gesellschaft allgemein?
In meinen vielfältigen Einsätzen im Ausland habe ich bei Gesprächen mit ausländischen Kameraden immer wieder die Erfahrung gemacht, das diese sehr wohl zwischen militärischer Leistung und dem seinerzeit herrschenden politischen Umfeld unterschieden haben und das auch entsprechend zum Ausdruck gebracht haben. Und das bezog sich auf beide Weltkriege. Gerade bei Franzosen, Briten und Russen kam die Diskussion darüber, warum wir als Deutsche nicht stolz auf gewisse militärische Leistungen sind, regelmäßig auf.
Ich bin der Meinung, unsere hier geführte Diskussion versteht im Ausland keiner.
Soldatische Tugenden und Motivation vermittelt man nicht technokratisch mittels Vorschrift, dazu braucht es Traditionen und Vorbilder, die die emotionale Ebene ansprechen.
Und diese kann man nicht „kreieren und implementieren“, diese bilden sich selbstständig.
Man kann nur versuchen, diese zu formen und in die „richtige“ Richtung zu bringen. Ansonsten hat man als Ergebnis die aufgesetzte, klinisch reine, offizielle Leitkultur (-Tradition) und viele inoffizielle Subkulturen (-traditionen). Das kann auch keiner wollen.
@Aufklärer
Überlieferung im Sinn der Weitergabe von Überzeugungen und Handlungsmustern bedarf erst recht einer Überprüfung ob diese unseren Werten und hinsichtlich FDGO Übereinstimmung findet, der Rest ist Taktik, Technik und Verfahren (TTVG).
Sollten Sie die schriftliche Überlieferung meinen, ist diese einer wissenschaftlichen Textkritik unter mili Gesichtspunkten zu unterziehen um im Anschluss die entsprechenden erforderlichen Lehren zu ziehen :-)
@Klabautermann
Nicht das Kind mit dem Bade ausschütten … Es geht nicht darum, einen Gegensatz zwischen den Prinzipien der Inneren Führung und der Tradition aufzubauen, den es gar nicht geben muss. Ich wage sogar zu behaupten, dass es für den Fall, dass die Grundsätze der Inneren Führung umfänglich greifen, Probleme mit Traditionslinien gar nicht erst auftauchen – weil der informierte Bundeswehr-Angehörige einordnen kann, was hier passt und was nur ein geschichtliches Ereignis ist. Und es ist ja wohl nicht ganz von der Hand zu weisen, dass das Infragestellen der Inneren Führung zurzeit v.a. top down läuft und berechtigte Fragen zur Weiterentwicklung wie durch Bohnert etc. wenigstens im Moment eher im politischen Raume verhallen.
Der Zwang, alles „nachregeln“ zu müssen, damit bloß nicht der Eindruck entsteht, als ob der „soldatische Schwanz irgendwann traditionell mit dem zivilgesellschaftlichen Hund“ wedelt, ist im Übrigen Kennzeichen eines meiner Ansicht nach mittlerweile verwerflichen Ansatzes des prinzipiellen Misstrauens der Zivilverwaltung gegenüber allen uniformierten Teilnehmern des Hauses Bundeswehr. Natürlich kann man hier regeln, nachjustieren, vorschreiben. Und dann? Dann ist es eben eine Vorschrift zu Tradition – aber noch lange keine Tradition. Um mal mit Sascha Stoltenow zu reden: „Dem Primat der Politik zu folgen heißt nämlich nicht, unkritisch umzusetzen, was Ministerium und Regierung vorgeben.“ Dass Tradition wichtig für den inneren Zusammenhalt von Streitkräften ist, kann nur noch jemand behaupten, der sich überhaupt nicht mit Thema auseinandersetzen will. Tradition muss aber jedem einzelnen Bundeswehrangehörigen plausibel sein, nachvollziehbar, erlebbar. Erst dann kann er sich damit identifizieren.
@Elahan
„Militär, das Opfern unserer Kinder, ist in Deutschland eben kein beliebiges Instrument der Politik, sondern -ultima ratio- und daraus folgt eine kulturelle Besonderheit in Europa.“ Bei aller Liebe, das ist keine kulturelle Besonderheit des deutschen Sprachraums, denn Großbritannien und Italien gehören ebenfalls zu Europa. Diesen Gesellschaften die ethischen Grundsätze abzusprechen, ihre Bürger nicht leichtfertig in den Tod zu schicken, hielte ich, gelinde gesagt, für verwegen.
Dass sich Vorfahren einander in kriegerischen Auseinandersetzungen gegenüber standen, ist ebenfalls keine deutsche „Errungenschaft“, sondern bis in die Zeit der Nationalstaaten hinein überall auf der Welt zu beobachten gewesen.
„Alles was einen Krieg und unser Handwerk überhöht, wird deshalb kritisch betrachtet und das ist gut so. Wir müssen uns bewusst sein, dass wir eine historisch gewachsene Kultur militärischer Zurückhaltung haben und dies hat Tradition.“ Erstens ist unser Handwerk kein normales Handwerk, genauso wenig wie Streitkräfte ein Konzern sind. Zweitens konstruieren Sie hier Abhängigkeiten, die überhaupt nichts miteinander zu tun haben. Eine allgemein gesellschaftliche Grundhaltung, militärische Mittel sparsam, wenn möglich, gar nicht einzusetzen, ist in der Tat ein Wert an sich – auch im Sinne von uns Betroffenen.
Wenn diese Gesellschaft allerdings den Ausnahmefall proklamiert und militärische Mittel einsetzt, hilft uns diese Haltung bis zur definierten Beendigung dieses Zustands leider überhaupt nicht weiter.
@Aufklärer
„Diesen Gesellschaften die ethischen Grundsätze abzusprechen, ihre Bürger nicht leichtfertig in den Tod zu schicken, hielte ich, gelinde gesagt, für verwegen.“
Wo habe ich Gesellschaften die ethischen Grundsätze abgesprochen.
Ich akzeptiere, dass andere Staaten auf dieser Welt vin uns abweichende ethischen Grundsätze haben als wir. Unsere sind die, die es sind und selbst in Deutschland gibt es Menschen welche auch für Wohlstand das Militär einsetzen würden.
Die geschichtliche Erfahrung der Teilnehmer am WKI+II ist durchaus unterschiedlich und manche Staaten in Eurasien setzen ihr Militär durchaus ein, um das Staatsgebiet und die Einflusssphäre auszuweiten. Wenn ich schreibe Mitteleuropa, dann bedeutet dies nicht, dass alle anderen diesen Rahmen nicht haben (wie zB Neuseeland, Japan uem).
@ Aufklärer | 16. Oktober 2017 – 15:26
„1. ist im Übrigen Kennzeichen eines meiner Ansicht nach mittlerweile verwerflichen Ansatzes des prinzipiellen Misstrauens der Zivilverwaltung gegenüber allen uniformierten Teilnehmern des Hauses Bundeswehr.
2. Dass Tradition wichtig für den inneren Zusammenhalt von Streitkräften ist, kann nur noch jemand behaupten, der sich überhaupt nicht mit Thema auseinandersetzen will. Tradition muss aber jedem einzelnen Bundeswehrangehörigen plausibel sein, nachvollziehbar, erlebbar.
Zu 1. nMn – streiche ‚mittlerweile‘, dieses prinzipielle Misstrauen hat eine lange Tradition seit Bestand der Bw als man das alliierte „civil contol“ mit „ziviler Kontrolle “ zu uebersetzen geruhte.
zu 2. Wenn ich den zweiten Satz richtig verstehen sollte, muesste man im ersten Satz streiche wichtig setze ‚unwichtig‘ lesen.
Ansonsten stimme ich Ihnen zu.
@ThoDan | 15. Oktober 2017 – 23:34
„Das war keine rhetorische Frage, das war ernst gemeint, können wir wirklich nur das nehmen was wir wollen und das andere nicht oder relativieren wir das, was wir nicht wollen?“
Wir können in Bezug auf Ausbildung/Handwerk alles nehmen und in Bezug auf Tradition das was uns nutzt (emotional und/oder sachlich).
@klabautermann | 16. Oktober 2017 – 10:00
„Die wohl älteste „Tradition“ der BW ist die der (partei)politischen Neutralität im Bereich Innere Führung. Politische Überzeugungen – egal ob konservativ, neo-liberal, sozialistisch oder populistisch – haben im Kanon der Führungsmittel der BW nichts verloren.“
Zustimmung. Allerdings sollte das doch Konsens sein und ist zudem ja auch keine neue Tradition in DEU Streitkräften ;)
Darüber hinaus muss man sich hier vielleicht auch darüber unterhalten ob das eine „Tradition“ ist…
@Aufklärer | 16. Oktober 2017 – 15:26
„Es geht nicht darum, einen Gegensatz zwischen den Prinzipien der Inneren Führung und der Tradition aufzubauen, den es gar nicht geben muss.“
+1
„Ich wage sogar zu behaupten, dass es für den Fall, dass die Grundsätze der Inneren Führung umfänglich greifen, Probleme mit Traditionslinien gar nicht erst auftauchen – weil der informierte Bundeswehr-Angehörige einordnen kann, was hier passt und was nur ein geschichtliches Ereignis ist.“
++1
„Und es ist ja wohl nicht ganz von der Hand zu weisen, dass das Infragestellen der Inneren Führung zurzeit v.a. top down läuft und berechtigte Fragen zur Weiterentwicklung wie durch Bohnert etc. wenigstens im Moment eher im politischen Raume verhallen.“
;)
„Tradition muss aber jedem einzelnen Bundeswehrangehörigen plausibel sein, nachvollziehbar, erlebbar. Erst dann kann er sich damit identifizieren.“
Absolute Zustimmung! Eine von oben übergestülpte Traditionspflege wird nicht angenommen und entfaltet daher nicht die dringend notwendigen Aspekte…
Was sind denn unsere Ideologien/Traditionen?
– Wir sind ein Teil Europas.
– Die EU ist Europa.
– Tradition eines ehemaliger Frontstaats im Kalten Krieg
– Übergang von nationaler Rüstungsindustrie zur europäischen Verteidigungsindustrie!
– Verteidigungspolitik ist Wirtschaftspolitik.
– Die Altlasten aus der Kolonialzeit unserer Nachbarn sind auch unser Problem (siehe Mali) -> Verlässlichkeit.
– Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt! -> Motto: Wir dienen Deutschland
– Übergang von Wehrplichtigenarmee-Tradition zur Berufsarmee-Tradition.
– BW ist ein Arbeitgeber.
– Wir bringen unsere europäischen Werte/Menschenrechte in die Welt, wir helfen, übernehmen Verantwortung!
– Tradition der Kriegsgräberfürsorge
– Keiner wird zurückgelassen
– Wir verhandeln offiziell nicht mit Terroristen.
Das reicht offenbar nicht aus, um Personal zu gewinnen bzw. diejenigen, die eigentlich nur studieren wollen oder Sanitäter werden, um später ein Medizinstudium zu beginnen, zu motivieren, wenn sie in einer asiatischen Steinwüste unser Land verteidigen: Man hat schließlich gesehen, wie einfach es ist, selbst ohne Pass hierher zu kommen. Man versucht also eine Tradition der Werbung in Medien und Schulen aufzubauen (BW ist Abenteuer!). In den USA passiert dies durch „Beratung“ bei Serien- und Filmproduktionen (NCIS, Valor, SEAL Team, The Brave), die dann ein möglichst gutes Framing bringen, während es eine Notwendigkeit ist, die Souveränität anderer Länder zu verletzen, um Gutes zu tun!
Kadettenschulen vermitteln die Traditionen ganz ohne den lästigen Teil (Töten, Sterben, Suizid). Waffen werden nach abgeschlachteten Indianerstämmen benannt, um eine Heimatverbundenheit auszudrücken.
Kann man mit Musikkorps, Eid, Flagge, Orden und Abzeichen sowie Mottos jemanden dazu bewegen, sein Leben für andere zu riskieren und zu töten, ohne den Sinn dahinter infrage zu stellen, insbesondere bei Existenz von Actioncams, Drohnen und Kriegsreportern, die die Realität und Wahrheiten der verschiedenen Kriegsparteien darstellen?
@Koffer, @Aufklärer und Co
Natürlich können wir diese „verzerrte Diskussion“ hier im Blog bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag fortsetzen – da bin ich völlig schmerzfrei. Diese Diskussionen haben aber nichts in der Truppe im täglichen dienstlichen Umfeld zu suchen, denn spätesten seit den Äußerungen von Herrn Gauland zu den Leistungen der Wehrmacht ist das eine partei-poliische, ideologisch „besetzte“ Thematik. Nach der Wahl ist vor der Wahl – die nachste Landtagswahl ist in Bayern (!) – und Wahlkampf hat nun einmal in der Kaserne nix zu suchen. Eine alte Binse besagt, dass wenn 2 Menschen das selbe sagen, sie nicht unbesingt das selbe meinen – manchmal werden solche „Grundsatzdiskussionen“ über Tradition, Solidarität, Vertrauen oder Nutella ja auch gerne nur deswegen künstlich am Leben gehalten um unentschlossene Wähler davon zu überzeugen, dass „man“ sich fürsorglich und ernsthaft um ihre eigentlichen emotionalen, kulturellen Belange kümmert wie Heimat, Sauerkraut und Einhaltung des deutschen Reinheitsgebotes als Teil einer deutschen Leitkultur/irony – man verzeihe mir die Überspitzung. Vielleicht ist also die Absicht des InspH diesen verzerrten Diskussionen top-down bis auf Gruppeneben hinunter eine formale Struktur zu verpassen doch gar nicht so unsmart wie ich ursprünglich dachte – gerade auch mit Blick auf die zZt „hängenden“ Personalfragen IBUK und nächster GI. Wie der Hausherr ja oben formuliert hat: wir müssen leider über alles reden und das bedeutet eben auch die partei-politisch-ideologische Instrumentalisierung der Thematik Tradition und Traditionspflege in der BW. im Kontext Wehrmacht und deutsche, kriegsgeschichtliche Vorbilder.
@klabautermann | 17. Oktober 2017 – 9:00
„Diese Diskussionen haben aber nichts in der Truppe im täglichen dienstlichen Umfeld zu suchen, denn spätesten seit den Äußerungen von Herrn Gauland zu den Leistungen der Wehrmacht ist das eine partei-poliische, ideologisch „besetzte“ Thematik.“
Da komme ich aus genau zu den entgegen gesetzten Schlüssen! Die Traditionspflege der Bundeswehr ist keine parteipolitische Frage, deswegen ist es vollkommen abwegig, dass wir eine wichtige Diskussion truppenintern und zwischen Streitkräften und Gesellschaft unterdrücken, weil irgendjemand im Wahlkampf irgendetwas glaube sagen zu müssen.
@Alex | 17. Oktober 2017 – 0:48
„Was sind denn unsere Ideologien/Traditionen?
[…]“
Sorry, aber nahezu nichts von dem was Sie aufgezählt haben, hat irgendetwas mit Traditionspflege der Streitkräfte zu tun…
Hm. Natürlich schauen andere Nationen auf das, was sie aus deutscher Militärgeschichte und den Operationen lernen können. Aber das ist eine ganz andere Frage als Tradition…
@Koffer
Ja, die Traditionsgeschichte deutscher Streitkräfte ist ein ganz interessamtes Feld insbesondere im Zusammenhang von „Staatsbürger in Uniform“.
Nehmen wir doch zum Beispiel einmal Hans von Seeckt und sein Traditionskult einer vom „Friedensdiktat befreiten Armee“. Das ist nun ein eindeutig reichsbürgerliches Traditionsverständnis und kein partei-neutrales, bundesrepublikanisch-staatsbürgerliches Traditionsverständnis.
Die Nazis brauchten diesen Seektt’schen Traditionskult eigentlich „nur“ übernehmen in Sachen Inneres Gefüge der Wehrmacht ; „…….Sein Genie äußerte sich nicht in der Aufstellung großer Armeen, sondern in der Erschaffung eines militärischen Mikrokosmos, der bis in die letzte Einzelheit in sich vollkommen war, im gegebenen Augenblick aber unbegrenzt vergrößert werden konnte.“ (Siegfried Thomaschki, Lebenserinnerungen. Teil I, S. 78, Hamburg 1962.)
Offenbar will die Kämpferfraktion schon wieder einen solchen vom Friedensdiktat befreiten Trafitionskult in der BW salon-…….äh, besser formuliert „kasinofähig“ machen.
Wenn aber der Ansatz eine Armee aus „Parteipolitik“ rauzuhalten und daraus einen professionellen Elitekader zu formen zum „Programm“ (einer Partei) wird so wie einst bei der NSDAP, dann ist das eben m.A.n. ziemlich undemokratisch im Sinne der FDGO der Bundesrepublik.
;-)
BG Rohrschneider hat darauf hingewiesen, dass sich die Frage der soldatischen Tradition heute weniger daran orientiert, was für den Soldaten bedeutsam ist, sondern sich vornehmlich daran auszurichten scheint, wie die Gesellschaft Streitkräfte in demokratische Strukturen eingebunden wissen will.
Letzteres ist in seiner Bedeutung für die Akzeptanz von Streitkräften in freiheitlichen Gesellschaften nicht zu unterschätzen. Aber ist es das, wonach Soldaten in der Selbstreflexion suchen? Nach meiner 40-Jährigen Erfahrung nicht. Vielmehr suchen Soldaten nach Vorbildern und Vorbildlichem, wie BG Rohrschneider zutreffend beobachtet hat. Dabei geht es ihnen um das berufsspezifische des Soldatenberufes: Und das wird nun einmal durch Kämpfen und den Einsatz des Lebens bestimmt.
General Kießling hat versucht, den Kern der Traditionsfrage herauszuarbeiten. Seiner Auffassung nach lautet sie: „Darf man die Würdigung soldatischer Leistungen und Haltungen allein davon abhängig machen, dass sie für Zielsetzungen erbracht wurden, die unseren heutigen Wertvorstellungen entsprechen?“ Wer dies bejahe, müsse sich von der Geschichte lossagen, sagt Kießling.
Auf diesem Hintergrund muss klar sein: Soldaten werden sich weiter an Vorbildern und Vorbildlichem im Kampf orientieren, egal was der kommende Traditionserlass auch vorgeben mag. Das Überstülpen von Vorstellungen, die dieser Grundausrichtung nicht entsprechen, wird von den Soldaten nicht angenommen. Man wird dann eigene Wege suchen.
@ Koffer | 18. Oktober 2017 – 4:15:
„Die Traditionspflege der Bundeswehr ist keine parteipolitische Frage, deswegen ist es vollkommen abwegig, dass wir eine wichtige Diskussion truppenintern und zwischen Streitkräften und Gesellschaft unterdrücken, weil irgendjemand im Wahlkampf irgendetwas glaube sagen zu müssen.“
Korrigiere: „[…] dass wir eine wichtige Diskussion truppenintern und zwischen Streitkräften und einem winzigen Teil der Gesellschaft unterdrücken […]“
Der breiten Masse ist es vollkommen egal, wie das Traditionsverständnis der Bundeswehr aussieht oder ob sie überhaupt eines hat. Die interessierte Öffentlichkeit besteht in diesem Fall fast ausschließlich aus Militärhistorikern, die hierzulande selbst keine allzu große Popularität genießen und meistens sowieso mit der Truppe verbandelt sind (Ehemalige, ResOffz usw.).
Nur damit hier nicht der Eindruck aufkommt, diese Diskussion sei gesamtgesellschaftlich betrachtet tatsächlich relevant.
@Politikverdruss | 18. Oktober 2017 – 12:48
„Auf diesem Hintergrund muss klar sein: Soldaten werden sich weiter an Vorbildern und Vorbildlichem im Kampf orientieren, egal was der kommende Traditionserlass auch vorgeben mag. Das Überstülpen von Vorstellungen, die dieser Grundausrichtung nicht entsprechen, wird von den Soldaten nicht angenommen. Man wird dann eigene Wege suchen.“
Ihnen ist schon klar, dass sie mit dieser Aussage so ziemlich dem kompletten Kanon der Grundsätze der Inneren Führung quasi den „Gehorsam“ verweigern ?
Zur Erinnerung:
“ Integration in Staat und Gesellschaft,
das Leitbild vom Staatsbürger in Uniform,
die ethische, rechtliche und politische Legitimation des Auftrages,
die Verwirklichung wesentlicher staatlicher und gesellschaftlicher Werte in den
Streitkräften,
Grenzen für Befehl und Gehorsam,
die Anwendung des Prinzips „Führen mit Auftrag“,
die Wahrnehmung der gesetzlich festgelegten Beteiligungsrechte der Soldaten sowie
die Wahrnehmung des im Grundgesetz garantierten Koalitionsrechts.“ (wiki)
Wie bekommen sie denn z.Bsp „…..egal was der kommende Traditionserlass auch vorgeben mag…..“ mit ihrer vielbeschworenen „Auftragtstaktik“ zusammen ? Jeder Depp kann bei Wiki nachlesen, dass „Auftragstaktik“ eine unzulässige Verkürzung des Grundsatzes „Führen mit Auftrag“ ist und beim Führen mit Auftrag ist das WAS das zentrale, unantastbare Element des Auftrages und der Auftragsanalyse.
Bei ihrer „Führerausbildung“ ist wohl das hier irgendwie unter den Tisch gefallen:“…..Von besonderer Bedeutung für den Erfolg des Führens mit Auftrag ist, dass die unterstellten Führer die Absicht der übergeordneten Führung kennen und so ausgebildet sind, dass sie hieraus für sich im Rahmen der Auswertung des Auftrages eigenes Handeln im Sinne der übergeordneten Führung ableiten können…….“ (wiki)
Wie gesagt, mit ein paar Klicks bei Wiki kann man ihren Kommentar als wahrlich „politkverdrossen“ enttarnen ;-)
Diese Sch….-FDGO muß weg…zumindest in den Streitkräften (?) /SARC
Bürger | 18. Oktober 2017 – 13:28,
nur damit hier nicht der Eindruck aufkommt, @Bürger, Ihre gesamtgesellschaftliche Sichtweise hätte für den nach Orientierung suchenden Soldaten irgendeine Bedeutung. Wir Soldaten müssten uns sonst an pazifistischen Vorstellungen orientieren, was auch nicht im Sinne der Pazifisten wäre. Pazifismus „lehnt jede Form der Gewaltanwendung kategorisch ab und tritt für Gewaltlosigkeit ein“( Barbara Bleisch). Wir Soldaten halten dagegen ethisch gebundene militärische Gewalt in einer gewalttätigen Welt für unverzichtbar. Und auch Sie, lieber Bürger, dürften, wenn es darauf ankommt, sich eher auf den Schutz von Soldaten verlassen wollen, als auf „gesamtgesellschaftliche Betrachtungen“ zu setzen.
@ Politikverdruss | 18. Oktober 2017 – 14:00:
Dass ich eventuell selbst Soldat bin, haben Sie offensichtlich nicht in Erwägung gezogen. Schade.
Aber gut, lassen wir das. Ich sehe schon, wohin das führt.
@JoFi: weil es Menschen sind, die mit ihren Erinnerungen über die zeitlichen, politischen, räumlichen Grenzen hinweg tradieren, was sie gut und und was sie schlecht fanden. Es geht um Menschen, nicht um politische Konstrukte à la „Innere Führung“ (um mit dem Bsp. im Militär zu bleiben). Und weil Menschen sich auch in besseren Zeiten/pol. Systemen von den vermittelten neuen Vorbildern abwenden, wenn sie merken, daß sie hintergangen werden. Z.B. wenn der erste Kriegseinsatz der Bw nicht durch das Völkerrecht gedeckt ist oder , na ja hier ist dazu in den letzten Jahren ja genug gelistet worden, wenn auch sicher nicht alles.
@Jan Hoffmann
Erinnerung und was sich dabei tradiert (gut oder schlecht) kann keine Institution beherrschen (Gedanken), doch was die Bw/BMVg für traditionswürdig hält und unterstützt/versagt schon. Die Tradition muss von den Menschen kommen, aber nicht alles was von Menschen kommt ist Tradition.
Wo kommen wir da hin wenn jeder macht was er will, nur weil es tradiert ist.
@Politikverdruss
Wer gibt denn den jungen Rekruten die Vorbildern und Vorbildlichem aus der Geschichte?
Wer lebt ihnen denn diese zwanghafte Suche nach diesen Personen vor?
Der Rekrut sucht sich eher selten aus WKI+II Menschen aus, es ist der Geist welcher in manchen Truppenteilen wabert.
Junge Rekruten welche nachher zum Kämpfer ausgebildet werden, beschäftigen sich eher selten mit der Geschichte, man kaut sie ihnen vor und sie machen es nach.
Ursache => evtl fehlende lebende Vorbilder in den eigenen Reihen.
Tut wohl Not, dass Frau UvdL noch einmal vier Jahre macht!
Wenn in den Traditionslinien von Streitkräften das Wesenstypische des Soldatenberufes, der Kampf unter Einsatz des Lebens, nicht abgebildet ist, dann fehlen dem nach beruflicher Orientierung suchenden Soldat wesentliche Anhaltspunkte bei der Selbstreflexion.
Wer nun glaubt, diese berufliche Selbstfindung junger Soldaten könne par ordre du mufti verordnet und, falls erforderlich, durch die Gehorsamspflicht erzwungen werden, täuscht sich gewaltig in dem sicheren Gespür der „Truppe“ dafür, was für Soldaten essentiell ist.
Der Soldat, der von berufswegen auf Gewalt und Kampf eingestellt sein muss, wird sich nicht auf Traditionslinien zurückführen lassen, die für ihn bedeutungslos sind. Dies ist nicht eine Frage des Gehorsams, sondern eine Frage des soldatischen Selbstverständnisses.
Jene Fallschirmjäger, die sich in den Gefechten Afghanistans „Treue um Treue“ versprachen, denen man es verwehrte, damit auch ihre gefallenen Kameraden zu ehren, verdeutlichten, wie tief das Gespür der Truppe reicht, allen Anfechtungen verpflichtende Bilder entgegenzusetzen.
Elahan | 18. Oktober 2017 – 17:42,
welche Truppenteile, in denen „ein Geist wabere“ und welchen Geist meinen Sie? Sind Sie vielleicht Opfer Ihrer eigenen Vorurteile? Nach meiner Beobachtung beschäftigen sich junge Rekruten häufiger mit soldatischen Vorbildern. Dabei scheint mir Ihre Sicht („vorkauen“) auf junge Soldaten, die dann „Geschichte nachmachen“, eher weniger von den Grundsätzen der Inneren Führung und dem Leitbild des mündigen Staatsbürgers geprägt.
Aber auch die Ministerin war ja Opfer ihrer eigenen Vorurteile. Ob aber eine „Inhaberin der Befehls-und Kommandogewalt“ bei den massiven Vertrauensverlusten in der Truppe noch „einmal vier Jahre macht“, ist doch sehr zweifelhaft.
[Äh, nee. Jetzt ziemlich unelegant die Kurve kriegen, um der Ministerin noch einen mitzugeben, ist nicht nur OT, sondern auch billig. So bitte nicht. T.W.]
@klabautermann | 18. Oktober 2017 – 12:30
„Ja, die Traditionsgeschichte deutscher Streitkräfte ist ein ganz interessamtes Feld insbesondere im Zusammenhang von „Staatsbürger in Uniform“.“
+1
„Nehmen wir doch zum Beispiel einmal Hans von Seeckt und sein Traditionskult einer vom „Friedensdiktat befreiten Armee“.“
Sorry, aber ich halte die von Ihnen gewählte Bezeichnung „Traditionskult“ für tendenziös.
„Die Nazis brauchten diesen Seektt’schen Traditionskult eigentlich „nur“ übernehmen in Sachen Inneres Gefüge der Wehrmacht“
Das sehe ich anders! Das Seecktsche Verständnis von Streitkräften ist aus heutiger Sicht definitiv überholt, ob es damals eine andere Möglichkeit ohne Bürgerkrieg gegeben hätte, könnte man durchaus diskutieren.
ABER:
1. Die Nazis haben mit Seecktschen Denken/Vorstellungen rein GAR NICHTS anfangen können!
2. Da v. Seeckt aber auch im allgemeinen durch die Bw nicht als traditionswürdig im engeren Sinne betrachtet wird, ist diese Frage aber auch hier und in diesem Faden nicht relevant.
„Offenbar will die Kämpferfraktion schon wieder einen solchen vom Friedensdiktat befreiten Trafitionskult in der BW salon-…….äh, besser formuliert „kasinofähig“ machen.“
Die Formulierung „Friedensdiktat“ hatte ich bereits zurück gewiesen. Was das mit einer „Kämpferfraktion“ (was auch immer das sein soll) zu tun hat, verstehe ich auch nicht und „kasinofähig“ ist alleine schon deswegen relativ, weil man uns ja zwischenzeitlich 90% aller Kasinos geschlossen hat.
„professionellen Elitekader zu formen zum „Programm“ (einer Partei) wird so wie einst bei der NSDAP“
Inhaltlich gäbe es zu dieser Behauptung/These sicherlich einiges zu sagen, aber auf die Nazi-Keule reagiere ich nicht.
@Elahan | 18. Oktober 2017 – 17:42
„Junge Rekruten welche nachher zum Kämpfer ausgebildet werden, beschäftigen sich eher selten mit der Geschichte, man kaut sie ihnen vor und sie machen es nach.“
Nette These, aber sie hat nichts mit der Realität zu tun. Die jungen Leute (überwiegend FA und OA, bzw. JungFw und Lt-Hptm) suchen sich das selbst. Dienstlich wird da (leider) gar nichts mehr unterrichtet.
Der Bedarf kommt aus den Männern. Nicht von den Alten.
@Politikverdruss | 18. Oktober 2017 – 19:32
„Jene Fallschirmjäger, die sich in den Gefechten Afghanistans „Treue um Treue“ versprachen, denen man es verwehrte, damit auch ihre gefallenen Kameraden zu ehren, verdeutlichten, wie tief das Gespür der Truppe reicht, allen Anfechtungen verpflichtende Bilder entgegenzusetzen.“
+1
Koffer | 18. Oktober 2017 – 23:15,
ich teile Ihre Replik auf die inhaltlich wenig überzeugenden „Thesen“ über die Traditionsgeschichte deutscher Streitkräfte.
Der 1937 durch die Nazis inhaftierte Herrman Ehlers, ehemals Präsident des Deutschen Bundestages, hob hervor: „Hitler hat einmal von der >verfluchten Tradition< gesprochen, weil er wußte, daß Menschen, die in einer echten Tradition lebten, seinem alles umstürzendem Handeln den stärksten Widerstand entgegensetzten“. („Gedanken zur Zeit“, Seite 145) Wer sich mit den Lebensläufen der Persönlichkeiten des Widerstands gegen Hitler auseinandersetzt, erkennt, dass die Tradition damals wesentliche Antriebskräfte freigesetzt hat.
Aber auch das Heer der Bundeswehr hat sich in puncto Tradition klar festgelegt. Bemerkenswert die Aussagen des Inspekteurs Heer, GenLt Volmer. Er sagt u.a.in einem aktuellen Interview( siehe Artikel T. Wiegold): „Tradition kann nicht verordnet oder befohlen werden.“
Und auf die Frage, „Haben sich das Selbstverständnis der Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten und damit die Tradition inzwischen verändert?“, antwortet GenLt Vollmer (Auszug):
„Der Kampf ist zentrales Element und letztendlich geht es hier im Kern um das berufliche Selbstverständnis unserer Soldatinnen und Soldaten, mithin um unseren Ethos und unsere Identität. Es ist in letzter Konsequenz die Bewährung im Einsatz, im Kampf, im Gefecht. Tradition und Identifikation stehen dabei in einer direkten Wechselwirkung, denn Traditionen werden von Menschen gelebt.“
Auf diesem Hintergrund kann man die Argumentationslinien von @Klabauterman nur als wenig überzeugend einstufen. Ich hoffe, dass sich das Heer mit diesen klaren Positionierungen für den eigenen Bereich auch durchsetzen kann.
@Koffer | 18. Oktober 2017 – 23:15
Die von mir benutzten Begriffe und Aussagen zu Seeckt und Tradition sind Zitierungen und Paraphrasierungen aus „Bundeswehr und Tradition, die Suche nach dem gültigen Erbe des deutschen Soldaten“ von Donald Abenheim, München 1989. Empfehle auch das Nachwort von General Graf v. Kielmansegg in Sachen Traditionserlass.
In diesem Buch finden sie dann auch die „Nazikeule“, auf die sie nicht so gerne reagieren mögen ;-)
In Sachen Seeckt und Wurzeln der Wehrmacht itiere ich aus der englischen Wiki:
„The army that Germany went to war with in 1939 was largely Seeckt’s creation. The tactics and operational concepts of the Wehrmacht were the work of Seeckt in the 1920s. In addition, the majority of the senior officers and many of the middle-ranking officers were men that Seeckt had chosen to retain in the Reichswehr.[28] Seeckt created 57 different committees to study the last war to provide lessons learned for the next war.[28] Seeckt stated: „It is absolutely necessary to put the experience of the war in a broad light and collect this experience while the impressions won on the battlefield are still fresh and a major portion of the experienced officers are still in leading positions“.[28] The result was the 1921 book Leadership and Battle with Combined Arms that outlined the combined arms tactics and operational ideas that went on to serve as the Wehrmacht’s doctrine in the Second World War.[61][28] Seeckt envisioned Germany winning the next war by a series of highly mobile operations featuring combined arms operations of artillery, infantry, armor, and air power working together to concentrate superior firepower to crush the enemy at crucial points.[62] Seeing a significant role for air power in the next war, Seeckt kept a large number of officers in the Reichswehr who had experience in air combat. These officers formed the future officers corps of the Luffwaffe in the 1930s“
;-)
Na ja, General Vollmer hätte auch sagen können: „Ich stehe hier und kann nicht anders“……..als auf die „Bewährung“ im Einsatz inkl. Kampf und Gefecht abzuheben, denn er steckt wie schon seine Vorgänger „rbetween a rock and a hard place“. Einerseits hat die Politik den level of ambition in Sachen (militärisch-bewaffnete) Verantwortungsübernehme durch die BW im Ausland immer höher geschraubt und andereseits hat die Politik die BW als Sparsteinbruch in eine Situation gebracht, die aus „materieller“ Sicht nur als ultra-defizitär zu bezeichnen ist. Hinzu kommen dann diese zumeist von außen induzierten Sicherheitspsychosen (Terror) und Verteidigungsneurosen (Rußland, Iran). Man kann eigentlich froh sein, dass diese Kluft gerade mit Blick auf den Einsatzkontingentregenarations(zeit)druck zwischen Anspruch an die und der strukturellen Wirklichkeit der BW nicht (wieder) zu einer Einzelkämpferschleifermentaltät in der Trupe führt wie in den späten 60ern. H.Schmidt hatte da auch so seine Probleme mit der „Generalität“. However, wenn ich an Pfullendorf denke in der Nacht…….Vollmer muß einerseits eine gewisse „Übermotivierung“ in der Kampftruppe runter fahren und andererseits aber nun mächtig Druck machen, dass die Backbone-Strukturen der Kampftruppe anstelle von Besenstielen echte Rohre in ihren Gefechtsfahrzeugen haben wenn sie in eine Übung ziehen. Dazu ist echt sicherlich notwendig, dass diese angebliche Traditionsdiskussion in der Truppe ideologisch – mal wieder – entzerrt wird.
@klabautermann | 19. Oktober 2017 – 11:15
Ich hätte ja nicht gedacht, dass ich da mal zu Ihnen sage (denn meistens sind Ihre Aussagen ja zwar provokativ/grenzwertig, aber dennoch messerscharf an den von Ihnen zitierten Schriften orientiert und hergeleitet), aber in diesem Fall glaube ich haben Sie Prof. Altenheim nicht richtig verstanden.
Gerade in den von Ihnen zitierten Zeilen geht es nicht um Tradition, sondern um Ausbildung, es geht nicht um Ideologie, sondern um Handwerk und definitiv, definitiv, definitiv geht es nicht um einen „Traditionskult“.
@klabautermann | 19. Oktober 2017 – 12:44
„Dazu ist echt sicherlich notwendig, dass diese angebliche Traditionsdiskussion in der Truppe ideologisch – mal wieder – entzerrt wird.“
Ich stimme Ihnen in sofern zu, dass es keine Traditionsdiskussion „in der Truppe“ gibt. Das ist ein rein von der politischen Leitung und bestimmten Teilen der militärischen Führung erzeugtes Problem, welches aber aufgrund der durch die IBuK herbeigeführte die medial-kritische Öffentlichkeit m.E.n. mit einem unziemlichen Druck und mit einem absehbar nur eingeschränkt tauglichen Ergebnis bearbeitet wird :(
@Koffer
Ob nun H.Schmidt und „Schnez-Studie“ oder Scharping und Milotat-Denkschrift mit „Aufwärmung“ 2005……….es ist immer die selbe „story“ ;-)
@klabautermann | 19. Oktober 2017 – 21:39
Da wiederum bin ich bei Ihnen. Vermutlich zwar mit einem komplett anderen Blickwinkel, aber die beiden angesprochenen Vorgänge (so unterschiedlich im Detail) zeigen gut das fortwährende Ringen um zentrale Fragen unserer Streitkräfte.
Allerdings gingen auch Schnez und Millotat nur zu einem auf Tradition ein. Beiden ging es primär um Ausbildung, Handwerk und aktuelles berufliches Selbstverständnis.
@Koffer | 20. Oktober 2017 – 6:02
„……primär um Ausbildung, Handwerk und aktuelles berufliches Selbstverständnis…..“
Nun ja, das ist die altbekannte, vordergründige Rückzugslinie. Dumm bloß, dass Teil der Ausbildung mit Blick auf aktuelles soldatisches Selbstverständnis seltsamer Weise dieses „zeitlose“ Bild des sui-generis Soldaten sowohl bei Schnez als auch bei Milotat enthält wie es schon von Seeckt „kultiviert“ wurde. Dieses angeblich aktuelle Selbstverständnis inkl. Kämpferethos bekommt man natürlich nur in die Truppe wenn es sich bei den Vorgesetzten/Ausbildern eingeprägt hat ;-)
Glauben sie mir, ich führe diese „verzerrte Diskussion“ zum dritten Mal.
Zum Thema vorbildliche, beispielhafte Einzelleistungen von Wehrmachtsangehörigen in Verbindung mit den Landser-/Stahlhem-Ikonographie in Gesellschaftsräumen liegt der Verdacht einfach nahe, dass an der einen oder anderen Stelle in der BW noch immer ein ideologischer Unzeitgeist umgeht.
Man kann nur hoffen, dass in 15-20 Jahren diese verzerrten Traditions-Diskussionen nicht wieder hochkommen, sollte man nicht zur Tardition machen bei den Streitkräften ;-)
@klabautermann | 20. Oktober 2017 – 15:36
[Koffer]„……primär um Ausbildung, Handwerk und aktuelles berufliches Selbstverständnis…..“
[klabautermann ]“Nun ja, das ist die altbekannte, vordergründige Rückzugslinie.“
Ehrlich gesagt, halte ich das nicht für eine Rückzugslinien (und erst recht nicht für eine vordergründige). Vielmehr ist das aus meiner Sicht eine sich aus dem gesunden Menschenverstand ergebende Unterscheidung zwischen „Tradition“ und „Ausbildung“.
„Dumm bloß, dass Teil der Ausbildung mit Blick auf aktuelles soldatisches Selbstverständnis seltsamer Weise dieses „zeitlose“ Bild des sui-generis Soldaten sowohl bei Schnez als auch bei Milotat enthält wie es schon von Seeckt „kultiviert“ wurde.“
Diese „zeitlosen“ handwerklichen und beruflichen Bedingungen sind vielleicht auch eben diese.
Man muss nicht überall Verschwörungen wittern…
„Glauben sie mir, ich führe diese „verzerrte Diskussion“ zum dritten Mal.“
Ich zum zweiten Mal und ich war beim letzten Mal (als junger Gefreiter (UA)) schon sehr verärgert von denjenigen, die uns in der Truppe erklären wollten was es „wirklich“ bedeutet Soldat zu sein :(
„Zum Thema vorbildliche, beispielhafte Einzelleistungen von Wehrmachtsangehörigen in Verbindung mit den Landser-/Stahlhem-Ikonographie in Gesellschaftsräumen liegt der Verdacht einfach nahe, dass an der einen oder anderen Stelle in der BW noch immer ein ideologischer Unzeitgeist umgeht.“
Keine Ahnung wie Sie auf diese Idee kommen, aber ich kann weder in den Gemeinschaftsräumen noch in den beispielhaften Einzelleistungen von Wehrmachtsangehörigen irgend einen „Unzeitgeist“ erkennen. Und nebenbei auch erkennt dies auch der aktuelle „Traditions“-Erlass nicht!
„Man kann nur hoffen, dass in 15-20 Jahren diese verzerrten Traditions-Diskussionen nicht wieder hochkommen, sollte man nicht zur Tardition machen bei den Streitkräften ;-)“
Ich würde es mir in der Tat auch wünschen, dass man endlich zu einem normalen Verhältnissen zu Tradition und Geschichte kommen kann und nicht ständig politisch-ideologisch motivierte Angriffe gegen das Soldaten abwehren muss!
„Workshops zur Tradition und Identifikation im Heer sind gestartet“ bericht das Heer gestern.
Die Soldaten sollen sich angeblich von unten in die Traditionsdebatte einbringen dürfen.
Nur frage ich wie, wie dies möglich sein soll, wenn zu Beginn gleich die Wehrmacht wieder ausgeklammert wird, mit den Thesen vom Vernichtungskrieg der Wehrmacht und der umstrittenen Wehrmachtsausstellung. Niemand würde ausgerechnet den Ostfeldzug als traditionswürdig ansehen.
Vorgegeben werden gleich die 60 Jahre BW und und bezüglich der Zeit davor, wird das Beispiel Irland angeführt, was seine frühere Militärgeschichte getilgt hat, weil es früher für die Briten gekämpft hat oder Herr Professor Neitzel vorschlägt, 90 % Bundesswehr und 10 % von bis 1945 in die Tradition der BW einfließen zu lassen.
Damit bekommt das Heer faktisch keinen Spielraum und es drängt sich der Verdacht auf, daß diese Tradionsworkshops des Heeres, wie auf die vorherigen der BW, nur ein demokratisches Feigenblatt sein sollen, für einen von oben zu erlassenden Traditionserlaß, dessen Inhalt schon längst feststeht.
Wenn Neitzel davor warnt, daß gewisse Kräfte die BW zu einem Technischen Hilfswerk umwandeln wollen, dann übersieht er, daß alle Angriffe auf die Wehrmacht in Wirklichkeit immer die BW und das Soldatenum insgesamt treffen wollen!
Richtigerweise sollte die Tradition der BW aus 60 % Preußischer- und Kaiserlicher Militärgeschichte einschließlich Reichsflotte 1848 gebildet werden, 30 % Wehrmacht einschließlich Widerstand und 10 % BW eigene Tradition. Da die BW kaum kämpfen darf, ist nicht mehr da als 10 % eigene Tradition.
@Koffer
Na ja, sich gegenseitig einer ideologischen Sichtweise zu bezichtigen kennt man ja als „we agree to disagree“ . Schon einmal ein Fortschritt. ;-)
Mich verwundert immer, dass die Vertreter der sui-generis-miles-Fraktion nicht einmal auf die Idee kommen, dass ein einheitliches, stereotypisches soldatisches Selbstverständnis u.U, gar nicht notwendig ist für den Erhalt der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands. Im Gegenteil könnte das sogar kontraproduzent sein, weil es eben weite Teile der Gesellschaft geradezu abschreckt. Nun ist aber auch klar, dass Deutschland im Zeitalter gefährlicher Auslandseinsätze natürlich „auch Kämpfer“ braucht. Der Umkehrschluß der sui-generis-miles-Fraktion, dass die gesamte BW also aus Kämpfern bestehen sollte ist imho allerdings unlogisch; man verwahrt sich einerseits dagegen, dass die BW-Führung top-down der Truppe ein BW-generis-Traditionsverständnis überstülpt, andererseits argumentiert man dafür der gesamten BW ein sui-generis-miles-Selbstverständnis überzustülpen. Verbindet man dieses Konzept dann noch mit der Thematik Tradition und Traditionspflege, dann tritt eben diese „Verzerrung“ ein, die letztlich von der eigentlichen Problematik der „robusten“ Verteidigungs- und Auslandseinsatzfähigkeit ablenkt. Der weitaus größte Teil der Soldaten der BW dient in M, Lw, SKB, CIR und die fragen sich an der einen oder anderen Stelle bestimmt zu recht: was soll der Quatsch – um es mal ganz platt auszudrücken. Wenn man nun einigen Verbänden oder gar einer ganzen Waffengattung die angeblich traditionswürdigen, geschichtlichen, Prä-BW- Vorbilder inkl. Stahlhelm-/Landser-Ikonographie im dienstlichen Umfeld „wegnimmt“, dann werden die vielleicht eine zeitlang unter Phantomschmerzen leiden, der weitaus überwiegende Teil der BW wird allerdings froh sein, dass man sich endlich wieder ohne Geisterdebatten über Tradition dem eigentlichen Kerngeschäft widmen kann.
„Gute Tradition“ beim Militär ist ja „Befehl und Gehorsam“. Wenn also der neue Traditionserlass kommt, dann kann man nur Schneiderhan zitieren: „Wenn die Entscheidung gefallen ist, dann hören die Diskussionen auf“.
In diesem Sinne, werter Kamerad @Koffer, warten wir also die weitere Entwicklung ab – bin gerne bereit auch weiterhin diese Entwicklung mit Ihnen zu diskutieren ;-)
„Richtigerweise sollte die Tradition der BW aus 60 % Preußischer- und Kaiserlicher Militärgeschichte einschließlich Reichsflotte 1848 gebildet werden, 30 % Wehrmacht einschließlich Widerstand und 10 % BW eigene Tradition. Da die BW kaum kämpfen darf, ist nicht mehr da als 10 % eigene Tradition.“
Wer kommt denn auf so was? Halb BRD hat mit Preußen und Kaiserreich nichtz am Hut (1866 schon vergessen?)
Was hat die kommende Generation mit dieser Aufteilung zu tun?
Was soll da tradiert werden?
Richtet euch auf die Zukunft aus!
@Elahan
Obwohl Bayer könnte ich mich mit @closius Aufteilung wesentlich besser anfreunden, als mit den Vorstellungen die man der politischen Führung unterstellen kann.
@closius | 21. Oktober 2017 – 10:21
„Richtigerweise sollte die Tradition der BW aus 60 % Preußischer- und Kaiserlicher Militärgeschichte einschließlich Reichsflotte 1848 gebildet werden, 30 % Wehrmacht einschließlich Widerstand und 10 % BW eigene Tradition. Da die BW kaum kämpfen darf, ist nicht mehr da als 10 % eigene Tradition.“
Zunächst einmal halte ich Zahlen für äußerst schwierig. Zum einen, weil die Bundeswehr wie @klabautermann weiter unten (bis zu einem gewissen Grade) ja durchaus zutreffend anmerkt kein monolitischer Block ist und eine angemessene Tradition für die FmTr ja sicherlich komplett anders aussehen muss, als für die Infanterie und sich auch innerhalb der Infanterie sich deutliche Verschiebungen zwischen den einzelnen TrGttg ergeben.
Zudem sind viele Dinge nicht ein-eindeutig zuzuordnen!
Wenn wir z.B. den Offizierstern in Heer und Lw betrachten, dann hat er in einer Form seinen Ursprung in Preußen vor 1806, aber gleichzeitig ist er Symbol eines soldatischen Dienens, eines Officiums, über die Jahrhunderte.
Oder wenn Sie die Märsche ansehen, die als Traditionsträger für verschiedene Verbände dienen könnte, die sie jeweils als Traditionsmärsche genutzt haben (so denn auch anderen Kontinuitätsmerkmale vorliegen um eine Verbandstraditionsfortführung zu rechtfertigen).
Oder wenn Sie den „freien Geist“ und das „eigene Gewissen“ als traditionswürdiges Merkmal deutschen Offizierselbstverständnisses sehen, war ist das dann alt-preußisch (v. Seydlitz) oder neu-preussisch (Yorck v. Wartenburg) oder kaiserlich (v. Moltke d.Ä.) oder Reichwehr (v. Kirchbach)?!?!?
Darüber hinaus sind bestimmte Themen naturgemäß („ewige Werte im Soldatentum“) eher „alte“ Traditionslinien und andere Themen eher neue Wurzeln (InFü oder weltweite, humanitäre Einsätze z.B.).
Aber selbst wenn ich Ihren Ansatz der Prozente akzeptieren würde, dann wär mir Ihre überstarke Schwerpunktbildung in Prä-1919 ein Dorn im Auge. Ich würde da derzeit noch gleichberechtigte Stränge Prä-1919, 1919-1945 und Post-1955 sehen.
Wobei sich m.E.n. jedes Jahr mehr die Prozente zugunsten des Bw-Strangs verschieben würden. Nicht im Bereich der „ewigen Soldatentugenden“, sondern vielmehr im Bereich der unmittelbaren Verbandstraditionen, die für Soldaten (unterhalb der Ebenen Offiziere) eine sehr, sehr wichtige Bedeutung haben.
@klabautermann | 21. Oktober 2017 – 11:21
„Na ja, sich gegenseitig einer ideologischen Sichtweise zu bezichtigen kennt man ja als „we agree to disagree““
Jepp.
Ich habe in den letzten 20 Jahren gelernt die m.E.n. „unsoldatisch-technokratische“ Sichtweise im Rahmen des gesellschaftlichen Pluralismus, auf den auch Bw-Soldaten ein Recht haben, als hinnehmbar zu akzeptieren. Ich wäre äußerst begeistert, wenn zukünftig „Ihre“ Fraktion uns die gleiche demokratisch-freiheitliche Toleranz erweisen würde!
„Nun ist aber auch klar, dass Deutschland im Zeitalter gefährlicher Auslandseinsätze natürlich „auch Kämpfer“ braucht. Der Umkehrschluß der sui-generis-miles-Fraktion, dass die gesamte BW also aus Kämpfern bestehen sollte ist imho allerdings unlogisch; […] Der weitaus größte Teil der Soldaten der BW dient in M, Lw, SKB, CIR und die fragen sich an der einen oder anderen Stelle bestimmt zu recht: was soll der Quatsch“
Ich bin bei Ihnen, wenn Sie eine differenzierte Traditionspflege fordern, das gängige Traditionsverständnis in der Kampftruppe kann einem durchschnittlichen Lw-Soldaten keine „Wärme“ und Handlungssicherheit bieten (und darum geht es ja bei Traditionspflege).
Aber in Bezug auf CIR und SKB schütten Sie m.E.n. das Kind mit dem Bade aus. Da es sich hier um 95% unterstützende Verbände/TrGttg handelt, müssen sie sich bei ihrer Traditionspflege zumindest an dem anlehnen, was sie unterstützen. Nicht übernehmen, da bin ich bei Ihnen, aber anlehnen, denn sonst klappt das nicht mit dem „dienenden/unterstützenden“ Selbstverständnis.
“ Wenn man nun einigen Verbänden oder gar einer ganzen Waffengattung die angeblich traditionswürdigen, geschichtlichen, Prä-BW- Vorbilder inkl. Stahlhelm-/Landser-Ikonographie im dienstlichen Umfeld „wegnimmt“, dann werden die vielleicht eine zeitlang unter Phantomschmerzen leiden, der weitaus überwiegende Teil der BW wird allerdings froh sein, dass man sich endlich wieder ohne Geisterdebatten über Tradition dem eigentlichen Kerngeschäft widmen kann.“
Das sehe ich überhaupt nicht so. Es sind keine „Phantomschmerzen“, sondern es ist eine tatsächliches Bedürfnis, dass auch objektiv nicht durch andere Lösungen gefüllt werden kann. Prothesen ersetzen nur äußerst mangelhaft echte Glieder!
Darüber hinaus gibt es m.E.n. kaum etwas wichtigeres als die Innere Lage und das Selbstverständnis einer TrGttg bzw. eines Verbandes, denn hieraus erwächst die Kampfkraft mit der ich das „Kerngeschäft“ bestreiten kann.
„Wenn also der neue Traditionserlass kommt, dann kann man nur Schneiderhan zitieren: „Wenn die Entscheidung gefallen ist, dann hören die Diskussionen auf“.“
Ja und nein. Befehle werden natürlich umgesetzt, aber als Staatsbürger in Uniform werde ich (und da bin ich mir sicher, dass das viele so sehen werden) nicht von meinem Recht Abstand nehmen im Rahmen der FDGO eigene Vorstellung zu haben und diese zu propagieren.
Das ist übrigens auch das „lustige“ an dem Ansatz der „Traditionszerstörer“. Er kann in einer freiheitlichen Gesellschaft ja gar nicht (mehr) funktionieren. Die Skeptiker vergeben sich also durch ihren Radikalkurs die Möglichkeit behutsam Einfluss zu nehmen und tatsächlich inakzeptable Extreme/Ausschläge zu verhindern, in dem sie unrealistisch versuchen ihre eigene Meinung anderen maximal-verbindlich überzustülpen…
@Elahan | 21. Oktober 2017 – 12:00
„Richtet euch auf die Zukunft aus!“
Um sich andere Zukunft auszurichten muss man seine Gegenwart und Vergangenheit kennen und sich seiner eigenen Stellung in der Geschichte bewusst sein und darin „ruhen“.
Gegenfrage: 1871 schon vergessen? Alle Bundesstaaten stehen einander bei, usw. (und vor allem ohne, dass anschließend die Besonderheiten der einzelnen Bundeskontingente, wie OffzAusb etc., durch Preußen unterdrückt werden etc.)?
Die „kommende Generation“ ist vielen Aspekten der preußischen Geschichte gegenüber lockerer eingestellt, als viele der hier beitragenden – pardon – (k)alten Krieger. Das ist aber ein normaler Prozess, wird Preußen doch auch in der Wissenschaft nicht mehr in Schwarz oder Weiß gesehen.
Zudem eine Beobachtung: Hier wird, nach guter deutscher Tradition, auf höchstem akademischen Niveau ein doch deutlich emotionales Thema zerredet, ohne dabei im Ansatz mal über den (europäischen) Tellerrand zu schauen.
Ich empfehle daher zum dritten Mal einen Blick auf die königlich-niederländische Landmacht zu werfen: Truppenfahnen und Traditionsnamen aus dem 18./19. Jahrhundert, Formalitäten und Zeremoniell vor allem aus der britischen Armee der 1940/50er und wenn am Ende die Panzertruppe (zurechtgebogen) aus der Kavallerie der napoleonischen Kriegen entstammen soll, ja dann ist das eben so. Niemand würde dort aber auf die Idee kommen, dass man Tadition stumpf ab 1944/45 rechnen darf, obwohl die Landmacht dort de facto erst wieder aufgebaut wurde.
Daher dürfte es eher heißen: Richtet euch auf die Zukunft aus, aber vergesst nicht, was vorher war – ihr seid eben nicht die Ersten!
@Voodoo
Nein, nicht vergessen. Das war aus Sicht vieler ein Verrat an den Deutschen im Süden.
Aber darum geht es nicht, denn das ist Geschichte und Tradition ist was anderes.
Man muss mit der Tradition nicht die Geschichte abbilden, sondern etwas mit Mehrwert in die Zukunft tragen.
Wir haben eine europäische Vergangenheit und konzentrieren uns auf (WKI und WKII/ zweites und drittes Reich.
Wo ist unsere europäische Tradition? Was ist gut für die Zukunft?
@Elahan | 21. Oktober 2017 – 16:08
„Nein, nicht vergessen. Das war aus Sicht vieler ein Verrat an den Deutschen im Süden.“
1871?!?!? Sprechen Sie von dem gleichen geschichtlichen Ereignis? Die einzigen die da dagegen waren, waren gewisse süddeutsche Herrscherhäuser, die sich aber dem willen der eigenen Bevölkerung zur Reichseinigung nicht länger entgegen stellen konnten.
Das dieser Volkswille sich auch noch durch einen Krieg die Bahn brach, den man selbst nicht begonnen hatte ist umso spannender und wäre sogar eigentlich sowohl eine geeignete Traditionsquelle für unseren gesamten Staat, als auch für unsere Streitkräfte. Das danach auch noch eines der fortschrittlichsten Wahlrecht der Welt eingeführt wurde würde dies eigentlich umso mehr Bedeutung verleihen (trotz der dann ab 1888 mehr und mehr einsetzenden durchaus kritisch zu bewertenden gesellschaftlichen Entwicklung).
Egal, wieder zurück zur Tradition der Bundeswehr.
„Wir haben eine europäische Vergangenheit und konzentrieren uns auf (WKI und WKII/ zweites und drittes Reich.“
Wir haben keine europäische Vergangenheit (außer der Zeit seit den römischen Verträgen), wir haben eine nationale Vergangenheit. VIELLEICHT haben wir eine teileuropäische Gegenwart und HOFFENTLICH (meine persönlichen Meinung) haben wir eine europäische Zukunft, aber das eine mit dem anderen zu verdrehen ist nicht nur historisch falsch, sondern auch ggü. den Menschen unglaubwürdig!
„Wo ist unsere europäische Tradition? Was ist gut für die Zukunft?“
Gar keine. Die Armee hat keinerlei europäische Tradition! Und solange sie dies nicht hat, sind auch alle versuche dies herbeizubefehlen wirkungslos. Tradition muss glaubwürdig sein und niemand glaubt eine solche herbeigeredete Tradition!
Es gibt glaube ich eine sehr schwache, aber wenigstens vorhandene, transatlantische Tradition, d.h. der Schutz der (West)-Deutschen Freiheit durch die NATO, aber das diese Traditionschance hat man nach 1990 glaube ich auch weitgehend vertan und wir werden sie uns neu erarbeiten müssen.
Vielleicht ergeben sich zukünftig auch nach dem Brexit Möglichkeiten in Bezug auf die EU, aber das wird man abwarten müssen. Für Traditionen auf jeden Fall sogar ja noch viel länger, denn diese Blicken ja immer auf eine längere Vergangenheit zurück, d.h. wenn wir in 10-15 Jahren vielleicht anfangen gemeinsame Geschichte zu haben und gemeinsame Geschichten zu erzählten (gemeinsame Einsätze und Verbände und größere Leistungen vorausgesetzt), dann können wir ja vielleicht in 25-50 Jahren von einer europäischen Traditionslinie sprechen.
@Koffer
Ja, auch in den letzten 200 Jahren wurde die Geschichte von den Siegern geschrieben.
Europa hat sehr wohl eine europäische militärische Geschichte und da gibt es mit Sicherheit einiges an Traditionswürdigem zu übernehmen und ich meine da nicht nur die alemannische von Jakob Fugger bezahlte Garde im Vatikan, die Hanse, die städtische Bürgerwehren oder die europäische Ordenstraditionen (Malteser, Johanniter und Deutscher Orden). Dass die mili Führung bis zur Nationalisierung sich frei in Europa in dienste Stellte bis hin zur Unterstützung der US Truppen im 19.Jahrhundert durch tausende Europäer (bis in den Generalsrang). Das Dienen für einen Nationalstaat (Deutschland) war noch für meinen Urgroßvater unvorstellbar.
Aber dies ist alles eine Frage der Betrachtung und Geschichte ist eben nicht Tradition.
Natürlich gibt es Tradition welche von oben gebildet werden kann und das beginnt beim Formaldienst und Symbolen (Flagge BRD). Es fällt mir noch heute schwer die Hand in Grundstellung flach zu halten ;-)
@Koffer
Es gerade im Militär weltweit viele Traditionen welche ihre Wurzeln in Europa haben und typisch europäisch sind, angefangen von der Militärmusik (da wiederum stammt viel von den Osmanen), der Sprache/Begriffe über Dienstgradgruppen bis hin zu Zeremonien und Verfahren. Europa hat der Welt viel vererbt. An den Bsp Japan, China und Osmanischem Reich wird die Europäisierung besonders deutlich, gerade wenn man deren Vorgängerstreitkräfte betrachtet. Die Streitkräfte auf unsere, Planeten sind was Traditionen betrifft europäisch geprägt. Dann zu behaupten die Armee hätte keine „europäische Tradition“, ist das Verschließen der Augen vor all dem was uns eint und wir aus unserer Geschicht tradiert haben.
Auch eine Teil unserer Geschichte im Ringen um Traditionswürdiges:
„Tradition der Bundesmarine.“
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-42620967.html
@Elahan | 22. Oktober 2017 – 8:34
„Ja, auch in den letzten 200 Jahren wurde die Geschichte von den Siegern geschrieben.“
Da im DEU-FRA Krieg aber nicht die Preussen über Bayern, sondern die Preussen und die Bayern über die Franzosen siegten, bleibt Ihre These wohl weiterhin unbelegt…
„Europa hat sehr wohl eine europäische militärische Geschichte und da gibt es mit Sicherheit einiges an Traditionswürdigem zu übernehmen und ich meine da nicht nur die alemannische von Jakob Fugger bezahlte Garde im Vatikan,“
Was soll denn an Söldnern traditionswürdig sein?
„die Hanse“
Gar keine europäische Frage, sondern ausschließlich Handelsfragen.
„die städtische Bürgerwehren“
?!?!?
„oder die europäische Ordenstraditionen (Malteser, Johanniter und Deutscher Orden)“
Da könnte man in der Tat etwas erkennen, aber zum einen liegen die militärischen Aktionen dieser beiden (Johanniter und Malteser sind das gleiche) so lange zurück, dass sich hieraus nur schwerlich Vorbildfunktion ableiten lassen kann (Handwerk vielleicht sehr, sehr eingeschränkt: die Belagerungen von Rhodos und von Malta sind recht spannend, aber doch aufgrund des Festungswesens nur sehr beschränkt auf heute übertragbar).
Die aufopfernde und häufig aus intrinsischer Motivation stammenden Tapferkeitshandlungen der beiden Orden wären vielleicht spannend, aber aufgrund der religiösen Konnotation werden sich vermutlich viele heutige Soldaten damit nur schwer identifizieren können.
So oder so geht es aber bei den beiden Orden auch gar nicht um Europa! Es ging beiden Orden (mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung) immer um die Religion.
„Dass die mili Führung bis zur Nationalisierung sich frei in Europa in dienste Stellte bis hin zur Unterstützung der US Truppen im 19.Jahrhundert durch tausende Europäer (bis in den Generalsrang).“
Daraus wollen Sie eine europäische Tradition generieren?!?!? Aus den hessischen Truppen, die aufgrund Ihrer Armut angeworbenen wurden und dann durch den Landgrafen nach Nordamerika verkauft wurden um dort elendig in fremden Landen zu verrecken?!
„Natürlich gibt es Tradition welche von oben gebildet werden kann und das beginnt beim Formaldienst und Symbolen (Flagge BRD).“
Die DEU Flagge ist eine Volkserfindung und wurde gegen den Willen der Obrigkeit durchgesetzt und Formaldienst hat nur sehr eingeschränkt etwas mit Tradition zu tun. Es ist zwar ein Vehikel um Tradition zu transportieren bzw. zu flankieren, aber das ist auch alles.
Traditionsinflation ist wohl das künstliche aufblähen von angeblich geschichtlich belegbaren Werten, was (genau wie bei der monetären Inflation) zu einer Wertminderung der Währung „Tradition“ führt. Der Ansatz von Neitzel ein deutsches, kriegsgeschichts-prozentualesTraditionspaket zu konstruieren ist imho schlicht und einfach inflationär – anstatt Tradition als Leitwährung der Inneren Führung in der BW aufzuwerten, wird so Tradition entwertet und somit auch die Innere Führung der BW. Ganz schön clever. Von daher ist also die Neufassung des Traditionserlasses imho eine dringend notwendige „Währungsreform“ für das „Wertekapital“ der BW auf der Grundlage der FDGO.
Ein Wort zu Europa: wenn es stimmt, dass Tradition einen konkreten geschichtlichen Bezug benötigt, dann muß es wohl auch europäische Traditionen geben , denn „Europa“ – spätestens seit dem Konzept einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft – hat ja nun auch militärisch ganz eindeutig belegbar eine Geschichte. Wobei die Annäherung an/Aussöhnung mit Frankreich – wie durch Adenauer angestoßen im Rahmen der Wiederbewaffnung – als Motor einer europäischen Integration auch und insbesondere den Bereich Verteidigung/Streitkräfte mit einschloß..
Aus diesem Blickwinkel haraus ist die D/F-Brigade ein originärer Traditionsverband der BW. Besonders peinlich ergo diese Landser-Graffiti beim Jägerbataillon 291, von Franco A. und seiner „Diplomarbeit“ in Saint-Cyr ganz zu schweigen
Nun könnte ich noch ein paar Zeilen zum Thema BW/Innere Führung und Nürnberg sowie Charta der VN anfügen, aber das spare ich mir für den weiteren Verlauf der Diskussion auf.
Um noch einmal auf Inflation zurück zu kommen: eine „gesunde“ Inflation liegt so im Bereich 1 bis 5 Prozent – damit könnte die BW leben. Warten wir also auf die Vorschläge von Herrn Neitzel was die max. 5 % „Wehrmachtstradition“ für die Gesunderhaltung der BW anbelangt. Dann muß der GI nur noch einen Leitverband festlegen, der max 5% Personalstärke gemessen an der Gesamtstärke der BW hat und der darf dann unter fachlicher Beratung des MGFA diese spezifische Traditionspflege übernehmen./ronic.