Dokumentation: Roadmap für den neuen Traditionserlass
In der Debatte über das Traditionsverständnis der Bundeswehr hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine Überarbeitung des seit 1982 geltenden Traditionserlasses für die Truppe angekündigt – noch in dieser Legislaturperiode (nicht, wie ich es zuerst falsch verstanden hatte, vor der Bundestagswahl im September). Für den Weg dorthin hat nun das Ministerium einen Zeitplan, den der Parlamentarische Staatssekretär Markus Grübel in dieser Woche dem Verteidigungsausschuss mitteilte.
Da es in diesem Schreiben Grübels auch heißt
Möglichst vielen Angehörigen der Bundeswehr, dem politisch-parlamentarischen Raum, der Wissenschaft und Gesellschaft sowie den Medien soll die Gelegenheit gegeben werden, sich am Prozess der Überarbeitung des Traditionserlasses aktiv zu beteiligen.
komme ich mal meiner Pflicht als Teil der Medien nach und dokumentiere den Brief im Wortlaut:
Die Bundesministerin der Verteidigung hat eine Überarbeitung und Fortschreibung der „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr“ angeordnet. Das kurz „Traditionserlass“ genannte Dokument ist seit 35 Jahren unverändert geblieben – nicht zuletzt, weil Tradition und Traditionspflege belastbarer Kontinuität bedürfen, um langfristige Orientierung zu bieten. Die wertorientierte Bindung der Tradition der Bundeswehr hat sich bewährt. Sie wird auch künftig den Wesenskern des Traditionsverständnisses und der Traditionspflege bilden.
Andere Axiome und Rahmenbedingungen haben sich seither jedoch in einem Maße verändert, dass eine Überarbeitung des Traditionserlasses angemessen und notwendig erscheint. So ist dem faktischen Wegfall der Wehrpflicht und dem Übergang zu einer Freiwilligenarmee ebenso Rechnung zu tragen, wie dem Ende des Kalten Kriegs, der deutschen Wiedervereinigung (Armee der Einheit) und der Beteiligung der Bundeswehr an Auslandseinsätzen im Rahmen der Vereinten Nationen, der NATO und der Europäischen Union (Armee im Einsatz).
Die damit einhergehende vertiefte internationale Integration, etwa durch die Aufstellung multinationaler Großverbände, aber auch die Aufstellung neuer Militärischer Organisationsbereiche, wie der Streitkräftebasis, des Zentralen Sanitätsdienstes und
des Cyber- und Informationsraums sind bei der Überarbeitung genauso zu berücksichtigen, wie die Öffnung aller Laufbahnen für Frauen und die wachsende Diversität in den Streitkräften.
Vor allem aber ist 60 Jahre nach ihrer Gründung die eigene Tradition der Bundeswehr stärker zu betonen und eindeutiger zu fassen. Dazu zählen zum einen ihre Bewährung im Kalten Krieg und ihr Beitrag für die Bewahrung von Freiheit, Frieden und Demokratie sowie ihr Beitrag für die friedliche Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands. Sie sind in den Mittelpunkt der künftigen Traditionspflege der Bundeswehr zu stellen. Zum anderen zählt dazu die Führungskultur der Inneren Führung, deren Bedeutung so hoch ist, dass sie zum Kernbestand der Traditionspflege in der Bundeswehr gehören muss.
Zu den neueren Entwicklungen gehören auch die Auslandseinsätze der Bundeswehr. Sie stellen eine besonders herausgehobene Form der Bewährung und soldatischen Auftragserfüllung dar, in der beispielhafte Leistungen von Verbänden und einzelner Soldaten Traditionen begründen können.
Mit einer Auftaktveranstaltung im Bundesministerium der Verteidigung am
12. Juni 2017 wurde der Überarbeitungsprozess begonnen. In vier Workshops an wechselnden Orten und zu unterschiedlichen Themenkreisen soll er bis in den späten Herbst in einem offenen und inklusiven Prozess fortgesetzt werden. Die Workshops dienen dem Austausch und der Diskussion mit Fachleuten, der Einbindung und Nutzung interner und externer Expertise, der Transparenz des Prozesses sowie der Vorbereitung der späteren Erstellung neuer Richtlinien. Sie werden durch Informations- und Diskussionsveranstaltungen in der Fläche ergänzt.
Der erste Workshop findet am 17. August 2017 an der Führungsakademie der Bun- deswehr in Hamburg statt und widmet sich der Frage, inwieweit aus der Einbindung der Bundeswehr in multinationale Strukturen und durch die internationalen Einsätze internationale Traditionslinien erwachsen und was dies für die Tradition der Bundeswehr bedeutet. Für diesen Workshop sind bereits Einladungen, auch an Mitglieder des Verteidigungsausschusses, versandt worden.
Der zweite Workshop im September 2017 am Zentrum für Innere Führung in Koblenz behandelt den Themenkomplex Tradition und Identität.
Der dritte Workshop am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften in Potsdam thematisiert im Oktober 2017 die Funktion der älteren deutschen Militärge- schichte für die Tradition der Bundeswehr. Im vierten und voraussichtlich abschlie- ßenden Workshop in Berlin steht die bundeswehreigene Tradition im Mittelpunkt. Vor allem wird es darum gehen, wie die Bundeswehr ihr eigenes Erbe bewahren und tradieren kann und soll.
Die Ergebnisse der Workshops sollen veröffentlicht werden. Auch den Verteidi- gungsausschuss des Deutschen Bundestages werde ich in regelmäßigen Abständen informieren.
Möglichst vielen Angehörigen der Bundeswehr, dem politisch-parlamentarischen Raum, der Wissenschaft und Gesellschaft sowie den Medien soll die Gelegenheit gegeben werden, sich am Prozess der Überarbeitung des Traditionserlasses aktiv zu beteiligen.
Interessant dabei: Für den vierten und abschließenden Workshop ist kein Datum genannt. Wenn die Ministerin bei ihrem Ziel bleibt, die Arbeit an dem neuen Erlass noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen, hat sie dafür maximal bis Ende Oktober Zeit – denn nach dem Grundgesetz muss der neu gewählte Bundestag spätestens dreißig Tage nach der Wahl zur konstituierenden Sitzung zusammen kommen.
(Foto: Wandzeichnung im „Bunker“ des Jägerbataillons 291 in Illkirch im Mai 2017 – Solche Zeichnungen und der Umgang mit der Wehrmacht hatten die Traditionsdebatte im Frühjahr ausgelöst.)
Auch dieses Schreiben gibt klar die Richtung vor,. es soll eine Tradition der BW hervorgehoben werden, was im Umkehrschluß heißt, bloß weg von der „bösen“ Wehrmacht.
Wer eine BW-Tradition will, der muss einiges ändern in der Außendarstellung der B’W und ihrer Stellung in der Gesellschaft und ich kann bisher nicht erkennen, daß ein politischer Will vorhanden ist, die Stellung der BW in der Gesellschaft tatsächlich aufzuwerten und nicht nur in Sonntagsreden.
Der dritte Werkshop ist der interessante! Wie unvoreingenommen darf hier über die Wehrmacht oder Wehrmachtssoldaten diskutiert werden, über sog. Nazi Helden/Ritterkreuzträger, nach denen Kasernen benannt wurden oder die später in der BW weitere Karriere gemacht haben, oder wird alles auf den Widerstand reduziert und wieviel davon darf nachher auch im neuen Traditionserlaß landen, ohne ministerieller Kürzung oder Zensur zum Opfer zu fallen?
Das gewählte Format zur „Neufassung des Traditionserlasses“, oder besser gesagt „Richtlinien zum Traditionsverständnis und zur Traditionspflege in der Bundeswehr“ erinnert mich stark an das Format „Weißbuch“. Aber egal.
Übrigens: Am 20.Oktober 1982 eröffnete der damalige Bundesminister der Verteidigung und spätere NATO Generalsekretär, Dr. Manfred Wörner, in Hagen die Kommandeurtagung mit dem Hinweis, den kurz zuvor, am 20. September 1982 von Hans Apel noch initiierten Tradionserlass (ohne einem Abschnitt 20. Juli und militärischer Widerstand) zu überarbeiten und zu ändern. Jedoch: Manfred Wörner scheiterte. Der Entwurf der vom damaligen Generalinspekteur eingesetzten militärischen Arbeitsgruppe unter Leitung des damaligen Kommandeurs des Zentrums Innere Führung, Brigadegeneral Adalbert von der Recke, der zugleich Mitglied der Landessynode der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers und stellvertretender Vorsitzender des Beirats für die Evangelische Militärseelsorge in Deutschland war, überstand nicht die Befassung im Beirat für Fragen der Inneren Führung des Bundesministers der Verteidigung. Der Bonner Historiker Hans-Adolf Jacobsen, Sprecher des Beirates, war der, der maßgeblich gegen den von der militärischen Arbietsgruppe vorgelegten Entwurfes votierte.
Grundzüge des damaligen Entwurfes können jedoch nachgelesen werden. Unter der Überschrift „Last und Chancen unserer Geschichte“ veröffentlichte des Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr im Lutherischen Verlagshaus 1985 unter der Schriftenreihe „De officio“ einen Artikel von Brigadegenaral Adalbert von der Recke, in dem nachzulesen ist, was die militärische Arbeitsgruppe für die Neufassung des Traditionserlasses vorsah. Es lohnt nachzulesen, weil auch dort an keiner Stelle von „schuldhafter Verstrickung der Wehrmacht die Rede war.
Vielleicht ist es für das zukünftige Vorhaben hilfreich, sich die Rede des damaligen Bundesministers der Verteidigung, Thomas de Maizière, anlässlich der Wiedereröffnung des Militärhistorischen Museums in Dresden vom 14. Oktober 2011 in Erinnerung zu rufen. Jedoch: Der Aufruf des damaligen Ministers zu einer neuen Traditionsdebatte hat in der Öffentlichkeit und in den Streitkräften selbst nur ein schwaches Echo gefunden. Es griff niemand auf. Wir warten also ab, wie es nach den Bundestagswahlen 2017 mit dieser Thematik weitergehen wird. Es bleibt einem neuen Bundesminister der Verteidigung unbenommen, das Vorhaben in verändeter Form fortzusetzen.
Vielleicht findet das Vorhaben auch Eingang in einer Koalitionsvereibarung.
Zitat:
„Möglichst vielen Angehörigen der Bundeswehr, dem politisch-parlamentarischen Raum, der Wissenschaft und Gesellschaft sowie den Medien soll die Gelegenheit gegeben werden, sich am Prozess der Überarbeitung des Traditionserlasses aktiv zu beteiligen.“
Jetzt sind also 3 von 4 Workshops schon gelaufen, ohne dass jemand hier was mitbekommen hat.
Gut, zur Politik, zum Parlament, Wissenschaft oder Medien zähle ich mich nicht, aber zur Gesellschaft zähle ich mich doch.
Werferfehler
Die Frage ist, in wie weit man Externe damit beauftragen sollte, die Tradition einer Organisation mit zu bestimmen. Üblicherweise kommt das aus der Organisation und ihren Mitgliedern selber.
Tradition kann man nicht verordnen. Bzw., wenn man dies versucht stellt sich die Frage der Akzeptanz. Und wenn die Ablage zu groß ist suchen sich die Mitglieder ihre eigene; es entstehen quasi zwei Traditionen, eine offizielle – nach außen gerichtet – und eine inoffizielle – nach innen gerichtet und gelebt.
Also: wie gehabt.
@ Thomas Melber
„suchen sich die Mitglieder ihre eigene; es entstehen quasi zwei Traditionen, eine offizielle – nach außen gerichtet – und eine inoffizielle – nach innen gerichtet und gelebt.“
Es sei denn, gegen die ‚inoffizielle‘ Tradition werden ausreichend scharfe Repressionen in Stellung gebracht – dann gibt es gar keine gelebte Tradition mehr, sondern nur noch ein potemkinsches Dorf von ‚Tradition‘.
@TobyR
Also Tradition quasi als eine Art „Traglufthalle“ – übergestülpt, ohne tragendes Gerüst, und die zusammenfällt wenn sie angestochen wird und der Druck nachläßt, oder in schwerem Wetter davonfliegt.
@ Werferfehler | 10. August 2017 – 15:37
Gem den Terminen im ‚Brief‘ ist das erste WS fuer den 17. AUG 17 geplant.
Was soll man zu dem Ansatz sagen?
„Wenn ich mal nicht weiter weiß, dann bild‘ ich einen Arbeitskreis.“
Auf die Berücksichtigung der Bw-eigenen Tradition bin ich gespannt. Vor allem auf folgende Kapitel:
Wie völlige Unterwerfung unter den politischen Willen zum Leitmotiv wurde.
Warum Generäle nur offen reden, wenn sie a. D. sind.
Mehr Aufgaben mit weniger Mitteln.
Wie es dazu kam, dass die Streitkräfte ihre Kernfähigkeiten verloren.
Wennich es recht bedenke sollte man ein paar passende Gedanken bei George Orwell „1984“
Frage an alle:
Wer kennt vergleichbare „Traditions-Neugründungen“ in der internationalen Militärgeschichte? Welche Voraussetzungen, Folgen und Erfolge hatten diese „Neustarts ab einer Null-Linie“?
@Thomas Melber „Tradition kann man nicht verordnen.“:
1) Lebendige Tradition kann nur aus der Organisation selbst entstehen. Allerdings kann sie im Dialog mit „Leuten von draußen“ entstehen und Impulse aus diesem Dialog beziehen.
Bei einem solchen Dialog (durchaus auch in Form von Auseinandersetzungen) mit möglichst großen Teilen der Gesellschaft gibt es für die Bundeswehr viel zu gewinnen.
Das im Artikel beschriebene Expressprogramm kann das aber nicht leisten. Dort bleiben sowohl die Masse der Soldaten als auch die Masse der Gesellschaft außen vor. Eine vertane Chance.
2) Tradition kann zwar nicht verordnet aber beschränkt werden. Wie Sie und TobyR ausführen, kann das dazu führen, dass es dann keine tragfähige Tradition mehr gibt.
Trotzdem ist es das Vorrecht von Staat und Gesellschaft, im Zweifelsfall dann lieber auf eine tragfähige Tradition der Bundeswehr zu verzichten. Die Bundeswehr wird von ihnen bevollmächtigt und ausgestattet und sie müssen es nicht hinnehmen, dass sie mit von ihnen nicht akzeptierten Traditionen agiert.
Staat und Gesellschaft sind Beteiligte, die in den Traditionsfindungsprozess eingebunden werden müssen, damit sie die gefundene Tradition auch akzeptieren können.
Tradition ist wie Attraktivität! Es werden sog. „Workshops “ abgehalten, irgendwelche A16/B3 erklären einem, wie toll das alles ist.
Das Auditorium fragt sich, ob es im falschen Film sitzt. Aber da die Damen/Herren Oberstärzte ja verkünden, dass alles toll ist, ist Kritik nicht zugelassen (sorry, ich war bei zwei dieser Treffen dabei, daher bin ich noch traumatisiert).
Die BW Tradition ist toll. Wer das nicht begreift, ist doof oder von gestern.
Denn merke: Diversitât ist schon Tradition!!!!!
Ich bitte mir einen persönlichen Kommentar erlauben zu dürfen: noch nie war die Innere Kündigung so nah.
@O&A
Die Rote Armee und die Indische Armee vielleicht?
Die Regimenter der inmdischen Armee dürfen weder ihre „repugnant“ Battle Honours faus der Kolonialzeit führen noch zelebrieren.
Wann kommt der Traditionserlass.
In Weiden sagte die Ministerin: Ende des Jahres – das wäre nach Ende Legislaturperiode.
https://www.bmvg.de/de/aktuelles/artillerie-in-weiden-ist-zukunftssicher-15030
Schaun wir mal.
Nicht der Termin ist wichtig, sondern wir brauchen eine Richtlinie, die Lust macht Tradition vor Ort in der Truppe unverkrampft zu leben.
Sorry, aber das ist definitiv nicht richtig. Gerade die Inder beweisen uns, was Kontinuität in der Tradition bei Änderung im politischen und gesellschaftlichen System darstellt.
Nur mal ein Beispiel, das Jat Regiment (eines der ältesten indischen Regimenter)! Folgend die ersten Sätze des Wikipedia Artikels:
„The Jat Regiment is an infantry regiment of the Indian Army. It is one of the longest serving and most decorated regiments of the Indian Army. The regiment has won 19 battle honours between 1839 and 1947 and post independence 5 battle honours, eight Mahavir Chakra, eight Kirti Chakra, 32 Shaurya Chakras, 39 Vir Chakras and 170 Sena Medals.“
Auch in den aktuellen (!) Uniformen der indischen Regimenter sieht man sehr starke Unterschiede, die sich sehr häufig aus alten Traditionslinien ableiten.
In Bezug auf die Rote Armee liegen Sie schon eher richtig. Aber selbst diese (obwohl ja stärkst mögliche Gesellschaftsänderung durch die Revolution) hat zumindest in der Formsprache (Formaldienst etc.) weiter an alte Traditionen angeknüpft…
@Auslandsdiener
Vielen Dank für diese interessante Inneneinsicht in diese so wichtige Organisation.
Die Hoffnung stirbt zuletzt: Vielleicht kriegen wir ja einen neuen Verteidigungsminister, der sich gemeinsam mit der Truppe darauf konzentriert, dass diese wieder irgendwann ihren Auftrag gut erfüllen kann. Auftrag und Mittel im Einklang. Wie erfrischend wäre das!
Mit der Bundeswehr Tradition schaffen?
Mit den lächerlichen Heeres-Uniformen von 1956?
Mit der Auflösung der zwei ältesten Panzerbataillonen (213 und 214), das eine mitten im Einsatz im Kosovo?
Der Verschrottung der Alpha-Jets?
Das Zusammensparen der Marine – heute in den Medien immer noch Bundesmarine genannt?
Mit den vielen Reformen: Neues Heer und neue Aufgaben usw. usf?
Die Verantwortlichen sollten mal ein britisches Kasino oder eine Sergant-Mess besuchen und sich die kleidsamen Ausgehuniformen der Royal Army ansehen, dann wissen sie, wie man Tradition lebt!
„Die damit einhergehende vertiefte internationale Integration, etwa durch die Aufstellung multinationaler Großverbände, aber auch die Aufstellung neuer Militärischer Organisationsbereiche, wie der Streitkräftebasis, des Zentralen Sanitätsdienstes und
des Cyber- und Informationsraums sind bei der Überarbeitung genauso zu berücksichtigen, wie die Öffnung aller Laufbahnen für Frauen und die wachsende Diversität in den Streitkräften“
Ich fasse es nicht…
Was soll hier wieder verkauft werden?
Es gab bisher nur EINE BUNDESWEHR.
Vollkommen egal ob Heer,Luftwaffe,Marine oder den ganzen anderen „hausgemachten“ Krempel zur gestaltung des Wasserkopfes. Soll jetzt der Cyberraum und ZSan auch eine eigene Tradition bekommen? Die Entdeckung des ersten Transistors, oder die einführung des ersten Wendeltubus?
Internationale Integration gab es schon lange vorher, genauso wie deutsche Beteiligung in Internationalen Stäben und Truppen…lange bevor die DF-Brigade ins Leben gehoben wurde existierte die AMF (L).
Ich bin mal gespannt wie diese Traditions“aktion“ glaubwürdig mit Öffnung der Laufbahn für Frauen und Diversität verknüpft werden wird.
@Auslandsdiener | 10. August 2017 – 22:43
+1 …traurig und wahr!
@TobyR & Thomas Melber
+1
Sollte es tatsächlich zu einer „diktierten“ Tradition kommen, wird sich die innere (weil innoffizielle)Tradition vmtl. nur noch extremer ausleben. Die Angst einiger, vor denjenigen die zum anonymen Melden neigen wird noch mehr Misstrauen und Unsicherheit mitbringen.
@Nick von Stra | 10. August 2017 – 19:21
2+2=5
Sie vergaßen das Jahr an dem die Proportion Stäbe-Truppe aus dem Ruder gelaufen ist! Trendwende kommt, vor allem im Ministerium…. +500 DP mehr. Dafür in der Truppe zeitgleich weniger obwohl in Teilen dringend benötigt.
„Die damit einhergehende vertiefte internationale Integration, etwa durch die Aufstellung multinationaler Großverbände, aber auch die Aufstellung neuer Militärischer Organisationsbereiche, wie der Streitkräftebasis, des Zentralen Sanitätsdienstes und
des Cyber- und Informationsraums sind bei der Überarbeitung genauso zu berücksichtigen, wie die Öffnung aller Laufbahnen für Frauen und die wachsende Diversität in den Streitkräften“
Ich verstehe das Konzept nicht.
Es ist klar, dass jeder Verband und nach oben hin auch jede Teilstreitkraft und jede Organisationseinheit im Rahmen der Bundeswehr seine/ihre eigene Identität und Tradition pflegt (wobei es wohl schon keinen langweiligeren und bürokratischeren Begriff als „Organisationseinheit“ gibt – schlechte Startbedingungen).
Aber dass das Vorhandensein von vielen verschiedenen Organisationseinheiten an sich jetzt ein Element der Traditionspflege sein soll, kann ich nicht nachvollziehen. Wie soll eine Form der Bürokratie und der Struktur eine Tradition begründen, insbesondere da sich die Struktur der Streitkräfte sowieso ständig ändert – besonders in Deutschland?
Die Öffnung der Streitkräfte für Frauen und Diversität sind heutzutage gelebte Realität in der Gesellschaf und in der Bundeswehr. Das als Traditionsmerkmal herauszuheben ist einfach nur absurd. Genau so gut könnte man den täglichen Gang in die Truppenküche als traditionsstiftend definieren. Wo ist da der Mehrwert?
Die Einbindung in NATO und EU und die multinationale Ausrichtung der Bundeswehr ist auch ganz nett und ebenso gelebte Realität. Wird aber auch keinen so richtig begeistern, weil es eben heutzutage ganz alltäglich und kein Alleinstellungsmerkmal ist.
Und einen bösen Seitenhieb kann ich mir nicht verkneifen: Dieses Ross sollten wir nicht zu stark reiten, denn es gab in der deutschen Geschichte vor allem eine Organisation, die Multinationalität von der Gruppen- bis zur Korpsebene gelebt und sich dabei auch noch durch unerhörte Kampfkraft hervorgetan hat und das war die Waffen-SS.
Ich bin von dem Konzept nicht überzeugt, halte die Ministerin für die absolut ungeeignete Person, um in diesem Bereich die richtigen Akzente zu setzen und befürchte vor dem politischem Hintergrund und des kurzen Zeitrahmens für das Projekt das Allerschlimmste.
Wie und wo kann sich denn die Truppe und die Gesellschaft einbringen?
@ Koffer | 11. August 2017 – 0:32:
„In Bezug auf die Rote Armee liegen Sie schon eher richtig. Aber selbst diese (obwohl ja stärkst mögliche Gesellschaftsänderung durch die Revolution) hat zumindest in der Formsprache (Formaldienst etc.) weiter an alte Traditionen angeknüpft…“
Allerdings erst nach Ausbruch des Bürgerkrieges. In den ersten Monaten der Roten Armee herrschte tatsächlich Tabula Rasa: Abschaffung der Dienstgrade, Wahl der militärisch Verantwortlichen (Offiziere), basisdemokratische Entscheidungsfindung, Umstellung auf die Freiwilligenarmee …
Natürlich hat das nicht allzu lang funktioniert, aber versucht haben es die Sowjets schon. (Und die Chinesen haben es ihnen im Zuge der Kulturrevolution dann nochmal nachgemacht. Mit mäßigem Erfolg, wie man sich denken kann.)
@0815
Es gibt zwar nur eine Bundeswehr, aber die täglich gelebten Traditionen der TSKs unterscheiden sich schon erheblich. Wer einmal auf einem Tigermeet (ohne Kopfbedeckung) war, oder mit einem Schiff/U-Boot an einer Übung teilnahm wird dies bestätigen.
@Bürger
Wahl der Kompanieoffiziere ist eine Tradition von Milizstreitkräften, von römischen Legionen – Armee der Union im amerikanischen Bürgerkrieg.
ThoDan | 10. August 2017 – 22:56:
„Die Rote Armee und die Indische Armee vielleicht?
Die Regimenter der inmdischen Armee dürfen weder ihre „repugnant“ Battle Honours faus der Kolonialzeit führen noch zelebrieren.“
Leider in beiden Fällen nein. Die rote Armee versuchte den tollen neuen Sowjetmenschen auch in der Armee und das hat nicht funktioniert. Schnell wurden wieder zB Rangabzechen ähnlich der Zarenzeit eingeführt und Orden verteilt mit schwarz-goldenen Band. Auch wie in der Zarenarmee durften nur Offziere sich Vollbärte stehen lassen in der Sowjetarmee. Es gibt bestimmt mehr Beispiele. das Großväterchensystem gehört da vermutlich auch dazu.
Und wenn man sich die indische Armee ansieht ist die britische tradition mehr als offensichtlich. Uniformen, Formaldienst, Die Kriegsflagge, das Verhältnis der Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere zueinander… Wirklich ex nihilo ist oft ein Wunsch, aber mir fiele keine Armee ein bei der dies wirklich stattfand.
Zum Bleistift Das ÖBH steht offiziell auch nicht in Tradition der k.u.k, Armee und war etwas völlig Neues. Traditionsträger war die mittlerweile aufgelöste Gendarmerie. Die Wirklichkeit ist da dann doch etwas anders.
Was ist denn eigentlich so falsch am bisherigen Traditionserlass? Das ist die Frage die bisher niemand offiziell so recht beantwortet hat.
@Sommerbiwak
Mir ging bei der indischen Armee um die Repugnant(widerwärtig/abscheulichen) Battle Honours wie z.b. Mysore und Arrah, die weder geführt noch zelebriert werden dürfen.
Auslandsdiener | 10. August 2017 – 22:43,
ich möchte an Ihre Kritik anknüpfen. Dazu habe ich mal einen Blick auf die Überlegungen unserer Altvordern zu diesem Thema geworfen. Brigadegeneral Heinz Karst schrieb in seinem Buch „Das Bild des Soldaten“ im Kapitel „Voraussetzungen der Traditionsbildung in der Bundeswehr“(Seite 255/6) folgendes:
„Der Soldat lebt nicht nur punktuell und stirbt nicht für den Augenblick. Er will sich nur opfern für das, was zeitüberlegen galt und morgen gilt, was schlechthin lebenswert und lebensnotwendig ist. Er ist auf Gewalt und Kampf eingestellt. Er muß es von berufswegen sein. Gerade aber deswegen will er sich des Dauerhaften in Bildern und Symbolen versichern. Das ist der eigentliche Grund dafür, weshalb alle Armeen der Welt Traditionen bilden, suchen und pflegen. Wenn der Horizont des Soldaten nicht verpflichtende Bilder enthält von tapferen Vorbildern, die zu ihrer Zeit in Leid und Not gewissenhaft und aufrecht allen Anfechtungen standhielten und mutig handelten, dann wird man sich in der Stunde der Bewährung vergeblich bemühen…“
„Die Schwierigkeit der Problematik „Tradition“ und „Fortschritt“ in der Bundeswehr liegt weniger in ihnen selbst als in den sittlichen Potenzen und geschichtlichen Kenntnissen derer, die sie fordern, verwerfen, beurteilen oder zur Richtschnur nehmen wollen. Traditionen im Wehrdienst bilden und wahren wollen, verlangt ebenso viel Urteilskraft und sittliches Unterscheidungsvermögen als Fortschritte einzuleiten oder durchzusetzen. Das dürfte umso schwieriger sein, als ein derart kompliziertes, vielschichtiges Gebilde wie eine moderne technische Armee dem Laien, selbst wenn er guten Willens ist, kaum noch als Ganzes durchsichtig sein kann.“
Wenn ich Ihre Kritik als „Teilnehmer“(„Oberstärzte“) an Veranstaltungen zur „Überarbeitung und Fortschreibung“ des Traditionserlasses richtig deute, dann zweifeln Sie an, dass nicht alle, die mit der Überarbeitung und Fortschreibung beauftragt sind, die von BG Karst aufgezeigten Voraussetzungen für die diese Aufgabe mitbringen.
Ich teile Ihren Zweifel. Auch ich bin nicht davon überzeugt, dass jemand, der der Armee pauschal und unberechtigt „Führungsschwäche und ein Haltungsproblem“ vorwirft, wie Frau von der Leyen, über die Urteilskraft und Autorität verfügt, einen derartig grundlegend neuen Orientierungsrahmen (Traditionserlass) zu gestalten.
@ThoDan | 11. August 2017 – 12:52
„Wahl der Kompanieoffiziere ist eine Tradition von Milizstreitkräften, von römischen Legionen – Armee der Union im amerikanischen Bürgerkrieg.“
Eine Tradition dürfte das nicht sein, denn von wem auf wen soll das denn tradiert worden sein? Von Rom in die USA? Eher nicht ;)
Gibt es solche Wahlvorgesetztenverhältnisse in der Geschichte normalerweise immer nur kurz und nur auf bestimmte Dienstposten oder Dienstgrade oder bestimme Sachverhalte beschränkt.
Übergreifend hat so etwas aber noch nie funktioniert.
@ThoDan | 11. August 2017 – 14:21
„Mir ging bei der indischen Armee um die Repugnant(widerwärtig/abscheulichen) Battle Honours wie z.b. Mysore und Arrah, die weder geführt noch zelebriert werden dürfen.“
Aber das ist doch genau das, was wir bisher als Bundeswehr (offiziell) auch machen. Wir wählen uns bewusst bestimmte Dinge aus der Vergangenheit für unsere Traditionspflege aus und lehnen andere ab.
vdL (und anderen) aber geht es doch um den „radikalen“ Schnitte, der eben nicht (wie in Indien oder offiziell bisher bei uns) auswählt und bewusst entscheidet, sondern pauschal ablehnt, ja fast schon verdammt.
@Sommerbiwak | 11. August 2017 – 13:41
„Was ist denn eigentlich so falsch am bisherigen Traditionserlass? Das ist die Frage die bisher niemand offiziell so recht beantwortet hat.“
DAS ist die Frage aller Fragen.
Tatsächlich glaube ich sehr, SEHR wenig!
Er ist m.E.n. eine gelungener Kompromiss zwischen konservativem und progressivem Traditionsverständnis. Er grenzt sich zur Wehrmacht und zur NVA als ganzes ab, lässt aber Einzelfallbetrachtungen zu. Er gibt den Kommandeuren und Chefs vollmacht, lässt aber gleichzeitig den Soldaten eigene Spielräume. Er unterscheidet zwischen „Idealen“ (Tradition) und „Ritualen“ (Form, Brauchtum etc.).
Und er bezieht 300 Jahre deutscher Militärgeschichte mit ein, lässt aber Raum für Bw und hier und heute.
Man müsste nur in einigen wenigen (!) Formulierungen präzisieren und auf 2017+ anpassen und vor allem müsste man (wie es das Heer vor fast 20 Jahren mal versucht hat, aber seit dem leider nicht mehr aktualisiert hat) „praktischen Handreichungen/Umsetzungen“ anbieten.
Darüber hinaus müsste sich die Leitung und Führung zukünftig halt auch an den Geist des „Erlasses“ halten und der Truppe einen weiten (wenn auch nicht beliebigen!) Spielraum in der eigenen Traditionenpflege überlassen. Staatsbürger in Uniform und so…
Und die Führung und Leitung müsste halt die notwendigen Ressourcen (Zeit, Geld, Personal) zur Verfügung stellen um endlich an der Bw-eigenen Traditionssäule zu arbeiten (Verbandstraditionen, Uniformen, Zeremoniell, Geschichte und Geschichten etc. etc.).
Aber das Problem ist doch, wenn man das so sagen würde, dann müsste sich vdL ja die Frage stellen lassen, warum sie so eine Welle gemacht hat und verbal, ermittlungs- und befehlstechnisch „Amok“ gelaufen ist :(
Ein Leser | 10. August 2017 – 20:50
„Trotzdem ist es das Vorrecht von Staat und Gesellschaft, im Zweifelsfall dann lieber auf eine tragfähige Tradition der Bundeswehr zu verzichten. Die Bundeswehr wird von ihnen bevollmächtigt und ausgestattet und sie müssen es nicht hinnehmen, dass sie mit von ihnen nicht akzeptierten Traditionen agiert.“
Sehr richtig! Die BW ist nicht für sich selbst da. Die Zivilgesellschaft bestimmt die Grundzüge der Bundeswehr, denn die Bundeswehr ist IHR Instrument. Sie kontrolliert sie parlamentarisch, sie setzt sie über das Parlament ein, und sie finanziert sie. Wer damit nicht klar kommt, ist in der BW falsch aufgehoben. Treu dienen heißt eben auch, dass man es als Soldat akzeptiert, dass die Zivilgesellschaft in diesem Bereich besondere Erwartungen an ihre Soldaten hat. Unsere Soldaten sind auch keine Traditionspflegetruppe, sondern sie haben der Bundesrepublik Deutschland zu dienen. Das sollte eigentlich schon ausreichen für das Selbstverständnis und gibt den Rahmen, in dem sich eine Tradition entwickeln und entfalten kann, ganz klar vor.
Ich bin positiv gespannt, was dieser Prozess der Überarbeitung des Traditionserlasses am Ende hervorbringt. Überfällig war es längst, dass einzelne Truppenteile, insbesondere aber der einzelne Soldat ihr bzw. sein Traditionsverständnis mal kritisch reflektieren. Wenn der Souverän das explizit von seinen Soldaten einfordert, dann allemal, und zwar ohne dieses unwürdige Gemotze Einzelner.
@Sommerbiwak
„Was ist denn eigentlich so falsch am bisherigen Traditionserlass? Das ist die Frage die bisher niemand offiziell so recht beantwortet.“
Wenn die Ministerin sagt, dass sie den geltenden Traditionserlass schön findet, kann auch nicht viel daran falsch sein!
……es fehlt ihm nur eben 60Bw und die Wiedervereinigung.
Dass die Bw eine lange Tradition der Beteiligung und Mitbestimmung hat ist auch nicht angemessen berücksichtigt. Macht ihn aber deshalb nicht falsch ;-)
@Nils Z. | 11. August 2017 – 18:28
Die Zivilgesellschaft bestimmt die Grundzüge der Bundeswehr, denn die Bundeswehr ist IHR Instrument. Sie kontrolliert sie parlamentarisch, sie setzt sie über das Parlament ein, und sie finanziert sie. Wer damit nicht klar kommt, ist in der BW falsch aufgehoben.
Den Primat der Politik und mithin, dass man dem deutschen Volk (semantisch gern = der Zivilgesellschaft) dient, bestritt hier auf augengeradeaus wohl noch niemand.
Darüber hinaus lassen sich Soldatinnen und Soldaten nicht von der Zivilgesellschaft abtrennen.Sie sind in der einen Gesellschaft. Sie sind organischer Bestandteil einer freien und demokratischen Gesellschaft, nicht deren Gegenüber, stehen nicht außerhalb, stehen nicht über, auch nicht unter jener. Das „zivil“ in Zivilgesellschaft kommt nicht von „Zivilist“ im Sinne des militärischen Sprachgebrauchs.
Mit Ihrer Arroganz beeindrucken Sie niemand. Machen Sie bitte Ihre staatsphilosophischen Hausaufgaben bevor Sie sich in absonderlichen Belehrungsversuchen verlieren.
Ich bin positiv gespannt, was dieser Prozess der Überarbeitung des Traditionserlasses am Ende hervorbringt.
Ich nicht. Muss es auch nicht. Aber ich freue mich über Ihr Interesse. Und nein, das meine ich nicht ironisch.
Überfällig war es längst, dass einzelne Truppenteile, insbesondere aber der einzelne Soldat ihr bzw. sein Traditionsverständnis mal kritisch reflektieren
Hat es einen besonderen Grund, warum Sie nicht schreiben : warum?
[Mit diesem Ton beeindrucken Sie niemanden, und das lassen wir bitte ganz schnell wieder sein. T.W.]
@Nils Z. | 11. August 2017 – 18:28
„Die Zivilgesellschaft bestimmt die Grundzüge der Bundeswehr, denn die Bundeswehr ist IHR Instrument. Sie kontrolliert sie parlamentarisch, sie setzt sie über das Parlament ein, und sie finanziert sie.“
Das ist nicht richtig!
Das Deutsche Volk (vertreten durch die Legislative) bestimmt die Rahmenbedingungen unter denen die Exekutive (zu dem die Bundeswehr als „Organ“ auch gehört) zu handeln hat.
Da aber in DEU das Prinzip vom Staatsbürger in Uniform gilt. Bestimmt eben nicht die ZIVILgesellschaft, sondern das gesamte DEU Volk INKLUSIVE der Soldaten die Rahmenbedingungen!
Soldaten also vorschreiben zu wollen was sie zu denken haben und was sie „schön und gut“ zu finden haben, verstößt sowohl gegen das Grundgesetzt, als auch gegen das Prinzip vom Staatsbürger in Uniform.
Das heisst natürlich nicht, dass die Führung nicht eine linke und rechte Grenze vorgeben kann, darf und (mEn) auch sollte. Aber eben genau das ist ja bereits der Fall.
Es kann also keinesfalls darum gehen den Soldaten ihre Tradition vorzuschreiben, sondern m.E.n. lediglich darum die linke und rechte Grenze in den Details „nachzujustieren“.
Darüber hinaus sollte man bedenken, dass Traditionspflege kein „Sinn ins sich selbst ist“, sonst vielmehr dem Erhalt und dem Ausbau der Kampfkraft dienen (verstärkte Kohäsion, Orientierung an Vorbildern, Festigung der Disziplin etc. etc.).
Diese Stärkung der Kampfkraft wiederum ist verfassungsrechtlich geboten, denn der Bund hat ja die Pflicht „kampfkräftige“ Streitkräfte aufzubauen und zu unterhalten.
Alleine deswegen muss sich Traditionspflege schon am soldatisch notwendigen orientieren (ohne natürlich gegen die FDGO zu verstoßen).
Alle, die sich mit Tradition und Handlungen oder Tatbestaenden, welche eine Tradition begruenden oder nicht begruenden duerfen, befassen erinnere ich an den alten Tacitus:
REFERRE ANNUM
Bedeutet: Bei der Beurteilung einer Tatsache stets die Zeit und das Umfeld beruecksichtigen und nicht aus heutiger Retrospektive und heutiger Moral zu urteilen.
@Koffer
Ich würde mich da nicht so sehr wundern, die USA wurden stark von Rom beeinflusst.
Es dürfte lange Zeit keinen Rang zwischen Manipelchef und Legionskommando gegeben haben und die Römer wählten auch ihre Feldherren.
Ob es andererseits so viel erfolgreicher war Offiziere nach Stammbaum und Kontostand zu ernennen?
Wenn die das deutsche Militär eine Tradition in den letzten 100 Jahren entwickelte die es vin den meisten anderen Streitkräften unterscheidet, dann war es die der Demokratisierung, Beteiligung und Mitbestimmung. Abend des 4. November 1918 war Kiel fest in der Hand der Aufständischen. Überall wurden Soldatenräte gebildet. Diese Tradition war nicht ungebrochen, doch von 100 Jahren doch mehr als die Hälfte. Ausschlaggebend ist eher der Drang und dass dieser durchaus aus der Truppe kam. Die freiheitlichen Werte und der wunsch diese zu leben ist traditionell tief in der Bundeswehr verankert.
Eine Seite der Bw-Tradition welche m.E. nich zu wenig gelebt und geschätzt wird.
Salve,
@ThoDan | 12. August 2017 – 7:20
„Es dürfte lange Zeit keinen Rang zwischen Manipelchef und Legionskommando gegeben haben und die Römer wählten auch ihre Feldherren.“
Nicht so ganz richtig: Zwischen den Centurionen und Legaten gab es die Praefekten. Der praefectus militum war in der Regel ein junger Adeliger der sich die ersten Sporen verdienen sollte, um danach die politischen Ämter besetzen zu können.
Das ist nämlich der Unterschied zwischen römisch republikanischer Antike und Neuzeit. Es gibt [b]keinen[/b] Unterschied zwischen Militär und Politik. Die Feldherren wurden nicht gewählt, zumindest nicht von den Soldaten. Sie waren meist die Konsuln, (die natürlich von der Volksversammlung für ein Jahr gewählt waren), anderenfalls waren es die Dictatoren, die für ein halbes Jahr gewählt wurden.
Wenn die Soldaten Befehlshaber gewählt haben, war das schon Princpat und hatte mit Demokratie nichts mehr gemeinsam, sondern mit Bestechung.
Die Soldaten konnten nur einen siegreichen Konsul zum Imperator ausrufen, das mußte dann aber noch vom Senat bestätigt werden.
Ein Nichtadeliger römischer Bürger konnte normalerweise keinen höheren militärischen Rang als den Centurio erreichen, der aber viel stärker untergliedert war…
@ThoDan | 12. August 2017 – 7:20
„Ich würde mich da nicht so sehr wundern, die USA wurden stark von Rom beeinflusst.“
In der Symbolik stark, in der Gesellschaft, im Militär und im Recht eher weniger.
„und die Römer wählten auch ihre Feldherren.“
Normalerweise taten sie das nicht.
„Ob es andererseits so viel erfolgreicher war Offiziere nach Stammbaum und Kontostand zu ernennen?“
Um mal wieder den Bogen zur Traditionspflege der BUNDSWEHR zu bekommen:
Das ist auch etwas, auf was die Bw sehr stolz sein kann, was aber aus Wehrmacht, Reichswehr und teilweise sogar aus Kaiserreich und davor aus Preußen/Bayern stammt.
Nämlich die (im Vergleich zu nahezu allen anderen Armeen) sehr frühe Professionalisierung der Ausbildung. Der geforderte (zivile) Bildungsabschluss bereits Jahrzehnte bevor andere Staaten dies gemacht haben und die Zulassung der Offizierslaufbahn nach einer Auswahl („Assessment“) und qualifizierbaren Normen.
@Zimdarsen | 12. August 2017 – 10:31
„Wenn die das deutsche Militär eine Tradition in den letzten 100 Jahren entwickelte die es vin den meisten anderen Streitkräften unterscheidet, dann war es die der Demokratisierung, Beteiligung und Mitbestimmung.“
Auch das ist wiederum ein gutes Beispiel, warum unsere Tradition eben nicht nur auf die letzten 60 Jahre fußen kann (oder auf eine „europäische Tradition“).
Denn die Beteiligung und Mitbestimmung ist ja sowohl in Reichswehr, als auch in Wehrmacht (Beteiligung, hier allerdings nicht Mitbestimmung) erfunden und praktiziert worden.
@Couthon | 12. August 2017 – 17:21
+1
Danke, wenn wir jetzt den Ausflug zu den alten Römern beenden könnten.
@Couthon
Ja, aber erst später – wobei mir der praefectus militum (aber die Beschreibung trifft gut auf die Tribunen des Cursus honorum zu) nichts sagt.
Teile der Volksversammlung waren Teil der Legionen und später stand mWn einem Primus Pilus durchaus der Weg zum Lagerpräfekt offen, aber in den Manipularlegionen gab es das mkn noch nicht,
@Sommerbiwak
Der British Raj respektierte aber auch die Traditionen aus denen diese Soldaten kamen, z.b. tragen Sikhs ihren Turban auch als Teil der Garde ihrer Majestät.
@T.Wiegold
Entschuldigung, habe ich erst nach dem Posten gelesen.
@ Koffer
Ich betrachte es nicht nur seit 1806.
Die USA sind nach den Erfahrungen im Befreiungskrieg auch sehr schnell davon abgekommen die Kommandeure und KpChefs von der Truppe waehlen zu lassen.
‚You cant win a popularity contest while leading men in battle.‘ – Soweit Mitbestimmung…
So, jetzt haben wir die Römer und die amerikanischen Befreiungskriege durch, hoffe ich? Weitere Ausflüge in die weite Welt der historischen Erfahrungen lassen wir hier bitte.
Was mir bei der Traditionsdebatte angenehm auffällt, dass die Einbeziehung einiger NS-Wehrmachts-Helden in neueren Posts nicht mehr so engagiert als sinnstiftend für die Bundeswehr als erwähnt wird.
Einzige Ausnahme ist der Generaloberst Richard Rosmanith, der laut Pressemeldungen „die Wehrmacht als Projektionsfläche für die Bundeswehr“ bezeichnet hat. Dazu meine Fragen:
a) ich verstehe das inhaltlich nicht
b) was hält denn die Community von dieser „Haltung“?
T.Wiegold | 12. August 2017 – 22:40
„So, jetzt haben wir die Römer und die amerikanischen Befreiungskriege durch, hoffe ich? Weitere Ausflüge in die weite Welt der historischen Erfahrungen lassen wir hier bitte.“
Es ging/geht um die Tradition der „Beteiligung“ und „Mitbestimmung“ – und wo man diese herholt – und wie weit – oder auch nicht.
Auch das gehoert zum Umfang der angedachten Tradition.
@ lies.das
Rosmanith meinte damit, dass sich die Bundeswehr nicht „aus sich selbst heraus“ entwickelt hat, sondern sich in ihrer anfänglichen Konzeption (Innere Führung etc.) gegenüber der Wehrmacht abgrenzte. Deswegen kann man heute nicht das eine isoliert hervorheben, ohne das andere, eben den inhaltlichen Bezug zur Wehrmacht, ebenso zu unterstreichen.
Der innere Zirkel um die Ministerin tut aber so, als ob die Bw sich völlig jungfräulich und losgelöst in den 1950er Jahren gegründet hätte und seitdem in Sachen Tradition alles paletti in Bonn und Berlin wäre – inhaltlich ist dass so um Lichtjahre zu kurz gedacht.
@lies.das
„Generaloberst Roßmanith“ … ^^
Kein Mensch bestreitet, dass die Bundeswehr1.0 in Sachen Org, Pers, Füh, Taktik und Verfahren sich weitesgehend an der Wehrmacht orientiert hat, woran denn sonst. Das war aber 1. aus „der Not(wendigkeit)“ geboren und 2. mußte man mit den Ressourcen auskommen, die man zur Verfügung hatte. Das hat aber mit Tradition nichts zu tun, sondern ist Wiederaufbaukriegsgeschichte. Die Baumeister in Berlin haben auch die noch verwendbaren Steine verbaut, die die Trümmerfrauen geborgen hatten..
Tradition ist kein nostalgischer Selbstzweck, Tradition, ihre Pflege und Weiterentwicklung ist ein Führungsmittel und muß der gesellschaftlichen Entwicklung angepasst werden. Die Traditionalisten scheinen das Thema „Tradition und Wehrmacht“ wie den Scheinriesen aus Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer zu sehen: je weiter man von dem Scheinriesen entfernt ist, desto größer erscheint er im Auge des Betrachters. Nun ja, ich habe die Augsburger Puppenkiste auch noch im S/W-TV der ARD mit großen Kinderaugen geshen, aber schon meine Kinder empfanden meine nostalgischen Schwärmereien über Jim Knopf und Co als nicht ganz „zeitgemäß“ in Sachen moderne Erziehung und Bildung – und da hatten die sicherlich recht.
So viel zu Projektionsfläche, Geschichte und Tradition als Führungsmittel.
@lies.das | 13. August 2017 – 9:17
„Was mir bei der Traditionsdebatte angenehm auffällt, dass die Einbeziehung einiger NS-Wehrmachts-Helden in neueren Posts nicht mehr so engagiert als sinnstiftend für die Bundeswehr als erwähnt wird.“
Ich denke nicht, dass sich die Position der betreffenden Kommentatoren geändert hat. Meine hat sich diesbezüglich auf jeden Fall nicht geändert ;)
Wobei ich die Bezeichnung „Wehrmachts-Helden“ als nicht ganz treffend betrachte, aber das nur am Rande.
Der entscheidende Punkt, warum das in diesem Faden nicht so intensiv diskutiert wurde, ist m.E.n. eher, dass es nicht zum Thema im Kern gehört (zwar nicht OT, aber eben auch nicht Kern…).
@MikeMolto | 13. August 2017 – 9:33
„Es ging/geht um die Tradition der „Beteiligung“ und „Mitbestimmung“ – und wo man diese herholt – und wie weit – oder auch nicht.
Auch das gehoert zum Umfang der angedachten Tradition.“
+1
Und das gilt ja nicht nur, bei den Themen Beteiligung und Mitbestimmung.
Sondern auch Menschenwürde in der Ausbildung (einen SEHR eindeutigen „Schleifer-Erlass“ hatte bereits die Wehrmacht), Führen mit Auftrag (dazu muss ich glaube gar nichts mehr sagen), Formen und Feiern (zwar deutlich abgespeckt, aber grundsätzlich doch übernommen) etc. etc.
„Abgrenzung von der Wehrmacht“ überhaupt zu erwähnen – bloß weil entnazifizierte oder unbelastete Offiziere und Mannschaften anfangs die Bundeswehr mit aufgebaut haben begründet m. E. keinerlei vorbildhaften Traditionsstolz. Für außenstehende Jüngere klingt das leider irreführend nach „Angrenzung“. Es gab aber keinen nahtlosen Übergang, sondern eine mindestens 12jährige Pause mit absolutem Traditionsbruch. Mit echtem Neuanfang und ohne politisch-militärisches Vorbild zu „früher“. Es gab mit dem Prinzip der „inneren Führung“ einen vollständigen Traditionsbruch. Denn Führer und Führung waren bei der Wehrmacht noch identisch bis hin zum Treue-Eid – das kann man jetzt nicht traditionshalber abtrennen, auch nicht personell-punktuell als Vorbild für Tapferkeit.Und auch nicht als „Projektionsfläche“ verwenden.
@lies.das | 13. August 2017 – 17:53
„Es gab aber keinen nahtlosen Übergang, sondern eine mindestens 12jährige Pause mit absolutem Traditionsbruch. Mit echtem Neuanfang und ohne politisch-militärisches Vorbild zu „früher“.“
„absoluter Traditionsbruch“?!
Sicherlich nicht. Dazu wurde zu viel übernommen. Nicht nur Personal, sondern auch Ausbildung, Führung und Selbstverständnis.
Man hatte in, vor und nach Himmerod zwei Extreme diskutiert (totaler Traditionsbruch und nahtlose Fortschreibung) und sich aus guten Gründen damals für einen differenzierten Weg entschieden.
Keine vollumfänglich Fortführung der Wehrmacht, aber eben auch kein kompletter Bruch mit Geschichte und Tradition.
@ lies.das | 13. August 2017 – 17:53
Ohne daraus Konsequenzen fuer die Diskussion um den (neuen) Traditionserlass ziehen zu muessen und fuer Ihre (und ggf die anderer) Information
– es gab keine 12 jaehrige Pause –
– die ersten Soldaten der Bw wurden am 12. Nov 1955 vereidigt.
– zumindestens bei der Marine lief die GMSA ab 1946 mit Minensuchverbaenden in alter militaerischer Gliederung weiter ( Aufsicht durch britische Offiziere)
– 1951 wurde die deutsch-amerikanische LSU gegruendet, praktisch eine Minensuchverband, mit sehr aehnlichen Aufgaben wie die GMSA.
Deren Offiziere, Uffz und Mannschaften wurden, fast geschlossen, in die damalige ‚Bundesmarine‘ uebernommen und ich bin dankbar dafuer, dass diese (und andere welche aus dem inzwischen erfolgreichen Zivilleben sich den Streitkraeften wieder zur Vfg stellten) uns waehrend des ‚Kalten Krieges‘ die Ausbildung und Kennnisse vermittelten, die wir aus deren Erfahrung in WWII fuer unseren Auftrag brauchten. – Allerdings von Tradition sprach damals (1960) niemand.