Türkei untersagt Bundestagsabgeordneten Soldaten-Besuch in Incirlik (m. Transkript)

Nachdem die Türkei erneut Abgeordneten des Deutschen Bundestages den Besuch bei deutschen Soldaten im Anti-ISIS-Einsatz auf dem türkischen Stützpunkt Incirlik untersagt hat, mehren sich in Bundesregierung und unter Parlamentariern die Stimmen, die für eine Verlegung der Bundeswehr-Flugzeuge auf eine Basis in einem anderen Land plädieren. Der Sprecher des Auswärtigen Amtes, Martin Schäfer, bestätigte am (heutigen) Montag, die türkische Regierung habe den für den morgigen Dienstag geplanten Besuch nunmehr abschließend untersagt. Damit sei die Bundesregierung in der Situation, sich Gedanken darüber machen zu müssen, andere Lösungen zu finden.

Die türkische Regierung hatte bereits im vergangenen Jahr Abgeordnetenbesuche bei den deutschen Soldaten in Incirlik untersagt, letztlich dann aber doch genehmigt. Nach der erneuten Verweigerung – es ging um eine Reise des Linken-Abgeordneten Jan van Aken – und mit dem Verlängerung des Mandats zur Beteiligung der Bundeswehr an der internationalen Anti-ISIS-Koalition im vergangenen Jahr hatten die Parlamentarier deshalb das Verteidigungsministerium beauftragt, nach Alternativen zu Incirlik zu suchen. Nach Untersuchungen der Bundeswehr kamen dafür prinzipiell Flugplätze in Jordanien, auf Zypern und in Kuwait infrage; die günstigste Lösung wäre eine Basis im benachbarten Jordanien.

Unklar blieb zunächst, was konkret (noch) geschehen muss, um einen Abzug der Bundeswehr aus Incirlik zu veranlassen. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jens Flosdorff, verwies darauf, dass zwar Jordanien die beste Alternative zu Incirlik bieten könne, dennoch aber deutliche Einschränkungen in der Operabilität gegenüber der türkischen Basis hingenommen werden müssten. Außerdem werde ein Umzug angesichts der Materialmenge einige Monate dauern – zumal für einen anderen Standort zusätzliche Infrastruktur nötig sei, die auf der auch von den USA genutzten Basis Incirlik bereits vorhanden sei.

Allerdings wurden die seit dem vergangenen Jahr geplanten Bauarbeiten und Infrastrukturmaßnahmen für das Bundeswehrkontingent in Incirlik bislang nicht begonnen – weil es darüber nach wie vor keine Einigung mit den türkischen Behörden gibt.

Von den verschiedenen Parteien im Bundestag gab es nach Bekanntwerden der türkischen Absage unisono die Aufforderung, aus der Türkei abzuziehen. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich, sprach sich ebenso dafür aus wie seine Kollegen aus SPD, Union und von den Grünen.

Von Incirlik aus beteiligt sich die Bundeswehr mit Tornado-Aufklärungsflugzeugen und einem Tankflugzeug an der internationalen Anti-ISIS-Koalition. Die Aufklärer sind dabei sowohl über Syrien als auch über dem Irak unterwegs.

Zum Nachhören die Aussagen von Schäfer (AA) und Flosdorff (BMVg) vor der Bundespressekonferenz:

BPK_Incirlik_15mai2017     

 

Nachtrag 1: Der Wortlaut der Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel dazu am (gestrigen) Montag fehlte mir; hier ist er:

BK’in Merkel erklärte bei der Pressekonferenz im Konrad-Adenauer-Haus zum Ausgang der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen auf Nachfrage:
Frage: Die Türkei verweigert den Besuch deutscher Bundestagsabgeordneter auf der Airbase Incirlik. Wie beurteilen Sie diesen Vorgang, und müssten die Tornados jetzt nicht abgezogen werden?
Antwort: Das ist misslich, und wir haben das auch auf den verschiedenen Kanälen klar gemacht. Wir werden die Gespräche weiter führen, aber parallel natürlich schauen, dass wir das, was im jetzigen Mandat schon angelegt ist – da wir ja schon mal Schwierigkeiten mit den Besuchen hatten -, umzusetzen. Und das heißt, Alternativen für Incirlik zu suchen. Da ist eine mögliche Alternative neben anderen auch Jordanien.Ich kann nur das wiederholen, was ich schon bei den ersten Schwierigkeiten gesagt habe: Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, und damit ist es absolut notwendig, dass Besuchsmöglichkeiten für unsere Abgeordneten bestehen bei ihren Soldatinnen und Soldaten.

Nachtrag 2: Das Transkript der Aussagen in der Bundespressekonferenz (Audio oben):

Frage : Herr Flosdorff, Herr Schäfer oder wer auch immer dafür verantwortlich zeichnet, vielleicht können Sie uns den aktuellen Stand zu İncirlik kurz darlegen. Was ist tatsächlich passiert bezüglich der Absage des Besuchs der Abgeordneten in İncirlik?

Schäfer: Heute Morgen haben Sie sich noch mit Cyberwar beschäftigt, jetzt geht es schon um die Türkei – Sie sind ein vielbeschäftigter Mann. Es freut mich, dass Sie das gleich fragen.

Ich möchte Ihnen dazu Folgendes sagen: Zunächst einmal ist es mir wichtig zu sagen, dass vor genau einer Stunde und vier Minuten vom Politischen Direktor im Auswärtigen Amt, Andreas Michaelis, und vom stellvertretenden Generalinspekteur der Bundeswehr im Bundesministerium der Verteidigung, Markus Kneip, die Obleute des zuständigen Ausschusses, also der Bundestag, über das informiert worden sind, was ich Ihnen jetzt zu sagen habe.

Ich fange vielleicht am besten damit an: Es ist für die Bundesregierung eine absolute Selbstverständlichkeit, dass deutsche Soldaten, Soldaten der Bundeswehr, die im Ausland für Deutschland im Rahmen einer internationalen Koalition, in diesem Fall der Anti-ISIS-Koalition, Dienst tun und für unser Land und für den Frieden Gefahren auf sich nehmen, von Abgeordneten des Deutschen Bundestages besucht werden können. Das, was ich Ihnen sage, ist nicht neu, aber es ist aus aktuellem Anlass eine gute Gelegenheit, das für die Bundesregierung noch einmal ganz ausdrücklich zu bekräftigen.

Sie wissen und erinnern sich vielleicht daran, dass es bereits vor einem guten halben Jahr, im September und Oktober, mit der türkischen Seite Fragen, Schwierigkeiten und auch die eine oder andere diplomatische Verwicklung um die Frage gab, ob der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages damals den Stützpunkt İncirlik in der Türkei – dort, wo deutsche Soldaten im Rahmen der Anti-ISIS-Koalition Dienst tun – besuchen könnte. Sie erinnern sich vielleicht daran, dass dieser Besuch dann nach einigem Drängen vonseiten der Bundesregierung am 5. Oktober 2016 durchgeführt werden konnte.

Der Verteidigungsausschuss hat nun das Auswärtige Amt und die Bundesregierung in den letzten Monaten wissen lassen, dass er erneut das Interesse hat, İncirlik und die dort stationierten deutschen Soldatinnen und Soldaten zu besuchen. Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass wir uns darum bemühen und auch tatsächlich bemüht haben, einen solchen Besuch möglich zu machen. Wir haben diesen Besuch im Laufe der ersten Hälfte des Monats April bei der türkischen Seite auf dem dafür vorgesehenen und mit der türkischen Seite abgestimmten Wege angefragt. Die Bundesregierung hat sich seither auf eigentlich allen Kanälen – das fängt mit dem Außenminister an, der das noch vor einigen Tagen gegenüber dem türkischen Ministerpräsidenten Yıldırım in London angesprochen hat, und setzt sich fort mit hochrangigen Vertretern des Kanzleramtes, mit dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt und dann natürlich in vielfältiger Weise auf den üblichen diplomatischen Kanälen über unsere Botschaft in Ankara und die hiesige Botschaft der Türkei in Berlin – angemahnt, dass wir eine positive Antwort der türkischen Seite erwarten. In den letzten Tagen gab es immer wieder gemischte Signale vonseiten der türkischen Regierung, unter anderem auch vom türkischen Ministerpräsidenten Yıldırım bei seinem Gespräch mit dem deutschen Außenminister in London.

Nun sind wir abschließend darüber unterrichtet worden, dass die türkische Seite einen Besuch der Delegation des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages, der morgen, den 16. Mai 2017, beginnen sollte, nicht zustimmt. Deshalb müssen wir wohl davon ausgehen, dass ein solcher Besuch des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages nicht stattfinden kann. Der Verteidigungsausschuss ist, wie gesagt, bereits von der Bundesregierung über diese Entscheidung der türkischen Seite informiert worden.

Lassen Sie mich jetzt zur Bewertung Folgendes sagen: Für die Bundesregierung ist es absolut inakzeptabel, dass der schon vor Wochen, gewissermaßen vor Jahr und Tag, der türkischen Seite angekündigte Besuch von Abgeordneten des Deutschen Bundestages auf dem Stützpunkt İncirlik nun nicht möglich sein wird. Die Bundeswehr wird vom Deutschen Bundestag mandatiert, und der Besuch der deutschen Soldaten im Einsatz muss den Abgeordneten möglich sein.

In dieser Lage müssen wir uns jetzt natürlich Gedanken darüber machen, wie es weitergeht. Ich kann für den deutschen Außenminister sagen, dass wir jedes Interesse haben, in dem schwierigen Verhältnis mit der Türkei gute und gedeihliche Beziehungen zu entfalten, dass wir aber darauf angewiesen sind, dass es auch von türkischer Seite Schritte gibt, die wir für selbstverständlich halten und die von der türkischen Seite nicht abgelehnt werden sollten. Wenn es bei dieser Haltung bleibt – ich sage Ihnen: Wir werden uns weiter darum bemühen, und zwar mit allem Nachdruck, dafür zu sorgen, dass deutsche Abgeordnete İncirlik besuchen können -, dann sind wir in einer Situation, in der wir uns Gedanken darüber machen müssen, andere Lösungen zu finden.

Die erste Gelegenheit für den deutschen Außenminister, diesen klaren Punkt gegenüber der türkischen Regierung noch einmal anhängig zu machen, könnte in Washington erfolgen. Herr Gabriel wird übermorgen nach Washington reisen. Dort wird es unter anderem auch Gespräche im Rahmen der Anti-ISIS-Koalition geben. Dabei werden wir natürlich auch mit unseren Partnern im Rahmen der Anti-ISIS-Koalition in Washington und auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika darüber reden müssen, wie wir dieses gemeinsame Ziel, das wir auch mit der Türkei teilen, nämlich den Kampf gegen ISIS erfolgreich zu führen, fortsetzen können, wenn es unter Partnern eben nicht möglich ist, solche Besuche durchzuführen.

Ich danke Ihnen.

Frage : Eine Frage an Herrn Flosdorff: Die Bundeswehr hatte ja schon, beginnend im vergangenen Jahr, auf Anforderung des Bundestages damit begonnen, Alternativmöglichkeiten zu untersuchen. Im Gespräch sind unter anderem Jordanien und Akrotiri auf Zypern. Die dritte Möglichkeit fällt mir gerade nicht ein. Nach meiner Erinnerung war Jordanien aus militärischer Sicht das Sinnvollste, weil es auch am nächsten am Einsatzgebiet liegt.

Sind über diese allgemeinen Untersuchungen hinaus die Überlegungen vonseiten der Bundeswehr jetzt präzisiert worden? Gibt es bei Ihnen eine Einschätzung, wie schnell Sie, falls erforderlich, einen Wechsel auf eine andere Basis vollziehen könnten?

Flosdorff: Vorweg gesagt: Die Einschätzung, die Herr Schäfer, hier auch für die Bundesregierung schon kundgetan hat, dass es für eine Parlamentsarmee auf Dauer nicht hinnehmbar ist, dass die Parlamentarier kein Zugangsrecht zu den Soldaten haben, gilt auch für das Verteidigungsministerium. Insofern ist das eine bedauerliche Entwicklung. Wir sind nicht das erste Mal an diesem Punkt.

Wir begrüßen es, dass die Hand ausgestreckt bleibt. Wir haben immer gesagt, dass İncirlik aus militärischer Sicht der günstigste Ausgangspunkt für den schwierigen Kampf gegen den IS ist, den wir ja auch nicht allein führen, sondern innerhalb einer Koalition, mit der wir engstens verzahnt und abgestimmt sind.

Es ist richtig, dass wir – das war auch eine Maßgabe der Mandatserteilung – bereits Alternativstandorte erkundet haben. Das war Ende vergangenen Jahres. Es betraf insbesondere Jordanien, es betraf Zypern, aber auch Kuwait. Auch richtig ist Ihr Punkt, dass wir in Jordanien die besten Voraussetzungen gefunden haben. Jedoch sind damit deutliche Einschränkungen in der Operabilität gegenüber İncirlik verbunden. Es ist kein Vergleich, was sowohl die Sicherheit als auch die Abstimmung mit den Koalitionspartnern angeht, die sehr eng läuft. Aber es ist möglich, auch aus Jordanien Tankflüge und Aufklärungsflüge zu unternehmen.

Diese Planungen und Untersuchungen werden wir jetzt sicherlich mit besonderer Betrachtung von Jordanien verstärkt aufnehmen. Wir werden weiter eruieren, was alles an Voraussetzungen daran hängt, was alles an politischen Vorentscheidungen notwendig wäre, das man gegebenenfalls, falls sich die Lage in der Türkei nicht auflösen lässt, für die Bundeswehr unternehmen müsste. Ich kann Ihnen jetzt schon sagen: Niemand plant jetzt irgendeine Art von sofortigen und schnellen Maßnahmen. Auch die politischen Vorentscheidungen würden einige Zeit in Anspruch nehmen.

Was den Umzug selber betrifft, so sind es, um Ihnen eine Idee zu geben, ungefähr 180 bis 200 Container an Material. So etwas würde sicherlich, auch wenn man nicht an dieselbe Infrastruktur andocken kann wie in İncirlik, eher einige Monate Zeit brauchen als wenige Wochen.

Zusatzfrage : Wie ist vor diesem Hintergrund der Stand der geplanten Infrastrukturmaßnahmen in İncirlik? Ist die Vereinbarung mit der türkischen Seite erfolgt? Haben dort irgendwelche Baumaßnahmen begonnen, oder sind sie noch gar nicht im Gange?

Flosdorff: Das ist vollkommen korrekt, sie sind nicht im Gange. Es hat keinen Spatenstich gegeben, und es hat auch keine letzte Einigung mit der türkischen Seite gegeben. Die einzigen Kosten, die dort bisher entstanden sind, sind Ausgaben in einem niedrigen fünfstelligen Bereich für die Erstellung von Bauplanungen.

Frage: Herr Schäfer, können Sie noch etwas zur Begründung sagen, die von türkischer Seite formuliert worden ist?

Herr Flosdorff, mich würde interessieren, ob eine Art Abstimmung mit den anderen Nato-Partnern stattfindet, die aus der Türkei heraus operieren, und ob es eventuell auch auf deren Seite Unverständnis gibt und vielleicht sogar Gespräche darüber, dass man die gesamte Nato-Operation von einem anderen Ort ausführt.

Schäfer: Wir haben von der türkischen Seite auf unsere förmlichen und auch schriftlich anhängig gemachten Anfragen keine schriftliche Antwort bekommen, sondern es hat über das Wochenende einige Gespräche gegeben. Unter anderem ist unser Botschafter Martin Erdmann im türkischen Außenministerium gewesen. In diesem Gespräch wurde insinuiert, dass die gegenwärtige Lage in den deutsch-türkischen Beziehungen aus türkischer Sicht nicht geeignet sei, um diesen Besuch möglich zu machen. Man kann sich denken, was die türkische Regierung damit meinen könnte. Vielleicht sind es individuelle Entscheidungen zuständiger deutscher Behörden im Zusammenhang mit türkischen Militärangehörigen. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.

Die Türkei, Deutschland und alle anderen Mitglieder der Anti-ISIS-Koalition haben ein Interesse daran und müssen ein Interesse daran haben, dass wir den Kampf gegen ISIS gewinnen. Wir sind dabei auf gutem Wege. Das ist ohne Zweifel ein Stolperstein für die Erfolge, die wir dabei gemeinsam erzielen wollen. Deshalb ist das für uns auch total unverständlich, zumal die türkische Seite weiß, und zwar nicht erst seit April, sondern auch schon aus anderen, von mir gerade eben bereits dargelegten Ereignissen in der Vergangenheit, wie wichtig es für uns – für Deutschland, aber auch für die Bundesregierung – ist, dass unsere Parlamentsarmee von Abgeordneten des Deutschen Bundestages besucht werden kann.

Frage : Eine Lernfrage: Herr Seibert, Herr Schäfer, Herr Flosdorff, ist es für Frau Merkel, Herrn Gabriel und Frau von der Leyen möglich, nach İncirlik zu reisen und die deutschen Soldaten zu besuchen?

Flosdorff: Um es für die Verteidigungsministerin zu sagen: Es sind jetzt keine Reisen nach İncirlik geplant. Insofern kann ich Ihnen dazu keine Auskunft geben.

Schäfer: Ich kann auch von keinen konkreten Besuchsplänen des deutschen Außenministers für die Türkei berichten, schon gerade nicht von Besuchsplänen für İncirlik. Das ist alles andere als ausgeschlossen. Es kann natürlich sein, dass auch Angehörige der Bundesregierung einen solchen Besuch unternehmen wollten. Darüber, wie die Reaktion der türkischen Seit auf einen solchen Besuchswunsch ausfiele, können wir nur spekulieren. Das wissen wir nicht.

StS Seibert: Ich kann solche Pläne für die Bundesregierung auch nicht berichten. Das ist aber nicht die Frage, die sich uns stellt. Uns stellt sich die Situation ganz klar so dar, wie die Kollegen sie beschrieben haben. Es muss selbstverständlich möglich sein, dass Abgeordnete des Deutschen Bundestages nach İncirlik reisen und dort die Truppe im Auslandseinsatz besuchen – in einem Auslandseinsatz, den der Deutsche Bundestag mandatiert. Deswegen wird sich die deutsche Bundesregierung weiterhin bei der türkischen Seite darum bemühen, dass diese Selbstverständlichkeit möglich ist. Sie wird entsprechend ihrer Zusage an den Bundestag auch Alternativstandorte ins Auge fassen.

Zusatzfrage : Ich habe ja nicht nach aktuellen Plänen gefragt, sondern ob es für die drei Mitglieder der Bundesregierung möglich ist, nach İncirlik zu fahren. Das ist ganz einfach zu klären.

StS Seibert: Sie haben drei Antworten bekommen.

Schäfer: Drei sehr konkrete Antworten.

Zusatz : Auf eine Frage, die ich nicht gestellt habe.

Schäfer: Doch, doch! Ich glaube schon. Das müssen Sie sich vielleicht nachher noch einmal im Video anschauen.

Frage: Herr Seibert, wir haben gerade vom Verteidigungsministerium gehört, dass es nicht um schnelle und sofortige Maßnahmen geht. Ich frage mich, warum das der Fall ist. Herr Schäfer hat die Entscheidung aus der Türkei als „abschließend“ bezeichnet. Sie bezeichnen sie als „inakzeptabel“. Wie lange will man warten, um Konsequenzen zu ziehen?

StS Seibert: Ich glaube, das ist hier schon gesagt worden.

Erstens. Auch wenn die türkische Seite uns diese Entscheidung nun so präsentiert hat, werden wir – Herr Schäfer hat den nächsten Termin genannt, wo der Außenminister eine Gelegenheit hat – unseren sehr klaren Standpunkt dazu natürlich weiter vorbringen, weil das unser Standpunkt bleibt und mit gutem Grund bleibt.

Zweitens. Wir werden natürlich, wie es auch in dem Mandat vorgesehen ist, Alternativstandorte ins Auge fassen.

Schäfer: „Abschließend“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass aus Gründen der Zeit die physikalische Unmöglichkeit eintreten wird, morgen diese Reise noch durchzuführen. Aus Sicht der Bundesregierung gäbe es keinen Hinderungsgrund dafür, eine solche Reise zu einem späteren Zeitpunkt durchzuführen, sofern die türkische Seite dem zustimmt. Aber wir brauchen für all die notwendigen technischen und logistischen Vorbereitungen einer solchen Reise etwas Vorlauf. Deshalb ist es jetzt zu spät – und deshalb ist es auch abschließend zu spät -, eine solche Reise morgen noch für den Verteidigungsausschuss organisieren und durchführen zu können.

Flosdorff: Ich möchte das ergänzen: Herr Kollege, es ist nicht so, dass in İncirlik jetzt nichts stattfindet. Während wir hier miteinander reden, finden weiter Aufklärungs- und Luftbetankungsflüge statt. Es hat bisher 900 Aufklärungsflüge der Tornados und 400 Starts der „Tanker“ mit 2000 Luftbetankungen gegeben. Wenn wir jetzt die notwendigen politischen Entscheidungen, die nicht nur mit der Türkei und mit Deutschland, sondern natürlich auch mit einem potenziellen anderen Gastgeberland zusammenhängen, herbeiführen und diese notwendigen logistischen Voraussetzungen für einen Umzug in einer solchen Größenordnung treffen müssen, geht damit natürlich einige Zeit an Planung und Vorlauf einher. Das ist nicht nur einfach eine Willensentscheidung und man macht anderswo weiter, sondern da hängt einiges an Aufwand dran. Das wollte ich hier einfach einmal vorschalten, damit dafür ein Bewusstsein herrscht.

Frage : Herr Schäfer, ich habe die Frage, ob die Gewährung von Asyl für türkische Militärangehörige in Deutschland in dem Zusammenhang explizit genannt wurde.

Herr Flosdorff, hat die Tatsache, dass der Besuch nicht stattfindet, irgendwelche praktischen Auswirkungen auf die Arbeit der Truppe oder ist das eher fehlende „moral booste“, wenn man seine Abgeordneten nicht treffen kann?

Schäfer: Die Botschaft war so deutlich, dass sie nicht missverstanden werden konnte.

Flosdorff: Die normale Arbeit in İncirlik – die Zusammenarbeit mit den Koalitionären und den anderen Nationen, die dort fliegen – geht jetzt weiter. Bei den wenigsten Nationen gibt es solche Voraussetzungen politischer Art, wie es sie bei uns gibt, um militärisch zu agieren. Bei uns gibt es eine Parlamentsarmee und auch die gute Tradition, dass es ein enges Verhältnis zwischen den Abgeordneten und der Truppe gibt. Daran wollen wir festhalten, und das ist gut und richtig so. Für die anderen Nationen gibt es vergleichbare Voraussetzungen nicht. Es gibt wichtige Aufgaben, über die nicht jeden Tag berichtet wird, die aber trotzdem jeden Tag stattfinden. Das ist der Kampf gegen den IS; das ist die Offensive auf Rakka, die läuft; das ist die Offensive auf Mossul, die weiter läuft sowie unterschiedliche Weiterungen in den Regionen. Dazu läuft die Kampagne weiter, unabhängig von der innenpolitischen Situation, die in Deutschland eine sehr wichtige ist, die aber für den unmittelbaren Kampf gegen den IS keine direkten Auswirkungen hat.

Frage: Herr Schäfer, wird es von deutscher Seite irgendwelche diplomatischen Reaktionen über dieses Gespräch in Washington hinaus geben?

Zweite Frage. Welche Konsequenzen hat das auf die Zusammenarbeit innerhalb der Nato über diesen einzelnen Einsatz hinaus?

Schäfer: Sie können sich denken, dass diejenigen auf unserer Seite – darunter Botschafter Martin Erdmann -, die mit dieser Entscheidung der türkischen Seite konfrontiert worden sind, bereits im Gespräch ihr Unverständnis darüber geäußert haben. Das liegt auf der Hand. Wie das jetzt weiter geht, müssen wir schauen. Ich glaube, die Botschaft ist auf der türkischen Seite angekommen und wird über das, was wir jetzt öffentlich hier mit Ihnen besprechen, auch so bei der türkischen Seite ankommen. Das schließt das natürlich nicht aus, sondern kann dadurch ergänzt werden, dass wir das nacharbeiten, dass wir jetzt schauen und der türkischen Seite erklären, warum das für uns unverständlich ist und dass wir darauf dringen und auch erwarten, dass diese Entscheidung für nächste Besuche revidiert werden kann und das widrigenfalls die Folgen haben kann, die Herr Seibert, Herr Flosdorff und ich Ihnen dargestellt haben.

Im Übrigen gilt für das deutsch-türkische Verhältnis, dass man sehr vorsichtig sein muss, diese asymmetrischen Verknüpfungen vorzunehmen, die dabei immer wieder in den Raum gestellt werden. Wir kümmern uns um die deutschen Haftfälle in der Türkei, weil das unsere Verantwortung ist, weil das unser gesetzlicher Auftrag ist und weil wir es für richtig und für völlig unangemessen halten, in welcher Weise rechtstaatlich und tatsächlich mit Deniz Yücel, Mesale Tolu und anderen Deutschen in der Türkei umgegangen wird. Das ist für uns ein Punkt, den wir nicht aufhören werden, immer wieder zur Sprache zu bringen und bei dem wir uns eigentlich asymmetrische Verknüpfungen mit anderen Punkten nicht vorstellen können, ja verbitten.

Wir haben jetzt eine erneut schwierige Lage im deutsch-türkischen Verhältnis. Der deutsche Außenminister hat nach seinem Gespräch in London mit dem türkischen Ministerpräsidenten am Rande der Somalia-Konferenz gesagt, dass wir größtes Interesse daran haben, wieder miteinander zu besseren Beziehungen zu gelangen. Hier haben wir jetzt die unmittelbare Reaktion der türkischen Seite. Dass uns das nicht erfreut, das werden Sie verstehen. Dass wir für eine Verbesserung der Beziehungen zwei Seiten brauchen, ist auch klar. Wir werden nicht müde, das anzubieten. Wir müssen uns allerdings auch, so wie wir das hier dargestellt haben, jetzt in dieser konkreten Frage dem Gedanken zuwenden, dass es eben Grenzen gibt, was geht und was nicht geht und dann daraus die nötigen Schlüsse ziehen. Noch ist ja keine endgültige Entscheidung getroffen.

Zusatzfrage: Die Frage zur Zusammenarbeit innerhalb Nato?

Schäfer: Vielleicht darf ich noch einen Satz sagen: Wir haben es jetzt zum zweiten Mal erlebt, dass wieder eine Besuchsreise untersagt worden ist. Wir haben im Fall Yücel erlebt – daran werden Sie sich erinnern -, dass es nicht etwa eine Zusage einer generellen konsularischen Betreuung für Herrn Yücel gab, sondern scheibchenweise und mit großem Druck, der dafür entfaltet werden musste, die Zusage für einen Besuch. Ich glaube, auch da macht es Sinn, dass wir uns jetzt wirklich mit der türkischen Seite ins Benehmen setzen, um zu versuchen, generelle Lösungen hinzubekommen. Denn dies wieder jedes Mal aufs Neue so hochlaufen zu lassen, ist, glaube ich, weder im Interesse der Türkei noch im Interesse der Bundesregierung.

Was die Nato angeht, habe ich vorhin in meiner Antwort auf die erste Frage gesagt: Wir wollen das jetzt mit unseren Partnern in der Anti-ISIS-Koalition aufnehmen. Das ist in wesentlichen Teilen auch deckungsgleich mit unseren Nato-Partnern. Ich glaube, die allermeisten unserer Nato-Partner sind auch Teil der Anti-ISIS-Koalition. Es macht, glaube ich, Sinn, diese feine Unterscheidung zu treffen, weil die Aktivitäten der deutschen Bundeswehr in İncirlik Aktivitäten im Rahmen der Anti-ISIS-Koalition sind. Es gibt auch in der Türkei Aktivitäten im Rahmen eines Nato-Mandats. Diese finden allerdings nicht İncirlik statt, sondern in Konya, wo es um die Beteiligung von Soldaten und Soldatinnen der deutschen Bundeswehr an AWACS-Operationen der Nato geht. Dort haben wir jedenfalls nicht unmittelbar ein Problem mit der Besuchsgenehmigung vor der Brust, aber das kann natürlich auch noch passieren. Sie können darauf Gift nehmen, dass wir in Washington das Thema im Kreis unserer Partner aufnehmen, weil wir glauben – ich wiederhole das noch einmal -, dass das ein Stolperstein bei dem gemeinsamen Bemühen ist, ISIS niederzuringen.

Frage : Herr Schäfer, zu Jordanien: Der Außenminister war vor ein paar Tagen in Amman und hat sich dort mit Premierminister Al-Mulki und Außenminister Safadi getroffen. Ging es bei diesen Gesprächen um einen Wechsel der deutschen Truppen aus İncirlik nach Jordanien?

Schäfer: Die Reise ist drei Wochen her. Das war eine Reise, die Schlagzeilen gemacht hat – nicht wegen des Jordanienteils, sondern wegen des darauffolgenden Israelteils, woran sich viele, wie ich annehme, erinnern werden. Ich war bei dieser Reise nicht dabei, und deshalb war ich auch bei den Gesprächen mit der jordanischen Regierung nicht dabei. Ich bin diesbezüglich zurzeit nicht auskunftsfähig und weiß es schlichtweg nicht. Ich halte das für möglich. Ich bin sicher, dass das jedenfalls zwischen den Delegationen auch Gegenstand der Gespräche gewesen ist. Ob der Außenminister das selber angesprochen hat, kann ich Ihnen jetzt nicht sagen.

Zusatzfrage : Können Sie das nachreichen?

Schäfer: Ich bemühe mich darum.

Zusatzfrage : Sie hatten Frau Tolu gerade schon angesprochen. Gibt es mittlerweile konsularische Betreuung für Frau Tolu? Wie geht es ihr?

Schäfer: Wir haben keinen direkten Zugang zu Frau Tolu. Deshalb sind die Informationen, über die wir verfügen, allenfalls indirekter Natur und deshalb auch nicht von mir für die Öffentlichkeit bestimmbar; da bitte ich um Ihr Verständnis. Ich kann Ihnen versichern, dass wir mit allergrößtem Nachdruck gegenüber der türkischen Regierung auf den völkerrechtlichen Anspruch, den wir haben, drängen. Das ist aber auch eine Selbstverständlichkeit in einer solch schwierigen Situation für eine junge Mutter, die inzwischen länger als 14 Tage von ihrem Kind getrennt ist und der Vorwürfe gemacht werden, die ganz offensichtlich nicht richtig substantiiert sind. Da bleiben wir dran. Wir werden natürlich nicht nachlassen, den völkerrechtlichen Anspruch, den wir gegenüber dem türkischen Staat haben, auch einzufordern. Ich kann Ihnen nur hier und heute leider – auch in diesem Fall nicht – noch keine positive Antwort der türkischen Seite vermelden.

Zusatzfrage : Das heißt, es hat sich seit Freitag im Fall von Frau Tolu nichts geändert?

Schäfer: Nein, jedenfalls in Bezug auf die Frage, die Sie mir gestellt haben, nämlich der Antwort der türkischen Seite auf unser Begehr und unseren Anspruch, Frau Tolu besuchen zu können.

Zusatzfrage : Wo hat sich was geändert?

Schäfer: Ich hatte gerade versucht, bei Ihnen dafür Verständnis zu wecken, da wir keinen direkten Zugang zu Frau Tolu haben und die Dinge, die uns im Rahmen der konsularischen Betreuung interessieren – etwa wie das persönliche Befinden ist, wie die Haftbedingungen sind, wann und wie mit konkreten Ermittlungshandlungen oder mit einem Fortschreiten des Strafprozesses zu rechnen ist -, alles Dinge sind, die wir, wie gesagt, noch nicht im direkten Gespräch mit Frau Tolu aufnehmen konnten. Selbst wenn das geschehen wäre, könnte ich dann immer noch nicht sicher sein, dass ich Ihnen daraus brühwarm erzähle, weil es natürlich Angelegenheiten sind, die höchst privaten Charakter haben und die jedenfalls nicht alle in die Öffentlichkeit gehören.

Frage: Ist der Bundesregierung bekannt, ob jemals amerikanische Parlamentarier an einen Besuch in İncirlik gehindert wurden?

Ist angesichts der Lage eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Türkei auf Eis gelegt?

Schäfer: Ich kann Ihre erste Frage nicht gut beantworten, weil ich das schlicht und ergreifend nicht weiß. Ich bin noch nicht einmal sicher, ob meine Kollegen im Auswärtigen Amt über solche Informationen verfügen, weil es ja durchaus sein kann, dass es solche Besuchsabsprachen oder Besuchsverweigerungen im stillen Kämmerlein auf bilateraler Ebene gegeben hat. Deshalb muss ich Sie bitten, sich mit dieser Frage an die zuständigen Stellen der Türkei oder der Vereinigten Staaten von Amerika zu wenden.

Was Ihre zweite Frage angeht: All das, was wir jetzt im politischen Zusammenwirken zwischen Deutschland und der Türkei erleben, macht eine Zusammenarbeit in anderen Bereichen jedenfalls nicht leichter. Ich glaube, das kann man sicher sagen.

(Archivbild: Einweisung des Kampfjets Tornado auf die Parkposition nach dem Einsatzaufklärungsflug im Rahmen der Mission Counter Daesh auf der Air Base Incirlik am 24.02.2016 – Bundeswehr)