Gastbeitrag: Saving Private Schmitz
In der aktuellen Debatte über die Bundeswehr, was sie prägt, ihr Traditionsverständnis und natürlich auch die Fälle und Vorwürfe rechtsextremistischer Umtriebe freue ich mich über diesen Gastbeitrag: Gregor Weber ist Autor und bekannt als Schauspieler. Unter anderem spielte er zehn Jahre lang Kommissar Stefan Deininger im saarländischen Tatort. Die Bundeswehr ist seit vielen Jahren ein wichtiges Thema seiner Bücher und seines Lebens. Nach dem Wehrdienst als Funker bei der Marine wechselte er in der Reserve zum Heer und leistet dort seit gut zehn Jahren regelmäßig Dienst als Pressefeldwebel in der Gebirgs- und Fallschirmjägertruppe. In dieser Funktion war er 2013 auch im ISAF-Einsatz in Kunduz. Derzeit ist er bei der Division Schnelle Kräfte beordert. Sein aktueller Dienstgrad ist Hauptfeldwebel d.R.
Saving Private Schmitz – wie wir die Bundeswehr umarmen sollten
Ein Soldatenfriedhof am Strand der Normandie. Sonnenschein, viele Besucher. Stars and Stripes wehen majestätisch im Wind, daneben die Flagge Frankreichs. Ein alter Mann geht unsicher über das Gras, durch endlose Reihen weißer Steinkreuze und Davidssterne, in einigen Metern Abstand offenbar seine Familie. Vor einem Kreuz bleibt er stehen, muss, von überwältigender Regung erschüttert, in die Knie, hält sich am Kreuz fest. Er weint.
So beginnt und endet der Film „Saving Private Ryan“. Dazwischen entfaltet sich die Geschichte der Rettung dieses Mannes als junger Fallschirmjäger bei der Befreiung Frankreichs. Ein Trupp Ranger hat alles riskiert und das meiste verloren, um ihn zu finden. Der Führer des Trupps, Captain Miller, sagt am Ende sterbend zu dem jungen Ryan: „Earn this. Earn it!“, verdien dir diese Rettung. Und Ryan, jetzt ein alter Mann, fragt, fast bittend wie ein Kind, seine Frau, ob er ein gutes Leben geführt hat. „Tell me, I am a good man“, sag mir, dass ich ein guter Mensch bin.
In diesen wenigen Ausschnitten liegt – hochemotional aufbereitet – das Bestmögliche, was Soldat sein bedeuten und das Äußerste, was es fordern kann. Die Verpflichtung, dem Ruf der eigenen Nation in der Not zu folgen. Der Wille, einer anderen Nation im Kampf um die Freiheit beizustehen. Die Bereitschaft, für einen unbekannten Kameraden das Leben zu wagen. Kämpfen und dabei anständig bleiben. Den Tod anderer nicht achselzuckend hinzunehmen, sondern daraus ein Ethos fürs eigene Weiterleben abzuleiten. Die Gefallenen nicht vergessen. Dankbar sein für das eigene Leben und die eigene Freiheit. Die Anerkennung dessen, was der Soldat im Krieg erduldet und geleistet hat durch Familie und Gesellschaft.
Als Deutscher sieht man diesen und zahllose andere Filme mit gemischten Gefühlen. Denn es sind selbstverständlich und wahrheitsgemäß nie deutsche Soldaten, die auf der Leinwand Unfassbares erleben, um am Ende, seien sie auch noch so beschädigt und erschüttert, als Helden da zu stehen, weil alles, was sie erlitten und taten, zu einem höheren Zweck geschah. Dass viele Soldaten der Wehrmacht ihren eigenen Kriegsdienst wohl nicht anders in der Rückschau beurteilten als alliierte Kämpfer, ändert auch nichts daran, dass der Zweck, zu dem sie auf die Schlachtfelder geschickt wurden, durch und durch böse und menschenverachtend war. Da ist ein Riss. Eine Schlucht. Ein Trauma.
Das Selbstbild gebot dem Einzelnen, sich trotz der verbrecherischen Motive des Nazi-Staates letztlich als treuen Verteidiger des eigenen Landes zu sehen, der unter der Androhung, selbst an die Wand gestellt zu werden, zum notgedrungenen Werkzeug des Terrors geworden war. Der sogenannte Befehlsnotstand musste als Rechtfertigung herhalten und infizierte jeden Versuch der ehrlichen Aufarbeitung.
Gegen diese Infektion wurde die Bundeswehr von Geburt an geimpft. Das Mittel heißt „Innere Führung“ und besteht aus mehreren Ingredienzen. Der Integration in Staat und Gesellschaft, dem Leitbild des Staatsbürgers in Uniform, der Legitimation des Auftrags, den Grenzen von Befehl und Gehorsam und dem Prinzip des Führens mit Auftrag kommt von diesen Zutaten für die Beurteilung der derzeitigen Lage der Bundeswehr wohl die größte Bedeutung zu.
Kurz gefasst bedeuten sie, dass jeder Soldat der Bundeswehr immer auch voll berechtigter Bürger bleibt (mit minimalen Einschränkungen in der Dienstzeit) und so Teil der Gesellschaft, und dass er auf seiner Ebene Entscheidungen immer selbst verantwortet. Ob Gefreiter oder General, ein Soldat der Bundeswehr muss Befehle und Aufträge auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen und unrechtmäßige Befehle verweigern. Sonst wird er ebenso haftbar für Folgen gemacht, wie der Vorgesetzte, der den Befehl erteilt hat.
Jeder Soldat dieser neuen Armee sollte die Demokratie und ihre Werte als untrennbaren Teil seiner Nation begreifen, als das, wofür er im Ernstfall kämpft. Um das lebendig zu halten, darf man ihm auch in Uniform niemals den vollen Schutz dieser Freiheiten und die Rechte des Bürgers einer Demokratie nehmen. Freier unter Freien, eingebunden in eine Hierarchie zwar und in ein System, das nur durch Befehl und Gehorsam funktionieren kann, ihm aber – durch das Prinzip „Führen mit Auftrag“ – die volle Verantwortung für erhaltene Aufträge überträgt und ihm zutraut, stets die Absicht seiner Führung zu begreifen und seine Auftragserfüllung in deren Sinne selbständig zu planen und anzugehen. Das würde er endlich sein. Der deutsche Captain Miller, der deutsche Private Ryan.
Als ich mich 1987 entgegen der vorherrschenden Haltung in meinem gesamten Freundeskreis entschloss, zur Bundeswehr zu gehen, hatte das sehr viel mit diesen Prinzipien zu tun, ohne dass ich diese damals wirklich gekannt hätte. Ein Lehrer für Religion, Geschichte und Politik, der mich im Gymnasium sehr geprägt hat, hatte mir – obwohl selbst Pazifist – in einem Gespräch geraten, diesen Schritt zu gehen, weil wir diese Armee doch nicht nur den Konservativen überlassen könnten. Das sei zum ersten Mal in der deutschen Geschichte eine Armee, die aus den richtigen Gründen existiere und die uns alle repräsentiere. Deswegen sei es wichtig, dass auch junge Männer mit meinen politischen Einstellungen in ihr dienen würden, sonst würde es irgendwann vielleicht kippen.
Ich hatte keine Angst vor dem Wehrdienst. Ich war gespannt. Die Grundausbildung war kein Spaziergang, aber auch weit entfernt von irgendeiner Hölle. Ich fühlte mich nie bedroht oder machtlos. Wenn mir etwas gegen den Strich ging, las ich, was dazu im Soldatengesetz stand und vertrat dann meinen Standpunkt. Mein Gruppenführer war nicht die hellste Kerze auf der Torte und im einzigen Suff, den er sich je mit uns erlaubte, sonderte er rassistische Sprüche ab, woraufhin ihm Eiseskälte seiner Untergebenen entgegenschlug und er recht flott das Mannschaftsheim verließ. Vielleicht hatte ich Glück. Es gab und gibt immer auch Schleifereien bei der Bundeswehr. Es gab und gibt Verletzte und Tote. Gebrochene Menschen. Es gab und gibt Rechtsextremisten.
Es ist eine Binse, dass Dienst in der Bundeswehr Menschen mit rechtsextremen Einstellungen anzieht. Es ist aber auch eine Tatsache, dass in aller Regel nichts so zuverlässig zu disziplinaren Maßnahmen bis hin zur Entlassung führt, wie das Auffälligwerden solcher Einstellungen. Die Innere Führung, die fortwährende Sensibilisierung in der Vorgesetztenausbildung, die drastischen Veränderungen in der Bundeswehr von den Auslandseinsätzen über die Öffnung aller Laufbahnen auch für Frauen bis hin zur Aussetzung der Wehrpflicht, die von der Bundeswehr immer wieder Aufmerksamkeit nach innen, Wandel, Anpassung an neue Gegebenheiten fordern – das alles steigert die Wachsamkeit, kostet aber auch Kraft.
Und die Soldaten dieser Bundeswehr mussten sich seit 1991 in atemberaubendem Tempo in ihrer militärischen Verfasstheit mehrfach um die eigene Achse drehen. Von der Massenarmee des Kalten Krieges in eine kleinere professionelle Einsatztruppe. Und damit vom theoretischen Krieg hin zum tatsächlichen. Neben dem Erlernen und Trainieren militärischen Handwerks geriet durch die sich intensivierende Bedrohungslage in Afghanistan eine andere, komplexere Anforderung in den Fokus: Die Definierung und Heranbildung eines Ethos des Kämpfers, aber aus dem Prinzip der Inneren Führung heraus und zu den Prinzipien einer freiheitlichen Demokratie passend.
Damit tut sich die Bundeswehr enorm schwer, unter anderem, weil sie fürchtet, dieses Ethos in unserer Friedensgesellschaft am Ende dem Bürger nicht vermitteln zu können, weil dieser entweder davon peinlich berührt ist oder sich sogar erschrickt. Dass dann an vielen Stellen ein fehlendes Leitbild mit plumpem Machismo ersetzt wurde, hatte fatale Folgen für das innere Gefüge. Exzesse in der Ausbildung, sinnlose Härte, die nichts mit notwendiger Herausbildung von Durchhalte- und Leidensfähigkeit zu tun hat, alltägliches Mobbing und immer wieder auftretender Sexismus haben sowohl mit einem fehlgeleiteten Männer- und Kämpferbild zu tun, als auch mit nicht ausreichender Führung und Leitung.
Natürlich wurde bei der Bundeswehr immer auch zum Kämpfen ausgebildet, aber es ist etwas anderes, wenn nach der Ausbildung dann tatsächlich Gefechte und Anschläge kommen. Wenn geschossen wird, getötet und gestorben. Wenn Soldaten verwundet an Körper oder Seele zurückkehren. Wenn die Gründe, weswegen Soldaten in Einsätze geschickt werden, sich fundamental von den gewohnten Erklärungsmustern für die Existenz der Bundeswehr unterscheiden. Wenn klar wird, dass sich viele Bürger nicht mehr selbstverständlich mit diesen neuen Erklärungen identifizieren können und ihre allgemeine Ablehnung weltweiter militärischer Engagements als Ablehnung ihrer selbst bei den Soldaten ankommt. Als dann auch noch die Wehrpflichtigen aus den Kasernen verschwanden, geriet der Austausch zwischen Armee und Bevölkerung ernstlich ins Stocken.
Richtig schwierig wurde es aber mit dem Selbstverständnis deutscher Soldaten, als sich vor allem anhand des Afghanistaneinsatzes zeigte, dass verantwortliche Politiker der kritischen Bevölkerung eine Sicht der Lage und der nötigen Schritte vermittelten, die viele Soldaten nicht in Einklang mit ihrer persönlichen Erfahrung im Einsatz brachten, von der sie aber das Gefühl hatten, sie passe Politik und Gesellschaft so gut in den Kram, dass die Sicht der Soldaten keine Rolle im öffentlichen Diskurs mehr spielen dürfe.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt – so habe ich das jedenfalls wahrgenommen – lavierten sich manche Soldaten innerlich in eine Haltung, die der der Generation Wehrmacht ähnelte. Wenn Ihr nur noch Eure Interpretation gelten lasst, dann ziehe ich mich eben auf die Erhaltung meines Selbstbilds zurück. Dass eine solche Haltung eher kindischen Trotz ausdrückt als einen förderlichen Austausch anzustoßen, kam und kommt diesen Soldaten eher nicht in den Sinn. Und ich fürchte, der eine oder andere unter ihnen hampelt aus genau diesem Trotz gerne mit Wehrmachtshelmen und Schmeißer-MPs herum. Weil er sich gedisst fühlt wie Opa und den unwiderstehlichen Drang verspürt, mit dem Feuer zu spielen.
Wenn sich dieser Trotz über Jahre und Karrieren durch die Führungsebenen zu ziehen beginnt, kann er zur ernsthaften Gefahr werden. Ich glaube keinesfalls, dass die Bundeswehr ein Rechtsextremismusproblem hat, das wesentlich über dem der Gesamtgesellschaft liegt. Auch ein Franco A. samt möglichen Mitverschwörern, so unerträglich und vollständig inakzeptabel die vermutlichen Tatbestände für die Bundeswehr auch sind, ändert nicht die Statistik.
Aber die Bundeswehr hat meiner Ansicht nach ein Problem mit Trotz, Rückzug aus dem gesellschaftlichen Diskurs und mit fehlender durchgreifender Führung auf vielen Ebenen. Letzteres hängt auch mit der Konstruktion der Karrieren von Berufsoffizieren zusammen. Wer Führungskräfte alle zwei, drei Jahre quer durch die Republik versetzt und ehrgeizigem Personal früh klar macht, dass schon die geringsten Fehler zu massiven Karriereknicks führen können, der darf sich nicht wundern, wenn Probleme hier und da nicht gelöst, sondern für Nachfolger liegen gelassen werden oder ein Klima entsteht, in dem Soldaten zum Schönreden neigen und vorauseilend nach oben melden, es sei schon alles in Ordnung. Was dann wiederum dazu führt, dass von oben, wo eigentlich klar ist, dass nicht immer alles so in Ordnung ist, wie man sich das herbeibefiehlt, dann große Überraschung demonstriert werden muss, wenn ein Sumpf sich zeigt.
Dass in einer Organisation mit gut 170.000 Mitgliedern, die der Sicherheit eines Landes dient und deren Angehörige für die Interessen dieses Landes mit der Waffe in der Hand und der eigenen Gesundheit auf dem Spiel einstehen müssen, nicht immer und zu jeder Zeit alles gut sein kann, wird jeder vernünftiger Mensch einsehen. Und an dem, was in den letzten Wochen und Monaten an die Oberfläche kam, gibt es nichts zu beschönigen, sondern nur Ermittlungsergebnisse und Urteile abzuwarten, sowie klare Konsequenzen durch die Bundeswehr zu zeigen. Rechtsextremismus, Mobbing, Sexismus und unnötige Härte haben in der Bundeswehr nichts zu suchen. Das weiß die Bundeswehr selbst sehr gut, denn die allermeisten Soldaten dieser Armee wollen nur eines: Die Soldaten dieses Landes, seiner Institutionen und seiner Bevölkerung zu sein, weil jeder Soldat dieser Armee Teil davon ist.
Und wir alle können der Bundeswehr dabei helfen. Indem wir ihr zeigen, dass wir sie in unserer Mitte brauchen und wünschen. Ich darf hier noch mal an meinen Gymnasiallehrer erinnern. Die Bundeswehr ist mit all ihren Fehlern die beste und sauberste Armee, die Deutschland je hatte. Sie ist unser aller Armee. Wir können sie formen. Wenn wir Bürger finden, es gibt in ihr zu viele Soldaten von der falschen Sorte, dann ist es an uns, dafür zu sorgen, dass mehr von der richtigen Sorte in ihr dienen. Retten wir Private Schmitz.
(Text ©Gregor Weber; Foto: privat)
Erfreulicher Beitrag von Gregor Weber.
Als grundsätzliche Anmerkung: Sinn und Zweck der Inneren Führung ist nicht, Staatsbürger in Uniform zu sein, sondern als solcher treu zu dienen und zu kämpfen.
Supper gesprochen, gibt es an und für sich nicht hinzu zufügen.
WOW!!
Gut geschrieben und auf den Punkt ausformuliert.
Ich bin mir aber sicher der Ruf wird in der Dunkelheit verhallen ohne eine Wirkung zu haben. Sehr schade!
Es wird weiterhin heißen:
Wir, die guten Willens sind,
geführt von Ahnungslosen,
versuchen für die Undankbaren das Unmögliche zu vollbringen.
Wir haben so viel mit so wenig so lange versucht,
dass wir jetzt qualifiziert sind,
fast alles mit fast nichts zu bewerkstelligen.
Warum die Vorsicht?? Der Artikel ist m.E. sehr gut, nachdenklich und differenziert. Das war nicht meine Erwartung vor dem lesen, als ich nur das Falli Barret und den Taliban Bart gesehen habe.
Sehr geehrter TW, sehr geehrter Herr Weber,
Ihnen beiden meinen herzlichen Dank für diesen Text.
@TW: Danke fürs Bereitstellen der Plattform und fürs finden dieses hervorragenden Autors
@GW: Ich ziehe den Hut vor Ihnen und Ihrer Wortwahl!
Chapeau Gregor Weber – die beste und vor allem sachlichste Analyse des derzeitigen Aufregerthemas. Ich teile seine Einschätzung zu 100% und finde mich darin an vielen Stellen wieder.
DANKE!!!
Ein toller Text! Großes Lob an Gregor Weber für diese Zeilen, die meines Erachtens nach eine sehr gute Analyse der Befindlichkeit und Stimmung der Bundeswehr darstellen!
Für mich sind diese drei hier separat aufgeführten Themenkreise untrennbar miteinander verbunden. Ohne die Präsenz der 20 Divisionen der GSSD in der DDR fiel in den Augen vieler schlicht die Daseinsberechtigung der Bundeswehr weg, denn wo kein Feind da kein Bedarf an Armee. Wir sollten nicht vergessen, daß die Gründer der BRD die neue deutsche Demokratie ohne Armee aufbauen mußten und wollten. Die erste große politische Krise war dann auch die Wiederbewaffnungsdebatte … Diese zwiespältige bis teils offen ablehnende Haltung ist ein historisches Erbe, dessen sich die Bundeswehr nie ganz entledigen konnte.
Das hätte alles mit politischer Führung und Öffentlichkeitsarbeit zurechtgerückt werden können, aber stattdessen hat die Politik – genau so wie Sie es richtig formuliert haben, Herr Weber – die Sache noch weiter verschärft und den Graben zwischen Politik und Gesellschaft (und damit Bundeswehr und Gesellschaft) vertieft. Die Verheimlichungs-, Verdrehungs- und „Realitätszurechtbiegungsorgien“ in Punkto Afghanistan haben in aller Klarheit allen vor Augen geführt, daß die Politik kein Interesse an einer öffentlichen Debatte hat und sie aus Furcht vor den Kosten scheut. Damit nimmt sie aber auch in Kauf, daß die Menschen die Bundeswehr nurmehr als „noch so eine Bundesbehörde für die da oben“ wahrnehmen, daß sie sie eben nicht als Teil der Gesellschaft sehen. Die Bevölkerung empfindet weder eine direkte militärische Bedrohung der Bundesrepublik noch sieht sie einen Sinn in irgendwelchen Auslandseinsätzen. Damit ist aber auch die Basis für echte Unterstützung futsch … wenn sich die politische Debatte über Einsätze wie Afghanistan, Mali oder aber auch an der NATO Ostgrenze auf auswendig gelernte politisch korrekte Rhetorik zum Thema „politischer Gefallen für internationale Partner“ beschränkt, woher soll denn ein Gefühl in der Bevölkerung kommen, daß die Bundeswehr auch etwas für sie tut?
Egal was für institutionelle Probleme die Bundeswehr auch immer hat (und die hat sie, zweifellos): Solange die Politik ihre eigenen politischen Beschlüsse nicht in großer Runde öffentlich, ehrlich und offen debattiert, erklärt und sie dann auch (wenn nötig unter Inkaufnahme persönlicher Verantwortung) vertritt, so lange wird die Bevölkerung die Truppe nur als „Handlanger“ des Politikbetriebs und „Bundesbehörde“ wahrnehmen und ihm soziales Ansehen, Unterstützung und Rückhalt verweigern.
Lob und Anerkennung.
Einer der besten Beiträge die man die letzten Wochen vernehmen durfte.
Da ich weiß, dass er auch von der Leitung gelesen wird, könnte er durchaus auch für die Ministerin als Baustein zur Lagefeststellung dienen.
@Gregor Weber
Pulitzer-Preis verdächtig ;-)
Auch bei mir (Abi 71) hat ein Gymnasiallehrer eine wichtige Prägungsrolle in Sachen Wehrmacht und Bundeswehr gespielt ein promovierter Philologe,der als ehemaliger (gezogener) Wehrmachtsoffizier nach neunjähriger Gefangenschaft aus sowjetischen Zwangsarbeitslagern nach Deutschland heimkehrte. Der muß wohl ihren Gymnasiallehrer gut gekannt haben, denn ich mußte beim lesen ihres Beitrages die ganze Zeit an ihn denken. Diese Gattung Lehrer scheint es nicht mehr zu geben, auch das ist ein gesellschaftliches Defizit, über das sich die BW Gedanken machen sollte, denn der heutige Bürger scheint mir geschichtlich, staatsbürgerlich „unerzogener“ zu sein im Vergleich zu den 70/80er Bürgern. Sie sind von der Marine zum Heer gewechselt, ich bin vom Jäger im Fulda-Gap zum Schnellbootfahrer in der Kadetrinne mutiert, aber auch hier kann ich ihre Erfahrungen in Sachen „ungeistige“ Menschenführung nur bestätigen. In den 70/80ern scheiterten schwarzbraune Sprücheklopfer in Offz- und PUO-Kreisen meistens sehr rasch und heftig an der Zivilcourage der unterstellten Truppe. Und damit komme ich zum Kern meines Pudels: wenn es heutzutage zu viele Soldaten von der „falschen Sorte“ gibt, dann liegt es imho vermutlich daran, dass es zu viele Bürger von der „falschen Sorte“ gibt und das hätte der Führung der BW etwas früher auffallen sollen. Warum ist das nicht aufgefallen ? Nun, genau aus den Gründen, die sie so brilliant in ihrem Beitrag analysiert haben. „Man“ hat es einfach versäumt, die „Definierung und Heranbildung eines Ethos des Kämpfers…. aus dem Prinzip der Inneren Führung heraus und zu den Prinzipien einer freiheitlichen Demokratie passend“ aktiv anzugehen und zu gestalten. Kein Wunder also, dass dieses Bildungs- und Führungsvakuum von den schwarzbraunen Sprücheklopfern wahrnehmungspsychologisch und verhaltensökonomisch genutzt wurde und so haben sich eben – mittlerweile zu viele – schwarze Schafe in die Herde der schweigenden Lämmer eingeschlichen ( siehe Prof. Dr. Rainer Mausfeld ). Wenn die Lämmer die schwarzen Schafe nicht mehr erkennen (können) und in ihrer Herde dulden, dann muß eben der Hirte mit seinem Hirtenhund tätig werden bevor die Lämmer anfangen, den schwarzen Schafen hinterher zu laufen.
Vielen Dank für ihren Gastbeitrag, Herr Deininger, der imho an erster Kompetenzstelle aller Beiträge zur Thematik hier im Blog rangiert. Dank auch an den Hausherren, dass er diesen Beitrag hier veröffentlicht hat.
Ein sehr gut geschriebener Artikel, der sich mit meinen Erfahrungen aus 16 Jahren deckt, und den ich so unterschreiben kann-bis zum Ende des ersten Abschnittes.
Der Abschnitt über „Rückzug aus Trotz“ hingegen entbehrt jeder Grundlage, ist wertend und trifft nicht den Kern.
Hier handelt es sich nach meiner Erfahrung nicht um „Trotz“-sondern-wie auch schon dargestellt-um Selbstschutz.
Die Politik, aber auch die Bevölkerung hat die Dienst-Leistenden (Bundeswehr, aber auch Polizei und Feuerwehr und THW) seit mindestens 25 Jahren gekonnt ignoriert, es sei denn, man (als Politiker) konnte sich mal wieder öffentlichkeitswirksam mit ein paar „Uniformierten“ auf dem Bild in Szene setzen.
Das hinterlässt einen Eindruck bei den unteren Ebenen.
Nach oben ist „alles in Ordnung“-weil dies immer so von oben gefordert ist.
Wer gemeldet hat „Geht nicht“, dem wurde „von oben“ gesagt „Das muss gehen-machen Sie es möglich, ich melde schon mal weiter, das es geht“.
Afghanistan ist hier ein gutes Beispiel…und auch das Bild, das der Öffentlichkeit durch die Politik vermittelt wird.
Solange die Politik-allen voran Grüne und Linke-weiterhin gegen die Bundeswehr als Institution wettert, und solange sich die Politik nicht nur hinter die Soldaten stellt, um sie über die Klippe zu schubsen, sondern VOR sie stellt, um sie zu schützen, ist diese Armee auf einem sehr geföhrlichen Weg-der sie entweder in die Selbstaufgabe treibt (und als Konsequenz eine nicht-einsetzbare Truppe zur Folge hat, weil niemand mehr sein Leben riskieren wird, wenn alles, was ihn erwartet, ein Schlag ins Genick sein wird), oder in die Rebellion-was angesichts des momentanen Zustandes eher nicht zu erwarten sein dürfte…
@ diba
Ich hoffe sie meinten den „Taliban Bart“ spaßig oder wollen Sie tatsächlich jeden Soldaten mit Vollbart mit diesen Leuten vergleichen?
Ein interessanter Artikel der eine weitaus größere Plattform bräuchte.
Anmerkungen
Führen mit Auftrag war schon lange vor Innerer Führung ein militärisches Prinzip, spätestens seit Helmuth von Moltke.
Die Sache mit dem Befehlsnotstand ist fraglich, mkn existierte die Begründnung dafür nicht.
Vielen Dank für diesen Artikel
Exzellenter Beitrag. Chapeau. Danke an Herrn Weber fürs schreiben und an T.W. fürs unter-die-Leute-bringen.
@klabautermann:
„„Man“ hat es einfach versäumt, die „Definierung und Heranbildung eines Ethos des Kämpfers…. aus dem Prinzip der Inneren Führung heraus und zu den Prinzipien einer freiheitlichen Demokratie passend“ aktiv anzugehen und zu gestalten.“
Richtig – genau dies versuchen hier ja einige seit Längerem in der Debatte herauszustellen.
Dieser Denkanstöße war im Ursprung übrigens wesentliches Element der Inneren Führung.
Wenn man nun genauer betrachtet wer „man“ ist, dann sind dies zweifellos in erster Linie die politische Leitung und militärische Führung der letzten 20 Jahre.
Und hatten sie sich nicht erst kürzlich über die (überholten) Kämpferideale des Heeres mokiert? Auch ganz ohne Wehrmsbezug.
Ich kann derzeit jedoch weiter keine positiven Impuls in diese Richtung erkennen.
Die Bundeswehr wird am Ende dieses „Skandals“ noch mehr eine normale Bundesbehörde sein.
Danke Herr Weber !!!!
Einfach mal auf den Punkt gebracht. Nicht polemisch usw..
Hoffe, dass die militärische und politische Leitung der BW dies liest.
Solche Erklärung würde ich mir von der militärischen Führung wünschen. Von der politischen Führung wäre ich schon froh, wenn nichts kommt. Da erwarte ich nichts.
Dank auch an TW
@ Gregor Weber, @ all
Herzlichen Dank für diesen Debattenbeitrag !
Als Wehrpflichtigter der 1977, mitten im kalten Krieg, in die Bw eingezogen wurde und dann als Freiweilliger und Berufssoldat 35 Jahre blieb, kann ich ihre Argumentation nur aus eigener Erfahrung voll und ganz unterstützen.
Wer im Jahre 1978 SaZ geworden ist, musste sich bei seinen ehemaligen Mitschülern rechtfertigen, warum man diesen Schritt gegangen ist. Dies lief in der Argumentation auf die Verteidigung unserer Grundordnung, unseres Staates gegen die tatsächlich fühlbare Bedrohung durch den Warschauer Pakt hinaus.
1998/99 bei dem Kosovokrieg war der Einsatz der Bw aufgrund der vorangegegangenen Kriege im ehemaligen Jugoslavien absolut nachvollziehbar und vermittelbar.
2001, nach dem 11. September, war der Beschluss im Bundestag zum AFG-Einsatz eigentlich auch für jeden Bw-Soldaten nachvollziehbar, auch wenn BK Schröder dazu das Misstrauensfrage stellen musste, um eine eigene Mehrheit zu erzielen. Es folgte dann nur die falsche Argumentation mit Brunnenbohren, Demokratie durchsetzen und Mädchenschulen errichten, statt Bündnissolidarität mit den Amerikanern !
Selbst 2003 bei dem US / britischen Irakkrieg habe ich als Soldat das Vorgehen der Amerikaner gegen Sadam Hussein gegenüber Kameraden und Mitarbeiteren aktiv verteidigt. Heute sehe ich das im Nachgang allerdings anders.
Der Kipppunkt in der eigenen Stimmung und der öffentlichen Wahrnehmung war dann tatsächlich 2007 / 2008 wo der AFG-Einsatz zum Krieg mutierte und die Bundesregierung die Bevölkerung anlog um deren Unterstützung für den Einsatz einigermaßen zu erhalten. Das fing mit dem Spruch „Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch“ verteidigt an und hörte bei der permanenten Weigerung diesen Einsatz einen Krieg zu nennen auf. Vor allen Dingen konnte die Regierung nicht überzeugend erklären warum deutsche Soldaten in AFG eingesetzt werden !
Und so ist aus dem emotionalen Abstand zwischen Politik und Bundeswehr, zwischen Bevölkerung und der vermeintlich ihr dienenden Bundeswehr, die Lücke entstanden um sich falsche Vorbilder, falsche Soldatenbilder für den Kämpfer zu suchen und die ein oder andere schwarzbraune Haselnuss ging auf !
„Die Bundeswehr ist mit all ihren Fehlern die beste und sauberste Armee, die Deutschland je hatte.“
Ob sie wirklich die sauberste Armee ist, die wir je hatten, wird sich in einem mehrjährigen Krieg zeigen. Für eine Friedensarmee ist es leicht, sauber zu sein. Und ob sie die beste Armee ist, die wir je hatten, kann man durchaus anzweifeln. Wirklich kriegsbereit ist sie offensichtlich nicht.
Lieber Gregor,
Ich ziehe einmal mehr meinen Hut vor Dir!
Ich habe in den letzten beiden Wochen hunderte Soldaten gesehen, die alles gegeben haben, über ihre Grenzen ging und Herausragendes leisteten. Leider fand dies in überregionalen Medien kaum Beachtung, so wie die Einsätze gar nicht mehr im Fokus stehen.
Gibt es aber bei 170.000 Mann eine Hand voll Arschlöcher (entschuldige die Wortwahl), ist dies täglich und überall präsent. Das verzerrt das Bild in der öffentlichen Wahrnehmung. Hier wären die Medien gefordert, diese ungleiche Berichterstattung zu korrigieren.
Aber das wäre ja anstrengend und würde bedeuten, dass man sich engagiert und kümmert. Das verkauft sich aber nicht gut. Über das Beispiel Uli Gack hatten wir schon gesprochen.
Solange dies so ist, werden so großartige Texte wie Deiner leider nicht die Aufmerksamkeit erfahren, die sie verdienen.
@ Georg
Auch das wäre aber in meinen Augen nie und nimmer ausreichend gewesen, um den Bundeswehreinsatz auch wirklich gesellschaftlich zu verankern. So wie die letzten 17 Jahre gelaufen sind, ist „Bündnissolidarität“ zu einem verschleiernden Schlagwort ohne tieferen Sinn verkommen. Diese Entwicklung nahm 2001 ihren unheilvollen Anfang …
Wer nicht in der Lage ist eigene, d.h. dem deutschen Volk auch begreiflich zu machende, Interessen zur Grundlage so eines Einsatzes zu machen, der weitet die Schere zwischen Bevölkerung und Sicherheitspolitik eben in der Form auf, wie wir sie hierzulande seit langer Zeit erleben. Oder haben Sie die hämisch-höhnischen Reaktionen auf Strucks Versuch vergessen, den Afghanistan-Einsatz mit der Platitüde „Deutschlands Sicherheit wird auch am Hindukush verteidigt“ zu untermauern? Man hat ihn nie ernst genommen, weil das nie mit Argumenten und mit Ehrlichkeit zu kommunizieren versucht wurde. Und hohle politische Phrasen die kennen wir Deutschen schon ewig und erkennen die eben schon auf weite Entfernung.
Danke für diesen Beitrag
Herr Weber, Herr Wiegold,
vielen Dank für diese Publikation. Es tut gut und erfrischt, dass zwischen all den „Aufrege-Themen“ der letzten Wochen und dem „Köpfe-heiß-reden“ (auch auf dieser Plattform) es auch noch Zeichen einer rationalen Betrachtung und fundierte, neutrale Situationsanalysen gibt, denen man sich zugehörig fühlt.
@Niko G
Es führt zwar in einen OT, aber ich muss dazu eine Anmerkung machen:
Wenn damit, was ich vermute, die Großübung in Schleswig-Holstein in den vergangenen Tagen gemeint ist: Da würde ich doch mal das BMVg und die Bundeswehr fragen, warum zu solchen Übungen i.d.R. überregionale Medien gar nicht erst eingeladen werden – und das seit Jahren, also völlig unabhängig vom jeweiligen Minister/MinisterIn.
So lange das Ministerium der Meinung ist, dass die Bundeswehr eine regionale Veranstaltung ist, sofern nicht der/die MinisterIn sich das anschaut, und eine Information der überregionalen Medien aktiv unterbunden wird (ich habe da erst gestern ein aktuelles Beispiel gehört), soll sich niemand über die Medien beschweren, sondern mal überlegen, warum das so gehandhabt wird.
Und damit Ende OT…
@Gregor Weber:
Vielen Dank für den sehr guten Beitrag.
Auch für die aktuelle Debatte enorm wichtig ist – aus meiner Sicht – der Hinweis auf die mangelhafte Fehlerkultur:
„Wer Führungskräfte alle zwei, drei Jahre quer durch die Republik versetzt und ehrgeizigem Personal früh klar macht, dass schon die geringsten Fehler zu massiven Karriereknicks führen können, der darf sich nicht wundern, wenn Probleme hier und da nicht gelöst, sondern für Nachfolger liegen gelassen werden oder ein Klima entsteht, in dem Soldaten zum Schönreden neigen und vorauseilend nach oben melden, es sei schon alles in Ordnung. Was dann wiederum dazu führt, dass von oben, wo eigentlich klar ist, dass nicht immer alles so in Ordnung ist, wie man sich das herbeibefiehlt, dann große Überraschung demonstriert werden muss, wenn ein Sumpf sich zeigt.“
Im Kern gibt es nämlich ein echtes Führungsproblem, dieses wird jedoch von der Ministerin derzeit erheblich verstärkt. Auch wenn sie das Thema diese Woche für sich entdeckt haben will.
Ein Blick in die Bundeswehrgeschichte zeigt aber, dass derlei ja schon fast Tradition in der Bundeswehr hat. Hier als Beispiel die Abschiedsworte des Oberst „Bubi“ Hartmann:
„Wenn die Bundeswehr richtig geführt, wenn Leistung und Effektivität Oberhand über das Karrieredenken behalten würden, wäre ich geblieben – um jeden Preis. Aber die Bundeswehr wird verwaltet. Das ist nicht nach meinem Geschmack.“
Nicht wenige sehr gute Soldaten verlassen die Bundeswehr genau deswegen oder kündigen innerlich. Gerade auch in diesen Tagen.
Danke Herr Weber!
Endlich mal ein Bericht mit Herz und Verstand!
@ T.W.
Der Einwand ist doch gar nicht so OT …
Das ist faktisch das gleiche, nur bezogen auf ein anderes Problem. Die Bundeswehr fürchtet öffentliche Reaktionen wie der Teufel das Weihwasser, egal ob es nun Berichterstattung über Übungen, Einsätze oder eben ethisch-moralische Fragen betrifft. Angst lähmt und nirgendwo wird diese Angstlähmung der Institution Bundeswehr auch für den Laien offensichtlicher als bei der verkrampften, verschüchterten und total verklemmten Eigenberichterstattung der BW. Das ist Symptom der Furcht vor der öffentlichen Meinung.
Der Artkel deckt sich mit meinen Erfahrungen und trifft, wie bereits ein Vorredner feststellte, im Wesentlichen nur beim vermuteten „Trotz“ nicht ins Schwarze. Allerdings würde ich es nicht als „Selbstschutz“ sondern als „Resignation“, in diesem Fall vor der Unfähigkeit des Begreifens, bezeichnen.
Die Erklärungs-/Verständnisschwierigkeiten zwischen Bürgenden mit vollständigem Satz der Grundrechte, Privilegierten mit Diäten und den Eingeschränkten Ohne beginnen m. E. mit der nicht-Teilhabe der Privilegierten am Dienen und dem Kokettieren, unter dem Applaus der Entourage, mit der mangelnden und mangelhaften Motivation und Fähigkeiten. Nackenschläge von Volksvertretern kennen die angeblich so wichtigen MINT-Fächer allerdings auch.
Gibt es denn mehr als eine Handvoll Sprößlinnen oder Sprößlinge von Bundestags- oder Landtagsmitgliedern, die Dienst in der Bundeswehr leisten? Lest ihr hier mit? Was ist Euere Erfahrung mit rechtsextremem Gedankengut? Was sagen Euere Eltern zu Eueren Berichten aus dem Dienst?
Man muß fairerweise an dieser Stelle darauf hinweisen, dass „Bündnissolidarität“ insbesondere mit den USA für die deutsche Sicherheits-und Verteidigungspolitiker nicht nur einen rechtsphilosophischen, sondern rechtspositivistischen Widerspruch in sich trägt. Und mit diesem Widerspruch müssen letztendlich nicht nur Politiker „leben“ und umgehen können, sondern jeder Soldat. Der Widerspruch liegt in der unterschiedlichen Handhabung des Gebotes zur „moralischen Äquivalenz“ auch im Krieg seitens der USA einerseits und der Bundesrepublik Deutschland andererseits. Siehe dazu:
https://de.wikipedia.org/wiki/Amerikanischer_Exzeptionalismus und
https://de.wikipedia.org/wiki/Londoner_Statut
USAmerikanischer Exzeptionalismus und FDGO sind im „Kriegs-/Einsatzfall“ wie z.Bsp. Irak, aber auch Afghanistan schlicht und einfach nicht wirklich kompatibel und somit nur sehr eingeschränkt interoperabel, bzw. „solidarisierbar“. Von daher ist Schröder’s Phrase von der „Uneingeschränkten Solidarität“ viel schlimmer als die Struck’sche Hindukusch-Phrase
Politische Phrasen sind letztendlich ein Mittel zur verhaltensökonomischen Steuerung/Kontrolle von Demokratien.Als Mittel der Aktualindokrination sind sie eben „billig und preiswert“. Blöd bloß, wenn in Sachen Solidarität mit den USA dabei eine Schere im Kopf des Staatsbürgers/in Uniform aufklappt, denn die Tiefenindokrination der Bevölkerung einer repräsentativen Demokratie ist eine völlig andere als die einer exzeptionalistischen Präsidialdemokratie – aka „wohlwollendes Imperium“.
Widerspruch: In keiner Armee, die ich kenne, ist es ein Problem, Offiziere alle 2-3 Jahre zu versetzen. Und es kommt zu keinen Exzessen.
Richtig ist, dass die Leitung es nicht schafft und/oder schaffen will, die Bundeswehr als Armee zu begreifen – die InFü ist ein Mittel, den einsatzbereiten Soldaten aus-/heranzubilden; zumindest soll sie das sein. Und die Auftragstaktik ist ein alter Deutscher Grundsatz der Führung. Diesen argumentativ von der InFü abzuleiten ist historisch und inhaltlich sehr gewagt, um nicht zu sagen falsch – Geschichtsklitterung.
@T.Wiegold: ich finde Ihren letzten Kommentar gar nicht OT, sondern am Kern der Sache. Warum sieht man nichts von diesen Übungen im Fernsehen? Oder in den angeblich großen Zeitungen? Ich glaube Ihnen sofort, dass keine Medien eingeladen wurden. Dann müsste man ja erklären, dass man das Gefecht übt und für den Krieg ausbildet, auch wenn diese Formulierung dem ein oder anderen archaisch erscheint.
Habe gerade nochmal nachgeschaut: auf der Netzseite des Heeres spricht man lieber vom „Gesundheitstag an der Offizierschule“ statt von der letzten Großübung. Soviel zum Selbstverständnis und Einbindung in die Gesellschaft.
Vielen Dank Herr Weber für diesen sachlichen und unaufgeregten Beitrag.
Insbesondere den Schlussabsatz werde ich noch einige Male lesen!
Zwei Beobachtungen aus vielen Diskussionen:
Dem Bürger ist klar, dass die BW nicht in der Lage ist auch eine der langen Ladgrenzen zu verteidigen. Was quasseln sie da von Landesverteidigung – der Bürger fühlt sich belogen.
Mythos NVA – für viele hier im Osten, ist die BW keine richtige Armee. Sie wird hinsichtlich Bereitschaftsgrad und „Härte“ mit der NVA (alle haben während der Wehrpflicht sie verflucht, die meisten rückblickend glorifiziert) verglichen und als „weich“ „untauglich“ und daher Geldverschwendung von vielen gesehen.
Das führt zurück dazu wie sich unsere Politiker zur BW stellen.
@klabautermann | 19. Mai 2017 – 10:40:
Was genau hat uns dann bis 2009 daran gehindert den ISAF-Einsatz tatsächlich (siehe ROE) als das anzunehmen was er war – kein Friedenseinsatz? Von da an wurde er jedoch so betrachtet und ansatzweise auch so gehandelt. Danach folgte auch noch eine entsprechende Bezeichnung als Kriegseinsatz.
Es sind genau diese widersprüchlichen „Begründungen“ für politische Untentschlossenheit, die den Unmut in der Truppe – wie hier im Artikel verdeutlicht – in den letzten 10 Jahren enorm verstärkt haben. Wäre Innere Führung nicht nur eine Floskel bräuchte es jetzt auch keine Untersuchungen des GI (!) zur Inneren Lage.
@ Gregor Weber
Herzlichen Dank für diesen wohltuenden Beitrag zur Debatte der letzten Wochen.
Ihre Analyse ist deutlich und umfassen. Ich hoffe, Sie wird ach von der Führung gelesen.
@Georg | 19. Mai 2017 – 9:44
Volle Zustimmung. Ich kann Ihre Sicht der Dinge aus meinem eigenen, vergleichbaren Werdegang gut nachempfinden und nachvollziehen. Insbesondere Ihre Anmerkungen zum Auseinanderentwickeln von Politik und Bundeswehr im Zuge der unehrlichen Begründungen für den sich wandelnden Einsatz in AFG trage ich uneingeschränkt mit. Allerdings ging die Misere bereits 2006 los.
@Memoria | 19. Mai 2017 – 10:18
So ist es leider.
Sehr geehrter Herr Weber,
ich finde, dass Sie einen sehr fundierten und sauberen Beitrag über die derzeitige Lage der Bundeswehr abgefasst haben.
Ich selbst bin seit über 40 Jahren Angehöriger dieser Armee – erst als Berufssoldat und nun als Angehöriger der Reserve – verbunden und beabsichtige diese Verbundenheit bis zum Ende meiner Resevetätigkeit und darüber hinaus auch weiterhin zum Ausdruck zu bringen.
Heinrich Kurz
Chapeau! Herr Weber,
Warum können die Kohorten Presseoffiziere nicht so schreiben?
Zu weit weg oder zu nah dran?
Mangelt es an Mut oder Fertigkeiten?
Oder haben wirklich alle schon die innere Kündigung vollzogen?
@Memoria
Ich habe ja in meinem klabautermann | 19. Mai 2017 – 10:40 versucht darzulegen, dass diese „Schere im Kopf“ sowohl der deutschen Regierungspolitiker als auch im Kopf des Gefreiten Otto Normalverbraucher einen mentalen Widerspruch erzeugt, der nicht auflösbar ist.
Prof. Mausfeld nennt das „moralische und intellektuelle Pathologie“. Nun raten sie einmal bei welchem „Kriegsbild“ dieser pathologische Befund am deutlichsten erkennbar wird und virulente Züge annimmt ? Richtig geraten: bei einer deutschen, militärischen Einmischung in einen Bürgerkrieg und natürlich beim GWOT. Selbst in den USA führt ja dieser Patholgie mittlerweile als gesellschaftlicher Spaltpilz mit hoher innenpolitischer Brisanz zu Tage. Und außenpolitisch erst recht. Tillerson stellt sich ja noch nicht einmal mehr der Presse, wenn Gabriel in Sachen Erdogan um „Unterstützung“ nachfragt und gleichzeitig die Bodyguards ErdoKhansmitten in Washington D.C. türkisch-amerikanische Demonstration zusammen treten und diese Zusammentreter dann noch nicht einmal strafrechtlich durch die US-Justiz belangt werden. In Sachen Syrien kommt nun GWOT/Krieg gegen ISIS und Bürgerkrieg zusammen. Chaos pur und der Gordische Solidaritätsknoten ist weder auflösbar – auch und gerade nicht durch die Innere Führung – noch durchtrennbar, denn wer schlägt sich schon selber den Kopf ab als Politiker oder General ? Dem GI bleibt doch nichts anderes übrig als diese Pathologie zu therapieren, und dazu braucht er eben eine möglichst präzise Diagnose mittels des ihm zur Verfügung stehenden Instrumentariums.
Ich wollte hier gar nichts mehr kommentieren. Und nun dieser Artikel.
BZ!
Sehr geehrter Herr Wiegold,
ich hoffe, dass man Sie für den Mut und das fachliche Können im Umgang mit der Thematik entsprechend anerkennt und auch honoriert.
Vielen Dank für Ihre Arbeit!
Inhaltlich möchte ich nichts weiter ausführen. Mein Standpunkt hatte ich skizziert und in Wiederholungen möchte ich mich, auch aufgrund Ihrer verständlichen Bitte hin, nicht weiter verlieren. Und manchmal reicht es ja, „einfach nur“ mitzulesen.
Schoen zu lesen und insgesamt ausfuehrlich und durchaus richtig wahrgenommen und dargestellt!
„Ihm kann ja auch keiner!“
Als Reservist, noch dazu mit „weniger angreifbar machender Bekanntheit“, hat er es sicher auch leichter als ein aktiver (Hpt)Fw oder (St)Offz, „Binsen“ und „Wahrheiten“ klar an- und auszusprechen!
Als Fw/Offz bedeutet das – ich weiss, wovon ich spreche – auch schon ‚mal bei nur einer Meinungsverschiedenheit mit dem beurteilenden Vorgesetzten schlicht „EdeKa“ oder „kein BS“. Aufholen, „System sei Dank“ praktisch nicht moeglich, ok OStFw spaeter kann noch klappen, aber wenn der „GenSt-Zug“ „abgefahren“ ist, war’s das damit. Das „heilt“ auch kein „LGAI“ mehr.
Das Leben geht weiter, und auch als StFw/Maj/OTL nicht „iG“ und ohne Aussicht auf „A15“ nagt man nicht am Hungertuch.
Was auch durchaus richtig dargestellt wurde ist die zunehmende Entfernung der „real existierenden Bw“ zur „Inneren Fuehrung“ angesichts dessen, was unser aller „Volksvertreter“ nach 1990 mit ihr veranstalteten!
„Eigentlich“ wollte man sie nun gar nicht mehr, ging es doch nun daran, die viel zu oft und voellig irreale „Friedensdividende“ in Form von aktiver Abruestung zu „kassieren“!
Parallel dazu – ich hatte es anderswo schon erwaehnt – schickten dieselben Herrschaften die schon „angefledderte“, teils bereits ein wenig „orientierungslose“ und durchaus intern „geforderte“ (grds Abwicklung aber auch Integration von Teilen der NVA – bei der Bw, da wurde das naemlich einfach „befohlen“, klappte das viel schneller und besser, als in der uebrigen Gesellschaft und ist heute praktisch „kein Thema“ mehr) diese Streitkraefte dann mit teils unverantwortlichem „Auftrag“, mangelhaft geruestet in teils mindestens „zweifelhafte“ Einsaetze.
Nix „Fuehrung“, schon gar nicht von ganz oben, der „Leitung“! Das „Herumgeeiere“ eines nicht naeher genannten Ministers angesichts der Gemetzel mit schwer- und schwerstverwundeten Soldaten, Vertuemmelten und TOTEN dies bloss nicht zu nennen, was es nun ‚mal war und ist: KRIEG! Eigentlich noch schlimmer, den im Krieg gibt’s Regeln und „Kombattanten“, die „erkennbar“ sein muessen. Wer „unerkannt mitspielt“ hat da eine ganz andere Rechtsstellung, ist eben NICHT, wie leider von den Medien meist so genannt „unschuldiger Zivilist“! Auch da: Keine Fuehrung, die das richtig, sich vor die Soldaten stellt, die in unser aller Auftrag die „Drecksarbeit“ leisten, sterben sollen fuer ein moeglichst preisguenstiges Leben im totalen Ueberfluss und ohne jeden Bezug zur irdenden Realitaet.
Man hat sich nicht erst nach Aussetzung der Wehrpflicht natuerlich auch selbst ins Abseits geschossen: Eine knapp 500000-Mann-Bw, dazu die vielen Reservisten, mehr oder weniger betroffenen Familienangehoerigen machen bei 60 Mio Buergern natuerlich auch ein nicht zu unterschaetzendes „Wahlvolk“ aus. Was sind dagegen bei 80+ Mio Buergern schlappe 17×000 „boese Buben“ (und Maedels), die eigentlich eh keiner will?
Leider hat waehrend dieser fuer den „geneigt Betroffenen“ all‘ dies schon – leicht – Anfang, SPAETESTENS Mitte der 90er Jahre erkennbar vor Augen gelegen, aber die mil. Spitzenfuehrung wurde nicht gehoert oder, bei entsprechender „Lautstaerke“ – was sich mEn jedoch angesichts der durchaus „verkraftbaren Folgen“ (Pension mit B6+) viel zu wenige trauten – entlassen. Selbst ein G Naumann, den „die NATO“ gern eine weitere Amtszeit an der Spitze des MC gesehen haette, wurde pensioniert, bzw, und das gilt leider fuer die ganz ueberwiegende Zahl, hat aus „Gruenden“ NICHT angemessen be- bzw ABgeraten!
Zum Thema: JEDER Soldat muss Befehle pruefen, ueberdenken und ggf auch den Gehosam verweigern, wenn dies geboten ist.
Auch da erinnere ich mich noch SEHR gut an den „Deutsche Soldaten halten die Knochen hin, aber nicht die eigenen“-„Skandal“, der, 2006 war’s wohl, hochpoppte.
Auch „damals“ wurden mit heisser nadel gestrickte „Weisungen“ bis ganz nach unten „durchgeschoben“ und speziell fuer die Ausbildung der EinsKtgt eine „Ethikausbildung“ verpflichtend vorgeschrieben! Auf die Frage seitens des AusbVbd (Btl) an die zustaendige LeitDiv, wer den angesichts der notwendigen Qualifikation diese durchfuehren sollte, hiess es wiederum, soldatisch-schlicht: „Kuemmern Sie sich drum, die Dienstaufsicht erfolgt…!“
Noch „interessanter“ dann die Reaktion nach Vorlage der in Zusammenarbeit mit einem Lehrstuhl einer BwUni erstellten Ausbildungsunterlagen und „Taschenkarte“, wo es ua eben genau hiess (sinngemaess, habe leider grad kein Exemplar einstecken…): „Befehl ist Befehl, ABER…“
Das DURFTE so nicht verwendet werden.
Der Institutsleiter meinte dazu lediglich: „Die TK ist doch nicht von Ihnen erstellt, und was meinen Bereich angeht gilt: „Freiheit von Forschung und Lehre“, darauf koennen Sie verweisen.“ Wir aenderten daraufhin das „Impressum“ entsprechend, und los ging’s.
Waehrend einer dieser, zu vorgerueckter Stunde nach dem Abendessen durchgefuehrten Ausbildungen, stand ein „OiG“ erbost auf und „befahl“ mir, um es harmlos auszudruecken, dies sofort einzustellen, da mein Verhalten ein Dienstvergehen, „Aufruf zum Ungehorsam“ darstelle. Es waren ALLE Dienstgrade anwesend, vom Gefr bis eben Oberst. Kein Widerspruch. Ich nahm auch das relativ gelassen, gehoerte ich doch seit einigen Jahren zur „EdeKa-Fraktion“ und verwies den Oberst an den Kommandeur des AusbVbd.
Eigenartigerweise erreichte ich diesen noch bevor der Oberst vorgesprochen hatte, was evtl derart zu meinem Vorteil gereichte, als ich lediglich einen deutlichen „Rueffel“ aber keine negative disziplinare oder gar strafrechtliche Wuerdigung einfing.
Fragen?
@GW
Lieber Gregor, dafür, dass Du in den vergangenen 14 Tagen alle Hände voll zu tun hattest, obwohl T.W. gar nicht dabei war … ;-), staune ich, dass Du noch Zeit gehabt hast, diesen hervorragenden Essay zu schreiben, alle Achtung! Ich hoffe, dass er auch als Teil der nötigen Diskussion ausreichend gewürdigt werden mag.
Anfang der Achtziger stand ich vor der Frage, ob ich Offizier werden solle. Aus diversen Gründen kam es damals nicht dazu – und mittlerweile glaube ich, dass das wohl gut war. Denn: auch angesichts heftiger Mißstände das Maul zu halten, das habe ich nie so richtig gelernt. Die BW und ich wären wohl nicht miteinander glücklich geworden.
Der Text von Hr. Weber ist das Beste, was ich bisher zu diesem Thema lesen konnte. Schön rausgearbeitet zwei Punkte, die jedem AG-Leser längst bekannt sind:
– die unsägliche Fehler“kultur“ in der BW bzw. den entsprechenden Ämtern und im Ministerium
– das völlige Scheitern der BW bei der Aufgabe, eine eigene und zeitgemäße Tradition (von mir aus auch einen Ethos) zu begründen. Ich vermute übrigens, dass zumindest die derzeitige Ministerin nicht den geringsten Schimmer hat, was damit gemeint sein könnte und wofür das gut sein soll. Ist aber auch egal, vermutlich lohnt es sich nicht mehr, ihr das noch zu erklären.
Herzlichen Dank! Ich würde mir wünschen, dass der Beitrag in einer Zeitung oder in ähnlicher Weise einem breiten Publikum bekannt gemacht würde. Endlich schreibt mal jemand, der die Denkweise der absoluten Mehrzahl der Soldaten kennt. Man liest in letzter Zeit unerträglich viele halbwahre und unausgegorene Beiträge von sogenannten Fachleuten, die jedoch nicht verstanden haben, wie wir Soldaten wirklich ticken. Wir werden die Missstände ans Licht bringen, konzeptionell an der weiteren Ausprägung der inneren Führung weiterarbeiten und dürfen uns dabei schon jetzt auf unsere eigenen Werte und Stärken besinnen, die in der Tapferkeit , dem Mut und der Umsicht der im Einsatz befindlichen und gewesenen Soldaten beruht. Insgesamt können wir immer noch stolz darauf sein, als der wehrhafte Teil der Gesellschaft zu dienen.
Sehr gut geschrieben Herr Hauptfeldwebel! „BZ“, aber auch ich trage die berechtigte Befürchtung in mir, daß ihre guten Worte, die ich als „Weckruf an die Gesellschaft“ und an die politische Führung dieses Landes wie auch an die militärischen Vorgesetzten in der Bundeswehr verstehe, in der heutigen Zeit und beim dem Karrierestreben mancher Politikerinnen und Politiker aber auch bei höchsten militärischen und zivilen Führungskräften der Bundeswehr auf dem Rücken ihrer Untergebenen ungehört verhallen werden. Ich höre Sie, dennoch fehlt mir nach 32 Dienstjahren als ehemaliger Berufsoffizier der Glaube hieran. Dafür ist seit 1991 zuviel wertvolles Porzellan in „unserer Bundeswehr“ sinnlos von den hierfür verantwortlichen Politikerinnen und Politikern, aber auch von hohen Militärs der Bundeswehr sprichwörtlich zerschlagen worden!
Danke zunächst einmal für diesen hervorragenden Beitrag (Lagefeststellung usw.) an Hr. Weber und auch @TW für das Zugänglich-machen.
Nachdem das Thema „PRÖA“ der Bw schon mehrfach angesprochen wurde und ich meine ganz eigene praktisch-reale Erfahrung damit als Reservist. in einem Zeitfenster von gut 3 Jahren (2005 – 2008) habe, sehe ich es auch eher genau passend in dem Zusammenhang als ein weiteres kritisches Element erwähnenswert und halte es weniger für OT.
Ich habe im o.g. Zeitraum mehrfach u.a. eine der größten Lw-Übungen und auch den ein oder anderen TV-Dreh leitend pressefachlich begleitet und bin in einer Zeit pressefachlich in der Bw „sozialisiert“ worden, im dem man mehr pro-aktive als re-aktive PRÖA – zumindest in der Lw – pflegen wollte und gepflegt hat. In Ermangelung von Übungszeiten aufgrund zeitlich anspruchsvoller ziviler Verpflichtungen habe ich zwar leider seitdem weitgehend nur noch eine Außenwahrnehmung – zwischenzeitliche, mehr oder weniger unregelmäßige private Kontakte in die Bw und auch meinen ehemaligen Betätigungsbereich legen mir jedoch zumindest nahe, dass hier ein „Shift“ weg zum re-aktiv und mehr Werbung als PRÖA stattgefunden haben muss.
Mit der zunehmenden Zentralisierung auch der TSK-Elemente für PRÖA in Berlin, auch räumlich nun nah dran am Ministeriumsbetrieb, scheint sich das Instrument PRÖA – zumindest in meiner Wahrnehmung – zunehmend mehr zu einem verlängerten Arm des Ministeriums und der politischen Ebene entwickelt zu haben, denn auch als „Sprachrohr“ für und in der Truppe zu wirken (oder wirken zu können) – abgesehen von vllt. einer lokal-orientierten PRÖA am kurzen Arm.
Sicher: Vieles wurde dabei technisch immer besser perfektioniert, aber wohl auch glatt geschliffen. Und nicht zuletzt die wohl auch hier fehlende (oder falsch verstandene) „Fehlerkultur“, v.a. beim Vermitteln von Inhalten und Botschaften in die Öffentlichkeit, dürfte diese strukturell-bedingten Effekte wohl noch verschärft haben.
Und wenn ich mir die weitgehend lautstark-schweigende Kommunikationsarbeit (außer mit drastisch zurecht-geschönten bunten Bildern und hippen Szenen für den ausbleibenden Nachwuchs zu werben…) der „Truppe“ hinsichtlich nicht nur der aktuellsten Ereignisse sondern die Entwicklung der letzten 10 Jahre betreffend so ansehe, muss man sich wenig wundern, wenn in der Bevölkerung kein besseres Interesse und Verständnis für die Bw und ihre Angehörigen entsteht und der ehemals auch durch die Wehrpflicht mehr in die breite Öffentlichkeit getragene „Staatsbürger in Uniform“ bis auf Skandalöses oder Unangenehmes zunehmend aus dem öffentlichen Bild verschwindet.
In der Wahrnehmung der Bürger ist Bundeswehr dann halt eher ein notwendiges Übel, das man glücklicherweise an entsprechend „gestricktes“ Profi-Personal per Bezahlung delegieren kann, das im Idealfall bei der Ausübung des Handwerks so geräuschlos und unauffällig wie möglich zu Werke gehen möge, um den täglichen Frieden hierzulande nicht zu stören hat – sonst setzt es medial-öffentlichen Unmut.
(Ich hoffe, das war nun nicht zu sehr OT aus Sicht der Blog-Leitung; ich halte diese geänderte PRÖA – man könnte auch von zurück-gedrehter sprechen – eben auch für ein wesentliches Mosaik-Steinchen im Gesamtbild)
Ein sehr guter Beitrag.
Was mich nachdenklich stimmt: Diese Lücke zwischen Zivilgesellschaft und BW wird in Zukunft eher noch größer werden. Als mittlerweile 23-jähriger war ich Teil des ersten Jahrgangs, bei dem die Wehrpflicht ausgesetzt wurde. In meinem Akademiker-Umfeld gibt es viele, denen ich eine sehr erfolgreiche Karriere in Wirtschaft, Politik und Verwaltung zutraue, aber niemanden, der einen Offiziersanwärter oder eine Offiziersanwärterin persönlich kennen würde. Dies ist auch eine Folge der separaten Ausbildung an den Universitäten der Bundeswehr. Mal so ganz naiv in den Raum geworfen: vielleicht würde es beiden Seiten helfen, wenn mehr Kontakt zwischen zukünftigem zivilem und militärischen Führungspersonal bestünde.
“ (…) Die Bundeswehr ist mit all ihren Fehlern die beste und sauberste Armee, die Deutschland je hatte (…)“
Immer diese Satiriker.
@klabautermann | 19. Mai 2017 – 11:56:
Nichts für ungut: Ich finde die Argumentation weiterhin nicht schlüssig.
Die politische Leitung und militärische Führung kann immer öfter ihre Position nicht schlüssig darlegen.
Das liegt oft nicht daran, dass alles soooo unendlich komplex geworden ist, sondern weil es keine wirkliche eigene Position gibt.
Glaubwürdigkeit bei der Erteilung von Aufträgen war auch ein wesentlicher Teil der Inneren Führung. Die Einsatzrealität hat hier viele mit Fragen zurück gelassen. Diese Lücke ist übriges kein Problem zwischen wissender Führung und ahnungsloser Basis.
Die inneren Widersprüche der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik wurden jedoch nicht im Rahmen der politischen Bildung thematisiert, sondern tabuisiert.
Auch von mir Lob und Anerkennung für diesen vortrefflichen Beitrag!
Vielen Dank für diesen Gastbeitrag.
In eine ähnliche Kerbe möchte auch das BMvG schlagen, z.T. innere Führung.
https://goo.gl/SFrDxK
@ T.W.
Gastbeiträge könnte es hier doch öfter geben, macht Ihnen nicht viel Arbeit und bringt tollen Inhalt.