Fürs Archiv: Von der Leyen in den Tagesthemen am 5. Mai 2017

Auch das gehört ins Archiv: Das (erneute) Tagesthemen-Interview von Caren Miosga mit Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am 5. Mai 2017, erneut zum Thema Rechtsextremisten und der Umgang der Truppe damit.

Das Video dazu gibt es hier (vermutlich auch nur begrenzte Zeit), deshalb und zum Nachlesen das Transkript:

Frage: Es sind nun immer mehr Details bekannt, dazu gehören die 1.000 Schuss Munition. Könnte das für Sie darauf hindeuten, dass Anschläge geplant wurden?

Antwort: Das wissen wir noch nicht, das kann man nicht ausschließen. Der Generalbundesanwalt führt hier die Ermittlungen, und wir müssen warten, bis er da zu einem Urteil kommt.

Frage: Lassen Ihre bisherigen Erkenntnisse den Schluss zu, dass hier rechtsextreme Netzwerke existieren?

Antwort: Auch das ist etwas, was wir noch nicht sagen können – weder im Positiven noch im Negativen. Das Ganze ist noch in der Ermittlung, und wir müssen uns darauf einstellen – das ist meine tiefe Überzeugung -, dass das, was wir bisher wissen, nicht alles ist, sondern dass sich dort noch mehr zeigen wird.
Das ist bitter für uns alle in der Bundeswehr, denn es wirft eben ein kritisches Licht auf die Bundeswehr angesichts der Tatsache, dass die ganz, ganz große Mehrheit der Bundeswehr einen tadellosen Dienst leistet.
Aber diese kleine Minderheit, die entweder über politischen Extremismus oder aber die Vorfälle mit der herabwürdigenden Schikane ihr Unwesen getrieben hat, die bringt natürlich den Ruf der Bundeswehr in Gefahr. Und das ist so bitter, deshalb muss man so konsequent aufklären.

Frage: Es hat Vorgesetzte gegeben, die davon gewusst und es trotzdem nicht gemeldet haben. Warum werden Rechtsextreme in der Bundeswehr gedeckt?

Antwort: Man darf nicht vergessen, dass eine Großzahl der Verdachtsfälle, die gemeldet werden, früh aufgeklärt werden und geahndet werden, wenn das notwendig ist.
Aber die Frage, die Sie eben gestellt haben, die stelle ich mir natürlich auch. Und deshalb müssen wir sehr viel konsequenter an dieses Thema rangehen.
Wir müssen, gerade weil die große Mehrheit es nicht verdient, dass sie unter diesen Ruf gestellt wird, der jetzt durch die Ermittlungen dann auch kreiert wird (und) gerade weil die große Mehrheit es verdient, dass wir ihr Dank und Respekt zollen, müssen wir konsequenter an diese Themen rangehen und aufklären.
Wir müssen uns selber fragen: Wo sind Fehler gewesen? Wo ist gedeckt worden, wo ist schöngeredet worden? Wir müssen schauen, warum die Dinge in den Meldeketten versickert sind. Das ist eine Arbeit, die jetzt vor uns liegt. Die ist anstrengend, das wird eine lange Zeit dauern. Aber ich glaube, es ist zum Besten der gesamten Bundeswehr.

Frage: Haben Sie persönlich dieses Problem auch unterschätzt?

Antwort: Ich werfe mir selber vor, dass ich nicht früher und tiefer gegraben habe. Und das ist etwas, wo ich glaube, ich habe einen Fehler gemacht. Wo ich aber auch finde, wir müssen insgesamt bei diesem Thema in der Bundeswehr alle gemeinsam bereit sein zu sagen: Ja, wenn es so weit kommen konnte, sind Fehler geschehen, die müssen aufgedeckt werden, da müssen wir rangehen.
Und wir müssen im Grundsatz uns fragen: Was können wir ändern, damit alle in der Breite die Regeln und die Werte, die wir haben, vertreten, vehement dafür eintreten und konsequent auch offen und transparent machen, wenn es einige Wenige gibt, die diese Regeln und Werte mit Füßen treten.

Frage: Wenn Sie sagen, Sie hätten früher mehr graben müssen – heißt das, Sie sind über die rechtsextremen Vorfälle, die es ja zuvor gab, nicht informiert worden?

Antwort: Also der Fall des Soldaten A. hätte 2013 bereits dem MAD gemeldet werden müssen, als er seine Masterarbeit abgab. Und diese Masterarbeit über 150 Seiten ist ganz glasklar rassistisch, stramm rechtsextrem – da gibt’s gar keinen Zweifel, das hätte gemeldet werden müssen.
Und das ist ein Beispiel – dass das unterlassen worden ist -, dass man versucht hat zu sagen: Das ist ein Ausrutscher, zweite Chance für den Mann. Der hat dann Karriere in der Bundeswehr gemacht, war gewarnt und hat ganz klar ein Doppelleben aufgebaut. Und das geht nicht.
Da müssen wir uns auch genau fragen: Warum haben die Sicherungsmechanismen dort versagt? Und vor allen Dingen: Was müssen wir ändern? Und das sind Themen, die jetzt schonungslos auf den Tisch kommen, aber wo ich auch glaube, dass es eine große Chance ist, wenn die gesamte Bundeswehr auch sehr deutlich macht: Wo stehen wir, und was tolerieren wir nicht mehr.
Ganz oft wird ja gesagt, dass die Bundeswehr ein Spiegel der Gesellschaft ist. Es stimmt, dass sie mitten in der Gesellschaft verankert ist, aber ich finde, wir müssen höhere Maßstäbe an uns selber stellen, höhere Ansprüche.
Denn immerhin: Bei uns werden Soldatinnen und Soldaten an schweren Waffen ausgebildet, sie werden zu Einzelkämpfern ausgebildet – und deshalb darf es bei uns Null Toleranz geben.

Frage: Sie haben mit Ihrer Führungskritik die Bundeswehr vor den Kopf gestoßen. Reicht eine Entschuldigung, damit die gescholtenen Offiziere für Sie diesen Laden nun ausmisten?

Antwort: Wir wollen ihn gemeinsam angehen, diesen Weg des Klärens. Und deshalb war es mir gestern auch so wichtig, vor den hundert Führungskräften, Generalen und Admiralen zu sagen, dass – und das wissen sie auch, weil es meine tiefe Überzeugung ist – seit drei Jahren mache ich die Erfahrung, dass diese Truppe fantastisch ist, einen außergewöhnlichen Dienst macht, für uns den Kopf hinhält, für unsere Freiheit, für unsere Sicherheit in den vielen Friedensmissionen.
Und dass ich bereue, dass ich das nicht ganz am Anfang zuerst gesagt habe, bevor ich – und das ist wichtig – die Probleme angesprochen habe, denen wir uns stellen müssen. Dadurch, dass es eine Minderheit ist, dass es eine kleine Gruppe ist, die entweder diese herabwürdigende Schikane von Kameraden vollzieht oder aber zum Beispiel dem Rechtsextremismus Raum lässt, wird ja das Problem nicht kleiner. Wir müssen uns ihm stellen, und zwar wir alle gemeinsam.

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(Foto: Screenshot des Interviews)