Angriff auf deutsche Patrouille in Mali – keine Verwundeten (kleines Update)
Fürs Protokoll: Eine Patrouille der Bundeswehr im UN-Einsatz in Mali ist am (heutigen) Mittwoch in Gao mit Handfeuerwaffen angegriffen worden; es gab keine Verwundeten.
Die Mitteilung der Bundeswehr dazu:
Am 12. April wurden Soldaten des deutschen Einsatzkontingentes der MINUSMA in Gao (Mali) beschossen.
Die Soldaten waren im Zuge einer Patrouille in einem nördlichen Stadtteil Gaos mit zwei geschützten Fahrzeugen unterwegs, als sie gegen 5 Uhr Ortszeit (7 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit) von vermutlich zwei Angreifern mit Handfeuerwaffen beschossen wurden.Die Soldaten erwiderten das Feuer und wichen aus. Es gab keinen Personen- oder Sachschaden. Die Soldaten befinden sich wieder im Camp Castor.
Mehr Einzelheiten gibt es zumindest öffentlich noch nicht. Nach Angaben der Welt (Link aus bekannten Gründen nicht) wurde wegen des Angriffs ein für den Vormittag geplanter Transportflug aus der malischen Hauptstadt Bamako nach Gao gestrichen.
In der UN-Mission MINUSMA sind derzeit gut 850 deutsche Soldaten in Gao eingesetzt, die vor allem Aufklärungsaufgaben haben – mit Patrouillen am Boden und mit Heron-Drohnen.
Ein kleines Update: Die Soldaten, von denen einige die beiden Fahrzeuge – ein Transportpanzer Fuchs und ein Eagle – verlassen hatten, erwiderten nicht nur das Feuer: Sie lösten sich vom Gegner unter Einsatz von Nebelwurfkörpern, teilte das Einsatzführungskommando den Abgeordneten des Bundestags-Verteidigungsausschusses mit. Mehr Klarheit über die Angreifer ist aber auch da nicht zu finden.
Auch wer (wie ich) im Französischen nicht so flüssig ist: Dieses aktuelle Video vom MINUSMA-Einsatz gibt einen ganz guten Eindruck von Terrain und Bedingungen.
(Direktlink: https://youtu.be/8Gdq-8l7Rvc)
(Foto: Im deutschen Camp des MINUSMA-Einsatzes in Gao, April 2017 – Florian Gaertner/ photothek.net)
@klabautermann:
Auf den Text der Resolution hatte ich ja schon mehrfach verwiesen.
Das Mandat des Bundestages wiederholt wortgleich jeweils die UN-Resolution. Der Rahmen ist immer klar.
Warum ein Vergleich gleichlautender Eingriffsbefugnisse nicht möglich sei, verstehe ich nicht.
Das eigentliche Problem sind nicht die Resolutionen oder Mandate, sondern deren oftmals konträre Umsetzung.
Hier gibt es sehr deutliche Parallelen zwischen UN und bspw. ISAF.
Und diese Probleme sind alle andere als akademisch.
Ergänzend zum von Memoria angesprochenen allmählichen Wandel der UN-Einsatzkultur gibt es auch einige Untersuchungen z.B. von Cedric de Coning vom Norwegian Institute of International Affairs (u.A. hier: https://cedricdeconing.net/2015/02/15/implications-of-offensive-and-stabilisation-mandates-for-the-future-of-un-peacekeeping/ ). Er kommt zu dem Schluss, dass die „neuen“ Mandate, die Stabilisierung im Titel tragen (Mali, DRK, ZAR) wesentlich konfrontativer mandatiert sind, als dies bei herkömmlichen Missionen lange Jahre der Fall war.
D.h. unabhängig von den Entscheidungen taktischer Führer ist es interessant zu beobachte, dass die alte Gewissheit von der grundsätzlichen Neutralität der UN (blaue Mütze vs. gefleckte Mütze) sich im Zuge einer entstehenden Stabilisierungsdoktrin möglicherweise auflösen wird. Nochmal de Coning: “The essential difference between peacekeeping and stabilization seems to be that in peacekeeping the aim is to (…) implement a peace agreement (…), whilst in stabilization the theory of change is to achieve peace by managing or removing an aggressor.” (https://cedricdeconing.net/2014/11/27/do-we-need-a-un-stabilisation-doctrine/)
War es in den 1990ern noch ein erwünschter Fortschritt, dass für den Kalten Krieg gedrillte taktische Führer nicht bei jedem TIC „frontal binden und flankierend werfen“ kann zukünftig durchaus auch in UN-Einsätzen der nächste erwünschte Fortschritt sein, dass taktische Führer nicht bei jedem TIC grundsätzlich „unter minimalem Einsatz von Abwehrfeuer ausweichen“. Wie Memoria schon sagt – da ist vom grundsätzlichen Denken her was in Bewegung…
@ memoria / turan saheb
der unwillen die tatsächlichen von den gefühlten mandatsgrundlagen und den daraus erwachsenden reaktionsoptionen zu differenzieren ist hier doch symptomatisch für die hiesige selbstparalyse.
man glaubt auf ebene der politischen entscheider einem pro forma symboleinsatz ohne risiko ( weil UN/nur peacekeeping“/wir dind doch die guten“ etc. ) zugestimmt zu haben.
das diese annahme weder von der operativen lage vor ort noch durch die mandatsgrundlage (weder auf resolutions- noch auf nationaler mandatsebene) gedeckt ist wird konsequent ignoriert.
es kann nicht sein was nicht sein darf!
diese attitüde filtriert dann naturgemäß auch in die militärischen entscheidungsebenen und ist der sozialisationsrahmen für militärische führer.
man WILL eben nicht dürfen was man darf weil es der eigenen kommunikationslinie zuwiederliefe.
Afghanistan redux
@ memoria / turan saheb
Lol, also ich bin ja nun nicht grundsätzlich und immer anderer Auffassung als sie.
Im Falle PKO bin ich eigentlich ihrer Auffassung ;-) Bitte einmal meinen Kommentar noch einmal mit einer vielleicht anderen Brille zu lesen. M.A.n ist es allerdings „abstrakt-akademisch“, Vergleiche und „Parallelen“ auf Basis Chapter VI versus VII Exegese/Diskussion zu ziehen, nur das wollte ich anmerken. „Chapter“-reine PKO gibt es schon lange nicht mehr. Das Wechselspiel zwischen Lageentwicklung und CONOPS-Entwiclung zur Vermeidung von unkontrolliertem Mission-Creep ist doch die entscheidende Herausforderung.
@Wacaffe
Die Debatte wurde im BT mit dem deutlichen Hinweis der Gefährdung geführt.
„Berlin (dpa) – Vor dem Parlamentsbeschluss zum Bundeswehreinsatz in Mali hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Gefahren der Mission betont. Nordmali ist sehr unruhig, entsprechend gefährlich sei der Einsatz, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.“
, die Truppe erhält ihre Aufträge von der UN und somit ist die übergeordnete deutsche militärischen Entscheidungsebenen raus.Der Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte erfolgt im Rahmen der VN geführten
Stabilisierungsmission
Auszug aus der Drucksache 18/10819
(…) MINUSMA ist nach Maßgabe der Resolutionen 2100 (2013), 2164 (2014), 2227
(2015) und 2295 (2016) ermächtigt, alle erforderlichen Maßnahmen
einschließlich der Anwendung militärischer Gewalt zu ergreifen, um den Auftrag
gemäß den genannten rechtlichen Grundlagen zu erfüllen. Den eingesetzten
Kräften wird zur Durchsetzung ihrer Aufträge auch das Recht zur Anwendung
von militärischer Gewalt erteilt. Die Anwendung militärischer Gewalt durch
deutsche Einsatzkräfte erfolgt auf der Grundlage des Völkerrechts und wird durch
die geltenden Einsatzregeln spezifiziert. Das umfasst auch den Einsatz
militärischer Gewalt zum Schutz eigener Kräfte, anderer MINUSMA-Kräfte
sowie zur Nothilfe. Das Recht zur individuellen Selbstverteidigung bleibt in
jedem Fall unberührt. (…)
Wo ist das Problem?
@klabautermann | 13. April 2017 – 11:41:
Da sind wir uns einig.
Nur verstehe ich weiter Ihren letzten Satz zur Unmöglichkeit der Vergleichbarkeit von MINUSMA und ISAF nicht.
Aber das ist mir sicher zu akademisch.
Macht also nix.
@ elahan
„wo ist das problem“
na im kopf bzw. evtl. hier „…und wird durch
die geltenden Einsatzregeln spezifiziert…“
der educated guess auf basis vergangener erfahrungen ist das die einsatzregeln detulich restriktiver sind als sie gemäßr der normativen grundlagen zu sein hätten.
das es einen graduellen wandel von UN missionen weg vom passiven rumstehen hin zu aktiver mandatsdurchsetzung gegen „Störer“ gibt wurde ja von memoria et. al in extenso dargelegt
@Elahan:
Siehe oben mein Kommentar ganz oben:
Das eigentliche Problem sind nicht die Resolutionen oder Mandate, sondern deren nicht selten konträre Umsetzung.
Notwendig ist eine Stringenz von UN-Resolution – Mandat – ROE – Ausbildungsunterlagen (einschl. Taschenkarte) – Einsatzvorbereitung – Führung im Einsatz bis Einsatznachbereitung.
In den meisten Fällen bricht die Kette nach dem Mandat ab.
Gerade auch in Deutschland aus politischen Gründen (kein Kampfeinsatz)
ISAF lässt grüssen.
Nun etwas klarer?
@Memoria
Noch ein Lol, von „Unmöglichkeit“ habe ich ja kein Wörtchen geschrieben. Wir diskutieren hier offenbar ein wenig perspektivisch aneinander vorbei ;-) Im Kern geht es mir darum klar zu machen, dass man eine VN-mandatierte UND VN-geführte PKO nur sehr begrenzt und mit Vorbehalten mit einer VN-mandatierten, NATO geführten Stabilisierungs-Operation vergleichen kann, weder auf der strategischen, der operativen und auch nicht auf der taktischen Ebene.
ISAF LL/Best Practices sind nur sehr schwer auf MINUSMA übertragbar, schon allein deswegen weil eine solche Übertragung sofort allergische Reaktionen in den VN auslösen bis hinunter auf die Kontingentebene vieler TCN. Ich kann mich noch gut an die starren Blicke einiger nicht NATO-Land Stabsoffiziere (u.a. Nepal, Indien, China,……) bei UNIFIL erinnern als dem italienischen J5 (OF5 – Bersaglieri) bei der Erarbeitung einer SOP aus Versehen der Begriff „NATO-Standards“ entschlüpfte. Der bekam dann prompt von einem chinesischen Oberst eine lecture üver VN-Standards. Ich hoffe, sie verstehen nun besser, warum ich hier etwas insistiere, diese 2 „Welten“ zu differenzieren ;-) Solche Vergleiche tragen auch u.U. unnötige Verunsicherung in die Kontingente und deren Ausbildung hinein, was wiederum „on-the-ground“ die Sicherheits-Risiken erhöhten kann.
@klabautermann:
Ja das sind wirklich 2 Perspektiven.
Hier geht es um den Rechtsrahmen und nicht um verschiedene Verfahren bei der Umsetzung.
Das es hier zwischen UN und NATO erhebliche Unterschiede gibt haben wir beide schon vor längerer Zeit festgestellt.
@Memoria
Die Kette bricht nicht ab, sie geht eine andere Richtung.
Klabautermann hat den Unterschied treffend beschrieben.
Es ist eben kein national geführter NATO-Einsatz.
@Elahan:
Der Abbruch fand bei einem NATO-Einsatz national statt (ISAF 2005-2009). Die Ausgestaltung bei MINUSMA kenne ich nicht im Detail. Wichtig ist aber nochmal zu verstehen wie der Ausgangspunkt ist (Wandel der UN-Einsätze) und dass die Vorgaben der taktischen Ebene immer internationale (z. B. OPlan, ROE) und nationale Elemente (u.a. Caveats) haben – egal ob UN oder NATO.
Bei der UN ist es eben nur nochmal komplizierter da viele Grundlagen anders sind oder fehlen.
Es gibt aber auch hier nationale Vorgaben.
Elementar wäre einfach anzuerkennen, dass ein blauer Helm nicht mit der verbreiteten Vorstellung von Blauhelmeinsätzen gleichzusetzen sind. Ich denke soweit sind wir und einig?
@klabautermann | 13. April 2017 – 12:55
Noch ein Hinweis zu Ihrer Argumentation
„@Memoria
Noch ein Lol, von „Unmöglichkeit“ habe ich ja kein Wörtchen geschrieben.“
Da darf ich einfach mal auf
„klabautermann | 13. April 2017 – 10:23
(…) Von daher ist ein Vergleich ISAF mit MINUSMA in Sachen Charta Chapter und CONTROL eigentlich gar nicht möglich.“
Unmöglichkeit vs. Eigentlich gar nicht möglich?
Tut mir leid, das ist mir dann eindeutig zu akademisch – um es höflich zu sagen.
Ich habe auch nicht die Absicht darüber weiter mit ihnen zu diskutieren.
Nur mal als Hinweis auf ihre manchmal seltsamen Argumentationslinien.
@Memoria
Wie wollen sie denn einen im Einzelfall definierten Bildrahmen (VN-Mandat) mit einer Bild-Komposition (CONOPS) füllen, wenn nicht mit den Verfahrenspinseln und den ROE-Farben der beauftragten Werkstatt ? Der Chapter Vi/VII Rechtsrahmen ist eigentlich nicht mehr als ein Katalog von „zugelassenen“ Rahmungs- und Kompositionstechniken. Nun hat die eine Werstatt ihre Fertgungsstandards und eine feste Belegschaft von mit diesen Standards vertrauten Facharbeitern, und die andere Werkstatt hat fast nur Leiharbeiter, die nicht unbedingt alle auf dem gleichen Fachlichkeitslevel sind und denen man allenfalls Malen nach Zahlen abverlangen kann. Da muß sich dann ein Facharbeiter aus der ersten Werkstatt halt schon a bisserl anpassen, wenn er zeit- und leihweise in der zweiten Werkstatt aushilftt ;-)
@klabautermann:
Da sind wir uns ja längst einig – ich hatte hierauf zu Beginn des Einsatzes hier schonmal hingewiesen und sie hatten zugestimmt. Diese Probleme sind jedoch im Bereich ROE nicht ausschlaggebend.
Hier geht es um den Rahmen und deren zumeist stark politische und somit nationale „Ausmalung“.
Daher sehe ich jetzt keinen Widerspruch.
@Memoria | 13. April 2017 – 13:28
Noch ein LOl…………wenn sie die Unterscheidung zwischen einer apodiktischen und einer relativierenden Formulierung als akademisch ansehen, so be it, damit kann ich gut leben. Trockenbeerausscheiderei war nie „mein Ding“. Die Perspektiven von Theorie und Praxis müssen nicht immer in Deckung sein. Und grundsätzlich sind wir uns ja einig, also Reststreitwert 5 Cents ;-)
Frohe Ostertage !
Bei aller Zustimmung zur wahrnehmbaren Wandelung von UN Missionen hin zu einer tendenziell mehr robusteren Auslegung stellt sich mir jedoch die grundsätzliche Frage, ob sich die UN als „selbsternannte höchste Instanz des Guten“ (bewusst überspitzt) damit perspektivisch einen Gefallen tut? Oder ob hier nicht eher die Gefahr besteht, dass sie durch Eingriff und damit Parteinahme – selbst wenn es für einen guten Zweck (Wahrung der Menschenrechte, Schutz von Zivilisten u.ä.) nicht ihre Reputation als akzeptierter neutraler Vermittler, Schlichter, Aufpasser für zukünftige post conflict phasen verliert?
@Fux:
Genau das ist der Kern der Debatte zwischen den Traditionalisten und den Reformern.
Sehr vereinfacht gesagt durchlaufen die VN jetzt eine ähnliche Phase wie die NATO vor 10 Jahren.
In Missionen in denen Konfliktparteien aktiv gegen einen Frieden kämpfen oder gar kein Abkommen besteht.
Wie geht man mit dieser Situation um?
Das Zauberwort Stabilisierung hilft da nur begrenzt weiter.
Bei den VN ist teilweise eine Art COIN-Debatte im Gange – mit ähnlich technokratischen Ansätzen wie bei NATO bzw. ISAF.
Daher ist der oben verlinkte SWP-Bericht zu MONUSCO und der FIB lesenswert. Dort zeigt sich exemplarisch, dass eine aktiviere Rolle eben vorallem politisch höchst kompliziert ist.
Krieg bleibt nunmal die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.
Was bedeutet dies für Deutschland?
Aus meiner Sicht möglichst schneller Ausstieg aus MINUSMA. Der angekündigte Abzug von Fähigkeiten ab Mitte 2018 müsste jedoch jetzt vorbereitet werden.
Es bleibt spannend – hierzulande fehlt es aber noch sehr oft am Problembewusstsein.