Entscheidung über Rüstungs-Großprojekte vor der Bundestagswahl fraglich

Heron_TP_Israel_AirForce

Die Beschaffung einiger großer Rüstungsprojekte für die Bundeswehr verzögert sich möglicherweise so sehr, dass vor der Bundestagswahl im September nicht mehr darüber entschieden werden kann. Das Verteidigungsministerium teilte am (heutigen) Donnerstag dem Haushaltsausschuss des Bundestages mit, dass sich bei einigen Vorhaben gegenwärtig noch nicht abschätzen lasse, ob die Planungen dafür bis zur parlamentarischen Sommerpause den Abgeordneten vorgelegt werden können. Betroffen davon sind unter anderem die geplante bewaffnete Drohne Heron TP (Foto oben) und das Taktische Luftverteidigungssystem (TLVS), zwei der größten Projekte von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.

Aufgrund des Projektverlaufes lsst sich bei den folgenden Vorhaben gegenwärtig nicht abschätzen, ob die 25 Mio. €-Vorlage noch rechtzeitig dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vorgelegt werden kann, um eine Behandlung in der 26. KW 2017 zu gewährleisten, heißt es in dem Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Ralf Brauksiepe. Die 26. Kalenderwoche vom 26. bis zum 30. Juni ist faktisch die letzte Sitzungswoche des Parlaments vor Sommerpause und Bundestagswahl am 24. September. Alle Vorhaben mit einem Volumen von mehr als 25 Millionen Euro müssen dem Haushaltsausschuss gesondert zur Billigung vorgelegt werden.

Auf der Liste der Projekte, deren Vorlage bis Ende Juni noch offen ist, stehen:

• SAATEG MALE Überbrückungslösung (Heron TP)
SAATEG steht für System zur abbildenden Aufklärung in der Tiefe des Einsatzgebietes; MALE für Medium Altitude Long Endurance – also Drohnen mittlerer Größe, die als so genannte Überbrückungslösung bis zur Entwicklung einer europäischen Drohne genutzt werden sollen. Die Bundeswehr hatte sich bereits vor einem Jahr  für das israelische Modell Heron TP entschieden. Allerdings ist derzeit noch eine Klage des Herstellers General Atomics, der das Konkurrenzmodell Predator B anbietet, gegen diese Entscheidung anhängig.

• Taktisches Luftverteidigungssystem (TLVS)
Geplant ist die Beschaffung eines Nachfolgesystems für die Patriot-Flugabwehrraketen auf Basis des von den USA, Deutschland und Italien entwickelten Medium Extended Air Defense System (MEADS) – da sind allerdings die Vertragsverhandlungen offensichtlich hinter dem Zeitplan, die Kosten dafür möglicherweise deutlich höher als veranschlagt.

• Signalerfassunge luftgestützte weiträumige Überwachung und Aufklärung (SLWÜA), Stufe 2
Damit sind hochfliegende Aufklärungsdrohnen gemeint – das Projekt EuroHawk war noch unter von der Leyens Vorgänger Thomas de Maizière erst mal gestoppt worden; als neues System ist die US-Drohne Triton vorgesehen.

• Nachfolgesystem für das unbemannte Luftfahrzeugsystem mittlerer Reichweite LUNA

• Lkw-Familie UTF mil ZLK 5t und 15 t

•Leichter Unterstützungshubschrauber Search and Rescue

• Mehrbedarf im Betrieb des Bekleidungswesens

Vor allem die Projekte TLVS, Heron TP und die hochfliegende Überwachungsdrohne sind Großprojekte, die die Ministerin voranbringen wollte.

Aber auch bei den Vorhaben, die noch vor der Wahl vermutlich den Abgeordneten zur Billigung vorlegen werden, könnte es eng ausfallen. So sind die vorgesehenen fünf neuen Korvetten frühestens in der 26. KW zur parlamentarischen Behandlung vorgesehen, also in der letzten Sitzung vor der Sommerpause. Das gleiche gilt für neue Munition für den Kampfpanzer Leopard2.

Der bereits im April 2015 von der Ministerin angekündigte Vertrag für den Rückkauf älterer Leopard-Modelle von der Industrie und deren Modernisierung soll nun Mitte Mai dem Haushaltsausschuss vorgelegt werden. Der erste Schritt zur Ausstattung der Bundeswehr mit neuen Funkgeräten, die Einrüstung des Systems MoTaKo (mobile taktische Kommunikation) ist für Ende April geplant.

Der Grünen-Haushäter Tobias Lindner, auch Mitglied im Verteidigungsausschuss, reagierte auf die vom Ministerium vorgelegte Liste recht spöttisch:

Ursula von der Leyen ist angetreten, um im Rüstungsbereich alles neu und manches besser zu machen. Sie wollte effizienter werden und wesentliche Rüstungsvorhaben voran bringen. Nach vier Jahren scheint keines ihrer zentralen Projekte, also weder MEADS noch der Eurohawk-Nachfolger Triton oder die Kampfdrohne Heron TP voranzukommen. Keine Verträge zu schließen, schützt die Ministerin natürlich davor, Fehler im Rüstungsbereich zu begehen. Unterm Strich wird die Bilanz von der Leyens wohl sein, dass keines ihrer zentralen Projekte zu einem Abschluss kam, dafür ihr aber zwei Haushälter der Koalition erfolgreich fünf Korvetten untergejubelt haben.

(Archivbild: UAV operator next to the „Heron TP“ – Hagar Amibar/Israeli AirForce)