Seenotrettung im Mittelmeer: Schüsse auf die Helfer

MSF_Bourbon_Argos

Am vergangenen Freitag stoppte die Deutsche Marine vor Libyen mit Warnschüssen ein verdächtiges Schlauchboot, das auf den Tender Werra zuraste – und jetzt wurde bekannt: Ebenfalls in der vergangenen Woche wurde ein Schiff der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen vor der libyschen Küste beschossen und vorübergehend geentert. Die Situation im Mittelmeer vor dem nordafrikanischen Land scheint zunehmend gefährlicher zu werden.

Von dem Überfall auf das Rettungsschiff Bourbon Argos von Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, MSF) berichtete am (heutigen) Mittwoch erstmals das deutsche Redaktionsbüro Correctiv. Vor einer Woche hätten Unbekannte von einem Schnellboot aus die Brücke der Bourbon Argos unter Feuer genommen. Die Besatzung flüchtete in die Zitadelle, einen sicheren Raum im Rumpf. Drei Männer hätten das MSF-Schiff dann durchsucht und sich für Laptops und Wertsachen nicht interessiert; schließlich hätten sie die Bourbon Argos verlassen.
Die Organisation selbst veröffentlichte auf Anfrage dazu eine nüchterne Stellungnahme:

Am Morgen des 17. August hat sich ein nicht identifiziertes Boot mit hoher Geschwindigkeit dem Rettungsschiff Bourbon Argos von Ärzte ohne Grenzen genähert. Die Bourbon Argos war zur der Zeit bei einem Such- und Rettungseinsatz 24 nautische Meilen nördlich der libyschen Küste. Da es keine klare Identifikation und Kommunikation von Seiten des High-Speed-Bootes gab, hat sich das Team von Ärzte ohne Grenzen als Vorsichtsmaßnahme in den vorgesehenen Sicherheitsbereich des Bootes begeben. Bewaffnete Männer an Bord des High-Speed-Bootes feuerten Schüsse in Richtung der Bourbon Argos ab. Auf der Bourbon Argos wurde keiner während des Vorfalls verletzt. Das Boot ist jetzt im Hafen in Sizilien. Weitere Untersuchungen des Vorfalls sind noch nicht abgeschlossen und werden in den kommenden Tagen fortgesetzt.

Laut Correctiv können auch die in dem Seegebiet präsente Streitkräfte den Überfall nicht einordnen. Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr halte es für möglich, dass sowohl Piraten als auch Schleuser, aber ebenso Terroristen für den Überfall infrage kämen.

Nachtrag 25. August: Eine etwas erweiterete Mitteilung von Ärzte ohne Grenzen:

Mittelmeer: Zwischenfall auf Such- und Rettungsschiff Bourbon Argos

Auf einem der Rettungsschiffe von Ärzte ohne Grenzen im Mittelmeer ist es
zu einem Zwischenfall gekommen. Am Morgen des 17. August näherte sich ein
nicht identifiziertes Boot mit hoher Geschwindigkeit dem Rettungsschiff
Bourbon Argos. Die Bourbon Argos war zu der Zeit bei einem Such- und
Rettungseinsatz in internationalen Gewässern nördlich der libyschen Küste.
Da es keine klare Identifikation und Kommunikation von Seiten des
High-Speed-Bootes gab, hat sich das Team von Ärzte ohne Grenzen als
Vorsichtsmaßnahme in den vorgesehenen Sicherheitsbereich des Schiffes
begeben. Bewaffnete Männer an Bord des High-Speed-Bootes feuerten Schüsse
in Richtung der Bourbon Argos und gingen dann an Bord des Rettungsschiffes,
das sie kurz danach wieder verließen.
Ärzte ohne Grenzen vermutet, dass die Bewaffneten, den Mitarbeitern der
Bourbon Argos physisch schaden wollten. Dank der soliden
Sicherheitsmaßnahmen waren alle Teammitglieder in Sicherheit. Während des
Vorfalls wurde nichts entwendet, und der Schaden am Schiff war nur
minimal.
Ärzte ohne Grenzen hat bisher keine Informationen über die Identität der
Angreifer oder die Motive hinter dem Angriff. Der Vorfall wird noch weiter
untersucht.
Ärzte ohne Grenzen verurteilt diese schändliche Tat gegen eine humanitäre
Organisation, die Menschen auf ihrem Weg über das zentrale Mittelmeer
rettet und ihnen lebenswichtige medizinische Versorgung bietet.
Die Bourbon Argos liegt derzeit im Hafen in Sizilien. Die Teams an Bord der
zwei anderen Rettungsschiffe von Ärzte ohne Grenzen sind weiterhin bei
Such- und Rettungseinsätzen in den Gewässern nördlich von Libyen. Alle
Einsätze werden von den Häfen in Sizilien (Italien) und Malta aus geleitet.
Seit dem Beginn der Such- und Rettungseinsätze am 21. April 2016 haben die
Teams von Ärzte ohne Grenzen an Bord der Dignity, Bourbon Argos und
Aquarius (in Partnerschaft mit SOS Méditerranée) bei 84 Rettungseinsätzen
10.925 Menschen gerettet.

Nachtrag 28. August: Der Guardian (bzw. Radio France International) hat diese interessante Wendung:

The Libyan navy has admitted taking part in a confrontation with the refugee rescue boat the Bourbon Argos in international waters off the coast of Libya, following days of speculation about who attacked it.
A navy spokesman was reported to have claimed that Libyan forces had approached the rescue boat, chartered by the aid group Médecins Sans Frontières (MSF), after its crew allegedly refused to identify themselves. But the navy denied that it had fired directly at the MSF boat, and claimed it did not board the boat itself.

(Archivbild: Die Bourbon Argos – Foto MSF)