Nach dem Putsch: Bundeswehr nahm Flugbetrieb in Incirlik wieder auf
Nach der vorübergehenden Sperrung der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik als Folge des (gescheiterten) Militärputsches hat die Bundeswehr am (heutigen) Montag den Flugbetrieb von diesem Stüzpunkt wieder aufgenommen. Wie geplant seien Tornado-Kampfjets zu Aufklärungsflügen sowie ein Tankflugzeug zur Unterstützung anderer Nationen in der Anti-ISIS-Koalition gestartet, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Berlin. Die USA hatten ihre Flüge bereits am Sonntag wieder aufgenommen.
Nach dem Putschversuch am vergangenen Freitag war der Luftraum über Incirlik wie an anderen Orten der Türkei vorübergehend gesperrt worden. Der bisherige Kommandeur der Luftwaffenbasis, der türkische Brigadegeneral Bekir Ercan Van, und mehrere seiner Offiziere wurden unter dem Vorwurf der Beteiligung am Putsch festgenommen.
Nach Angaben des deutschen Verteidigungsministeriums war bereits am Sonntag ein neuer Base Commander eingesetzt worden, der auch sofort mit den in Incirlik stationierten Soldaten anderer Nationen, insbesondere der USA, Kontakt aufgenommen habe. Sein erklärtes Ziel sei es, die Basis so schnell wie möglich zu ihrem normalen Betrieb zurückzuführen.
Die Stromversorgung des Stützpunktes, die während des Putsches gekappt worden war, ist weiterhin unterbrochen. Nach wie vor werde die Notstromversorgung genutzt; an der Wiederherstellung der Stromlieferung durch das örtliche Versorgungsunternehmen werde gearbeitet, sagte der Ministeriumssprecher.
Incirlik ist einer der wichtigsten Stützpunkte für den Kampf gegen die ISIS-Terrormilizen in Syrien und im Irak. Die Bundeswehr fliegt von dort ihre Aufklärungsflüge, die USA und zeitweise auch andere Nationen Bombardierungen gegen ISIS. Zudem lagern auf der Basis, offiziell nicht bestätigt, taktische Atomwaffen der USA.
(Archivbild: Vorbereitung von Tornados vor dem Start zu einem Einsatzaufklärungsflug auf der Air Base Incirlik im Rahmen der Mission Counter Daesh am 24.02.2016 – Foto Bundeswehr)
Nachtrag zu http://augengeradeaus.net/2016/07/nach-dem-putsch-bundeswehr-nahm-flugbetrieb-in-incirlik-wieder-auf/comment-page-2/#comment-243471 letzter Absatz und zu http://augengeradeaus.net/2016/07/nach-dem-putsch-bundeswehr-nahm-flugbetrieb-in-incirlik-wieder-auf/#comment-243480:
Mit dem EMRK Zusatzprotokoll N° 6 zur EMKR von 1983 wurde die Todesstrafe in Europa im Grundsatz abgeschafft, ließ aber die Ausnahme für Kriegszeiten und bei unmittelbarer Kriegsgefahr noch zu. Ganz abgeschafft wurde in Europa die Todesstrafe in 2002 mit dem EMRK-Zusatzprotokoll N° 13, d.h. kein Mitgliedsstaat des Europarates darf die Todesstrafe mehr anwenden!
Weißrussland ist eines der wenigen europäischen Länder, die dem Europarat nicht angehören. Russland hat die Todesstrafe nicht abgeschafft, aber ein offizielles Moratorium verhängt.
Erdogan und „sein Volk“ (= E. Anhänger) sollten sich also darüber bewußt werden, daß ihre Ansinnen bzw. Forderungen mit der Mitgliedschaft im Europarat absolut unvereinbar sind, also bereits ein reines „Lippenbekenntnis zur Todestrafe“ politisch, moralisch und ethisch in einem Europa absolut tödlich ist.
(vgl. http://www.menschenrechtskonvention.eu/protokoll-nr-13-ueber-die-vollstaendige-abschaffung-der-todesstrafe-9281/ sowie http://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/treaty/187/signatures?p_auth=7cMNRoL3, die Türkei hat also die Gesamtheit der Zusatzvereinbarungen ratifiziert!)
Einschätzung meinerseits ist, daß E. alsbald „klein beigeben muß“ und auch zunehmend insgesamt die EMRK in Gesellschaft, Politik und Justiz umsetzen muß. Ansonsten – und das weiß er ganz genau – kann er sich des nächsten Attentats (oder auch Putsches) und dann dessen Erfolgs absolut sicher sein.
Es mögen zwar viel Türken von Sultanat, Kalifat und Osmanischer Vorherrschaft träumen, spätestens wenn diese jedoch mit derartigen Realitäten, dem Bruch der Volkssouveränität und des Nationalbewußseins konfrontiert werden, gibt es massenweise Abtrünnige. Denn kein Türke – egal aus welchem politischen Lager – wird der Ideologie des Staatsvaters Kemal Atatürk völlig entrinnen können.
Vom Kemalismus blieb real der Nationalismus als vermeintlich unangreifbares, als quer durch alle Parteien integrierendes Dogma über und damit auch dessen teilweise Irrwege, welche noch heute eine Normalisierung des politischen Lebens in der Türkei verhindern. Anderseits sind viele der historischen Errungenschaften des Kemalismus, wie z.B. die bürgerlichen Rechte, die säkulare Erziehung und die Laizität, im Alltag der Türken als Selbstverständlichkeit nicht mehr wegzudenken und kein Türke will und wird je darauf verzichten.
Derart steckt in fast jedem Türken doch ein „Kemalist“ und es ist spätestens dann ein ungeheuerliches Putsch-Potential gegeben, wenn E. seine Machenschaften und seinen Machthunger weiterhin übertreibt und die Türkei und „sein Volk“ in eine Osmanische Vergangenheit zurückwerfen will.
Dass der Weg in die Zukunft, nämlich eine ernsthafte und nachhaltige Demokratisierung der Türkei ohne die Enttabuisierung Mustafa Kemals undenkbar ist, und genau dies nach jedem der Militärputsche (2) und militärischen Eingriffen in die Türkische Innenpolitik als „Weichenstellung“ versäumt wurde, wird zunehmend zumindest von den Intellektuellen in der Türkei erkannt.
• Die inneren Widersprüche des Militärs liegen bereits darin, daß sich dieses als Hüter und Wächter des Kemalismus _u_n_d_ der Demokratie des laizistischen Nationalstaates versteht.
• Dies stellt damit nur noch ein weiteres Potential an „Türkischen Attentätern und Putschisten“ (neben der PKK) dar, welches E. erhalten bleibt, wenn dieser weiterhin den Kemalisnus _u_n_d_ die Demokratie in Frage stellt.
• Egal was E. von Beidem macht, er macht das Falsche.
• Die Pressefreiheit hat unter der Era E. seit 2013 nochmals deutlich abgenommen und rangiert (2015: Platz 149) hinter Mexiko, knapp vor Rußland und der Dem. Rep. Kongo.
• Der Human Development Index (HDI der UN) der Türkei (Rang 69 von 187, Wert 0,759) liegt im Vergleich zu Europa knapp vor der Ukraine (Rang 81, Wert 0,747), vgl. http://www.laenderdaten.de/indizes/hdi.aspx .
• Hinzukommt E.’s belastende, ja geradezu „zündelnde“ Aussenpolitik gegenüber den Nachbarstaaten und die belasteten Beziehungen zu Iran, Ägypten, Israel samt dem Streit mit USA um die amerikanische Unterstützung für die syrischen Kurden, wobei sich E. mit seiner „neuen Türkei“ und deren „Führungsanspruch als Nachfolgerin des Osmanischen Reiches“ zunehmend verrennt und politisch isoliert.
E. hat die Europäisierung und Globalisierung gegen sich und erscheint damit als brandgefährliche Mischung eines „politisch historischen Don Quijote“ und eines „ein bischen durchgeknallten Diktators“ (vgl. http://www.imdb.com/title/tt1645170/)
Politisch ist m.M.n. dieser Mann schon längst tot, nur er und „sein Volk“ (nochmals, damit meine ich die Anhänger des E.) glauben es noch nicht. Ob Erdogan dies physisch jemals glauben bzw. glauben können wird, dürfte sich vielleicht schneller zeigen, als wir alle glauben. Denn der gerade erfolgte Putsch, war eigentlich kein mit den bisherigen Umstürzen in der Türkei vergleichbarer, aber dieser Putschversuch ist ein deutliches historisches Indiz dafür, was noch kommen kann.
E. hat – wie wir auch an der Behandlung der gefangenen „Putschisten“ sehen – längst ein „Menschenbild“ im Sinne der EMRK in der Türkei und auch im Sinne der von Kemal Atatürk geschaffen Republik Türkei abgeschafft. War für den noch jungen und politisch eher liberalen E. der Autokrat Attatürk noch Vorbild, wurde dieser zunehmend zum Feindbild. Die in der von Atatürk geschaffenen Republik Türkei verfassungsgemäß verbrieften Gewaltenteilung und die Grundrechte der Türken, hat E. längst adabsurdum geführt.
• vgl. Verfassungsgesetz der Republik Türkei vom 20. April 1924, http://www.verfassungen.eu/tr/tuerkei24.htm,
• und auch Verfassung der Türkischen Republik vom 27. Mai 1961, http://www.verfassungen.eu/tr/tuerkei61.htm-
Man wird sich wundern, wenn man diesein ihren Ursprüngen schon 1924 beispielhafte Verfassung als Maßstab an Erdogan anlegt!
Gleiches gilt für das Türkische Zivilrecht, welches nahezu 1:1 dem Schweizerischen Zivilrecht gleicht.
Unter E. hat also die Türkei nicht nur einen Weg eingeschlagen, welcher der Tradition des Gründungsvaters Kemal Atatürk widerspricht, sondern der auch keinesfalls einer modernen Türkei entspricht. Der Wandel vom oft starren Kemalismus ist und war nie das Grundproblem, die zunehmende Deliberalisierung der Staatsstrukturen und deren Personifizierung auf E. durch die türkische Politik dagegen schon. Das türkische Volk war schon einmal mündiger und gab auch schon einmal ein besseres „Menschenbild“ ab.
In gerade für jeden Deutschen gebotener Objektivität muß man deshalb sagen, ohne „Volk“ hätte es auch ein GröFaz nicht bis zum Untergang geschafft.
E. hat es nunmehr selber in der Hand, ob aus „einem nach dem Putsch, ein vor dem Putsch wird“ und für Letzteres spricht m.M.n. Vieles!
In Anbetracht des heutigen 20. Juli und trotz völlig anderer „ideologischer, politischer sowie auch militärischer Interessenskonflikte“ der Männer des gescheiterten jüngsten Putschversuches in der Türkei, läßt sich vielleicht doch mit den schlichten Worten des Widerstandskämpfers Carl Goerdeler eine Parallele und Lehre ziehen:
Goerdeler verstand unter „Ritterlichkeit” das Eintreten für die Entrechteten, als ersten Schritt zur „Wiederherstellung des Menschlichen Anstands”, dies ist nichts anderes als der Versuch zur „Wiederherstellung des zerstörten Menschenbildes”, wie man es so im Kreisauer Kreis bereits nannte. (vgl. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/der-zweite-weltkrieg/widerstand/kreisauer-kreis.html)
http://www.heise.de/tp/artikel/48/48879/1.html
Ein new-deal zwischen USA und Rußland zugleich mit einer neuen Sprachregelung: al-Nusra steht jetzt auch auf der US Abschußliste, „moderate Rebellen“ gibt es nicht mehr, sondern nur noch „nicht-terroristische Opposition“………..wenn das so weiter geht mit der Islamisierung der Türkei, dann wird Syrien demnächst zum letzten „laizistischen Bollwerk westlicher Werte“ in MENA „geadelt“. Wenn Assad klug ist, dann einigt er sich mit den Kurden. Läuft da gerade ein „Bevölkerungsaustausch“ ? Türkische Kurden nach Syrien und islamistische Syrer in die Türkei (wenn man so die Angebote von Erdogan an syrische Flüchtlinge betrachtet).
Man kann schon fast von tektonischen Verschiebungen sprechen.
@klabautermann: Zustimmung, dieses Szenario sehe ich schon länger. Nur sind Kurden sehr „verwurzelt“. Es gab irgendwo einen klugen Artikel der prognostizierte, dass mit einem kollaps GB die arabische Welt Assad in die Hände getrieben werden würde.
MUST READ:
Turkey’s Coup Is a Sign of Hope for Exiled Egyptian Islamists
„Muslim Brothers and their allies now view Erdogan as a model for plotting their unlikely return to power in Egypt.“
Erdogan scheint nicht nur die Gangart im Inneren immer stärker auf Gleichschaltung zu richten. Sondern es sieht nach einer aktiven Abschottung und nach extremer Unterdrückung der Intelligenz aus. Denn die aktuelle Schlagzeile bei n-tv.de lautet:
What the fuck? Ich kann jeden verstehen, der dem nicht Folge leistet. Und auch denjenigen, der jetzt ganz schnell -aber vor allem auch unangekündigt- längere Auslandsreisen (mit der ganzen Familie) antritt.
Und wir sollten uns vielleicht darauf einstellen, dass „türkische Staatsbürgerschaft“ demnächst ein Asylgrund bei uns ist.
@TomCat
Schon mal daran gedacht, dass sich die Zeit weiter gedreht hat und dass Vorgäge von gestern heute nicht mehr möglich sein könnten?
Warum sollte Erdogan wollen, dass die Türkei in der NATO bleibt?
Warum sollte Erdogan keine Forderungen stellen?
Warum sollte er sich nicht an RUS Föd binden?
In jedem Fall geht Erdogan im Moment die USA an und behindert US Truppen in der Türkei an ihrer Versorgung.
Dass Trump zudem in diesen ohnehin unruhigen Zeiten die Grundlagen der Verteidigungsgemeinschaft Nato in Frage stellt und Sympathie für Wladimir Putin zu erkennen gibt, trägt, wenn man es ganz vorsichtig formulieren
will, nicht zu einer gedeihlichen Zukunft der NATO bei.
Evtl bleiben von der NATO 2017 nur noch europäische Reste übrig.
……….oder es kommt ganz anders ;-)
Spon meldet: Türkei verhängt Ausreiseverbot für Akademiker.
Das wird ja heiter. Da hat wohl jemand gemerkt, dass die Intelligenz des Landes eine Völkerwanderung vorbereitet und sich davon machen will. Nach den diesbezüglichen Erfahrungen des Iran nach 1979 baut Sultan Erdogan wohl vor.
Mal sehen, wann sich Erdogan für das freundliche Geschenk einiger Tornados und eines Tankflugzeugs bedankt (so nennt man Beschlagnahmen ausländischen Eigentums dann doch, oder).
Reisefreiheit ist ein Menschenrecht. Damit haben sich die Fragen der BPK vom Montag beantwortet.
Verschwörungstheorie?: Die Einführung der Todesstrafe in der Türkei, hätte für Erdogan einen druckvollen Vorteil. Er könnte die Flüchtlinge und unliebsame Mitbürger nach Deutschland „fliehen“ lassen und muss keine Angst haben, dass wir sie wieder zurück schicken, selbst wenn wir ein Asylbegehren ablehnen würden. Wenn dieses Szenario einträte wäre das, aus meiner Sicht, ein Turbolader für die rechten Kräfte in Deutschland. Wir hätten soviel mit dem Erhalt unserer Form der Freiheit zu tun, da könnte Erdogan in aller Ruhe sein osmanisches Süppchen weiter kochen.
@ Elahan | 20. Juli 2016 – 11:05
„Warum sollte Erdogan wollen, dass die Türkei in der NATO bleibt?“
Nukleare Abschreckung.
Und bevor jetzt kommt, dann entwickelt die Türkei ihre eigenen Atomwaffen. Das würde im Nahen Osten eine Nuklearlawine auslösen (mit dem Iran ganz vorne), was nun wirklich niemand will – nicht mal die Türkei selbst.
„Warum sollte er sich nicht an RUS Föd binden?“
Warum sollte er? RUS unterstützt Syrien, Armenien und den Iran. Außerdem pflegt RUS gute Kontakte zur Republik Zypern. Alles keine direkten Freunde der Türkei. Schlussendlich gilt auch in der Türkei „pecunia non olet“. Wenn nach all den Verwerfungen das türkische BIP um 10% gesunken und die Bevölkerung trotz aller Propaganda zu Murren anfangen sollte, stellt sich die Frage: Mit wem sollte ich am besten Handel treiben, um wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen? Die Antwort lautet sicher nicht RUS…
@BausC:
Da bin ich bei Alf Igel.
Jetzt könnten wir Migranten aus der Türkei abgreifen, die volkswirtschaftlich einen echten Mehrwert bringen.
Ich warte auf den Satz von Erdogan: „Niemand hat die Absicht eine Mauer zu bauen.“
Nicht vergessen, der Türkische nicht nachhaltige Bau- und Konsumboom wurde doch vor allem mit Fremdwährungskrediten, ganz sicher in Mehrzahl aus der EU Finanziert. Ein Bosporus Tunnel von einer EU Förderbank oder eine Brücke von Ita Banken. Die Türkei Wirtschaftlich fallen lassen, werden sich EU und USA nicht leisten können, weil dann sehr viele Kredite abgeschrieben werden müssen. Daher werden sicher alle weiterhin gute Miene zum bösen Erdogan Spiel machen. Bis vor 2 Jahren gab es nur Jubelartikel über Erdogan oder der Türkei, obwohl jeder über die Missstände sich im Internet informieren konnte. Das Jubeln im Westen rächt sich jetzt sehr bitter… Mit dem Islamisten Stunt in Syrien hat die CIA eine ganze Region dauerhaft in für den Westen teure Unruhe versetzt. Das wahr auch alles frühzeitig absehbar.
@Benedikt: Gut erkannt, lesen sie mal die 28 Pages der 9/11 Komission und hören danach Frage/Antwort des hochgelobten Tilo Jung in der BPK vom Montag. Der Geist lacht, das Herz weint.
Ich erinnere mich wie @f28 die Sehnsucht der Deutschen nach dem Biedermaier der Bonner Republik unterstrich. Die Realität zeigt aber in eine ganz andere Richtung. Wir werden von der Dritten Welle des Dschihad mit Ankündigung getroffen und merken, dass wir gar keine „Badehosen“ anhaben.
Die Nachkriegsordnung/Weltordnung welche die USA so mühsam und mit hohem Blutzoll errichtet hat, bricht in Teilen zusammen. Die einzig wirkliche Lobby, welche sich um den Tag danach bemüht hat, waren die NeoCon und wenn man einschlägige Literatur zu diesen zur Hand nimmt … naja.
@Benedikt
Wenn Ölfluß-Kontrolle also die Welt nicht mehr „regiert“, dann eben die Kapitalflußkontrolle ? Ich denke einmal, das ist die wohl überholteste urban legend aus der Mottenkiste der Globalisierung a la Wallstreet seit Gründung der „Seven Sisters“ 1928.
http://www.heise.de/tp/artikel/48/48866/1.html
Was die Götzenanbeter des Petrodollar-Kartells nicht wahr haben wollen ist, dass Geschichte sich in der Tat nicht wiederholt…..und das es eben sehr alte Kulturkreise gibt, deren Werteordnung etwas älter ist als das kodifizierte Völkerrecht in seiner neuzeitlich-abendländischen Auslegung und Anwendung.
Die Nordamerikaner und die Euopäer werden nicht umhin kommen zu akzeptieren, dass das Selbstbestimmungsrecht der Völker sich nicht auf formalistische Rituale wie periodische freie Wahlen reduzieren läßt. Die EU lernt gerade, dass der top-down melting-pott Ansatz nicht unbedingt von den Völkern Europas „verstanden“ wird (/SCNR) und die USA lernen gerade, dass ihr melting-pott überhitzt und der elitäre Deckel den Druck kaum noch stand hält.
Genau wie Iran, Rußland, Saudi-Arabien, Syrien etc. hat Erdogan erkannt, dass die türkische Gesellschaft durchaus stark genug ist, sich gegen das abendländische/westliche Wertediktat zu behaupten und dass die Zukunft der Türkei historisch/kulturell eher im Osten liegt (auch wirtschaftlich) als im Westen. Mit wem glauben Sie wohl werden die Iraner lieber Geschäfte machen ? Mit einer völlig „verwestlichten“ Türkei oder mit einer islamischen Türkei ?Genau wie P. ist E. aus unserer Sicht „irrational“, beide sind aber nicht blöd – die haben aus der Geschichte so einiges gelernt.
@klabautermann
„Genau wie Iran, Rußland, Saudi-Arabien, Syrien etc. hat Erdogan erkannt, dass die türkische Gesellschaft durchaus stark genug ist, sich gegen das abendländische/westliche Wertediktat zu behaupten und dass die Zukunft der Türkei historisch/kulturell eher im Osten liegt (auch wirtschaftlich) als im Westen. “
Wie oft haben sie mit Anatoliern/Bürgern der Türkei zu tun? Sie streiten gerade im Glauben die abendländische/westliche Werte zu verrteidigen. Warum wohl ist es für Erdogan so wichtig die Presse am Zügel zu halten. Warum muss er die Maßnahmen treffen, die er jetzt trifft?
„Mit wem glauben Sie wohl werden die Iraner lieber Geschäfte machen ?“
Das spielt keine Rolle, sie machen Geschäfte, wenn sie sich lohnen und tun dies auch mit uns.
Die Türkei ist in ihrem Momentanen zustand, weil Erdogan dies so wollte und nicht weil sich die türkischen Bürger für ihn frei und ohne Zwang dazu entschieden hatten.
@Elahan
Ja, ja….immer die gleiche Legende: da schafft es ein Politiker doch tatsächlich Mehrheiten hinter sich zu bringen von denen Mann/Frau in Europa/USA nur träumen kann, und wenn der dann auf dieser Mehrheitswelle eine eigenständige, nationale Politik macht, dann ist er sofort ein Diktator, Tyrann, Autokrat etc.pp. Das post-nationale Zeitalter ist eben (auch in der EU) noch in weiter Ferne und das Ende der Geschichte auch. Gewöhnen wir uns daran, dass das rational-ökonomische Menschenbild graue Theorie ist.
@K.B.: Es gibt nicht wenig Gründe, konkrete Absichten für eine eigene nukleare Bewaffnung der Türkei zu vermuten.
Dabei ist auch interessant zu wissen, dass die US Kernwaffen in Incirlik nicht nach dem gleichen Prinzip der nuklearen Teilhabe wie in Deutschland, Italien oder den Niederlanden „funktionieren“: Es sind keine türkischen Jets als Träger für diese vorgesehen – auch keine örtlichen amerikanischen.
@klabautermann
Nein, so läuft das nicht. Haben sie seit 2013 keine Medien und Artikel über Erdogan verfolgt?
Sind die Morde an Journalisten, der Krieg im Osten, die Hetze gegen Andersdenkende, die Neuwahlen, Verhaftungen, Klagen uvm an ihnen vorbeigegangen?
Wie nennt man den jemand, welcher Mehrheiten durch Repression, Propaganda und Unterdrückung hinter sich bringt?
Ich bezweifle nicht, dass er im Moment Mehrheiten hinter sich hat, aber die Frage ist doch mit welchen Mitteln?
http://www.nzz.ch/international/erdogan-schafft-sich-aufklaerer-vom-hals-1.18653868
Warum hätte er das nötig, wenn doch die Mehrheit hinter ihm steht?
Haben wohl viele schon vergessen.
Auf die Frage, ob der von ihm angestrebte Umbau der türkischen Verfassung mit mehr Macht für den Präsidenten innerhalb eines «Einheitsstaates» existieren könne, sagte Erdogan am Donnerstagabend Reportern: «Wenn Sie sich Hitlers Deutschland anschauen, können sie es sehen.» Es sei eines von mehreren historischen Beispielen für ein funktionierendes Präsidialsystem
http://www.nzz.ch/international/erdogan-nennt-hitlerdeutschland-als-beispiel-fuer-praesidialsystem-1.18670857
Aber wenn das für sie mit der anatolischen Kultur begründet ist……ja dann
Die Entlassung oder Suspendierung von 50.000 Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes, tausende Richter und Staatsanwälte ist natürlich in der morgenländischen Kultur begründet und hat natürlich nichts mit einer Diktatur zu tun. Der Volkewille darf alles und wenn er noch nicht weiß was er -will- kann man ihm ja mit geeigneten Mitteln auf die Sprünge helfen ;-)
@Klabautermann: STOP! Selbstbestimmungsrecht der Völker? Frei solange man die Freiheit anderer nicht einschränkt, fällt mir da so beiläufig ein.
@ Ottone
Wie „funktioniert “ denn die nukleare Teilhabe Ihrer Meinung nach?
@SchmidtM – Nur ein Gedankenexperiment: Weder die Türkei noch die Amerikaner – wegen türkischem Widerspruch – haben in Incirlik Flugzeuge, die die vermutlich dort gelagerten Kernwaffen tragen und einsetzen können. Die Tornados aus Büchel des TaktLwG 33 jedoch können dies und sind vor Ort.
@Ottone
Da irren Sie meines Wissens. Die Türkei stellt in der NATO nuklearfähige Trägerflugzeuge (F-16) auf zwei Flugplätzen mit entsprechend geeigneten Lagerstätten (Akinci/Balikesir), die aber vor einigen Jahren im Rahmen der Reduzierung von Bereitschaftsstufen in der NATO geleert und die Waffen zusammen mit denen für US-Flugzeuge in Incirlik eingelagert wurden.
In Incirlik sind aufgrund türkischer Ablehnung keine US-Kampfflugzeuge als Nuklearwaffenträger dauerhaft stationiert. Die USA hätten eine solche Stationierung als nukleare Unterstützungsoption für CENTCOM, das über keine „eigenen“ vorgeschobenen Nuklearwaffen verfügt und deswegen auf die Unterstützung durch EUCOM angewiesen ist, gerne gesehen, sind aber in Ankara abgeblitzt.
Ankara hat an den jährlichen Übungen nuklearwaffenfähiger Kräfte in Europa regelmäßig mit F-16 teilgenommen. Der Unterschied besteht also nicht in der Art der Beteiligung an den technischen Aspekten der Teilhabe, sondern im Blick auf dem Bereitschaftsgrad. (Dieses Vorgehen in der NATO hatte auch etwas damit zu tun, dass der nuklearfähige Standort in Griechenland damals diese Rolle verlor.)
Aus US-Sicht ist diese Lösung kostengünstiger und sicherer, weil nur noch ein Standort gesichert werden muss. Die Sicherung in Incirlik wurden in den letzten zwei, drei Jahren aufwändig ausgebaut. Ich vermute, das antwortet auch @SchmidtM
@ONA: Die türkischen F-16 nahmen an den Übungen als Begleitschutz teil, nicht als Kernwaffenträger. Meiner (angelesenen) Kenntnis nach hat die Türkei seit 1995 keine Piloten mehr für diese Aufgabe zertifiziert und ist aus der technischen Teilhabe raus. Die auf längere Dauer angelegte Stationierung der deutschen Tornados ist ein Signal, dass in der Region schwerlich unbeachtet geblieben sein kann.
……und prompt „massakriert“ jetzt die US-Luftwaffe auch syrische Zivilisten:
http://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Hunderte-Zivilisten-sterben-bei-US-Luftangriffen-in-Syrien/forum-360012/comment/
….diese „Beobachtungsstelle“ hat wohl neue Instruktionen erhalten……..wer immer noch nicht merkt, was hier abgeht, dem ist nicht mehr zu helfen.
@Ottone | 20. Juli 2016 – 15:46
Ich weiß nicht ob es noch eine aktuellere opensource Darstellung zu diesem Unteraspekt Incirliks gibt, meine aber nein: http://fas.org/blogs/security/2015/09/nuclear-insecurity/
Beim LANDCOM ist die Zeit wohl stehen geblieben. Den COS vermisst man dort wohl nicht. Jedenfalls nicht auf der Website:
http://www.lc.nato.int/about-us/biographies/chief-of-staff
Was folgert man daraus?
Hans Schommer
@Klabautermann:
Wie viele Luftangriffe der wetlichen Koalition gab es, bei dem viele Zivilisten getroffen worden sind?
Apopros, bei Wiki-Leaks gibts jetzt den E-Mail Verkehr der AKP einzusehen.
@Hans Schommer
Ziehen Sie keine unsubstanzierten Schluesse, warum mitten im Rotationswechsel bei LC und in der Low Ops period eine Praktikantin noch keine Website geaendert hat, wozu sie von ihren mil. Vorgesetzten keine Anweisung erhalten hat, die es dort derzeit nicht gibt.
In der TUR ist derzeit NICHTS normal.
@ Eric Hagen | 20. Juli 2016 – 22:03
LANDCOM ist NATO; die Informationspolitik einschl. der Pflege der Website wird meiner Erinnerung nach nicht durch TUR Praktikanten geregelt.
Aber Sie scheinen es ja wohl besser zu wissen.
Hans Schommer
In einer Situation, in der sich alle die Augen über Erdogans „Erfolge“ reiben, bleibt der CSU-Politiker Hans-Peter Uhl sehr skeptisch.Uhl rechnet mit einem neuen heftigeren Putsch und macht in seinem heutigen Interview im Deutschlandfunk eine relativ konkrete Aussage.
Auszug:
„…. Heuer: Haben Sie darauf konkrete Hinweise, oder vermuten Sie das nur, Herr Uhl? Sie klingen so sicher.
Uhl: Ich habe Informationen aus gut informierter türkischer Seite. Deswegen bin ich mir ziemlich sicher in der Einschätzung der Lage.
Heuer: Und diese Informationen sind so, dass Sie auch damit rechnen, dass da tatsächlich Leute auf die Straßen nicht nur zum Demonstrieren gehen, sondern zum Kämpfen?
Uhl: Alles ist möglich, ja…. “
Weil ich nicht weiß, ob ich die verlinken darf, einfach einmal selbst suchen.
Kann hier einer einschätzen, wie gut Hr. Uhl tatsächlich vernetzt ist?
@samy: Anfang August tagt ein Militärrat, der die Beförderungen bestimmt. Wenn da was käme, dann davor.
What went wrong with Turkey’s WhatsApp coup
http://www.al-monitor.com/pulse/originals/2016/07/turkey-coup-attempt-basic-cause-was-premature-birth.html
Der eingestellte Artikel beschreibt die Geschehnisse um den Coup aus Sicht der AKP.
So hat Erdogan kurz vor dem Coup Kenntniss erlangt und Gegenmaßnahmen eingeleitet. Wieviel man glaubt, ist jedem selbst überlassen.
@Hans Schommer
Ungern- – , aber es ist so, wie ich es angemerkt habe.
In der Türkei ist der Ausnahmezustand für drei Monate verhängt worden. Jetzt dürften es die Oppositionsparteien langsam bereuen, daß sie den Putsch nicht unterstützt haben, weil schlimmer hätten es die Putschisten kaum treiben können, als es jetzt Erdogan tut. Nachdem der Putsch niedergeschlagen sein soll, gibt es für den Ausnahmezustand keinen Grund, außer der angestrebten Alleinherrschaft!
Eric Hagen | 20. Juli 2016 – 22:46:
„@Hans Schommer
Ungern- – , aber es ist so, wie ich es angemerkt habe.“
Und ich kann Ihnen leider nichts entgegenhalten. Einer meiner TUR Kontakte im Bereich LANDCOM – ich bezeichne ihn aus gutem Grund als Kamerad – ist nicht zu erreichen. Was mich mit Sorge erfüllt. Aber in der Diskussion hier natürlich nicht weiter hilft.
Hans Schommer
@ samy | 20. Juli 2016 – 22:23
Nun ja, Erdogan hat wohl soeben den Ausnahmezustand verhängt, erstmal für drei Monate. Die Uraufführung von „Putschen für Anfänger“ am Bosporus könnte durchaus mehr als einen Akt haben.
Warum ein Plappermäulchen wie Herr Uhl sich dazu äußert, habe ich noch nicht verstanden. Erdogan soll sich vorm eigenen Volk und vor der Weltöffentlichkeit durch überzogene Maßnahmen wohl soweit demaskieren, dass nach „Putschen für Anfänger“ und „Maskirovka“ noch „Final Countdown“ aufgeführt wird.
In jedem Fall scheinen hier mehrere „Intendanten“ ihr Meisterstück inszenieren zu wollen. Homer hat die literarische Messlatte schließlich hochgelegt.
@Hans Schommer: Kommunikationssperre (State of Emergency), vor allem mit dem Ausland. Ich kenne die Kultur etwas, hatte schon sowas ähnliches und der wird sich entschuldigen. Und ich bin KEIN Angehöriger eines ausländischen Militärs, was bei ihnen ja dazu käme ;)
Was macht eigentlich unser Auswärtiges Amt gerade?
Entweder sie müssten Uhl als Dummschwätzer entlarven und Erdogans Ausnahmezustand als landestypische Folklore erläutern, oder sie müssten unverzüglich eine Reisewarnung raushauen.
@ Alf Igel:
„Warum ein Plappermäulchen wie Herr Uhl sich dazu äußert, habe ich noch nicht verstanden.“
Ein völlig unbeschriebenes Blatt ist Hr. Uhl aber auch wiederum nicht:
– Obmann vom Unterausschuss „Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung“.
– Ordentliches Mitglied u.a. im Auswärtigen Ausschuss und im Unterausschuss für Zivile Krisenprävention, Konfliktbearbeitung und vernetztes Handeln.
– Stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss.
– Stellvertretender Vorsitzender der „German European Security Association“ (was auch immer das ist).
– regelmäßige Kommentare zum BND.
Den Wahrheitsgehalt seiner Aussage kann ich allerdings natürlich nicht bewerten.
@K.B.:
Ich sehe die Frage nach dem streben hin zu einer eigenen nuklaeren Fähigkeit der Türkei, ganz wie Ottone, nicht so eindeutig beantwortet. Es gibt immer noch den Streit um „die Führungsrolle“ in der islamisch geprägten und/oder Welt. Der einzige mehrheitlich islamisch geprägte Staat der derzeit über Kernwaffen verfügt braucht die für seinen Nachbarschaftsstreit.
Auch für den Fall einer Reform der UN sowie des Sicherheitsrates und der damit einhergehenden Machtfragen wäre eine Nuklarfähigkeit eher Vorteilhaft, solange man nicht als Schurkenstaat gilt. Da die Türkische Regierung aktuell nicht massiv gegen Israel trommelt liegt der Bedrohungsfokus weiterhin auf dem Iran.
Wenn man die Bundesregierung zu dem Komplex befragen würde käme wahrscheinlich nur: „Keine eigenen Erkenntnisse …!“ Bleibt nur zu hoffen, dass man dazu Nichts sagen will.
@ottone
Es kann schon sein, dass die Türkei seit etlichen Jahren keine Piloten mehr zertifiziert hat (seit 1995 scheint mir etwas sehr früh, aber selbst das könnte gerade noch sein) und ich will auch nicht ausschließen, dass TR Lfz bei einer Steadfast Noon Übung mal Begleitschutz geflogen haben. Dies müsste dann aber mit Lfz aus Geschwadern erfolgt sein, die früher als Träger eingeplant waren. Ich weiß auch, dass in einzelnen Veröffentlichungen nachzulesen ist, alle in der Türkei endmontierten F16 seien nicht als DCA ausgelegt.
Dass TR an der technischen Teilhabe aber nur noch im Rahmen der Snowcat-Initiative beteiligt wäre, wäre mir neu. Opensource verfügbar (S.3)
http://fas.org/wp-content/uploads/2014/05/Brief2015_NATO-Russia_MIIS_.pdf
@Closius, @all: Es gilt längst “nach dem Putsch ist vor dem Putsch“:
Erdogan erklärte selbst, der versuchte Staatsstreich sei „vielleicht noch nicht vorbei“, es könne „weitere Pläne geben“. Der Ausnahmezustand sei notwendig, um rasch „alle Elemente entfernen zu können“, die in den Putschversuch verstrickt seien. (vgl. http://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-recep-tayyip-erdogan-verhaengt-drei-monate-ausnahmezustand-a-1103982.html)
Deshalb nochmals zur Wiedereinführung der Todesstrafe und zur Verfassung der Türkei als m.M.n. wesentlichster Dreh- und Angelpunkt, weil „Spiegelbild der Psyche der Türkischen Gesellschaft“ (vgl. http://www.verfassungen.eu/tr/tuerkei82.htm):
• Durch Gesetz vom 7. Mai 2004 wurden im Artikel 15 Abs. 2 Satz 1 und in Artikel 17 Abs. 2 Satz 1 die Worte „und der Vollstreckung der Todesstrafe“ gestrichen.
• Laut Artikel 38 darf niemand schwerer bestraft werden als mit der zum Zeitpunkt der Tat angedrohten Strafe. Die Strafe darf also nicht rückwirkend höher ausfallen.
• Durch Gesetz vom 7. Mai 2004 wurde der Artikel 38 erhielt der Abs. 10 folgende Fassung:
„Die Todesstrafe und die Strafe der allgemeinen Konfiskation sind unzulässig.“
• Durch Gesetz vom 7. Mai 2004 wurden im Artikel 87 die Worte „sowie über die Vollstreckung von rechtskräftigen Todesurteilen der Gerichte“ gestrichen.
Doch für Erdogan zählen diese Feinheiten angesichts des «Willens des Volkes» offenbar nicht, wie dieser mehrfach sich in Interviews produzierte? Das Volk, sagt er, wollte ein «schnelles Ende» der Putschisten, zumal sie Nachbarn oder Kinder verloren haben. Die Menschen» wollten auch nicht, dass die Putschisten auf Jahre hinweg im Gefängnis gehalten und durchgefüttert würden«, so Erdogan.
Eine dafür erforderliche mehrfache Verfassungsänderung der Türkei durch Erdogan inszeniert, wäre nicht nur als eine weitere Groteske der Weltgeschichte zu sehen, sondern wird hoffentlich selbst bei nur noch letzten Funken an Ratio, Ethik und Wertekultur im türkischen Parlament und im Türkischen Volk an den erforderlichen 2/3-Mehrheiten scheitern (Man vgl. Türkische Verfassung, Siebter Teil: Schlußvorschriften, I. Verfassungsänderung, Artikel 175).
Der fundamentale Grundsatz des Strafrechts „nulla poena sine lege“ (vgl. Feuerbach, vgl. Art. 103 Abs. 2 GG sowie in Art. 7 Abs. 1 EMRK) bestand schon im Römische Recht, wenn auch in der schwächeren Version „Poena non irrogatur, nisi quae quaque lege vel quo alio iure specialiter huic delicto imposita est“ (Eine Strafe wird nur dann auferlegt, wenn sie durch ein Gesetz oder durch irgendeine andere Rechtsvorschrift speziell diesem Delikt zugeordnet worden ist) und wurde seinerzeit schon dahin erweitert, dass eine Strafbarkeit nur besteht,
• soweit diese schriftlich fixiert wurde – nulla poena sine lege scripta –
• hinreichend bestimmt ist – nulla poena sine lege certa -,
• bevor die Tat begangen wurde – nulla poena sine lege praevia -,
• und daß keine Analogie zulasten des Täters über den Wortlaut des Gesetzes hinaus vorgenommen werden darf – nulla poena sine lege stricta.
Selbst im Strafgesetz der „Islamischen Republik IRAN“ – letzendlich praktizierte Schari’a – gelten diese Rechtsprinzipien!
Wie @Zimdarsen schon ausführte, sagte Erdogan vor Reportern: “Wenn Sie sich Hitlers Deutschland anschauen, können sie es sehen. Es sei eines von mehreren historischen Beispielen für ein funktionierendes Präsidialsystem“.
Auch zitierte im Jahr 1998 Erdogan in einer Rede aus einem religösen Gedicht „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. […]“ und wurde zu 10 Monaten Haft wegen Volksverhetzung verurteilt und ein lebenslanges Politikverbot verhängt, allerdings nach ca. 4 Monaten freigesetzt (… dies nur um eine weitere Parallele zu Hitler zu ziehen).
Fazit:
• Die “Ermächtigungsgesetze“ hat der Autokrat Erdogan längst von langer Hand geplant, fertig in seiner Schublade.
• Allerdings bedarf es für diesen Machtrausch und Durchmarsch zur Diktatur auch eines Türkischen Parlaments und eines Türkischen Volkes!
• Die EU-Nummer zieht politisch und wirtschaftlich kaum noch, trotz möglicher Sanktionen, denn für Erdogan ist der EU-Beitritt der Türkei stets eine „Überlebenslüge“ gewesen. Ausserdem könnten diese Sanktionen, bis denn von einem lethargischen Europa realisiert, zu spät sein.
• Die Türkei braucht volkswirtschaftlich, rüstungspolitisch und für ihre Sicherheit seit jeher die NATO, die NATO braucht seit ihrer Gründung den geostrategischen und geopolitischen Glücksfall Türkei, also ist auch dies eine Patt-Situation und der von Kerry angedrohte NATO-Rausschmiss ist damit auch nur leere Drohung.
• Die Mittel der Politik und Diplomatie erscheinen deshalb mangels Ansatz als erschöpft, die Ratlosigkeit von EU und NATO sind dafür bestes Indiz, der Kotau Erdogans vor Putin ist ein weiterer politischer Afront und gegenüber der NATO eine Eskalation.
Was verbleibt? Das Angebot (*) “breitester Information und Aufklärung“ an das Türkische Volk (* um nicht von CYBER OPS & INFO OPS, u.a. PSYOPS und MEDIAOPS vs. eines „unaufgeklärten“ Wählerverhaltens zu sprechen), jedoch entscheiden, Erdogan vorzugsweise abwählen bzw. diesen spätestens beim Referendum zur Wiedereinführung der Todesstrafe „abstrafen“, oder gar erneut putschen, müßen die Türken schon selber, wie schon seit ihrem NATO-Beitritt in 1952.
Nur geht es mittlerweile um das nackte Überleben der Türkei als Rechtsstaat und Wertesystem und das dürfte hoffentlich ohne einen „Sultan“ stattfinden.
Dass die Demokratie und die Rechstsstaatlichkeit von Erdogan zunehmend ausgehöhlt wurde und noch rasanter ausgehöhlt wird, müßten doch die Türken so langsam erkannt haben. Dass ein Militärputsch nicht Abhilfe bringen kann, hat die Vergangenheit der Türkei ebenfalls mehrfach bewiesen, nur Erdogan will auch das noch in seiner Radikalität toppen und kann bislang offenbar immer noch auf die mehrheitliche Unterstüzung seines „Volkes“ bauem.
Um dieses obskure (Wähler-) Verhalten und die spätestens seit den Wahlen im Nov. 2015 erschöpfte innere, ursprünglich auf Demokratisierung gerichtete Dynamik der türkei wenigstens halbwegs zu verstehen, sollte man den Artikel Gehorsam aus Angst des Prof. Haci-Halil Usculan über „Der Umbau des Systems spiegelt die Psyche der Gesellschaft“, vom Juli 2016, 20:26 , auf ZEIT-ONLINE (zeit.de) gelesen haben.
(Zitat) „Hoffnung lässt sich allein aus dem Potenzial an Solidarität, Mut und Zivilcourage des Volkes schöpfen: […], als geeinte Kraft kann es auch autoritäre Allmachtsfantasien in die Schranken weisen.
Irgendwie ist der gerade am 20. Juli von Erdogan verhängte Ausnahmezustand „zwecks weitere Bekämpfung der Putschisten“ dennoch makaber? SPON schrieb heute um 04:59 Türkei: Tod einer Demokratie – Erdogan will die Macht – ohne Widerspruch, ohne Kompromisse (vgl. http://www.spiegel.de/politik/ausland/tuerkei-und-der-ausnahmezustand-tod-einer-demokratie-a-1103935.html)
Deutschlandfunk: Audio NATO und Türkei – Rausschmiss kein Thema
http://www.podcast.de/episode/290195667/NATO+und+T%C3%BCrkei+-+Rausschmiss+kein+Thema/
@VTG-Amtmann: Standing Ovations!
Man würde Herrn Putin andeuten, wie es seinem Russland mit Napoleon und Hitler erging, und ob er dieses Risiko wirklich schultern möge?
In diesem Zusammenhang ist auch er Europäer und ich kann als Deutscher in diesem Zusammenhang nur demütig zu Boden in Richtung Türkei blicken. Der Genozid am Volk der Armenier war ein Vorbote dessen, was in den slavischen Siedlungsgebieten passiert ist. Erdogans umgang mit der Resolution des Bundestages zeigt mir, wo er steht.
Hilfe zur Selbsthilfe!
Verschiedene Medie melden: „Syrische Opposition fordert Ende der US-Luftangriffe“
Diese Forderung wird sekundiert durch die syrische Regierung……….für mich wird immer deutlicher, dass die islamische Welt wohl einen gemeinsamen Nenner gefunden hat: USA raus aus MENA….und die NATO gleich mit dazu, will sagen Reduzierung der NATO auf ihre Kernfunktion: Artikel 5.im ursprünglichen Kontext innerhalb des NATO-Vertragsgebietes, but not beyond.
Die strategisch-opersativen Differenzen in den USA zwischen White House, DoD und CIA (letztere zwei auch intern gespalten) werden immer deutlicher – gute Gelegenheit für die Autokraten „unter sich“ den MENA-Raum „neu zu ordnen“. Die werden die Gelegenheit der US-Paralyse (Wahlkampf plus interne Differenzen in der Administration) nutzen und Fakten schaffen in den nächsten Monaten.
.
Das war es denn vielleicht für Erdogan (http://www.heute.at/news/welt/Tuerkei-setzt-Menschenrechte-ausser-Kraft;art23661,1317670), denn die Verfassung ist damit noch lange nicht geändert.
Nachtrag:
Falls jemand sich fragt, welche „Vision“ Erdogan hat, der möge diese Seite studieren:
http://www.sadat.com.tr/news/articles/147-the-future-of-the-world-of-islam-and-sadat-inc.html
Sadat Inc ist so eine Art türkische Blackwater-Firma…..
klabautermann | 21. Juli 2016 – 14:31
Das Weltbild der Muslimbruderschaft.
Um Auf Herrn De Meziers Versuch auf eine Antwort zu Islamist vs. Extremist einzugehen. HIer sieht man den politischen (verstaatlichten) Islam der Muslimbruderschaft in ihrer Opferrolle. Es wird nicht zu Gewalt aufgerufen, ist also nicht Extremistisch.
Erdogan hat eigentlich nie einen Hehl aus seinen Visionen gemacht. Man muss nur richtig zuhören. Was er ankündigt, tut er meistens auch. Für mich ergeben drei Meldungen der letzten Tage ein Bild: Die Verhaftungswellen, den Wunsch nach der Todesstrafe und heute: Der Plan in Istanbul einen „Friedhof der Verräter“ für die Putschisten einzurichten, damit jeder, der diesen Ort besucht, sie verfluchen kann!
Diese neue Touristenattraktion könnte in einer alten osmanischer Tradition stehen, die Erdogan sicher kennt. Dem sogenannten „Schädelturm“.
Historische Beispiele dieser Art gab es mehrere, derjenige im serbischen Nis ist noch erhalten.
https://de.wikipedia.org/wiki/%C4%86ele_Kula
Der Mann ist krank!
@Rado
Ja, das hat schon fast IS-Züge: Entweder Unterwerfung oder Vertreibung, Verfolgung, Ächtung, Enteignung bis hin zur Androhung der Todesstrafe.
Gerade hat die Regierung wohl verkündet, dass man die EMRK aussetzen will.
Die Griechen sind auf State Orange in der Ägäis weil die Türkei behauptet, dass jede Menge Putschisten versuchen würden nach Griechenland zu fliehen. Die Griechen haben wohl Sorge, dass E. die Polizei/Streitkräfte zur Nacheile-Jagd sogar in griechische Hoheitsgewässer/Luftraum einsetzen könnte. Jetzt stecken EU und NATO in der Klemme in Sachen „Flüchtlinge“.
Кремль: Эрдоган прибудет в Россию для встречи с Путиным
Google-Translate: Kreml : Erdogan wird in Russland ankommen mit Putin zu treffen
https://life.ru/t/%D0%BD%D0%BE%D0%B2%D0%BE%D1%81%D1%82%D0%B8/880204/krieml_erdoghan_pribudiet_v_rossiiu_dlia_vstriechi_s_putinym
Er unterwirft sich…
[Wie wär’s mit einer Quelle, die ein klein bisschen seriöser ist… und in einer Sprache, die hier mehr verstehen? z.B. der englische Dienst von TASS?
http://tass.ru/en/politics/889495
T.W.]