Ein halbes Jahr für eine Vorlage? „In meinem früheren Berufsleben undenkbar“
Die Rüstungs-Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, die ehemalige McKinsey-Direktorin Katrin Suder, äußert sich extrem selten in Interviews. Vor zwei Wochen hat sie den Kollegen von der Zeit Auskunft darüber gegeben, wie es sich in einem Ministerium so arbeitet, wenn man aus dem Beratungsgeschäft kommt. Das Interview haben die meisten übersehen, weil es weder im Politik- noch im Wirtschaftsteil erschien, sondern weit hinten im Chancen-Teil; und da es jetzt online steht, hier der Hinweis* darauf:
Gemeinsam mit Levin Holle, der ebenfalls aus einem Beratungsunternehmen in die Bundesregierung wechselte (ins Finanzministerium), erläutert Suder, wo die Hauptunterschiede zwischen Wirtschaft- und Regierungshandeln liegen. Bis hin zu ganz praktischen Differenzen:
Hier sitzen Fachleute verschiedener Ebenen manchmal ein halbes Jahr an einer Vorlage, bevor ich sie sehe. In meinem früheren Berufsleben war das undenkbar. Das Problem dabei ist nicht nur, dass das so lange dauert – sondern auch, dass man manchmal nur noch schwer umsteuern kann, wenn ein großes, lange angekündigtes Konzept erst sehr spät auf meinen Tisch kommt.
*Deutsche Verlagswebseiten werden hier in der Regel nicht verlinkt. In diesem Fall scheint eine Ausnahme angezeigt, weil Interviews mit Suder wirklich sehr selten sind.
(Foto: Suder vor dem Demonstrator des geplanten Taktischen Luftverteidigungssystems (TLVS) auf der ILA 2016 in Berlin. Vorne rechts Thomas Homberg, Chef der MBDA Deutschland)
Dann scheint Frau Suder aber noch nicht so richtig einblick in die Denkweise von Ministerien gewonnen zu haben. Das dauert so lange weil sich die einzelnen „Fürstentümer“ erst einmal klar werden müssen was es für sie bedeutet und dann versuchen möglichst viel Positives / so wenig wie möglich Negatives für sich herauszuholen. Ein bisschen Rücksicht wird auch auf andere Fürstentümer genommen, damit es nicht zu großen Intrigen kommt. Sowas später wieder zu ändern ist natürlich schwer, weil sich ja alle schon einig sind.
Oh und vielleicht hilft es ja Frau Suder zu verstehen wie ihr Ministerium tickt wenn ich ihr verrate, dass es den Fürstentümern immer nur um Dienstposten geht.
Man muß noch nicht mal Unternehmensberater sein, um das zu erkennen. Nur wird einem das als Uniformträger in der Regel nicht geglaubt. Brainstorming und „technische Reviews“ (Kommentierung von Dokumenten mit dem Ziel, sie vollständig und fehlerfrei zu gestalten) sind im „Mitzeichnungsgang“ leider Fremdworte. Notwendige Fachinformationen (warum steht das hier so, und nicht irgendwie anders) werden allzu oft mit dem Hinweis auf „Vertraulichkeit im Ausscheibungsgang“ zurückgehalten, substantielle Einwände der nachgeordneten Arbeitsebene ignoriert. Dass die Bundeswehr seit Jahren von einem rüstungspolitischen Desaster ins nächste taumelt, ist kein Betriebsunfall, es hat System. Flieger die nicht fliegen, Schiffe die gerade mal so schwimmen (viel mehr aber auch nicht) – alles Ergebnisse einer Führungsebene, die sich vom Sachverstand der Truppe abgekoppelt hat.
Vielleicht passend dazu:
Gebauer hat via Twitter verkündet, dass Gundbert Scherf nach nur zwei Jahren das BMVg bereits wieder verlässt.
Zusammen mit StS Suder kam Scherf damals von McKinsey.
@T.W.
Sehr gute Zitat-Auswahl.
Tja, Frau Suder, Konzept-Ankündigung ohne fundierte Concept Feasability Study ist natürlich ärgerlich. Da dauert es eben einmal 6 Monate ohder länger bis der „nachgeordnete Bereich“ liefern kann, denn dem fällt zu der einen oder anderen „Ankündigung“ so langsam nichts mehr sachlic/fachlich Belastbares mehr ein /SCNR
Ich mag die Katrin. Sie hat in dem Laden mehr Unsinn aufgedeckt, thematisiert und auch tatsächlich zielorientiert Lösungen entwickelt/entwickeln lassen als ihre Vorgänger zusammen. Sie ist ein Arbeitstier und eine von UvdLs besten Personalentscheidungen überhaupt.
pi
Wäre auch ratsam, einmal die Mitprüfungsschiene kräftig zu durchforsten. Wenn eine Einzel-Pz/SPz-Dv 12 Monate braucht, lächerlich.
Kleine Ergänzung:
Top-Down versus Bottom-Up. Aus Sicht von Frau Suder mag Rüstungs-Planung und -Realisierung ja BU „laufen“ – aus Sicht der Bundeswehr – zu der das Ministerium ja nicht gehört – ist dieser „Prozess“ mittlerweile exklusiv TD. Beleg für diese Aussage ? Dresdner Erlass….einfach mal lesen.
Merke: BMF und BMVG sind unternehmerisch zwei völlig verschiedenen Welten. Im Gegensatz zum BMF ist das BMVg die Konzernspitze einer staatlichen Unternehmensgruppe plus angeschlossener priwatwirtschaftlicher Betriebe (wie HIL etc) mit Namen Bundeswehr. – es ist eben kein „schlichtes“ Unternehmen – auch wenn die Unternehmensberater das dem Ministern seit Scharpings Zeiten immer wieder einreden.
Anders gefragt: Warum aendert Frau Dr. Suder diesen langen Mitzeichnungsgang denn nicht mit Hilfe ihrer Maecenin oder Chefin. Das ist doch alles hausgemacht!!!
@Klaus-Peter Kaikowsky
Das Durchforsten und Vergrämen von Mitprüfungs-und Mitzeichnungs“schienen“ zum Zwecke der angeblichen Beschleunigung von „Konzepten“ hat doch zu dieser heutigen Mega-Misere mit Namen BMVg nur beigetragen. Da man ein politisches Window of Opportunity nutzen mußte wurden gerade unter TdM „Konzepte“ durch den FüS gepeitscht, die die mitzeichnungsberechtigten Abteilungen teilweise noch nicht einmal zum lesen bekamen. Die Rolle des GI „stärken“ war das Motto. Na, der sieht jetzt aber gaaaaanz stark aus, gelle ? /SCNR
Aussage von jemand aus meinem Umfeld und der Wirtschaft zum BW Verwaltungsbeamtentum, (grund?)gesetzliches Hindernis
@ pi: bin bei Ihnen :-)
„Ich kannte Frau von der Leyen schon länger.“
Schon genug gelesen.
@ThoDan
Da hat ihr Umfeldjemand sehr recht ;-)
„Durch Mitzeichnung wird die fachliche Verantwortung für den vertretenen Aufgabenbereich übernommen, § 15 II 4 Satz 2 GGO des Bundes. Der Mitzeichnende darf den Entwurf nicht eigenmächtig ändern, sondern nur seine Bedenken mitteilen bzw. die Mitzeichnung verweigern, sofern die Bedenken nicht ausgeräumt werden. »Zeichnung, Federführung. Als Koordinationsinstrument oft problematisch, weil sie zur „negativen Koordination“ führt (Fritz W. Scharpf), Alternativen sind Arbeitsgruppen oder bei entsprechenden Voraussetzungen die Projektorganisation.“ (http://www.olev.de/l.htm)
Diese „negative Koordination“ ist also ein Geschäftsordnungsprinzip der Bundesrepublik Deutschland und ist in der Tat im GG verankert: Ressortprinzip. Nun arbeiten in einem Ministerium leider eine ganze Menge Beamte, deren Amtseid auch im GG verankert ist.
In der Regel ist aber die sachlich/fachliche Komplexität einer Vorlage in Sachen Rüstung so groß, dass kein Beamter im BMVg ohne Rückgriff auf nachgeordnete Fachexpertise zeichnen oder gar mitzeichnen kann, bzw. darf weil eben durch Amtseid zur besonderen Sorgfalt verpflichtet. Jeder Rückgriff auf die fachliche Kompetenz im nachgeordneten Bereich kostet aber Zeit – logisch – insbesondere dann, wenn man ins Leere greift, weil die Fachkompetenz in dem dem Ministerium nachgeorneten Bereich wegstrukturiert worden ist. Hier beißt sich die Katze seit 15 Jahren immer öfter in den eigenen Schwanz/SCNR
Siehe auch my
http://augengeradeaus.net/2016/06/das-g36-drama-naechster-akt-hecklerkoch-klagt-vor-gericht/#comment-238409
Die Mitprüfungsschiene ist sicherlich ein Problem, manchmal ist es aber auch viel einfacher:
Der Sachbearbeiter in der 4. Ebene (der Ahnung hat) beschreibt ein Problem und legt es zur Entscheidung vor (die mal mindestens in der 1. Ebene getroffen werden sollte), dem Vorgesetzten in der 3. Ebene gefallen Formulierungen nicht und einige Kernaussagen, die er entfernt wissen will, er gibt also zurück an die 4. Ebene und das Ding geht im 2. Anlauf an die 2. Ebene… dort will man dummerweise genau das drinstehen haben, was die 3. Ebene hat rausstreichen lassen, ergo wandert der Entwurf wieder zurück in die 4. Ebene…
Das Referentendasein in manchen Bundesbehörden hat schon Unterhaltungswert.
@Klabautermann
Es wird aber immer noch so einiges an Arbeit auf Kommandoebene gerne in die Truppe abgedrückt – und das obwohl die Kommandos sich auf Kosten der Truppe erstmal personell befüllen.
Den Dienstweg kürzt man dann auch gerne ab, indem man direkt vom Kommando an den Fachmann unterhalb der Kompanieebene schreibt – es gibt da ein paar Kommandos, die den Begriff Dienstweg irgendwie nicht verstanden haben.
Tja, es ist doch absolut klar, dass so Vorlagen dauern.
Wenn UvdL der Meine verspricht, dass ale irgendwie auf den Schiffen Email schicken können und ein betreuungsnetz bekommen, ist es damit nicht getan.
– Wer administriert das,
– wer tauscht Hardware aus,
– wer ist zuständig für Datenschutz,
– wo in dem Schiff kommt das hin,
– wie soll das funktionieren wenn es vom Bordnetz getrennt wird
etc.
So wie halt bei der Frage nach TV auf den Stuben durchaus relevant ist:
– Wer baut die auf?
– Wer sorgt für Ersatz?
– Woher kommen die Geräte?
– Wer prüft die nach den gängigen Vorschriften?
Diese Fragen stellt man sich im Mittelstand vorher, bevor man Dinge vorschlägt.
Bei einer Armee, mit Ihrer ganzen Bürokratie sehen leider viele Bereiche nur:
Oh, neue Idee; wie kann mein Bereich davon profitieren (mehr Geld, mehr Dienstposten).
@ Klabautermann:
So wird aber im BMVG gerne bei Mitzeichnungen gepokert und gewartet: Ich unterschreibe erst Deine Vorlage, wenn Du meine Vorlage unterzeichnest.
Konsensprinzip in einer Armee. Super Idee.
Nutze ich demnächst in meinem „Befehl für den Angriff Nr.1“
@Kerveros
Jepp, Zustimmung. Auch den von Ihnen so schön beschriebenen Ebenen-Ping-Pong- und Dienstweg-Beipass-Effekt kann ich aus eigenem Erleben bestätigen. „In der guten, alten Zeit“ kam das auch vor. Es war aber die Ausnahme.
Heutzutage kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Effekte zur Regel geworden sind: Keine dezentrale Durchführung, kein ebenengerechtes Führen und keine Befehls-und Meldekettendisziplin. Dieses kunterbunte Durcheinander von „beschleunigter“ Projekt- und Prozessorientierung führt imho zu dieser schon fast systemischen Orientierungslosigkeit.
@FNU SNU
Das Pokern ist doch super, hat es doch all die Jahre gezeigt, den Kram brauchten wir ja irgendwie doch nicht.
Einfach mal die Hürde für – was ist ein erfolgreiches Projekt- nach unten ziehen und gut ist es.
Mein Eindruck – genauso wird verfahren- Vorlagen für die Führung werden abgebürstet, weil „in Berlin will man das nicht, Sie Schwarzseher“.
@FNU SNU
Eben keine Armee, die Verwaltung derselbigen, auch wenn mancher Beamte dort mal Uniform trägt…
In Köln sitzen manche Leute seit 20 Jahre mehr oder minder erfolgreich auf dem Dienstposten und als man dann das Luftfahrtbundesamt ausgerufen hat, was stand im Tagesbefehl?
Richtig: „Wir begrüßen die Möglichkeit in diesem Rahmen Personal am Standort sozialverträglich weiter zu beschäftigen“…
Amt halt… wer brauch da schon qualifizierte Leute? ;)
Ab der Ebene Kommando kommt eine Dimension in Spiel, die die Sinnhaftigkeit von guten Vorlagen grundsätzlich torpediert: Politik. Man gute Vorlage wird ganz einfach deswegen verworfen, weil sie irgendwem nicht in die Agenda passt. Analog zu den Informationen, die zumindest vorgeblich nie ’nach oben‘ kommuniziert wurden.
Dazu kommt mal wieder eines meiner Lieblingsthemen: das Personalamt. Posten auf der oberen Ebene sind bevorzugt zu befüllen… im Zweifel egal wie.
Und natürlich der Klassiker: wen schickt der schlaue Truppenführer bevorzugt nach oben? Genau, denjenigen, auf den er am ehesten verzichten kann… wenn ich an all die ‚Experten‘ denke, die man da hochgelobt hat.
Das Problem ist vielschichtig und auch nicht einfach zu beheben – dazu müsste man grundsätzlich was an der Einstellung in diesen Organisationen tun. Würde man besipielsweise den Beamten im BMVg gelegentlich in Uniform in den Einsatz schicken, dann hätte dieser doch einen ganz anderen Bezug zur Thematik.
@FNU SNU
Akzepieren Sie doch einfach, dass BMVg nichts mit „Armee“ zu tun hat, und Konsensprinzip hat nichts mit dem „Mitzeichnungsprinzip“ gem. GGO zu tun.
BMVg und Bundeswehr sind da eben zwei verschiedene „Welten“.
@ klabautermann
Ich denke, dass genau das eine weitverbreitete Kenntnislücke ist. Zwei Welten umschreibt es schon ganz gut.
@Voodoo
Tja, und die Distanz zwischen den Welten ist mit dem Dresdner Erlaß noch vergrößert worden (Verbannung aus dem BMVg und Zuständigkeits-„Enteierung“ der Inspekteure).
„It’s sometimes hard to live with management consequences, in particular if the management can’t really manage the consequences.“
;-)
@klabautermann
Das Problem ist ja, dass es zwei Welten sein sollen aber da oft eher machtpolitische Interessen ausgehandelt werden.
Es gibt ja eine ganze Reihe an Beispielen wie das umherschieben von Hubschraubern oder der Tausch von Dienstposten gegen Bevorzugung bei guter und moderner Ausrüstung, Transportflugzeuge die nicht an das angepasst werden was Sie transportieren sollen sondern genau andersherum wird alles zu transportierende darauf abgestimmt.
Auch immer schön Gleichberechtigung in SKB und intigrierten Verwendungen. Auch wenn der Marine Personal fehlt muss man der Proporz gewahrt werden sonst sieht einer noch schlechter aus. Da ist es dann egal wenn man anders die Einsatzfähigkeit steigern könnte.
Geführt wird ja dann eh nicht mehr. Sondern weitergeleitet.
Wozu eine 3a runterbrechen beider Flut der Weisungen. Man kann ja auch auf weiterleiten klicken….
Dann kriegt der Gruppenführer, 2. Zug, 3. Kompanie eben einen gro§en Brief aus dem Baiinbw. Mit dem der so toll was anfangen kann.
Konsens ist schon gut. Wenn mehrere Leute zur gleichen Lösung kommen. Aber dass wegen der Fürstentum denke und dienstpostenstruktur ganze Truppengattungen oder Bereiche verbrannt und verheizt werden. Nur um irgendwo einen B3 zu sichern.
Das ist traurig.
Und natürlich sollen die OrgBereiche schauen dass Sie für Ihren Bereich eine gute Lösung bekommen. Aber wenn z.B. die Beschaffung von geschützten Fzg. auf Eis liegt weil irgendjemand anders was haben will…. dann ist das rechtlich zwar vertretbar. Aber menschlich verwerflich.
Das wissen um diese Mißstand habe ich. Und zwangsläufig muss ich das hinnehmen, da ich es auch aus meiner Position nicht ändern kann. Aber akzeptieren werde ich es sicher nicht.
@FNU SNU und chris
Ja, die Berliner Politikasterei schlägt mittlerweile durch bis auf die Zugebene ;-(
Man kann es eben nur hinnehmen (eigentlich nur ertragen ;-)), akzeptieren muß man es sicherlich nicht….und man muß sich auch nicht daran beteiligen – solange man kein B6+ ist.
@Klabautermann
Da ging es eher um bewusstes Ausbremsen unerwünschter Dinge und Büropolitik
Hmmm… Ich meine ja dass auch hier der Kulturwandel hin zum „vom Einsatz her denken“ nicht schlecht wäre. Aktuell ist n.h.E. ein großes Manko dieses „verwaltungssichere Handeln“. Nur weil man ggf. Bedenken hat einen „auf den Deckel“ zu bekommen.
Dass dann das Spiel mit „ich zeichne das nicht mit…“ auch damit erledigt sein könnte, wenn einer sagt: „ich bin verantwortlich, ich meine das ist richtig, wir machen das so“ kommt im System ggf. nicht gut an. Klar, ist nicht einfach. Und drüber reden ist auch toll. Ohne diese „Probleme“ hat man den ganzen Tag… [den Rest des Satzes hat der Zynismus-Filter von AG.net geschluckt ;-) ].
Wer bei Verstand ist, wechselt angesichts der Zustände in unserer trägen und weltfremden Verteidigungsbürokratie ohnehin in die Privatwirtschaft. Mehr Geld und endlich einmal wieder einmal Wirkung vor Deckung…
Ja, schönes entlarvendes Titelzitat: „Der Druck ist viel höher“. Genau, weil es an der Spitze von so einem Ministerium wie diesem, anders als in der Beraterbranche, darauf ankommt, nicht nur eine rasche Auffassungsgabe zu haben, dialogfähig und eloquent zu sein sowie „Power Point-Filme mit dreistellger Folienzahl“ an einem Tag zu erzeugen bzw. – ebenfalls zitiert – „top-down zu arbeiten“, sondern tatsächlich innerhalb oftmals kurzer Zeit ernsthaft tragfähige Ansätze als Zielvorgabe einzusteuern und durch den eigenen Apparat umsetzen zu lassen – und nicht lediglich andere zu beraten „wie es besser gehen könnte“. Und das ist ziemlich fordernd, weil man dazu einerseits abstrakt-funktional denken und auch seine Zielvorgaben so einsteuern muss, andererseits eine gewisse „Ahnung von der Sache“ haben sollte und nicht zuletzt die ungefähr 2000 Personen im Wehrministerium tatsächlich führen muss. Ansonsten muss man halt „nachsteuern wenn ein großes, lange angekündigtes Konzept erst sehr spät auf den Tisch kommt“. Führen mit Zielvorgaben, oder „Führen mit Auftrag“, wie die Militärs sagen, ist doch eine soldatische Tugend, die man im Verteidigungsministerium im Umfeld von Frau Dr. Suder beherrschen sollte. Und wenn nicht: „Reden hilft“, man sollte nur vorher klar machen, worüber und wie sich die „Ausgangslage“ darstellt, bevor der „Lösungsraum“ zu groß wird.
@Noch ein Leser
Ich habe Kollegen in die Privatindustrie wechseln sehen. Etliche wollten wieder zurück. Klar, gibt es mehr Geld. Aber der Wind dort weht sehr viel schärfer als in Bundesbehörden.
Da ist ein Kernproblem des öffentlichen Dienstes: Nieten kann man nicht loswerden, außer durch Beförderung. Mit dem Loswerden fackelt die Privatindustrie nicht lange.
@ Handheld | 06. Juni 2016 – 17:40:
„Hmmm… Ich meine ja dass auch hier der Kulturwandel hin zum „vom Einsatz her denken“ nicht schlecht wäre. …“
Diese hohle Phrase „vom Einsatz her denken“ war und ist der größte Blödsinn überhaupt. Ein Deckmantel für Schüsse aus der Hüfte, Planungshorizont von Einsatz zum nächsten Einsatz – wenn’s hoch kommt. Da kommen dann solche irreführenden, aber als Entscheidungsgrundlage herangezogenen Feststellungen ohne Belang oder krasse Fehleinschätzungen raus wie „die Taliban haben keine Flugzeuge“, „der Kampfpanzer hat ausgedient“, „das Heer benötigt keine Sperrbefähigung gegen Panzerverbände“, „Breite vor Tiefe“ etc..
Irrsinn im wahrsten Sinne des Wortes und geradezu eine Bedrohung für die Einsatzfähigkeit der SK.
Hans Schommer
1. Frau Dr. Suder macht das wofür vdL sie geholt hat. Irgendwie dafür sorgen, dass die Bundeskanzlerin ihr nicht das Vertrauen aussprechen muss. Hat bisher geklappt und wird wohl auch noch bis zum Ende der Legislatur funktionieren.
2. Das macht sie auch relativ gut. Alles was Richtung Parlament oder auch mit dem Interview in die Öffentlichkeit kommuniziert wird hat den Grundton: Seht her, jetzt werden die Probleme angepackt.
3. Ja der Eingeweihte weiß, daß vieles von dem was angekündigt wurde so nicht funktioniert.
4. Die direkte Kommunikation, zuzüglich zum Dienstweg musste unter vdL/Suder/Hoofe etabliert werden, denn eines haben die drei gemein. Sie alle besitzen kein Netzwerk im BMVg oder der Bundeswehr. Hat man „im System“ gewachsene Sts holen die sich eben die ein oder andere Information aus ihrem Netzwerk. TdM mit S.B. hatte das ja komplett verschlafen. Unter Minister zu Guttenberg mit Sts Otremba bestand da ein ähnliches Problem, wobei Sts Wolf da wohl viel abfing. Planungsstab gibt es ja auch nicht, der Themen leitungsgerecht und mit Überblick vorbereitet.
5. Das nachsteuern müssen kommt zu oft, weil Weisungen von ganz oben bis nach ganz unten ohne zusätzliche Informationen durchschlagen. Dem Bearbeiter fehlt ganz einfach oft Kontextwissen. Sollte man bei dem Bildungsgang eigentlich wissen.
6. Unternehmensberater werden oft geholt um komplexe Systeme (mehrere Eingangsvariablen) zu analysieren und dann dem Auftraggeber zu sagen, was er machen muss, damit insbesondere 1-2 Ausgangswerte sich einem neuen Zielkorridor nähern. Um das zu erreichen werden meist irgendwelche Linearitäten proklamiert. Günstigenfalls reagiert das System zeitich begrenzt linaer und man feiert daher erstmal Erfolge.
7. Insbesondere das BMVg/Bw ist im Zusammenspiel mit Politik, Industrie und den zu beachtenden Normen überkomplex. Manch Problemstellung ist zudem überbestimmt. Das System reagiert nicht linear.
8. Da kommt nun die Crème de la Crème der „Weltversteher“ und stellt fest, daß es wohl nicht so einfach zu lösen ist. Als Teil der Lösung wird dann angeführt, man müsste nur noch mehr aus der Wirtschaft rüber holen. Alles Leute ohne Netzwerk im Ministerium/Bw.
9. Die eigentliche Lösung von Problemen, wie in 7. besteht darin, Handlungsfreiräume zu schaffen. Nur dazu hat man weder das Personal, noch will der Bundestag diese Freiräume gewähren.
10. Ja, das Personalmanagement der Bw ist irgendwie dysfunktional. Die Weisungslage der Abt. P verschärft das Beamtenrecht an einigen Stellen ja zusätzlich, insbesondere was Stehzeiten auf Verwendungen betrifft. Ganz ketzerisch könnte man aber mal fragen, wie denn der Dr. Scherf auf eine B6 gesetzt werden konnte, wo doch das System so starr ist. B9+ ist klar, da zählt das als politischer Beamter. In Zusammenhang mit 8. muss man sich dann schon fragen, auf was für Planstellen man die Industriefachleute setzen möchte. Auf A12, A13, A14 oder A15, allerhöchstens A16. Das wäre wohl das Äquivalent was die Anforderungen angeht.
@JPeelen:
Ich habe auch schon Stimmen aus der Industrie gehört, die sich so äußerten, dass das Personal bei Ihnen nicht so sehr auf Verschleiß gefahren werden würde wie im BMVg, Teilen des Projektmanagements BAAINBw und BAIUDBw.
@klabautermann:
Bei dem Rückgriff auf die fachliche Kompetenz (welche ja weiterhin ausgehöhlt wird) bleibt eben jener im Rahmen einer 4-6 wöchigen Fristsetzung für den Auftrag im BMVg manchmal dann doch nur ein Tag. Verstößt eigentlich gegen die GO, juckt aber niemanden mehr.
@Woody
Wenn es denn mal wenigstens ein Tag wäre… oft genug erlebt, dass sich alle zwischenebenen so großzügig gepuffert haben, dass die Arbeitsebene, die die eigentliche Frage fachlich beantworten soll, den Auftrag 19 oder 20 Uhr reinbekommt und am nächsten Tag um 9 Uhr Termin hat. Das heisst im Normalfall bleiben den meisten dann 1,5 Stunden.
Das geht so weit, dass man auch bisweilen aus Kommandos aufgefordert wird, doch Unterlagen rückwirken zu begradigen (sprich: zu fälschen), um bestimme Probleme beschleunigt zu entsorgen.
Der ganze Laden ist eigentlich ein Fall für den Staatsanwalt und nicht für die Landesverteidigung, aber es traut sich eben keiner da ran…
@Kerveros
Leider wahr.
Immer wieder „sehr beliebt“ – und nicht vollkommen selten -Auftragseingang Freitag 09:00, Vorlage Montag drauf 11:00.
Da hilft dann nur noch copy/paste aus schon abgesegneten Alt-Texten und freundliche Formulierungen der Marke „wie Sie wollen“, da Ungehorsam ja ausscheidet.
.. und die gesamte Kette in Stab-Linie oder Matrix weiß, wie die Entscheidung zusammengeschustert wurde …
@Woody
Hervorragender Kommentar – mal wieder.
Hinzu kommt, dass die von Ihnen angesprochenen (alten) Kompetenz- Netzwerke schon lange nicht mehr existieren – sind aufgelöst worden oder haben sich aufgelöst. Strategischer Knieschuß gerade im Bereich Rüstung war die Auflösung der TSK-Weiterentwicklungsabteilungen – dieses Netzwerk war wohl zu kompetent /SARC
Das „Freitags-Syndrom“ schlug früher nicht schon um 09.00 zu, sondern zumeist erst gegen 13.00 – aber da gab es ja noch einen Planungsstab und der war 7/24 letztendlich „in der Pflicht“ für die Leitung.
Zwei einhalb Jahre ist Frau Suder nun im Ministerium und mit sehr großen Worten und viel Vorschusslorbeeren gestartet. Von Anfang an war ich immer wieder erstaunt, wie positiv ja fast schon schwärmerisch Kollegen von Veranstaltungen berichteten wo sie Frau Suder live erlebt hatten. Alles was ich sehen konnte waren Ankündigungen. Was an Produkten bisher geliefert wurde sind, wieder nur Worte. Das an sich nicht falsch, aber es ist die Art und Weise der Worte. Das Zielbild Rüstungsmanagement das Ende letzten Jahres veröffentlich wurde ist eine Ansammlung von Allgemeinplätzen die praktisch auf jeden Lebensbereich angewendet werden kann. Das Beste was man darüber sagen kann, ist das dies nicht falsch ist. Es ist aber auch uninspiriert, gibt keine Richtung vor und nimmt den angesprochenen Bereich nicht mit. Noch schlimmer wurde, das Ganze durch den anschließenden kaskadierenden Workshop zu diesem Thema im Rüstungsbereich. Ehrlich gesagt fühlte ich mich als von der Bw systematisch zum Führer ausgebildeter Mensch von der Plattheit der vermittelten Inhalte verarscht. Wenn das was dort als Zielbild vermittelt (bzw.“selbst erarbeitet“) wurde nicht zum Großteil bereits in den Köpfen aller Mitarbeiter mit verankert ist, haben wir im Bereich AIN ein größeres Problem als ich mir jemals träumen ließ. Das dies so auf der Arbeitsebene ankam, mag daran liegen, dass man für die kaskadierenden Workshops genaus die Informationsstränge nutzte die bereit zuvor mehrfach als nicht hinreichend funktionierend identifiziert wurden. Schlimmer wiegt allerdings noch, dass die wenigen positiven Anteile des Zielbild Rüstungsmanagements, tagtäglich ad absurdum geführt werden. Man solle sich trauen rasch zu innovativen Lösungen zu kommen, auch wenn dies das Risiko erhöhe auch mal einen Fehler zu machen, bzw. bestehende Regelungen kreativ auszulegen. Realität ist, dass in der zeitlichen Folge nun für jede Dienstreise separat beantragt werden muss, dass das Notebook mitgeführt werden darf. Realität ist, dass aufgrund „kreativer“ Auslegung von Vorschriften Bw-Beschäftigten mit gültiger ziviler Fahrerlaubnis aber ohne mitgeführte Selbstfahrer-Erklärung das Fortsetzen der Fahrt untersagt wird. Realität ist, dass als Folge jeder Bedienstete der Bw der ab und zu ein Dienstfahrzeug (handelsüblich) nutzt nun eine entsprechende Bw Fahrerlaubnis braucht. Realität ist, dass statt einer dringend nötigen Überlappung mit Übergabe bei hochspezialisierten Dienstposten im Rüstungsbereich die Druchschnittliche Vakanz 12 Monate beträgt. Die Realität ist, dass die Reaktion darauf nicht etwa die Erklärung ist, dass dies in höchstem Maße unzweckmäßig ist und schnellstens abgestellt werden muss, sondern man die Vakanzzeit innerhalb eines nicht näher spezifizierten Zeitraumes auf 8 Monate reduzieren möchte.
Als klarer Eindruck bleibt, die Leitung im BMVg hat jegliche Bodenhaftung verloren. Die Maßnahmen beschränken sich so weit auf die Einführung neuer Managementtools, Prozesse und die erneute Umstrukturierung sowie Neuaufstellung von Bereichen. Die Resultate sind Steigerung des Zuständigkeitschaos, galloppierender Kompetenzverlust und natürlich die Übernahme ziviler Prozesse bzw. die Übergabe von Verantwortung an die Industrie als Allheilmittel. Somit komme ich zum Schluss,dass wir uns derzeit noch im Bereich der ersten fünf Artikel des rheinschen Grundgesetzes befinden, bevor wir uns den Artikeln 6-9 zuwenden und uns schließlich ausgiebig Artikel 10 und 11 hingeben.
Nach Einschätzung des Wehrbeauftragten wird der Invest-Anteil des EPl. 14 kommendes Jahr lediglich um 150 Mio EUR ansteigen. Offenbar ist das der Regierungsentwurf zum Haushalt 2017 (Von der Leyen fordert Investitionen in Sicherheit, sat1.de)
Wie war das mit der Trendwende und der Vorlage?
@ex Soldat
Das Gegenteil ist sogar der Fall. Unter der Verantwortung von Frau Suder vergibt das BAAIN Aufträge an die Wirtschaft obwohl die Bw selbst ihre Einsatzwichtigen Inst- und Werfteinheiten nicht auslasten kann. Es gehen weiter Fähigkeiten und Ressourcen verloren.
Das ist der eigentliche Skandal.
Die Industrie und Beratungsfirmen bekommen unmengen an Geld durch das BMVg in den Rachen geworfen. Mittelstand und Bw werden weiter geschädigt und in ihren Fähigkeiten eingeschränkt.
@ Ex-Soldat
Der wichtigste Punkt bei der Umstrukturierung des BWB zum BAAINBw wurde anscheinend vergessen: „der gesunde Menschenverstand“ !
Dies ergibt sich aus dem bürokratischen Klein-Klein in unwichtigen Dingen (Bw-Fahrerlaubnis für Dienstfahrzeuge, Dienstreise beantragen, Notebook mitführen usw.) und der Großzügigkeit bei teuren Industrievergaben.
Anstatt auf die Kompetenz der eigenen Mitarbeiter zu bauen, wenn man sie nur selbstständig im Sinne der Rüstungsbeschaffung und nicht der Wirtschaftsförderung agieren ließe, wird das BAAINBw auf die Terminologie und den Prinzipien der „Beraterrepublik“ umgerüstet.
Aber ehrlich gesagt, wenn ich eine erfahrene Beraterin von Mc-Kinsey einstelle kann ich auch nicht erwarten, dass die wie ein gewachsener Lebenszeitbeamter, z.B. ein leitender Rüstungsdirektor, agiert.
Das Resultat sind eben schöne Worte, die jedoch meistens nicht wahr sind.
Die unschönen Worte, dass z..B. die Bw von der Industrie weiter über den Tisch gezogen wird bei den Entwicklungs- und Beschaffungsverträgen unter Vernachlässigung der eigenen Ressourcen und Kompetenzen (siehe @ Zimdarsen) sind zwar wahr, nur will sie keiner hören, leider.