Das G36-Drama, nächster Akt: Heckler&Koch klagt vor Gericht (Neufassung)

20160331_Saber_Junction_Bundeswehr_G36-2A

Der Streit um die derzeitige Standardwaffe der Bundeswehr, das Sturmgewehr G36, geht in die nächste Runde. Vor dem Landgericht Koblenz begann am (heutigen) Freitag ein Zivilprozess, den der Gewehrhersteller Heckler&Koch angestrengt hat: Das Unternehmen will mit einer so genannten negativen Feststellungsklage vom Gericht feststellen lassen, dass die Waffe eben nicht die Mängel hat, die das Verteidigungsministerium öffentlich erklärt hat. Und zum Prozessauftakt ließ das Gericht durchblicken, dass es offensichtlich geneigt ist, der Haltung der Firma zu folgen, wie dpa berichtet:

Richter Ralph Volckmann sagte am Freitag, die Kammer würde nach ihrer vorläufigen Rechtsauffassung der Klage des Herstellers Heckler & Koch stattgeben. Eine endgültige Entscheidung werde am 2. September nach einer abermaligen Stellungnahme beider Parteien verkündet.

Damit könnte dem Verteidigungsministerium eine Schlappe drohen – allerdings will auch das Ressort von Ursula von der Leyen nachlegen: In der kommenden Woche soll den Abgeordneten des Verteidigungsausschusses ein weiterer Bericht zu den technischen Untersuchungen des G36 zugehen. Darin sollen angeblich die vom Ministerium erkannten Mängel der Waffe bestätigt werden.

Im vergangenen Jahr hatte sich von der Leyen öffentlich darauf festgelegt, dass das G36 in der derzeitigen Konstruktion in der Bundeswehr keine Zukunft habe und durch ein neues Sturmgewehr ersetzt werden solle. Allerdings wird die Ausmusterung der rund 170.000 Waffen in der Truppe und der Ersatz sich über Jahre hinziehen.

Kern der Auseinandersetzung ist zum einen die Frage, ob das Sturmgewehr bei hohen Temperaturen und vor allem nach einer Vielzahl von Schüssen nicht mehr präzise trifft. Aber anderseits auch, ob der Hersteller in den 1990-er Jahren das geliefert hat, was die Bundeswehr damals bestellt hatte. Denn von den heftigen Gefechten, die in Afghanistan im Kampf gegen die Taliban die Waffe an ihre Leistungsgrenze brachten, war bei der Entscheidung für die Einführung des G36 als leichte Waffe für eine Wehrpflichtarmee nicht die Rede.

Vor allem den Punkt, ob das Sturmgewehr die vor zwei Jahrzehnten gültigen technischen Lieferbedingungen erfüllt,  will Heckler&Koch vor Gericht klären lassen, wie das Unternehmen schon vor fast einem Jahr angekündigt hatte:

Heckler & Koch und Koch lässt Mangelfreiheit des G36 gerichtlich klären
Nachdem das Beschaffungsamt der Bundeswehr (BAAINBw) am 10. Juni 2015 gegenüber Heckler & Koch Gewährleistungsforderungen wegen angeblicher Mängel des Sturmgewehrs G36 erhoben hatte, hat das Unternehmen nun eine negative Feststellungsklage beim Landgericht Koblenz eingereicht. Ziel ist es, gerichtlich verbindlich feststellen zu lassen, dass die behaupteten Sachmängel nicht bestehen.

Das Thema hat sich jedoch ohnehin von der Sachebene – welche technischen Probleme hat das G36 tatsächlich, und wie wirkt sich das auf die Nutzung der Waffe aus? – längst auf eine politische Ebene verlagert. Der frühere Grünen-Bundestagsabgeordnete Winfried Nachtwei, der als Co-Vorsitzender einer Kommission die Auswirkungen  im Gefecht untersucht hatte, brachte das im Interview mit dem ARD-Kollegen Christian Thiels auf den Punkt:

Ich vermute, dass ausschlaggebend wirklich waren: Schnitt machen gegenüber einem Rüstungsgut, was nicht mehr unter Kontrolle war – medial. Das Thema sollte zu Ende sein. Dass gleichzeitig dabei Vertrauen von Soldaten in der Hinsicht – gelinde gesagt – nicht berücksichtigt wurde, das steht auf einem anderen Blatt.

Wer den bisherigen G36-Streit in den Details nachlesen will: hier zur Sammlung der Einträge auf Augen geradeaus!

Nachtrag: Der SpOn-Kollege Mathias Gebauer war in Koblenz im Gerichtssaal, sein Bericht hier: Problemgewehr G36: Von der Leyen droht Pleite vor Gericht

(Archivbild: German soldiers of 12th Armored Brigade, 10th Panzer Division prepare to clear a room while conducting urban operation training during exercise Saber Junction 16 at the U.S. Army’s Joint Multinational Readiness Center in Hohenfels, Germany, March 31, 2016 – U.S. Army photo by Spc. Lloyd Villanueva)