Seltene Wortmeldung aus Deutschland: Wieder über nukleare Abschreckung reden
Die nukleare Abschreckung von Seiten der NATO ist für die deutsche Politik ein ziemliches Nicht-Thema. In der Regel wird die Debatte darüber ungern geführt, weil man in der deutschen Öffentlichkeit damit nicht punkten kann. Deshalb fällt um so mehr auf, wenn jemand, der zwar kein Politiker ist, aber in strategischen Fragen das Ohr der Politik hat, dieses Thema erneut aufbringt.
Karl-Heinz Kamp, seit Oktober vergangenen Jahres Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, hat das in einem Kommentar für das US-Fachportal Defense News getan. Das Bündnis, fordert er, müsse gerade gegenüber Russland seine Atomwaffen wieder als Teil der Abschreckung verstehen:
NATO’s nuclear consensus, enshrined in the 2012 “Deterrence and Defense Posture Review,” was based on the condition that Russia is a partner of NATO who will not employ its nuclear posture against the alliance. These conditions, plus a number of other basics of the previous nuclear debates, are no longer valid. (…)
In light of these changes, NATO cannot avoid reopening the nuclear dossier to reassess the needs for nuclear deterrence in the “Article-5 world,” even if some allies hesitate for political and domestic reasons.(…)
At the Warsaw summit, member states should agree on wording that highlights the need for nuclear deterrence against any threat to NATO territory, in order to reassure the allies in Eastern Europe. Given the profound changes ignited by Russia annexing the territory of a sovereign European state, just repeating previously agreed language would not be appropriate.
After the summit, NATO should initiate a comprehensive nuclear debate comparable to the process that led to the Deterrence and Defense Posture review. This debate should focus on the questions of how to get a consensus in NATO on the future role and relevance of nuclear deterrence.
Kamp ist nicht nur der erste Zivilist, den das Verteidigungsministerium an die Spitze der BAKS gesetzt hat. Er war auch Forschungsdirektor am NATO Defense College in Rom und Mitglied der Beratergruppe für das neue strategische Konzept der Allianz.
Nun muss man Kamps Meinung nicht teilen – aber auffällig ist schon, dass er sich zu einem Thema zu Wort meldet (noch dazu in einer internationalen Publikation), zu dem sich in Deutschland in der innenpolitischen Debatte niemand so recht zu Wort melden mag. Wie auch aus dem öffentlichen Umgang mit dem Thema nukleare Teilhabe der Bundeswehr insgesamt deutlich wird – zum Beispiel bei BMVg-Sprecher Jens Flosdorff vor der Bundespressekonferenz am 20. Januar dieses Jahres:
Frage: An das Verteidigungsministerium – und gegebenenfalls auch an Herrn Schäfer -: Sie haben ja gestern die Militärische Luftfahrtstrategie 2016 vorgestellt. Im Entwurf vom Dezember war noch die nukleare Teilhabe als vorzuhaltende erforderliche Fähigkeit aufgelistet; jetzt ist sie es nicht mehr. Warum?
Flosdorff: Die Militärische Luftfahrtstrategie ist ein wichtiger Teil des Modernisierungsprozesses der Bundeswehr. Sie enthält klar und transparent, welche Fähigkeiten wir in der Dimension Luft haben, was wir künftig brauchen, welche Anforderungen wir haben. Das ist ein Erklärstück, das für die interessierte Öffentlichkeit gedacht ist, soll aber auch als Orientierungspunkt für die Industrie weit in die Zukunft hinein dienen.
Dass der von Ihnen angesprochene Punkt darin nicht aufgeführt ist, heißt nicht, dass das keine Rolle spielt, sondern hat einfach damit zu tun, dass das ein öffentlich zugängliches Dokument ist und wir es hier mit Informationen zu tun haben, bei denen wir sehr schnell in einen Bereich hineinkommen, der der Geheimhaltung unterliegt.
Nachtrag: Zu dieser Debatte passt der Eintrag von War on the Rocks:
Three Minutes to Midnight: Closer to Nuclear Conflict Than We Think
While at Stanford last month, we had a long conversation with former Secretary of Defense William Perry about the nuclear dangers facing the world. We were struck by his provocative and frightening outlook: that the possibility of a nuclear catastrophe today is greater than it was during the Cold War. North Korea’s recent bluster only underlines the dangers.
Nachtrag 2: Oliver Meier von der Stiftung Wissenschaft und Politik weist mich zu recht darauf hin, dass es von ihm im vergangenen Jahr auch ein SWP-Papier dazu gab:
Deutschland und die nukleare Abschreckung – Zwischen Ächtung und Aufwertung von Atomwaffen
(Archivbild Oktober 2015 – BAKS)
Dann kommt ja die Modernisierung der B-61 und damit die Aufwertung der deutschen nuklearen Teilhabe laut Hr.Kamp gerade zur rechten Zeit ?!
Wie weit sind denn die Baumaßnahmen in Büchel fortgeschritten und wann kommen die neuen „Sonderwaffen“ in der Eifel an?
Schon passend für unsere „Sipo“, dass Berlin nichts zu diesem wichtigen Thema kommuniziert.
Macht durchaus Sinn wieder mal über Atomwaffen zu reden.
http://defense-update.com/20160309_north-korea-unveil-miniaturized-nuclear-warhead-for-missiles-2.html
Jens Schneider:
Da wurde sogar einiges kommuniziert.
Russische Modernisierung des Atomwaffenarsenals = böse, aggressiv.
Amerikanische Modernisierung des Atomwaffenarsenals = technisch notwendig.
Ich weiss nicht, ob man dieses Thema an die große Glocke hängen muss.
Die Russen wissen, dass es diese Teilhabe gibt. Die Russen wissen auch, dass die B61 modernisiert wird. Und wir wissen, dass die Russen es wissen.
Reicht doch.
Eine wirksame konventionelle Aufrüstung und das Gespräch darüber wären in meinen Augen ein wesentlich wichtigeres Zeichen.
Zitat Flosdorff: „[…] Bereich hineinkommen, der der Geheimhaltung unterliegt“
Eben, darf man über das Nuclear Sharing Thema überhaupt reden? Wie es scheint ja. War ja auch meine Sorge zum Thema Russland-Türkei Eskalation und Inkirlik in der Südtürkei.
Da gibt es wohl noch einen „Keller“ mit, man behauptet 82 Gegenständen, welche sehr gut zur JaBo-Eigenschaft des Tornado passen.
Daher sagte ich damals, dass Inkirlik von den Russen zuerst ausgeschaltet werden würde.
Nochmal, darf man über das Thema „Nuclear Sharing“ nun reden oder nicht?
„Das Bündnis müsse seine Atomwaffen als Teil der Abschreckung sehen“
Ja als was denn sonst? Es mag ja in der Öffentlichkeit nicht gerne diskutiert werden, aber das bedeutet doch nicht, dass man sich dessen nicht bewußt ist.
Europa hat mit GB, FR und den USA Staaten mit Atomwaffen in Europa.
Das ist ein Fakt.
Fakt ist auch, dass die US-Atombomben in Deutschland nicht abgezogen, sondern modernisiert werden. (27.11.2014, http://www.tagesspiegel.de)
“ Theisens Wunsch, den Oberst, der seine Strafverfolgung initiiert hatte, als Zeugen vor Gericht zu hören, lehnte Müllner ab. Begründung: Die Frage der Stationierung dieser Waffen unterliege „der Geheimhaltung“.“
19.02.2016 Spon
http://m.spiegel.de/spiegel/vorab/a-1078245.html#spRedirectedFrom=www&referrrer=
@Zimdarsen: Eben, also Klappe halten? Weil wo nix is kann au nix modernisiert werden?
Hi @ all!
Ich bin in den 80ern des letzten Jahrhunderts in WestBerlin aufgewachsen. Ich erinnere mich gut an das beklemmende Gefühl einer konstanten, aber nicht sichtbaren Bedrohung. Hervorgerufen durch Großmächte die sich schwer taten Grenzen zu respektieren, nur aufgehalten durch das Wissen um die Möglichkeit einer vollständigen beiderseitigen Auslöschung.
Mein ganz persönlicher Eindruck unseres großen östlichen Bruders ist, daß er nach den Ereignissen die zum Zusammenbruch des gesamten Ostblocks führten alter Größe nachtrauert und dabei jedes Mittel recht zu sein scheint um diese wieder zu erreichen.
In diesem Kontext erschreckt es mich, das ich bei dem Gedanken an die weitere/erneute Stationierung von Nuklearwaffen eher Vertrauen darin empfinde um Begehrlichkeiten von Russischer Seite eine Grenze aufzuzeigen.
Hat der Schrecken eines Wettrüstens und von automatiserten Weltzerstörungsroutinen sein Potential so schnell verloren?
Haben wir innerhalb von noch nicht einmal drei Jahrzehnten vergessen wie es sich anfühlt auf einem Pulverfaß zu sitzen?
Haben wir in Deutschland vergessen, daß hier bei uns der Nukleare Hammer wahrscheinlich mit am Stärksten zugeschlagen hätte?
Die Bundeswehr meines Wissens nach vor allem dazu da war ein paar Tage Reserve zu bilden bis „echte“ Kampftruppen einsatzbereit wären?
Ich hoffe das ein Weg hin zu einem respektvollem nebeneinader nicht wieder nur über die Drohung einer beidseitigen totalen Zerstörung führt.
Ich wünsche allen Erfolg in ihrem bestreben in einer Welt ohne diese Drohkulissen friedlich miteinander zu leben.
Grüße, Werik Legel
Wo bitte sollte sich ein Deutscher sonst äußern, als in internationaler Fachpresse? Welche DEU Zeitung mit multinationaler Ausstrahlung nähme solches Essay wohl an.
Für mich eindeutig ein innenpolitisches Richtungsschuss, denn den drei NATO-Nuklearmächten muss aus Berlin niemand nukleares Denken – neu – erklären.
Der Chef BAKS agiert selbstverständlich nicht unabgesprochen, bei dergleichen Thematik.
Bedeutet, UvdL hatte ihren grünen Haken mit Paraphe hinter die Schlussfassung des, wie schätze, Namensartikels gesetzt.
Abzuwarten bleibt, wer den Ball aufnimmt, zwischen Balkanroute und Landtagswahlen?
@ Jens Schneider
Also ich bitte sie … vom politischen Establishment würden sich doch die meisten aus lauter Angst vor dem dann unvermeidbaren moralingeschwängerten Gekreische von links außen nicht mal neben einem Kpz, Spz oder einem Eurofighter ablichten lassen. Und da erwarten Sie Wortmeldungen zum Thema nukleare Abschreckung?
@ KPK
Wobei man durchaus sagen muß, daß Herr Kamps einer jener berüchtigten „ThinkTanker“ ist und durchaus in der Vergangenheit Essays und Kommentare verfaßt hat, die das atlantizistische Weltbild widerspiegeln, aber mit den politischen Realitäten und v.a. den öffentlichen Debatten wenig bis nicht kompatibel waren. Dementsprechend: ja, ein auch (und vielleicht sogar primär) innenpolitisch motivierter Richtungsschuß, aber wohl nicht nur. Und sollte die IBUK das so abgesegnet haben, dann geht das ganz klar gegen Steinmeier und die SPD, die ja immer noch nicht wahrhaben wollen, daß zum „Reden“ (mit Russland) auch immer zwei gehören. Wahlkampfauftakt über die Landtagswahlen hinaus?
Aber aufnehmen werden den Ball nur die üblichen Verdächtigen: die ganz Linken, die moralingeschwängerten Grünen, die Aufschreier und Empörungsrhetoriker. Das faßt keiner aus der Regierungskoalition auch nur mit einer 10m Kneifzangen an, es sei denn er wettert dagegen.
@csThor
Genau!✔
SapereAude | 10. März 2016 – 14:49
Naja , die russische Verbesserung insbesondere der Raketen- Marschflugkörper (ganz neue Qualität von Trägersystem) jetzt mit der Modernisierung von Atombomben gleichzusetzen ist schon ein wenig weit hergeholt
Die Frage, was mit dem Deutschen Beitrag zur Atomaren Teilhabe passiert wenn die Tornados ausgemustert werden hat Herr Kamp aber nicht beantwortet. Oder ist da schon irgendwas angedacht ?
Die Eurofighter können die B-61 ja nicht tragen soweit ich weiß ?!
Der von Fr.UvdL groß angekündigte Ersatz der Tornados?!
Das würde mich aber wirklich wundern wenn dort im zukünftigen Anforderungsprofil der Abwurf von B-61 Atombomben (welche ursprünglich 1968 eingeführt wurden) aufgeführt wird :)
ps. laut wiki können die neueren versionen der B-61 ja vom Tornado eh nicht mehr eingesetzt werden.
„F-16 and Panavia Tornado aircraft cannot interface with the new bomb due to electronic differences, but NATO countries that are buying the F-35 will be able to utilize it. The first flight test for an inert B61-12 was conducted in 2015.“
Man sollte da zwei Dinge mit im Blick haben:
1. Die politische Landschaft in Russland ist nicht monolithisch. Wie wir Russland gegenüber auftreten verschafft jeweils der einen oder anderen Fraktion innenpolitisch einen „propagandistischen“ Vorteil.
2. Es gibt eine Menge Länder auf der Welt, die sich fragen, ob sie nicht auch Atomwaffen (oder zumindest Breakout-Fähigkeit oder Teilhabemöglichkeiten) haben sollten, aus Prestige- oder Sicherheitsgründen.
Unser Auftreten beeinflußt, wie dort über diese Frage nachgedacht wird.
Was soll daran neu sein? Realpolitisch ist der Einsatz von Atomwaffen natürlich auch seit Ende des Kalten Krieges immer eine militärische Option geblieben. Erschreckend ist jedoch, dass diese „Abschreckung“ niemanden daran hindert, mit konventioneller Kriegsführung hausieren zu gehen und sogar der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes öffentlich „mehr Abschreckung“ … und „mehr Aufrüstung und mehr Personal für die Bundeswehr“ fordert. Obwohl jedem klar sein dürfte: Ein konventioneller Krieg kann nicht gewonnen werden. Wer soll also mit was und warum abgeschreckt werden? Die aktuelle Sicherheitspolitik sollte verstärkt auf Kommunikation setzen oder ggfls. neu lernen. Im Klartext: Die Politik sollte ihre Hausaufgaben machen. Militärs haben in der Vergangenheit weltweit genug Unheil angerichtet.
Ich denke, es ist wie @koffer hier bereits ausführte – zumindest nehme ich seine Ausführungen als Grundannahme für meine: Man benötigt beides.
Einerseits die nukleare Befähigung als strategisches Asset, um klar zu machen, dass der großangelegte Einmarsch von Truppen in den NATO Raum ernsthafte Konsequenzen nach sich zieht, also klassische nukleare Abschreckung. Ebenfalls ist es natürlich zweckmäßig die eigenen Fähigkeiten einem Gegenüber präsentieren zu können, der selbst mit A- oder B-Waffen, also strategischen Massenvernichtungs- oder Massentötungswaffen, droht bzw. dies beabsichtigt.
Andererseits muss man offen sein für die Beantwortung der Frage: Würde man für z. B. für eine hybride Intervention in Estland oder Lettland einen Atomkrieg führen? Beantwortet man die Frage mit nein, und das halte ich bei allem Respekt für diese beiden von mir zutiefst respektierten Länder für legitim, dann muss man auch konventionelle Antworten parat haben.
P.S.: Ich bin mir bewusst, dass ich mit Lettland/Estland ein plakatives Beispiel wählte. Mir geht es lediglich um Illustration einer Grundsatzüberlegung, nicht um die Skizze eines russischen Schreckensszenars.
@Heinz S.
„Militärs haben in der Vergangenheit weltweit genug Unheil angerichtet.“
Aber wohl nur als „Auftragnehmer“ der Politik. Das Militär setzt sich ja nicht selbst in Marsch, wiewohl das „can do“ oftmals zu optimistisch ausfällt.
Auch daher ist militärische Expertise der Legislative zum Hinterfragen mancher Aussagen wichtig.
Btw., der Tagesbefehl vom InspH war sehr aufschlußreich.
„…russia annexing the territory of a another state …“ hallo ???? auch wiederholungen, auch von herrn kamp, machen aus lügen keine wahrheiten. und diese lüge dann noch mit atomarer vergeltung zu kombinieren … ist geradezu dr stangelove im vollrausch.
s f
@beobachter
Auch, wenn sie vielleicht trollen. Doch, die russische Regierung hat die Krim annektiert.
Und auf eine solche Debatte habe ich wenig Lust.
@beobachter
Stoned with Russian vodka?
@Snowparrot & KPK
Und Israel verletzt die Souveränität des Libanon, die USA und ihre Allianz verletzen die Rechte Syriens, China schafft durch künstliche Inseln neue Einflusszonen usw. usw.
Was ich damit sagen will, alle diese Nationen agieren aggressiv und ich kann alle verstehen welche durch Abschreckung darauf reagieren.
Ja Russland spielt mit harten Bandagen aber der Rest auch. Mit Ruhm ihm Sinne von Verständigung hat sich in den letzten Jahren kaum einer bekleckert.
Vielleicht führt ein neuerliches Wettrüsten irgendwann wieder zu dem Verständnis das verhandeln auf Augenhöhe auf jeden Fall besser ist als gegenseitige Vernichtung.
Just my 2 Cents
@ istegal
Schade, dass die Debatte immer so ändert, dass das Verhalten der russischen Regierung gerecht fertig werden soll…
Die Krim wurde annektiert, dass passierte in den letzten
Jahren nirgendswo anders
Putin hat ein Problem mit unser freiheitlichen Grundordnung und uns davor zu beschützen, dafür ist unsere Bundeswehr da.
Schade, dass die Debatte über nukleare Teilhabe beendet werden soll.
@T.W.
Beiträge, wo Russland auftaucht, wegen Trollgefahr auf moderiert stellen?
Warum sollte die atomare Abschreckung jetzt Thema werden?
Wir machen sie und Russland dürfte das bekannt sein.
Was geschieht wenn man nicht mehr abschrecken kann, wurde in der Ukraine durch die russische Regierung demonstriert.
Ich sehe keinen Anlass, warum es jetzt Thema werden sollte, außer es ginge um das Werben für mehr Geld zum Erhalt der Fähigkeit ;-)
@Zimdarsen
Kleine Korrektur: Die Ukraine leidet nicht an fehlender (nuklearer) Abschreckung, der Ukraine fehlte jede Fähigkeit zum realen (konventionellen) Militäreinsatz.
Ich gehe jede Wette ein, daß eine umgehende Aktivierung der ukrainischen Einheiten auf der Krim und eine zeitnahe Heranführung mechanisierter Kräfte vom Festland den Lauf der Geschichte zugunsten der Ukraine verändert hätten. Die russischen Aktivitäten auf der Krim waren alle darauf ausgerichtet, unterhalb der Schwelle eines formalen Militäreinsatzes zu bleiben. Bei einer Konfrontation durch ukrainisches Militär hätte Rußland entweder Waffengewalt einsetzen müssen und wäre damit zum Aggressor geworden, mit allen internationalen Konsequenzen, oder es hätte seine Kräfte wieder in die Kasernen zurückführen müssen. So blieb alles knapp unterhalb der völkerrechtlichen Schwelle eines Angriffskrieges. Das Fehlen jedweden einsatzfähigen konventionellen ukrainischen Militärs hat das russische Politmanöver erst möglich gemacht.
Letzteres ist eine Lektion, die man in Berlin trotz aller deutscher Regierungsaktivitäten in/um/pro die Ukraine anscheinend nicht gelernt hat oder nicht lernen will. Ein Blick auf die Bundeswehr zeigt es jeden einzelnen Tag.
@zimdarsen
Eher eine Diskussion über die mangelnde Kommunikation dieser ;)
@Snowparrot
Jeden der nicht die einseitige Sicht teilt, Russland = böse, NATO = perfekt, als Troll zu bezeichnen ist doch keine Art eine Diskussion zu führen, oder? Was ich zeigen wollte ist das keine Seite perfekt ist, ich denke darin sind wir uns einig oder?
Ich bin weit davon entfernt Russland als lupenreine Demokratie oder als Ziel für unsere Entwicklung anzusehen.
Doch ich versuche die Beweggründe der russischen Entscheidungen nachzuvollziehen.
Nur mal angenommen es gab die mündliche Zustimmung, das es keine NATO Osterweiterung geben wird nach der Wiedervereinigung, wie sollte eine ehemalige Weltmacht reagieren wenn vor ihrer Haustüre über ihren Kopf hinweg Entscheidungen getroffen werden?
Ja für uns ist die NATO ein Verteidigungsbündnis, aber das die andere Seite das anders sehen könnte und danach ihre Politik ausrichtet ist nachvollziehbar.
Ich würde mich freuen wenn andere Ansichten nicht mit Polemik (Putinversteher etc.) abgebügelt werden sondern man versucht sich sachlich damit auseinander zu setzen.
Jeder hat Vorurteile aber in der Analyse sollte man diese versuchen außen vor zu lassen sonst kommt man immer zu seinem „Wunschergebnis“ und das hat leider wenig Wert.
Um auf das Thema zurückzukommen, NATO nimmt A-Waffen wieder deutlicher in ihre CoA auf, Russland wird vermutlich nachziehen was aber nicht schlecht wäre denn ein Gleichgewicht zwischen den „Blöcken“ führt zu berechenbaren Grundlagen für Verhandlungen auf Augenhöhe.
IstEgal | 11. März 2016 – 10:24
Russland zieht nicht nach, sondern ist bereits seit geraumer Zeit dabei, seine Kurzstreckenraketen vom Typ ISKENDER zu modernisieren und zu stationieren. Das ist m.E. eine ganz andere Qualität als die Erneuerung freifallender Nuklearbomben der USA.
https://de.wikipedia.org/wiki/Iskander_(Rakete)#cite_note-3
@ IstEgal
„Nur mal angenommen es gab die mündliche Zustimmung, das es keine NATO Osterweiterung geben wird nach der Wiedervereinigung[…]“
Da haben wir wieder diese Mär einer angeblichen Absprache. Ein Blick in die Geschichtsbücher würde hier helfen. Warum sollte man im Zuge der Einigung Deutschlands, bei den 2+4 Gesprächen oder sonst wann in der Zeit, über eine etwaige NATO Osterweiterung gesprochen haben?! Zu dieser Zeit existierte die Sowjetunion noch ebenso wie der Warschauer Pakt! Und zu diesem Zeitpunkt ging niemand der politischen Akteure davon aus, das auch nur eines von diesen Beiden kurze Zeit darauf nicht mehr da ist. Ergo: Es gab keinerlei Veranlassung darüber zu sprechen.
Diese politische Mär ist die „Dolchstoßlegende“ des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Sie ist schlichtweg Unsinn!
Gorbatschow höchstselbst hat dies, darauf angesprochen, mehrfach betont, das es keinerlei solche Absprachen gab. Eben weil es, zu dem Zeitpunkt, ein vollkommen absurder Gedanke war.
Und jeder der etwas anderes behauptet hat sich nicht mit der Geschichte auseinandergesetzt, oder will vorsätzlich Lügen.
Man muss ja Dr. Kamps Meinung(en) nicht (immer) teilen – aber immerhin hat er eine (sogar begründete!) und traut sich auch, diese offen und offensiv zu vertreten. Das ist auf diesen Ebenen ja weiß Gott nicht immer so.
Außerdem ist es doch schön zu sehen, dass die BAKS mit ihrem neuen Akademiekonzept nun tatsächlich stärker öffentlich auftritt. Das mit dem neuen P gewandelte Selbstverständnis als Institution, an der SiPo-Debatten auch jenseits der wechselnden Konjunkturen und augenblicklichen Aufregungen öffentlich geführt werden, steht dem Laden ausgesprochen gut. Die neuen Arbeitspapiere, die nun in regelmäßigen Abständen von der BAKS kommen, sind auch nicht schlecht.
Alles in allem ne gute Entwicklung. Mehr davon!
Tja, manche Mythen und Legenden sterben eben nie und neue werden eben passend „geschaffen“. Karl-Heinz Kamp listet in seinem Artikel die mittlerweile sattsam bekannten Argumente für mehr nukleare Abschreckung/Teilhabe auf und bleibt sauber im narrative vom agrressiven Rußland. Damit entwertet er eigentlich die Debatte, denn der eigentliche Grund in der NATO über nukleare Abschreckung/Teilhabe nachzudenken wird – wie man ja an einigen Kommentaren hier feststellen kann – sofort durch eine ideologische pro/kontra-Puter Diskussion überdeckt. Dabei sind die technologischen Entwickungen im Bereich Nuklearwaffen und Raketenabwehr eigentlich Grund genug dieses Thema im Bündnis af die Agenda zu setzen. Iskander, Micro-Nukes aus Kilo III und/oder Randmeerkorvetten sind eben eine ganz andere Qualität als so ein paar B-61mod unter einem deutschen Tornado.Und S-400 und AEGISashore sind auch eine andere Qualität.
Es wird häufig ausgeblendet, daß es die USA war, die 2002 einseitig den ABM-Vertrag von 1972 aufgekündigt hat und daß die Iskander-Raketen erst in Kaliningrad erschienen, nachdem die USA und einzelne NATO-Staaten auf der Errichtung eines Raketenabwehrsystems in Osteuropa beharrten.
Gegenreaktionen sind die Folge politischer Entscheidungen der USA bzw. der NATO. Die historische Erfahrung hat gezeigt, daß man mit der Sowjetunion bzw. Rußland in (nuklear)strategischen Fragen verhandeln und tragfähige gemeinsame Lösungen finden kann, wenn man es denn US- bzw. NATO-seitig politisch will.
@klabautermann
Von wem außer von Russland soll Europa bedroht werden?
Europa benötigt kein Feindbild, es genügt glaubhaft abzuschrecken.
Im konventionellen Bereich ist das mangels Munition wohl eher nicht möglich.
Ob wir dazu US Waffen benötigen oder ob es nicht besser wäre mit Frankreich (da Leidensgenosse) mehr zu kooperieren könnte eine spannende Frage sein.
Europa muss seinen Beitrag in der NATO leisten und im Moment machen die Staaten der EU gerade da eine schlechte Figur. Wir haben ein Org und Management-Problem als ein Atomwaffenthemenzwang.
@klabautermann
„leibt sauber im narrative vom agrressiven Rußland.“ Sie wollen damit ausdrücken, dass die russische Regierung sicherheitspolititsch nicht agressiv verhält? Können Sie sich präziser ausdrücken?
@istegal
„Doch ich versuche die Beweggründe der russischen Entscheidungen nachzuvollziehen.“ Nein, sie verteidigen eine Annexion. Das ist weit aus mehr als „Entscheidungen nachvollziehen“.
Und das man einem vorwirft, in schwarz-weiß zu denken, ist wohl in bestimmten Kreis auch ein Standardargument.
@Adlas-Doe
Wo finde ich die Arbeitspapiere?
@Zimdarsen
Jedes Bündnis hat militärstrategisch einen Org-und Management-Nachteil gegenüber einem militärstrategisch straff und zentral geführten Staat wie z.Bsp. Rußland. Das sollte man eben als Bündnis „auf der Pfanne“ haben und entsprechend einkalkulieren, bevor man sich mit einem global geopolitical competitor regional/lokal anlegt.
@snowparrot
Natürlich ist Rußland aber sowas von aggressiv ! Und nu ? Weiter heulen ?
„Natürlich ist Rußland aber sowas von aggressiv ! Und nu ? Weiter heulen ?“
Die wirtschaftlichen Sanktionen gehen Russland langsam an die Substanz, also heulen braucht hier niemand, einfach abwarten und Tee trinken.
Den Verlust an Kaufkraft wird dort jeder spüren, das BSP ist pro Kopf vom Höchststand 2013 14.447$ auf mittlerweile 8.447$ gesunken, und es ist auch keine Besserung in Sicht. Russland verwandelt sich in ein Armenhaus, und da hilft Putin auch kein Schwächelndes China oder andere Bric Staaten, und der Ölpreis bleibt erstmal niedrig. Das wird sich bald auch im Militärbudget ausdrücken. Erste Einsparungen mussten ja schon vorgenommen werden.
http://de.statista.com/statistik/daten/studie/19415/umfrage/bruttoinlandsprodukt-pro-kopf-in-russland/
@klabautermann
„Jedes Bündnis hat militärstrategisch einen Org-und Management-Nachteil gegenüber einem militärstrategisch straff und zentral geführten Staat wie z.Bsp. Rußland.“
Das habe ich nicht gemeint!
Denn dieser Nachteil wäre nicht optimierbar sonder ist durch andere Vorteile auszugleichen.
Ich spreche von den Verbesserungsfähigen Problemen.
@Zimdarsen
„…..Verbesserungsfähigen Problemen.“ Sorry, versteh Sie nicht.
Irgendwie kommt es mir manchmal vor, als würde internationale Politik nicht verstanden werden.
Es gibt kein gut oder böse, Länder vertreten dort ihre Interessen. Einige weniger aggressiv (Deutschland zb) und andere mehr (Russland, USA zb), aber Weltverbesserung spielt in beiden Fällen keine oder eine sehr untergeprdnete Rolle.
Ja Russlands Annektion der Krim war rechtswidrig, ebenso die Bombardierung von Gaddafis Truppen (man erinnere sich, der UN Beschluss war eine reine Flugverbotszone) und ich finde vermutlich auf beiden Seiten noch mehr Beispiele ebenso wie für China und andere Länder.
Internationales Recht interessiert nur solange wie man der Meinung ist, es nicht ungestraft brechen zu können. Mal davon abgesehen, dass es so wachsweich ist dass man da quasi alles reininterpretieren kann, wie zb den deutschen Marine Einsatz in der Ägäis als Art. 5 des NATO Vertrages zu definieren.
Um es mit Egon Bahrs Worten zu sagen: „In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.“
Was die nukleare Abschreckung angeht, der einzige Unterschied zum kalten Krieg ist, dass das Thema in der Presse und damit auch in der Öffentlichkeit nicht mehr groß thematisiert wurde. Die gegenseitige Aufrüstung ging auch in den letzten 20 Jahren weiter, in Russland zb durch die nuklearen Iskander oder neue ICBMs (RSM-56 Bulava), auf NATO Seite durch nuklearfähige B2-Bomber oder Verbesserungen des Tomahawk Marschflugkörpers.
Das Upgrade der in Deutschland staionierten B61 spielt da vermutlich eine vollkommen untergeordnete Rolle.
Aber auch Dinge wie Raketenabwehr Systeme gehören dazu, da sie -obwohl keine Atomwaffen- das gegenseitige Gleichgewicht ändern und nukleare Abschreckung nur funktioniert, wenn man glaubhaft die Trägersysteme besitzt um sie auch zum Feind zu bringen. Jede Seite wird immer versuchen, die andere zu kontern. Da gibt es kein „aber der hat angefangen“, es heist nicht umsonst die LOGIK des kalten Krieges, die im Ernstfall die vollständige gegenseitige Vernichtung beinhaltet (MAD – Mutual assured destruction).
Von daher nichts Neues, auch nicht dass dieses Thema in der deutschen Politik nicht diskussionsfähig ist.
@klabautermann
„…..Verbesserungsfähigen Problemen.“
Sie erläutern, dass jedes Bündnis Machteile gegenüber einem straff und zentralgeführten Staat hat……..und wenn das so ist, dann kann man wohl nichts machen. Denn es ist ja wohl ein prinzipielles Problem.
Dennoch gibt es viele Probleme/ Handlungsfelder im Org- und Managementbereich in unserem Bündnis, welche man optimieren kann.
„Ich gehe jede Wette ein, daß eine umgehende Aktivierung der ukrainischen Einheiten auf der Krim und eine zeitnahe Heranführung mechanisierter Kräfte vom Festland den Lauf der Geschichte zugunsten der Ukraine verändert hätten“
In Kiew hat eine Putsch Regierung die Macht Übenommen und die Köpfe des Sicherheitsapparates waren in Teilen auf der Flucht oder wussten nicht wie es weiter geht. Diese Interne Verwirrung der Ukrainer haben die Russen ausgenutzt und sich die sehr Pro Russisch gestimmte Krim geholt. Dumm gelaufen für Kiew und dessen Putsch Freunde im Westen.
Wie man zwei Jahre nach den Putsch sieht, hat sich der Westen an der Ukraine verhoben. Man hat nicht einmal im Ansatz die Kleptokratisch Oligarchische Machtstrukturen in der Ukraine aufbrechen können, um notwendige Veränderungen für die Integration ins Transatlantische Bündnis einzuleiten. Die Seilschaften um Janukowitsch machen sich schon Rückkehr Hoffnungen. In Kiew bekommt man nicht mal eine notwendige Regierungsumbildung mehr hin und es drohen die Devisen auszugehen um die Staatspleite abzuwenden. Immer mehr im Westen wollen den alten Status der Ukraine zurück, was aber nicht mehr möglich ist. Der Westen hat in der Ukraine sehr viel mehr Geld im Feuer stehen als Russland. Wie es in der Ukraine weiter geht ist sehr fraglich. Ohne Investoren wird sich das Handelsbilanzdefizit der Ukraine wohl ausweiten, bloß Investoren aus Ost oder West haben die Euromaidaner auf Jahre hin verprellt. Um das eigene Scheitern in der Ukraine zu überdecken, werden jetzt die Kalte Kriegs Rhetorik raus geholt. Die Weitere Ost Expansion hat USA u. EU nach den Ukraine Debakel aufgegeben.
Yes, we can’t!
http://www.nzz.ch/international/yes-we-cant-1.18710784
@Klabautermann
Dann lieber das Original:
http://www.theatlantic.com/magazine/archive/2016/04/the-obama-doctrine/471525/
… und ansonsten geht es schon ein wenig Richtung OT?
Wobei, Obama hält – zurecht – Libyen für eine Shit-Show, Erdogan für einen Fail und die Saudis einen Frenemy. Ergo, nüchterne Intel in Langley und Illusionen bei uns.
Danke @Whisky Hotel für die klaren Worte, erstmal ein Glas von der August 2010 Edition. Und dann her mit der Bombe, da hören sich aussenpolitische Argumente schon viel besser an… /SCNR
Vielleicht sollte man sich darüber Gedanken machen, dass Russland eben NICHT wirtschaftlich ausgesessen werden sollte… erstens ist Russland der wichtigste Energielieferant Deutschlands (Versorgungsengpass, anyone?) und zweitens sollte man sich fragen, wer die russischen Nuklearwaffenarsenale bei einem ungeordneten Staatsbankrott sichert.
Wenn Russland wirtschaftlich und als Staat kollabiert, geht das an uns nicht schadlos vorüber. Sowohl an Deutschland als auch an der Weltwirtschaft.
Eine Frage zur nuklearen Abschreckung auf europäischer Ebene: gibt es nicht bezüglich der nuklearen Gefechtsfeldwaffen der Russen, die ja auch in den großen Manövern der der russischen Armee in den letzten Jahren massiv beübt wurden, ein gewisses Ungleichgewicht in Europa? Hat die NATO dem etwas entgegen zu setzen und ist die demonstrierte Integration dieser Waffen in die Gefechtsführung durch Russland nur Show mit innenpolitischer Motivation oder bietet das Ganze auch ein gewisses Erpressungspotential?
@DeltaR95
Es ist schon diverse Staaten pleite gegangen, ohne dass die Welt untergangen ist.
Und niemand möchte ein unsicheres Russland: Weder ein undemokratisches Russland, dass die Krim annektiert, noch ein Anarchorussland.
Ich wünsche mir ein demokratisches, wohlhabendes und freiheitliches Russland, dass konstruktiv sicherheitspolitische Probleme bearbeitet.
Nur ist die derzeitige Führung unter Putin nicht bereitet, dies zu werden, noch ist die Mehrheit der Russen willig, diesen Weg zu gehen. (Zum Teil Propaganda bedingt)
Also, braucht man Gegenmittel, um eine militärische Expansion der russischen Diktatur zu verhindern. Dass solche schwachen Sanktionen den russischen Staat am Rande seiner Existenz, ist wohl am erstaunlichsten.