Nachträgliche Überprüfung von Rüstungsexporten (nicht für die Peshmerga)
Das Bundeskabinett hat am (heutigen) Mittwoch, wie vom zuständigen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel bereits angekündigt, einige Regelungen für den Export von Rüstungsgütern verschärft. Künftig sollen mit den Empfängerländern bereits bei Lieferung nachträgliche Überprüfungen vereinbart werden, so genannte Post-Shipment-Kontrollen.
Aus der Mitteilung des Wirtschaftsministeriums:
Auf Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel hat das Bundeskabinett heute die rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung von sogenannten Post-Shipment-Kontrollen bei deutschen Rüstungsexporten geschaffen.
Bundesminister Gabriel: „Post-Shipment-Kontrollen verbessern die Kontrolle von Rüstungsexporten, denn endlich können die Angaben, die Empfänger zum Verbleib der Waffen machen, vor Ort überprüft werden. Als erster EU-Staat führen wir damit ein System ein, bei dem die Rüstungsexportkontrolle nicht mit dem Erteilen einer Genehmigung endet.Damit ziehen wir auch die Konsequenz aus Skandalen der Vergangenheit. Zusammen mit den Kleinwaffen-Grundsätzen haben wir jetzt die strengsten Regeln für Rüstungsexporte geschaffen, die es in der Bundesrepublik je gab.“
Bislang konnten lediglich bei Kriegswaffen Vor-Ort-Kontrollen verankert werden, künftig gilt dies auch für sonstige Rüstungsgüter, wie Pistolen oder Scharfschützengewehre. Die staatlichen Empfänger in Drittländern müssen sich also bereits in den Endverbleibserklärung verpflichten, diese Vor-Ort-Kontrollen zu dulden.
Die Kontrollen werden jetzt stufenweise umgesetzt, zunächst konzentriert sich die Bundesregierung dabei in einer Pilotphase auf Kleinwaffen. Die ersten Vor-Ort-Kontrollen können naturgemäß erst beginnen, wenn Waffen produziert und exportiert sind die unter der Auflage von Post-Shipment-Kontrollen genehmigt wurden. Das Bundeswirtschaftsministerium geht davon aus, dass die ersten Kontrollen noch in diesem Jahr durchgeführt werden können.
Dazu hätte man doch gern noch ein paar Fragen an Sigmar Gabriel gestellt. Zum Beispiel, warum solche Kontrollen bei Kriegswaffen nicht bereits Standard sind, wenn sie doch auch bislang schon vereinbart werden konnten. Leider hatte der Minister nach einer vorangegangenen Pressekonferenz zu einem anderen Thema keine Zeit (oder keine Lust, keine Ahnung s.u.) und ließ die angekündigte Pressekonferenz zu dem Thema einfach ausfallen.
Und es wäre auch einer Frage an den Wirtschaftsminister wert gewesen, wie er die Kontrollen bei den Waffenlieferungen an die kurdischen Peshmerga-Kämpfer im Nordirak bewertet. Dafür ist Gabriels Ministerium zwar formal nicht zuständig, weil es sich um eine Länderabgabe des Verteidigungsministeriums handelt. Dennoch wäre interessant gewesen, wie er die jüngsten Zahlen des Wehrressorts zu verschwundenen deutschen Waffen der Peshmerga bewertet – auch wenn der Verlust von 88 Waffen bei mehr als 28.000 gelieferten, also etwa 0,3 Prozent, nicht wirklich auffällig ist, wie die offizielle Mitteilung des Verteidigungsministeriums zeigt:
In der letzten Woche ist ein Zwischenbericht der kurdischen Regionalregierung zu den Waffenverkäufen übermittelt worden. Insgesamt sind demnach seit Beginn der Lieferungen 88 Waffen abhandengekommen. Über die Hälfte der Verluste sind während der Gefechtshandlungen mit dem sogenannten Islamischen Staat entstanden.
Nachweislich verkauft oder getauscht wurden insgesamt 17 Waffen. Von weiteren 16 Waffen ist der Verbleib noch ungeklärt. Es gibt nach wie vor keine Anhaltspunkte dafür, dass es einen systematischen Missbrauch gibt. Das Peschmerga-Ministerium hat darüber informiert, dass zehn Peschmerga inhaftiert wurden und Strafverfahren eingeleitet worden sind.
Vielleicht hätte Gabriel, der weitgehende Beschränkungen und Kontrollen des Rüstungsexports zu einer seiner wichtigen Aufgaben erklärt hat, auch eine Meinung dazu gehabt, ob das Vorgehen der US-Streitkräfte bei Waffenlieferungen an die Kurden ein Vorbild für Kontrollen sein könnte. Die setzen nämlich auf strikte Einzelerfassung der abgegebenen Waffen:
„Hier reinschauen und nicht erschrecken“, beruhigt ein Stabsunteroffizier der US-Army den Peschmerga, während er mit einem Gerät die Iris des Kurden zur Identifikation einliest. Iris-Scan und die Abnahme von Fingerabdrücken dienen dazu, die Waffe und die persönliche Ausrüstung jedem kurdischen Kämpfer zuordnen zu können. Es soll klar sein, wer welche Waffe bekommen hat.
berichtet die Bundeswehr. Das Verteidigungsministerium übergibt dagegen seine Waffenlieferungen an die kurdische Regionalregierung und überlässt dieser die Verteilung – ein grundsätzlich anderer Ansatz des Vertrauens in den Partner.
Die Grünen-Opposition hält das für falsch. Ihre Sprecher für Außenpolitik und für Verteidigung, Omid Nouripour und Agnieszka Brugger, wollen einen anderen deutschen Ansatz:
Die Bundesregierung hat nicht verstanden, dass der illegale Handel mit Waffen aus deutschen Beständen ein Warnsignal für eine wesentlich striktere Endverbleibskontrolle gelieferter Waffen sein muss. Frau von der Leyen muss dafür sorgen, dass strenge Überprüfungen von nun an regelmäßig stattfinden. Diese Vorfälle sind kein Anlass zur Entwarnung und Verharmlosung, sondern ein Beleg dafür, wie leicht diese Waffen ihren Weg zu Terroristen oder auf Schwarzmärkte finden können. Jede Waffe, die in die falschen Hände gerät, ist eine Waffe zu viel. Die Bundesregierung darf sich nicht allein auf die vagen Angaben der kurdischen Regionalregierung verlassen, sondern muss genau Rechenschaft verlangen.
Nachtrag: Der Sprecher des Wirtschaftsministeriums hat sich für die kurzfristige Absage der Pressekonferenz entschuldigt:
Einige von Ihnen sind unserer Einladung gefolgt und wollten im Anschluss an die gemeinsame PK mit dem DIHK einen O-Ton von Sigmar Gabriel zum Thema Post-Shipment-Kontrollen haben. Allerdings hat die PK verspätet angefangen und dafür erheblich länger gedauert als geplant. Da Gabriel zum Flughafen musste, konnte er aus zeitlichen Gründen kein Statement mehr abgeben.
(Archivbild: Kurdische Peshmerga bei der Ausbildung bei der Bundeswehr in Munster am 01.03.2016 – Florian Gaertner/photothek.net)
Wenn man ganz ehrlich ist, muss man eigentlich sagen, dass nur mit 0,06 % der Waffen (17 von 28.000) missbräuchlich umgegangen worden ist.
„Nachweislich verkauft oder getauscht wurden insgesamt 17 Waffen.“
Daraus einen Skandal zu machen ist lächerlich.
Wohl wahr @der Fuchs,
die USA sollen ja auch einige Waffen im Irak „verloren“ haben. Irgendwo habe ich mal die Zahl 190000 aufgeschnappt. Gibts da eine offizielle Zahl?
Ich stelle mir die Frage wie man diese Endnutzerkontrollen denn durchführen will, besonders bei Kleinwaffen und in Ländern deren Sicherheitskräfte das Zeug nicht in irgendwelchen Depots endlagern. Wie beim Paragraph 78 einfach alle Polizei- oder Militäreinheit zurück in die Kaserne beordern und 3 Wochen stilllegen? Und wieviele Prüfer will man dafür aus DEU entsenden.
Ansonsten bleiben nur Stichproben, die wiederum einen funktionieren MatNachweis des Empängerlandes voraussetzen. Sprich dort kann einem gesagt werden in welche Einheit das z.B. Sturmgewehr mit der Werknummer 123 gegeben wurde und dort prüft man dann ob dieses Gewehr noch da ist.
Und was ist dann die Konsequenz, wenn eine Waffe nicht vorgezeigt werden kann?
@FlaOffz – Darüber sollte ein rationaler Mensch nicht nachdenken – schadet nur der Gesundheit. Symbolpolitik und Befriedigung der Kontrollillusion ;-)
Mir erschließt sich auch nicht so recht, was sich die Amis von diesem Prozedere in Sachen Verbleibskontrolle versprechen. Per Befehl und Gehorsam sowie bei Ausscheiden, Verwundung oder Tod kann doch dort auch jede Waffe quer durch die Peshmerga-Verbände wandern. Ich seh einen Benefit für die USA auf ganz anderer Ebene: Die können ihre Datenbanken mit absolut verlässlichen Identifizierungsmerkmalen befüllen. Dann macht der Aufwand wiederum Sinn ;-)
Hans Schommer
Ich hätte einen Vorschlag für eine „leicht“ abweichende politische Vorgehensweise:
Wir unterlegen alle nationalen Exportbeschränkungen für Rüstungsgüter einem 10-jährigen Moratorium.
Eine Dekade später ermitteln wir, wie viele Arbeitsplätze und Exportvolumen durch eine Industrie geschaffen wurde, deren Güter weltweit nachgefragt werden. Daneben sehen wir uns an, wie viele Investitionen in Weiterentwicklung die betroffenen Rüstungunternehmen durch die erwirtschafteten Zusatzerträge tätigen.
Und DANN legen wir die alten Beschränkungen daneben und fragen uns abschließend, ob dieses bis heute verschleuderte Potential wirklich haltbar ist.
Mich würde ja interessieren, was Gustav Krupp zu dieser Frage zu sagen hätte…
Der SPD muss es wirklich schlecht gehen, sorry…
Die richtige Frage wurde schon gestellt: Wer will das kontrollieren? Und wie will man einen Verstoß ahnden – die Waffen dann zurückfordern? Diplomatische Note? Auslandseinsatz zur Sicherstellung?!
Die heutigen Endverbleibsbescheinigungen sind ja letztendlich auch witzlos.
Was nützt mir all das Angedachte, wenn bei der Exportabfertigung schon erste Abweichungen bzgl. des Empfängers in der Zollanmeldung und Ausfuhrgenehmigung bzw. dem Versandstück auftreten und keinen Menschen interessierts?!
Kann mir bitte jemand ( Herr Gabriel wird es ja wohl nicht sein) einmal erklären was dieses ganze Theater soll? Hat diese Regierung noch nicht erkannt, dass durch die restriktive Exportpolitik kein einziger Konflikt verhindert, geschweige denn Menschenleben
gerettet wurden? Denn es ist offensichtlich, dass andere Staaten nur darauf warten in die Marktlücke zu stoßen die unsere Regierung, vertreten durch Herrn Gabriel, schafft.
Im Übrigen sollte sich Herr Gabriel lieber mal um sein „Hauptgeschäft“, den Kernenergieausstieg kümmern, da versagt er massiv.
Tja der Amerikaner machts richtig. Waffen für Daten. Die NSA freut sich.
[Stichwort Daten: Sie mischen ja munter verschiedene Nicks und Mailadressen. Ist nicht so guter Stil. T.W.]
Aus Erfahrung mit Kontrollen auf einem ähnlichen Gebiet: Die Prüfung ist angekündigt, es kommt ein Prüfer, eine Prüferin; es wird in die Inventurunterlagen geschaut, in die Ausgabelisten, eine Position ausgewählt und das Vorhandensein festgestellt. So bei stationierten Objekten.
Es könnte natürlich auch ein Prüfteam sein, bei einer grossen Menge verstreuter Objekte am Mann ist eine körperliche Kontrolle kaum möglich, Prüfer werden nicht an die Hauptkampflinie, bis ins Schützenloch reisen. Es wird also sehr wahrscheinlich eine Kontrolle der Inventurlisten sein.
Zum Kontollieren von Inventurlisten braucht man aber keine Reise zum Ort der Liste unternehmen, es geht auch andersrum, die Liste reist zum Kontrolleur..