Einkauf externer Beratung für die Beschaffungsbehörde: BMVg nimmt neuen Anlauf
Das Verteidigungsministerium nimmt einen neuen Anlauf, externes Fachwissen für das Bundesamt für Ausrüstung, IT und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) einzukaufen. Nach der Unterrichtung des Verteidigungsausschusses am (heutigen) Mittwoch soll eine neue Ausschreibung auf den Weg gebracht werden, die Beratungsleistungen für bis zu 208 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren umfasst. Die vorherige Ausschreibung, mit der bei einer Firma 1.225 Personenjahre als externe Dienstleistung hatten eingekauft werden sollen, hatte das Ministerium im Oktober vergangenen Jahres gestoppt.
Ministeriumskreise begründeten die Notwendigkeit externer Beratungsleistungen damit, das punktuelle, passgenaue, flexible, auch kurzfristig abrufbare Unterstützung von größeren Rüstungsprojekten unverändert gebraucht werde. Dabei gehe es um Fachleute, die die Behörde nur ein Einzelfällen brauche und nicht dauerhaft einstellen könne, zum Beispiel auf komplizierte Vertragsänderungen spezialisierte Juristen. Bei manchen Projekten würden auch zusätzliche Experten gebraucht, um teure Verzögerungen zu vermeiden: Unterstützung zum Beispiel in den Bereichen Integrations-, Budget-, Risiko-, Anforderungs- Vertrags- oder Qualitätsmanagement heißt das im Ausschreibesprech.
Im Unterschied zur ersten Ausschreibung sollen die Leistungen künftig nicht bei einem Unternehmen eingekauft werden, sondern auf drei Auftragnehmer verteilt werden, mit denen jeweils ein Rahmenvertrag abgeschlossen werden soll. Wer den Zuschlag für ein jeweils aktuelles Projekt bekommt, soll anhand eines Scoring, einer Bewertung des Unternehmens im konkreten Fall, beschlossen werden. Ein neues Wettbewerbs/Vergabeverfahren sei dann nicht nötig, was wiederum Zeit spare und die nötige kurzfristige Beauftragung möglich mache, hieß es aus Ministeriumskreisen.
(Kleine Korrektur: Die bis zu 208 Millionen Euro gelten nicht nur für drei Jahre, sondern auch für eine mögliche Verlängerungsoption um ein Jahr. Und das Ministerium wird die Abgeordneten plakativ auf eine weitere Zahl hinweisen: Gemessen an den rund 100 Milliarden Euro Volumen laufender Verträge, also gemessen an dem, was beschafft wird, seien die Beratungsmillionen gerade mal 0,2 Prozent davon.)
Nachtrag 22. März: Die Ausschreibung ist jetzt online, hier und hier.
(Foto: Symbolbild, hat mit der Sache nur indirekt zu tun, weil für dieses Flugzeug ganz viele Vertragsänderungen nötig waren: Transportflugzeug A400M am 10.12.2015 beim Abflug von Wunstorf in den Syrien-Einsatz – Bundeswehr/Kevin Schrief)
@Vtg-Amtmann:
„….ein vorbehaltloses „die Hosen herunterlassen“, zwecks objektiver Feststellung des IST und klarer Definition des SOLL.“
Und eben das wird es nicht geben.
Nicht weil die Arbeitsebene nicht will, sondern weil Kernprobleme dort nicht liegen.
Im Ergebnis wird das übliche Standardprogramm von Beratern gepredigt werden:
– Prozesslandschaft
– Matrixorganisation
– Controlling-Wahn
Im Ergebnis noch mehr Veranwortungsdiffussion und Mikromanagement.
Anstatt das BAAINBw auf der Arbeitsebene wieder mit ausreichend technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Expertise auszustatten.
Und noch wichtiger: entscheidungsfreudige Projektleiter zu fördern.
Bei alldem können und wollen die Berater gar nicht helfen.
Aber auch das BMVg will dies nicht, da man ja fortlaufend politische Interventionsfähigkeit braucht.
@Memoria: Abgesehen von einem Kommentar, der noch ob der Link-Anzahl auf Freigabe wartet:
Mit Ihrem Statement „Anstatt das BAAINBw auf der Arbeitsebene wieder mit ausreichend technischer, wirtschaftlicher und rechtlicher Expertise auszustatten. Und noch wichtiger: entscheidungsfreudige Projektleiter zu fördern.“ liegen Sie m.M.n. Goldrichtig!
Und wieso können und wollen da solide Consultants nicht helfen?
Daß das BMVg dies möglicherweise gar nicht nicht will, da man ja fortlaufend politische Interventionsfähigkeit braucht, steht doch leider auf einem völlig anderen Blatt.
Schon KPMG hat ganz klar konstatiert: “Das Management von Rüstungsprojekten verlangt eine Führungskultur, in der Transparenz und Integrität gelebt werden. Dazu zählen ein klares Bekenntnis der politisch Verantwortlichen zu ihren Entscheidungsmotiven und die anforderungsgerechte Vermittlung leitungswesentlicher Informationen ebenso wie das verantwortliche und initiative Handeln aller Projektbeteiligten.“
Also sind wir mal wieder beim „Kopf vom Fisch“ und ein Interner wird dies wohl kaum reklamieren (können).
@Vtg-Amtmann
Mir nicht ganz klar, was Sie damit sagen wollen… dass ein Co-Autor einer Spiegel-Story seine auf seinen Recherchen beruhende Story auch auf der eigenen Webseite einstellt?
@Vtg-Amtmann:
Die Rolle des BMVg mag für sie auf einem anderen Blatt stehen – am Ende bestimmt wer bezahlt.
Ja und auch KPMG mag treffend aufzeigen wie es sein soll, aber deswegen werden die Entscheider ihr Verhalten nicht verändern.
Zumal die Berater ja in den Projekten arbeiten sollen und kein neues Rüstungsgutachten erstellen werden.
Aber bald wird man ja sehen wie sich die externe Expertise auswirken wird.
Bei 3 Firmen im Miniwettbewerb bekommt halt jede Firma im turnusmäßigen Wechsel einen Auftrag. Da kann vermutlich jeder damit leben.
Wenn jedoch der Beratungsauftrag unter politischen Vorbehalt steht, wie es @ Memoria definierte:
Zitat:
„Aber auch das BMVg will dies nicht, da man ja fortlaufend politische Interventionsfähigkeit braucht.“
Das bedeutet im Klartext, die Bundesregierung will jederzeit ungehindert einer externen Beratung, einer Ausschreibung, eines Wettbewerbes usw. den Auftrag an das ihm politisch genehme Unternehmen erteilen können. Also nationale Wirtschaftsubvention am EU-Wettbewerbsrecht vorbei leisten zu können.
Der Rest macht dann die nicht beratete Vertragsabteilung des BAAINBw, die dann für Lieferverzug, Qualitätsminderung, Nichteinhalten des Lastenheftes usw. aus politisch Gründen keine Vertragsstrafen einbringen darf und mit den hochdotierten Vertragsabteilungen der Konzerne nicht mithalten kann (siehe auch die ÖPP-Verträge der Bw wie BWI mit 6000 Seiten Vertragstext).
Glaubt irgendjemand, dass solche Verträge für die Auftraggeberseite händelbar sind ? Vor allen Dingen wenn der Regierungsdirektor, der diesen Vertrag mitentworfen hat, nach Vertragsabschluss freigestellt wird und dann Arbeitsdirektor bei der BWI wird. Wo dann der Kompetenzvorteil liegt, ist leicht ersichtlich und dies alles mit dem regierungsseitigen Einvernehmen, also mit der „Lizens zum Gelddrucken“ für den privaten Auftragnehmer mit amtlicher Absolution.
Für mich erhebt sich die Frage, warum man überhaupt externe Berater für die Projekte benötigt, wenn man von amtlicher Seite von vorn herein bereit ist, bei dem Geschäft Rüstungsbeschaffung drauf zu zahlen ?
@Georg: “Bei 3 Firmen im Miniwettbewerb bekommt halt jede Firma im turnusmäßigen Wechsel einen Auftrag. Da kann vermutlich jeder damit leben. “.
Genau das ist wettbewerbswidrig, weil es der vorausgegangenen Auswahlentscheidung mit Platz 1, 2 und 3 und dem jeweils wirtschaftlichsten Einzel-Angebot im Mini-Wettberweb nicht Rechnung trägt! Vgl. http://www.hamburger-vergabetag.de/wp-content/uploads/2015/06/hettich.pptx, dort olie 27, „Beachte: „gleichmäßige Verteilung“ der Aufträge an die Unternehmen der Rahmenvereinbarung ist nicht objektiv; Verstoß gg Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatz“
Deshalb auch in http://augengeradeaus.net/2016/03/einkauf-externer-beratung-fuer-die-beschaffungsbehoerde-bmvg-nimmt-neuen-anlauf/comment-page-1/#comment-231455 mein Vergleich mit den „drei Gefangenen in einer Zelle“ und der Hinweis auf die „Gruppendynamik“.
@T.W.: Nichts für ungut, vgl. http://augengeradeaus.net/2016/03/einkauf-externer-beratung-fuer-die-beschaffungsbehoerde-bmvg-nimmt-neuen-anlauf/comment-page-1/#comment-231459, Ihr letzter Satz. Offenbar hat DER SPIEGEL für seinen „SPIN“ doch Herrn Nassauer mit seinen zunächst gar nicht so schlechten Argumenten als Co-Autor gebraucht?
Dennoch waren mir der gemeinsame Artikel „Geld verbraten fürs Beraten“ von G- Traufetter und O. Nassauer in DER SPIEGEL vom 09.10.2015 und auch der analoge Artikel “Teures Beschaffungschaos bei der Bundeswehr“ von O.Nassauer bei BITS in ihrem jeweils gleichen Fazit zu vorschnell, damit zu oberflächlich und zu populistisch.
Einer „Einzel-AN-Rahmenvereinbarung“ konnte nach Annulierung des Vergabeverfahrens schon damals nur eine „Multiple-AN-Rahmenvereinbarung“ – mit all ihren Vor- und Nachteilen – als mögliche Alternative gegenüber stehen und die haben wir jetzt.
Bin aber überzeugt, daß DER SPIEGEL in Anbetracht der aktuellen und keineswegs unpro- blematischen Gegebenheiten das Thema alsbald und dann tiefer, erneut aufnehmen wird.
Zur Verdeutlichung meiner Argumentation siehe Grafik in https://www.yumpu.com/xx/document/view/55356143/rv
Vgl. auch http://www.fachverlag-ferber.de/assets/rahmenvereinbarungen.pdf , Folie 10: Abnahmeverpflichtung: Bei einer Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen kann ein Unternehmen auch leer ausgehen. Wurde eine Mindestabnahmemenge vereinbart, dies aber nicht als Mindestabnahmemenge pro Unternehmen vereinbart, kann dies auch erfüllt sein, wenn einzelne Unternehmen leer ausgehen.
https://www.juris.de/jportal/cms/remote_media/media/jurisde/pdf/leseproben/Leseprobe_PK-Vergaberecht_3A.pdf S.8 no. 36: Komplizierter wird die Rechtslage, wenn die Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmen abgeschlossen wird. Auch in diesem „multilateralen“ Vertragsverhältnis ist der Auftraggeber verpflichtet, bis zum Ende der Vertragslaufzeit in der Summe die Mindestabnahmemenge abzunehmen. Jedoch besteht gegenüber einem einzelnen Unternehmen keine Abnahmeverpflichtung. Es ist also theoretisch denkbar, dass bei einer Rahmenvereinbarung, die mit mehreren Unternehmen abgeschlossen wird, ein Unternehmen „leer“ ausgeht, also keinerlei Einzelauftrag erhält . Dieses Unternehmen hat grundsätzlich keine Ansprüche auf Abnahme oder Schadensersatz wegen Nichterfüllung gegen den Auftraggeber.
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Damit stellen sich die ganz klaren Fragen:
• Wieviele Bewerber werden zu einem Angebot bereit sein und sich damit rechtlich binden, außer denen, die sich ziemlich sicher glauben, auf Platz 1 oder Platz 2 der ersten Phase zur Auswahl der drei Unternehmen für die abszuschließende Rahmenvereinbarung zu landen?
• Wieviele Bewerber sind ansonsten bereit, nur Einzelaufträge im Mini-Wettbewerb zu erhalten, die sich am unteren Ende der Preisspirale bewegen? Denn der Zweitplazierte ist schon der erste Verlierer.
• Wieviele Bewerber sind ferner trotz des Risikos überhaupt keinen Einzelauftrag zu erhalten, bereit, die volle Annahmebereitschaft und Leistungsbereitschaft über die volle Laufzeit der Rahmenvereinbarung einschließlich Verlängerung vertragsgemäß aufrechtzuerhalten!
M.M.n. ist damit eindeutig der Trend zu Bietergemeinschaften gegeben, einerseits um sich qualitativ sowie fachlich breiter aufzustellen und um die personellen Resourcen optimal zu nutzen, andererseits um die Risiken zu splitten. Dies kommt wiederum einer drastischen Einschränkung der Bieter gleich! Insofern erscheint der ursprüngliche Ansatz des BMVg aus Oktober 2015 einer „singulären Rahmenvereinbarung“ als die funktionalere und ergebnisorientiertere Lösung, bei objektiv besseren qualitativen Aspekten sowie weniger Gefahren eines Auseinanderdriftens von AN und AG. Die Mini-Wettbewerbe dürften das Wenigste zur Wirtschaftlichkeit der Einzelauträge beitragen.
Hier geht es nicht um Rahmenvereinbarungen für Arzneimittel, Klinikbedarf oder um die Lieferung von Fotokopierern, Tonerpatronen, IT-Hardware, etc., sondern um solide Dienstleistungen durch hochqualifizierte Spezialisten und Expertenteams zwecks Konsolidierung des militärischen Beschaffungswesens.
Nicht immer ist also „Geiz geil“, schon gar nicht in der Consultants-Branche, die sicherlich gerne und wie gehabt Aufträge des BMVg annimmt, aber auf diese „Exoten“ nicht unbedingt angewiesen ist.
Anbei einmal die nahezu identischen AGB von KPMG und PwC für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften:
vgl. http://www.kpmg.de/bescheinigungen/lib/aab.pdf sowie Seiten 11 & 12 in http://www.wilex.de/pdf/HV/20101102_PwC-Opinion%20Letter_english.pdf.
Fazit: kurz, aber knackig sowie die Mitwirkungspflichten des Autraggebers eindeutig definiert und erforderlichen Falles sanktioniert!
Man vgl. dagegen nur BAAINBw-B 084/10.2012 – Allgemeine Bedingungen für Beschaffungsverträge des Bundesministeriums der Verteidigung (ABBV) (http://www.baainbw.de/resource/resource/MzEzNTM4MmUzMzMyMmUzMTM1MzMyZTM2MzEzMDMwMzAzMDMwMzAzMDY5MzMzMDZmNmIzMjczNzcyMDIwMjAyMDIw/B84.pdf)
Da sieht es bezüglich der Mitwirkung des AG ziemlich einseitig aus.
Man kann sich also gut vorstellen, was die Consultants-Profis so alles mit dem „Multiplen Rahmenvertrag für die Erbringung von Beratungsleistungen im Einzelabruf“ abgedeckt wissen wollen. Das wird bereits eine harte Runde für das BAAINBw im Verhandlungsverfahren und bis zur Vertragsunterzeichnung samt finaler Leistungsbeschreibung mit nur noch drei Wirtschaftsteilnehmern. So einfach bieterseitig die AGBs auf den Tisch zu legen, geht vergaberechtlich nicht! Ergo muß ein entsprechendes Vertragswerk für alle Beteiligten einvernehmlich geschaffen und durchgesetzt werden.
In dieser Phase sollen wie geplant nur noch sechs Wirtschaftsteilnemer am Tisch sitzen, aber spätestens dann müßen die Rahmenbedingungen stimmen. Laße man davon zwei Bietergemeinschaften sein, wie seinerzeit „KPMG | P3 Group | TaylorWessing“ verbleiben vier weitere Bieter auf der einen Seite bzw. Länge des Hebels.