Schleuserjagd in der Ägäis – unter dem NATO-Bündnisfall (mit Nachtrag)

SNMG2 had extensive training with Turkish Navy

Der Einsatz deutscher Soldaten in einem NATO-Marineverband, der den Flüchtlingsstrom von der Türkei nach Griechenland stoppen soll, läuft vorerst unter den Bedingungen des NATO-Bündnisfalles, der nach den Terroranschlägen auf  New York und Washington am 11. September 2001 ausgerufen wurde. Bis die Kooperation des Einsatzverbandes unter deutschem Befehl mit den beiden beteiligten Ländern und der EU-Grenzschutzagentur Frontex geklärt ist, sind die Schiffe in der NATO-Mission Operation Active Endeavour (OAE) eingesetzt. Das geht aus der jüngsten Unterrichtung der Öffentlichkeit des Verteidigungsministeriums in der zurückliegenden Woche hervor:

Seit dem 10.02.16 beteiligt sich der Einsatzgruppenversorger BONN im Rahmen seiner Teilnahme am ständigen NATO Marineeinsatzverband 2 (Standing NATO Maritime Group 2/SNMG 2) an OAE.
Die SNMG 2 führt derzeit gemäß Einsatzauftrag OAE Seeraumüberwachungs- und Aufklärungsaufgaben in der Ägäis durch.

Am 11. Februar hatten die Verteidigungsminister der Allianz die türkisch-deutsche Initiative gebilligt, die Standing NATO Maritime Group 2 (SNMG2), die sich bereits im östlichen Mittelmeer aufhielt, zur Seeraumüberwachung auf der von Flüchtlingen genutzten Route in der Ägäis einzusetzen und damit einen Beitrag zur Bekämpfung von Schleusern zu leisten. Der Einsatzverband unter dem Kommando des deutschen Flotillenadmirals Jörg Klein mit dem deutschen Einsatzgruppenversorger Bonn als Flaggschiff wurde vom NATO-Oberbefehlshaber auch sofort in Richtung Ägäis in Marsch gesetzt. Die formale Einbindung in eine Kooperation mit Griechenland, der Türkei und Frontex wird allerdings erst für den 24. Februar erwartet.

Bis dahin fahren die Schiffe in der OAE-Mission. Die deutsche Beteiligung daran nimmt nach dem Bundestagsmandat ausdrücklich auf den Bündnisfall nach 9/11 Bezug:

Die Beteiligung deutscher Streitkräfte erfolgt auf Grundlage des Artikels 51 der Charta der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 5 des Nordatlantikvertrags.
Nun ist das, genau genommen, eine rechtliche Spitzfindigkeit – denn die Bundesregierung bemüht sich seit Jahren, diese Mission auf eine andere Grundlage zu stellen und nicht mehr den Bündnisfall zum Ausgangspunkt des Einsatzes zu nehmen. Deshalb wurde das jüngste Mandat auch nicht für ein Jahr erteilt, sondern nur bis zum NATO-Gipfel im Juli dieses Jahres. Dann soll eine neue rechtliche Grundlage für Active Endeavour gefunden werden, denn die Seeraumüberwachung im östlichen Mittelmeer will auch die Bundesregierung fortgesetzt sehen. Zur Terrorismusbekämpfung, nicht zur Überwachung von Schleuseraktivitäten.
Interessant ist dennoch, wofür der vor mehr als einem Jahrzehnt ausgerufene und nie aufgehobene NATO-Bündnisfall bei Bedarf genutzt werden kann. Eben auch dafür, eine sehr kurzfristig ausgedachte Mission vor einem völlig anderen politischen und rechtlichen Hintergrund erst einmal auf den Weg zu bringen, bis sie sauber rechtlich definiert ist.
Eine Übersicht des Verbandes, der SNMG2, in ihrer aktuellen Zusammenstellung:
Kommandeur: Flotillenadmiral Jörg Klein, Deutsche Marine
Einsatzgruppenversorger Bonn, Deutschland
Fregatte Barbaros, Türkei
Fregatte Salamis, Griechenland
Fregatte Fredericton, Kanada
Fregatte Libeccio, Italien 
Nachtrag 22. Februar: Vor der Bundespressekonferenz erläuterte der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jens Flosdorff, dass die Schiffe derzeit unter OAE in der Ägäis unterwegs sind, aber aus dieser Mission abgemeldet würden, sobald sie wie geplant zur Schleuserbekämpfung eingesetzt werden. Das klingt zwar logisch, widerspricht aber deutlich dem Eindruck, den die NATO bei der Beschlussfassung der Verteidigungsminister erweckt hatte: Am 11. Februar hieß es, die Schiffe würden sofort in Marsch gesetzt, alles war ganz eilig. Nunmehr ist klar: Frühestens knapp zwei Wochen nach dem Beschluss wird sich der NATO-Verband wie geplant an der Schleuserbekämpfung beteiligen. Von Mission gegen Menschenschmuggler gestartet kann also noch nicht die Rede sein.
Flosdorffs Aussagen zum Nachhören:
BPK_SNMG2_22feb2016     
Noch ein Nachtrag: Nach Angaben des Verteidigungsministeriums vom Montagabend wurde die SNMG2 bereits am vergangenen Freitag aus der OAE-Mission abgemeldet. Der Verband macht jetzt in der Ägäis Seeraumüberwachung, genauer: was im Marinesprech Pattern of Life-Feststellung heißt. Ein Beschluss des Nordatlantikrates für die Kooperation mit Griechenland, der Türkei und Frontex in der Schleuserbekämpfung wird weiterhin für kommenden Mittwoch erwartet.

(Foto: Die Standing NATO Maritime Group 2 mit dem Flaggschiff, dem Einsatzgruppenversorger Bonn, am 4.2.2016 bei einer Übung mit der türkischen Marine – NATO/HQ Maritime Command)