Bundeswehr angeblich an US-Entscheidungen über gezielte Tötungen in Afghanistan beteiligt
Offiziere der Bundeswehr im Afghanistan-Einsatz waren nach einem Bericht der New York Times an den Entscheidungen über gezielte Tötungsaktionenen der USA am Hindukusch beteiligt. Obwohl es sich um Waffeneinsätze nur unter US-Verantwortung gehandelt habe, seien auch die Offiziere anderer Nationen in der NATO-geführten Mission Resolute Support ausdrücklich in die Entscheidung einbezogen worden, ob solche Angriffe auf Einzelpersonen stattfinden sollten, berichtet das Blatt unter Berufung auf nicht genannte Offizielle. Insbesondere Soldaten aus Deutschland und Schweden seien daran beteiligt gewesen.
Das Bundesverteidigungsministerium wies diese Angaben zurück (s. unten)
Aus dem Bericht Germany and Sweden Are Said to Help Make Afghan ‘Kill Decisions’:
Two European allies of the United States have been directly participating in so-called kill decisions against insurgents in Afghanistan despite rules prohibiting them from doing so, according to two senior Western officials with knowledge of the operations. (…)
The two countries said to be improperly involved in approving strike decisions — Germany, a NATO member of the coalition in Afghanistan, and Sweden, which is not a member of NATO — as well as a spokesman for the American-led military coalition all denied that anyone other than the United States military had been involved in targeting insurgents. (…)
“They go around the table and say, ‘If you see any women or children, raise your hand,’ and that includes German and Swedish officers who are not supposed to be involved in counterterrorism,” said one of the senior officials, who has direct knowledge of the operation but spoke on the condition of anonymity because of the classified nature of the targeting process. “A lot of NATO officials are pretty upset about it.”
Laut New York Times erklärte das Auswärtige Amt in Berlin dazu erst, es seien keine Deutschen in die Entscheidung über Counterterrorism-Aktionen eingebunden, zog diese Stellungnahme aber später zurück und verwies auf andere Ministerien.
Ich versuche mal bei einem anderen Ministerium dazu eine Stellungnahme zu bekommen… vielleicht beim BMVg?
Nachtrag: Die Stellungnahme des Verteidigungsministeriums:
Seit Beginn der Mission Resolute Support am 1. Januar 2015 setzt Deutschland kein militärisches Personal im Combined Operations Center (CJOC) im Hauptquartier (HQ) Resolute Support (RS) in Kabul ein.
Deutschland stellt dort einen Verbindungsoffizier des Train Assist Advice Center North (TAAC-N) aus Mazar-e Sharif. Dieser führt aber keine Aufgaben durch, die das Targeting Verfahren betreffen. Am „Targeting Prozess“ bei Resolute Support ist der deutsche Verbindungsoffizier nicht beteiligt.
Seine Tätigkeit besteht ausschließlich darin, ein gemeinsames Lagebild zwischen dem HQ RS in Kabul und dem TAAC-N in Mazar-e Sharif sicherzustellen.
(Foto: An MQ-1B Predator, left, and an MQ-9 Reaper taxi to the runway in preparation for takeoff June 13, 2014, on Creech Air Force Base, Nev. – U.S. Air Force photo by Airman 1st Class Christian Clausen)
Die Reaktion des AA ist natürlich schon wieder grandios.
Wenn man keine Ahnung hat…
Aber auch etwas dünne Informationslage in dem Bericht.
Zudem eine mal wieder seltsame Sichtweise auf unser Grundgesetz – auch wenn diese ja auch oft von deutschen Ministerien falsch dargestellt wird:
„While Germany has a significant contingent still in Afghanistan, it has always observed rules about avoiding engagement in offensive combat operations, which is forbidden by German constitutional law, with some narrowly defined exceptions.“
Die engen Ausnahmen sind?
Die vollumfängliche Teilnahme an einem Einsatz im Rahmen von Kapitel VII UN-Charta.
ROE-Debatte reloaded…
Da entsteht in einer der führenden Zeitungen der Welt ein völliges Zerrbild der deutschen Rechtslage. Aber – wie gesagt hinter angeblichen Artikeln und Paragrafen haben sich auch immer wieder sehr gerne verschiedene Bundesregierungen versteckt.
Habe Stellungnahme BMVg nachgetragen.
drohnenhysterie teil 325….
deutschland ist meines wissens teil von resolute support und hat damit ein interesse an der fortgesetzten bekämpfung des gegners. aktive force protection ist teil jeder militärischen operation
solange es sich um LOAC konforme ziele handelt (ergo auch außerhalb unmittelbarer kampfbeteiligung) ist diese permanente skandalisierung nicht nachvollziehbar.
entweder man ist teil der mission mit allen konsequezen oder man lässt es bleiben. von drohnenoperationen der USA zu profitieren aber die verantwortung für selbige nicht (mit)übernehmen zu wollen ist ein akt politischer feigheit
die folgende aussage ist übrigens schlicht unzutreffend
„And the accusations are likely to cause a particular stir in Germany, where constitutional rules forbid offensive military operations in most cases and where human rights groups have joined lawsuits that alleged even indirect German assistance for American drone strikes.“
Gute Darstellung der Aufgaben eines LSO in internationalen Stab in der Stellungnahme BMVg. Zum Common Operational Picture gehört, nur als Ergänzung an dieser Stelle, auch die Koordinierung wechselseitiger Unterstützungsleistungen.
In der Aufgabe „Targeting“, übrigens deutlich mehr als ZuWa, könnte der LSO auch nur teilhaben, sofern er zufällig dem FGG 2 mit entsprechender Ausb entstammt. Da diese Kompetenz als deutsche „Mangel-ATN“ mehr als untertreibend zu beschreiben ist, unterstelle ich, TAAC-N leistet es sich nicht, einen Targeting-StOffz als LSO zu „verbraten“.
PS: Zwar Korinthe, jedoch ist der BMVg-Text fehlerhaft. Im „Combined Operations Center (CJOC)“ fehlt das „Joint“, welches wesentlichstes Merkmal im „HQ RS“ in Kabul sein dürfte. Stellungnahme also offensichtlich mit heißer Feder gestrickt?
„Even the American role in choosing targets for airstrikes and Special Operations missions has been controversial. When President Obama declared that the American combat mission in Afghanistan would end on Dec. 31, 2014, becoming a training mission instead, exceptions were made for two situations: counterterrorism and force protection. The counterterrorism mission was intended to continue hunting militants with Al Qaeda hiding in Afghanistan, and force protection would allow for attacks on Taliban insurgents if they posed a threat to American or NATO forces.“
Das Problemist „schlicht und einfach“, dass die USArmy, USAF, JSOC, CIA sich mitlerweile in den verschiedenen Airstrike-Einsatzformen (targetted killings, signature strike, CT und FP) im Rahmen des GWOT und spezifischen Operationen wie Resolute Support oder auch dem Einsatz in Syrien/Irak gegen IS gegenseitig ins Gehege kommen und gleichzeitig um Ressourcen kämpfen – die „Drohnensüchtigen“ auf konkurrierenden Ego-Trips sozusagen.
Obama hat dieses Durcheinander und Gegeneinander mit seinen verschiedenen presidential directives in Sachen Drohneneinsätze und Zuständigkeit dafür einerseits und seinen widersprüchlichen operativen Vorgaben wie oben zitiert letztendlich mitverschuldet.
Was soll denn so ein US Commander denn machen bei solch einer politischen Weisungslage ? Er sagt sich natürlich „right or wrong, my ass and my boys, damn the torpedoes and bird away“. Und natürlich wird er sich in bestimmten Einsatzräumen bei den „anfordernden“ Partnern in Sachen intelligence versuchen (politisch) rückzuversichern („Hey Germany, are there any women or children ?“), denn der CIA hat sich ja schmollend aus Afghanistan in Sachen Drohneneinsätze zurückgezogen und fängt jetzt das alte CIA-CT-Drohnen-Programm mit Unterstützung des JSOC in Syrien von neuem an. Und den Deutschen und Schweden als anforderungsberechtigte Partner für airstrikes in Sachen Force Protection bleibt nichts anderes übrig als dieses „Let`s hit two birds (CT/FP) with one stroke….excuse me, strike“ mitzuspielen.
Aber zum Glück gibt es ja die plausible deniability: siehe Erklärung des BMVG, denn formal finden ja gar keine targeted killings mehr statt und so gibt es auch keinen formalen coalition-CT-targeting process mehr in Afghanistan.
@T.W.: Könnte mir vorstellen, daß Sie wissen, welcher Kollege Ihnen beim Thema profund weiterhelfen könnte, vielleicht fällt es Ihnen nur momentan nicht ein. Er schildert als Offizier und Politologe in seinem Buch die Probleme aus eigener Erfahrung und Praxis.
@ klabautermann
die verantwortungsdiffusion und das selbstverursachte kompetenzchaos der amerikanischen drohnenoperationen ist sicher zu kritisieren (es hat aber durchaus methode: secrecy through obfuscation).
nur ist die problematik für die operationen in afghanistan unter auschließlich militärischer ägide nicht wirklich relevant und nur um die kooperation diesbezüglich geht es ja
So wie im Artikel beschrieben wurde doch nicht an der target nomination list mitgearbeitet sondern nur auf die Einhaltung der ROE (CIVCAS) geachtet.
Deutsche Offiziere… täusche ich mich oder sind die meisten an den BND abkommandierten Soldaten Offiziere?
Guten Abend werte Blogger!
Anscheinend muss hier jeder mitreden.
Leider auch Viele, die keine Ahnung haben!
1.) Ist bei RS nicht ein LSO sondern ein LNO – Liaison = Verbindung
2.) Im Rahmen der ROE Resolute Support darf auch ein DEU Angehoeriger
von RS beim Targeting beteiligt warden, wenn es um Force Protection geht!
Aber dies ist sicher nicht der LNO!
@Thomas Melber
Das nennt man dann plausible deniability in Verbindung mit creative ambiguity ;-)
Oder auch usefull idiot als fellow traveller, aber nicht als agent of influence…….
@klabautermann
Wir werden doch einen red card holder haben !?
@Thomas Melber
Ähem….da sag ich jetzt lieber nix dazu. Wenn man sich das BMVg statement durchliest, dann kann es ja keinen red card holder geben ;-)
Kann es überhaupt multinationale Einsätze, in denen Deutsche Waffen einsetzen oder davon betroffen sein könnten geben, die keinen Red Card Holder aus nationalem Interesse namhaft machen?
„The ‚red card holder‘ is a national representative of the troop contributing state. In contrast to the SNR, … has a formal authority to reject specific missions given to the national contingent by the international commander“.
Nach: „Accountability of Peace Support Operations“, Seite 48. (International Humanitarian Law Series).
Wenn ich das frei interpretiere, bei der nächsten Flut- Winterhilfe sicher nicht, bei allen sonstigen Szenaren jenseits MilEvacOp zwingend, oder?
Ich nehme an (d.h. ich weiß es nicht), daß man sich bzgl. möglicher Zielpersonen abstimmt. Schließlich haben wir kein Interesse daran Kontakte aufzubauen und zu pflegen, die dann „aus heiterm Himmel“ ausgeknipst werden.
««Wir sehen die Risiken und Dilemmata, wir entscheiden über unser Handeln oder Nichthandeln im Wissen um die damit verbundenen Widersprüche, im Lichte unserer Werte und Interessen, mit größtmöglicher Sorgfalt und in enger Absprache mit unseren europäischen, transatlantischen und regionalen Partnern.
Wo Massenmord droht und die Stabilität und Ordnung von Staaten und ganzen Regionen in Gefahr gerät, wo politische Lösungen ohne militärische Begleitung keine Aussicht auf Erfolg haben, müssen wir bereit sein, ehrlich die Risiken eines eigenen Engagements gegen die Folgen des Nichtstuns abzuwägen.»»
AM Steinmeier: Warum Deutschland Waffen in den Nordirak liefert
Beitrag von Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Erschienen in der österreichischen Zeitung „Die Presse“ (04.09.2014).
@Vtg-Amtmann: „Könnte mir vorstellen, daß Sie wissen, welcher Kollege Ihnen beim Thema profund weiterhelfen könnte, vielleicht fällt es Ihnen nur momentan nicht ein. Er schildert als Offizier und Politologe in seinem Buch die Probleme aus eigener Erfahrung und Praxis.“
Meinen Sie etwa Marc Lindemann?
Ich meine ich hätte ihne die Tage irgendwo gesehen.
Auf Wehrübung?
USA sahen sich genötigt, 90 Special Forces (Air Force’s Special Tactics Squadron ) ad hoc nach „Camp Bastion/Helmand“ zu verlegen, um der Einnahme durch Taliban entgegenzuwirken.
http://www.special-ops.org/13671/camp-bastion-is-in-danger-of-being-over-run-by-the-taliban-us-special-forces-deployed-to-defend-it.html
Die Briten hatten ihr ehemaliges HQ im letzten Jahr der ANA übergeben.
Das Ganze vermittelt den Eindruck des raschen Verlegens von Alarmeinheiten in eigentlich aussichtsloser Lage á la Ostpreußen 21. Oktober 1944, Nemmersdorf, erstes Betreten deutschen Bodens durch die Rote Armee. Bereits in der Nacht zum 21. Oktober 1944 hatte die Wehrmacht aus der Garnison Insterburg Alarmeinheiten (Panzergrenadier-Ersatzbataillon 413 u. SS) herangezogen, die den Ort wieder nahmen.
Am bekannten Ende änderte sich nichts. Weshalb auch die Frage platziert werden darf, ob RSM auch künftig SpecOps, und wie lange, bereitgestellt haben wird, um ANA herauszuhauen?
@KPK
In diesem Fall war das noch eine Verstärkung, kein wirklicher Entsatz. Werden solche Stützpunkte mittelfristig zu halten sein?
@Thomas Melber
Nein, natürlich nicht. 90 Mann SpecOps mit vermutlich LuUstg biegen die Sache gerade, da war der Feind wohl kaum in Btl-Stärke im Angriff.
Wenn ANA nicht msl so ein Szenar beherrscht …?
Aber der Bericht stellt ja weiterhin heraus, ANA ist dazu übergegangen sich mit U.S.-$ vorsorglich frei zu kaufen.
Vorauseilendes Lösegeld, oder wie nenne ich das? Und jetzt bitte bloß keine Replik von „im-Orient-ist-das-so“, denn dann überweisen wir unsere Finanzzusagen statt an Ashraf Ghani besser gleich direkt an Mullah Omars Nachfolger, erspart einen Arbeitsgang
Erst Helmand, jetzt Uruzgan.
http://www.pajhwok.com/en/2015/09/07/insurgents-overrun-4-security-checkpoints-uruzgan
Nach der Erstürmung von vier security checkpoints in Raum Sarab, ist die Gesamtprovinz bedroht. Konzertierte Aktion mit Helmand, siehe oben?
@KPK
So wird das aber kommen, mit dem bezahlen. Schutzgeld wurde ja schon gezahlt.
@Thomas Melber
Sie gehen von Zahlungen durch uns, DIREKT, aus?