Russische Zweifel an der Unabhängigkeit der baltischen Republiken?
In der gegenwärtigen politischen Situation ist es ein Merkposten, auch wenn die Bedeutung wohl noch nicht so ganz klar ist (und da Russlandkenner gefragt sind): Die russische Generalstaatsanwaltschaft, so berichtet die russische Agentur Interfax, überprüft die Rechtmäßigkeit der Anerkennung der Unabhängigkeit der baltischen Republiken durch die Sowjetunion 1991.
Aus den Übersetzungen via Google und Bing:
Das Büro russischen Generalstaatsanwaltschaft begann die Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Anerkennung der Unabhängigkeit der baltischen Republiken durch den Staatsrat der UdSSR im Jahre 1991, meldet „Interfax“ am Dienstag unter Berufung auf interne Quellen.
„Rechtlich gesehen ist die Entscheidung, die Unabhängigkeit der baltischen Staaten anzuerkennen, nicht rechtmäßig aufgrund der Tatsache, da sie verfassungswidrig war.“
(Hinweise auf eine bessere/verständlichere Übersetzung sehr willkommen)
Die Frage ist natürlich, was das für die russische Position gegenüber Estland, Lettland und Litauen bedeutet – auch vor dem Hintergrund, dass bereits die Zuordnung der Krim zur Ukraine von dieser Behörde als verfassungswidrig eingestuft wurde.
(Foto: US-Schützenpanzer bei der Unabhängigkeitsparade Estlands im Februar 2015 in der estnisch-russischen Grenzstadt Narwa – 112th Mobile Public Affairs Detachment Photograph by 1st Lt. Paul Nadolski)
Auweia, durch die Blume das klingt ja schon fast nach der Suche nach einem casus belli – dürfte nicht zur Entspannung der Situation zwischen NATO und Russland beitragen.
Hm, da will wohl „jemand“ Michail Sergejewitsch GORBATSCHOW an die Wäsche,,,,,,,gar nicht gut…………..
In diesem Zusammenhang mal eine artverwandte Frage: Weiß jemand wie es aktuell um die russische Truppenstärke, Verbände etc. in der Exklave Kaliningrad ausschaut? Mir ist dort nur der Sitz der Baltischen Flotte bekannt. Im März gab es ja Drohungen, in besagter Exklave Iskander-Raketen mit einer Reichweite von bis zu 500km anzusiedeln, aber die Medienlandschaft hat nur kurz berichtet und dann kam nichts mehr. Mit der Oblast Kaliningrad sitzt Russland ja strategisch sehr günstig in der Region..
Gegenvorschlag: Staatsanwaltschaft im Westen (egal wo) prüft die Legalität der Annektion der baltischen Republiken durch die UdSSR im Zuge des Hitler-Stalin-Paktes und deren Bestätigung in Yalta. Deal? Was? Nein? Oooohhhh …
…. und als nächstes wird geprüft ob der 2+4 Vertrag rechtmäßig war. Aber zunächst einmal werden die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen um die drei Baltischen Staaten wieder mit Russland zu vereinigen. „Die Russen“ im Baltikum müssen schließlich auch geschützt werden vor den dortigen nationalistischen Bestrebungen. Da es sich bei den Teilnehmern der EU und NATO um, wenn man so sagen will, zivilisierte Gesellschaften und Demokratien handelt, wird alles vermieden werden was zu einem Krieg mit Russland führt. Niemand wird Putin aufhalten, er kann machen was er will!
Interessant ist hierbei a) die Rolle der Staatsanwaltschaft – beinahe eine vierte Gewalt im System – und b) dieser Artikel der bpb: „Analyse: Ist die Krim wirklich russisch? Russische Juristen diskutieren über die Rechtmäßigkeit der Aufnahme der Krim“
„Bis auf einige wenige, vor allem junge Juristen, vertritt Russlands Rechtselite die Regierungsmeinung in der Causa Krim. Nun wird erstmals die Rechtmäßigkeit der Annexion von der bekannten Verfassungsrechtlerin Jelena Lukjanowa angezweifelt. “
Link:
http://www.bpb.de/internationales/europa/russland/206618/analyse-ist-die-krim-wirklich-russisch-russische-juristen-diskutieren-ueber-die-rechtmaessigkeit-der-aufnahme-der-krim
Ich persönlich halte das Ganze für ein politisches Muskelspiel, weniger für die Vorbereitung einer weiteren Annexion. Denn warum sollte der Kreml seine nächsten Schritte auch noch groß ankündigen, wenn seine Streitkräfte für einen symmetrischen Konflikt offenbar noch nicht bereit sind und sich in der Ukraine deswegen mit einem vermeintlichen „Volksaufstand“ behelfen mussten? Putin hat seine Tempelberg-Rede schließlich auch erst gehalten, nachdem auf der Krim schon vollendete Tatsachen geschaffen worden waren.
Generell sollte man das, was in der russischen Duma so passiert – und darum geht es hier ja, denn der Generalstaatsanwalt ist infolge einer parlamentarischen Anfrage tätig geworden -, nicht allzu ernst nehmen. Da ergehen sich viele zweifelhafte Figuren (Schirinowski, Sjuganow) in noch zweifelhafteren Betrachtungen, während die Entscheidungen ganz woanders gefällt werden.
Halb OT: Chodorkowski wird heute laut Interfax die Bestellung des Mordes eine Bürgermeisters vorgeworfen. Mit anderen Worten: Er soll im Ausland bleiben und nicht auf die Idee kommen, sich wieder politisch einzumischen.
Unter dem Strich sieht es damit so aus, als ob Putin die Zügel weiter anzieht: Das drohende Fehl der gesellschaftlichen Apathie wg. der sinkenden wirtschaftlichen Aussichten wird mit Bellizismus, entsprechender Rhetorik zum äußeren Feind und dem weiteren Kaltstellen möglicher Gegner/Nachfolger kompensiert. Es ist trotzdem vorstellbar, dass nach Putin – wann immer das sein mag – radikalere Kräfte den Ton angeben (z.B. Rogosin), sofern er eines Tage nicht z.B. Schoigu ins Amt heben kann. Für die NATO ganz sicher ein relevantes Element im Kalkül für die Planungen.
@ FabsenBlog:
Nach meiner Kenntnis gibt es dort außerdem noch drei Luftwaffenbasen (Donskoje, Kaliningrad, Tschernjachowsk) und schätzungsweise zwei motorisierte Schützenbrigaden der Landstreitkräfte, die operativ der Baltischen Flotte unterstehen. Insgesamt würde ich der Exklave aber nicht (mehr) übermäßig große Bedeutung beimessen, seit sie 2010 dem neu geschaffenen Vereinigten Strategischen Kommando West zugeschlagen wurde und damit ihren speziellen Status verlor, den sie nach dem Untergang der Sowjetunion über Jahre hinweg genossen hat.
@csThor – Der Westen wird einen Teufel tun da ja kein deut besser, am Ende kommt noch jemand drauf das bei uns auch was nicht stimmt . Das endet am Ende vielleicht noch damit das man die Stationierungskosten in der BRD selber zahlen müßte, da schweigt man lieber.
@ Ottone:
Nach allem was man so liest, ist Rogosin selbst vielen Russen zu exzentrisch. Schoigu hingegen genießt – schon seit Jahren – die nötige Popularität, hat offenbar einen guten Draht zu Putin und ist auch politisch noch nicht vorbelastet. Zum Verhängnis werden könnte ihm allerdings, dass er kein Silowik ist, also weder der Armee noch den Nachrichtendiensten entstammt.
Letzten Endes ist ein Tipp aber so gut wie der andere, weil die Ernennung zum russischen Präsidenten oft ganz eigenen Gesetzen folgt. Wir erinnern uns: Bis 1999 kannte im Westen kein Schwein einen gewissen Herrn namens „Wladimir Putin“.
Ich denke, dass hier wieder die ausgeprägte russische STRATCOM/INFOOP Stärke zum Zuge kommt (‚Hybrid Warfare“). Damit könnte das „Narrativ“ für die Rechtmäßigkeit der russischen Position sowohl nach Innen wie nach Aussen geliefert warden, ohne dass dies zwangsläufig unmittelbar einen Casus Belli darstellt (zumal die RUS LasK dazu derzeit auch nicht (durchhaltefähig) in der Lage sind). Zudem passt es in das russische Narrativ vom Untergang der Sowjetunion als einer der größten geschichtlichen Fehlentwicklungen.
Die Reaktionen aus dem Baltikum sind heftig. Dort läuft diese Nachricht z.T. als die News des Tages. Freund fragen: wird Deutschland uns mitverteidigen? Eine ehrliche Antwort fällt da schwer…
Das Thema „hybride Kriegführung“ soll sich wohl auch im neuen Weißbuch wiederfinden:
http://www.reservistenverband.de/php/evewa2.php?d=1435686831&menu=0110&newsid=31141
Übrigens, wir brauchen ein neues Bällebad.
@ Ungedienter
Selbstverständlich wird Deutschland mitverteidigen !
Vermutlich mit einem schweren Tankschiff in der Ostsee als Symbolfigur … wie vor wenigen Monaten im Schwarzen Meer beim NATO-Manöver …
… wusste gar nicht, daß wir noch über solche Reserven verfügen !
Zweifel an der Unabhängigkeit der baltischen Republiken ?!?
…das wird der anfang sein und über weitere maßnahmen der russen werden wir uns sehr sehr wundern und überrascht sein !!!
@SER
….mit einem schweren Tankschiff.
haben wir aber nicht ;)
Das stimmt sehr bedenklich. Ich gehörte hier im Forum zu denjenigen, welche nach der Annektion der Krim der Meinung waren, dass dies aufgrund der geografischen Lage ein Einzelfall darstellt. Eine damals von vielen hier genannten Gefahr, einer ähnlichen Situation im Osten habe ich verneint. Mittlerweile stimmt dieses Verhalten von Russland und deren offenbar in der breiten Gesellschaft getragene/tolerierte Politik mehr als nachdenklich. Dies hier ist nur ein Fragment einer zielgerichteten politischen Willensbekundung, aber eine beachtliche vor dem Hintergrund des gewesenen.
@FabsenBlog
Im Dezember 2013 bestätigte Putin in einem Fernsehinterview, daß die RF tatächlich Iskandersysteme in Kaliningrad installiert hat. Ich glaube es war Generalmajor Igor Konashenkov, der später präzisierte, daß diese Raketensysteme sogar bereits seit Sommer 2012 in der Exklave aufgebaut wurden.
Die RUS Regierung setzt sich damit ja selbst unter Handlungsdruck, unnötigerweise.
M1 – Unabhängigkeit war rechtmäßig – Gesichtsverlust
M2 – Unabhängigkeit war unrechtmäßig – „und nun“ (?) > Handeln (?) / wie (?)
(Bewertung natürlich nur aus Sicht RUS Gerichte)
Da ja hier immer der Krim-Vergleich gezogen wird. Die baltischen Staaten sind in der NATO, ein ganz anderes Kaliber dort militärische Aktionen zu starten als in der Ukraine (lapidar ausgedrückt). Ich glaube Putin gefällt die momentane Lage, alles zittert vor Russland und ist in Hab Acht Stellung. Die Nationalisten sind mit der „Erlangung“ der Krim gestillt, auch der Konflikt im Osten der Ukraine zählt dazu. Die Präsenz der NATO ist hoffentlich groß genug, um Putin daran zu erinnern, dass es Grenzen gibt. Im wahrsten Sinne des Wortes.
Eine Annektion der baltischen Länder käme womöglich dem Beginn des 3. Weltkrieges gleich. Das schlimme daran: ich kann mir leider nur zu gut vorstellen das die USA zu einem scharfen Konflikt mit Russland bereit wären. Ob mit oder ohne uns…
Ist Putin wirklich bereit das zu riskieren? Welchen Vorteil sieht er außer noch mehr Öl ins Feuer zu gießen?
@ht_
Ich glaubte immer das wäre der Sinn eines Bündnisses, ich sehe die schlimme Sache eher darin seine Verbündeten nicht zu unterstützen
https://www.youtube.com/watch?v=NfVRaCL9ryk
Jetzt steht auf dem Ausbildungsplan wohl alles mit dem Zusatz „… aller Truppen“.
@ ht
strategische tiefe (und abstand von Petersburg für die nato)
dazu gute presse an der heimatfront. hat man dieses rad einmal angestoßen muss man es auch weiter bedienen. wenn die krimeuphorie verfliegt, wird auch wieder gefragt, ob es ohne putin nicht besser wäre…
und bzgl risikoabwägung in die richtung. wenn erstmal tatsachen geschaffen sind, wird hier wohl keine bereitschaft merh bestehen, dort einzugreifen. d.h. wenn man die aktuelle schwäche der nato auf diesem gebiet ausnutzt mag das unternehmen sogar von erfolg gekrönt sein. wenn die ultra rapid reaction force womöglich nicht nur diesen titel hat sondern auch so funktioniert, könnten die marsianer recht schnell ausgebremst werden.
Au weia, das klingt erstmal nach einer großen Kiste. Vermutlich handelt es sich dabei aber nur um den Versuch, die baltischen Staaten unter Druck zu setzen. Außerdem: War die Annexion der baltischen Staaten durch die UdSSR rechtmäßig? Oder hat nur niemand laut genug protestiert? Was die Entlassung in die Unabhängigkeit angeht: hat es einen vergleichbaren Fall (die Rücknahme einer Unabhängigkeitserklärung) schon einmal gegeben?
Ich verstehe ehrlich gesagt die russischen Intentionen nicht. Indem man signalisiert, dass man (wenn es den eigenen Interessen dienlich ist) bereit ist, nahezu jeden unterschriebenen Vertrag bei Bedarf für nichtig zu erklären, schießt man sich doch langfristig selbst ins Knie.
Ich sehe mich in meiner Aussage zur russischen hybriden Kriegsführung wieder einmal bestätigt. Leider.
Im Übrigen fehlt mir zurzeit die unmissverständliche politische Botschaft: „Deutschlands Freiheit wird auch im Baltikum verteidigt.“ Es wäre die Gelegenheit, politische Fehler zu korrigieren.
Mal sehen, was dazu im Weißbuch stehen wird.
@ stephan L.
frag zum drüber nachdenken: was sind das für leute, die die russischen 90er nicht nur überlebt haben, sondern sogar erfolgreich wurden? und wie schauts bei denen mit risikobereitschaft und zeithorizonten aus?
und die aufkündigung aller internationalen normen ist etwas, was aus russischer perspektive in der bushära massiv vorangetrieben wurde, die sehen ihr aktuelles verhalten eher als spiegel des „verlogenen westens“ (abm-vertrag, libyen, golfkrieg(bush2), dronewarfare, .. )
@Stephan L.
AFAIK gab es zumindest bei den Litauern bewaffneten Widerstand
@csThor: Die russische Version zu den baltischen Staaten 1940 ist, dass diese sich freiwillig der SU angeschlossen hatten. Aber dazu stand ja selbst im „Neuen Deutschland“: Zur »demokratischen« Legitimierung der von Moskau eingesetzten Regierungen fanden am 14. Juli 1940 Scheinwahlen statt.
Es gibt da eine Überlegung von Andrey Piontkovsky. Putin plane im Baltikum die Nato zu testen und so zu sprengen: If the Russian speakers of Narva in Estonia were to conduct a referendum and Moscow sent in its forces overtly or covertly, how might NATO react?
Das hört sich schon an wie das in frage gestellt wurde
Steinmayer würde das alles hergeben für den Frieden willen die USA zum Glück nicht
Wie meinte ein ukrainischer Bekannter vor einigen Jahren als Streitigkeiten mit der russischen Minderheit in den baltischen Staaten aufkamen:
Wenn die Russen von den Rechten der Balten sprechen dann sollten sich die Georgier auf Krieg vorbereiten.
Drei Wochen später war Georgien durch einen Blitzkrieg geschlagen.
Ich hatte meinen Kommentar eigentlich total sarkastisch gemeint … Es scheint, einige müßten ihren Sarkasmusdetektor überprüfen lassen. ;)
(etwas spät, aber ich bekomme nicht immer alle Artikel mit)
Ich denke das es sich hierber eher um ein Säbelrasseln handelt und das sogar eher nach innen gerichtet, als eine Bedrohung nach außen darzustellen. Es gehört einfach zur russischen Mentalität, bzw. zum selbstverständnis des Staates, dass man nur mit einer wahrnehmbaren Bedrohungshaltung in der Weltpolitik wahrgenommen wird.
Solche äußerungen gelten eher dem Volk, dem man zeigen will das man in einem starken Staat lebt, als dem „Westen“ der ohnehin schon auf Dauerspannung ist.
Außerdem hält man so die eigene Bevölkerung immer ein einem Zustand, der von inneren Problemen ablenkt und so das regieren erleichtert.
Wirkliche militärische Maneuver werden nur unter Geheimhaltung und mit Ablenkungsmaneuvern durchgeführt.
Rhetorik dieser Art ist ein langsam wirkendes Gift… Wenn sich daran nichts ändert, wird es irgendwann seine Wirkung entfalten. Der letzte macht das Licht aus.
Nun, die Überprüfung wurde von zwei Abgeordneten angestoßen, welche der Partei Putins angehören:
http://en.delfi.lt/central-eastern-europe/russias-prosecutor-general-to-examine-legitimacy-of-baltic-states-independence.d?id=68375536
Daß dies nicht gerade im Sinne RUS ist, ist wohl klar.
M1
Putin wußte davon nichts und wurde überrascht, die Abgeordneten wollten sich profilieren
M2
Ein bewußter Vorstoß um durch ein ablehnendes Urteil deutlich zu signalisieren, daß die Unabhängigkeit der baltischen Staaten ausdrücklich anerkannt wird
http://rt.com/politics/271096-russia-prosecutor-request-baltic/