EU kurz vor Militäraktion gegen Schleuser im Mittelmeer & in Libyen?

Steht die EU kurz vor einer Militäraktion im Mittelmeer und in Libyen, um die Infrastruktur von Schleuserbanden zu zerschlagen und so den Zustrom von Migranten einzudämmen? Während der Spiegel in seiner jüngsten Ausgabe berichtet, dass es für ein entsprechendes Konzept der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini weit reichende Skepsis in den Mitgliedsstaaten gebe, zeichnet der britische Guardian ein ganz anderes Bild: Alle 28 EU-Mitgliedsstaaten unterstützten eine solche Aktion, und bei Vorlage eines Resolutionsentwurfs im UN-Sicherheitsrat am (morgigen) Montag werde auch damit gerechnet, dass weder Russland noch die EU ein solches Mandat blockierten.

Aus dem Guardian-Bericht EU considers military attacks on targets in Libya to stop migrant boats

The European Union has drawn up plans that could involve military attacks in Libya to try to curb the influx of migrants across the Mediterranean by targeting the trafficking networks. It is to launch a bid on Monday to secure a UN mandate for armed action in Libya’s territorial waters.
Britain was drafting a UN security council resolution to mandate the mission, said senior officials in Brussels, which would fall under Italian command, have the participation of around 10 EU countries and could also drag the Nato alliance in. (…)
Following intensive talks over the past week in Brussels, six EU states including Britain, France, Spain and Italy have committed to taking part, with several more expected to offer participation. All 28 member states are said in Brussels to support the proposed campaign.

Dagegen hatte der Spiegel (von dem nur die Vorabmeldung, aber nicht der eigentliche Bericht online verfügbar ist), von erheblichen Bauchschmerzen vor allem im Auswärtigen Amt in Berlin berichtet. Schließlich gehe es um Operationen zum Beispiel von Spezialkräften bis weit nach Libyen hinein. Deutschland halte deshalb eine solche Aktion, ebenso wie Russland, nur für vorstellbar, wenn es auch Zustimmung aus Libyen gebe – das nordafrikanische Land hat allerdings keine handlungsfähige Regierung, sondern zwei konkurrierende, dazu etliche schwer bewaffnete Milizen. Und die Verflechtung bewaffneter Gruppen im Land in die lukrative Schleusung von Migranten ist zumindest sehr wahrscheinlich, wenn auch nicht immer nachweisbar.

Die beiden recht unterschiedlichen Berichte über eine mögliche EU-Militärmission scheinen von der Sicht der jeweiligen Heimatregierungen geprägt: Der Spiegel von der deutschen, der Guardian von der britischen, die ja auch den Vorschlag für eine UN-Resolution entworfen hat. Was tatsächlich passiert, werden wir wohl erst in den nächsten Tagen erfahren.

Nachtrag: von National Public Radio aus New York:

Italian Red Cross President: Bombing Migrant Boats Would Be A ‚Huge Mistake‘
NPR’s Melissa Block interviews Francesco Rocca, president of the Italian Red Cross, who is in New York lobbying against a draft U.N. proposal to destroy human smugglers‘ boats in Libya.

(Angesichts der teilweise unschönen und unsachlichen Debattenbeiträge zu diesem Thema schalte ich in diesem Thread alle Kommentare auf moderiert.)

(Foto: Der deutsche Einsatzgruppenversorger Berlin im Mittelmeer am 6. Mai 2015 – Bundeswehr/PAO Mittelmeer)