Karfreitagsgefecht vor fünf Jahren: Der Wendepunkt für die Truppe?

Karfreitagsgefecht_Dingo

Vor genau fünf Jahren, am 2. April 2010, fielen in dem Dorf Isa Khel bei Kundus nach stundenlangen heftigen Feuergefechten drei deutsche Soldaten: Hauptfeldwebel Nils Bruns, 35, Stabsgefreiter Robert Hartert, 25, Hauptgefreiter Martin Augustyniak, 28. Mehrere ihrer Kameraden wurden bei diesem Karfreitagsgefecht schwer verwundet, haben es aber zum Teil wieder zurück in den aktiven Dienst geschafft. Zwei wurden sogar, trotz ihrer Verwundung, später Berufssoldaten.

Eine kurze Zusammenfassung, die ich für die Chronologie Zehn Jahre Kundus geschrieben hatte:

Der Kampf zur Vertreibung der Aufständischen aus Char Darreh kulminiert für die Bundeswehr am Karfreitag 2010. In der Ortschaft Isa Khel geraten deutsche Soldaten in einen Hinterhalt; es folgt ein stundenlanges Gefecht. Mehr als 25.000 Schuss geben die Deutschen während dieses Gefechts ab. In dem Schusswechsel fallen Hauptfeldwebel Nils Bruns, Stabsgefreiter Robert Hartert und Hauptgefreiter Martin Kadir Augustyniak. Mehrere Soldaten werden teils schwer verwundet.

Für die Aufständischen ist das Karfreitagsgefecht ein Propagandaerfolg – nicht nur wegen der deutschen Gefallenen. Die Bundeswehr muss einen angesprengten und fahrunfähigen Dingo zurücklassen. Zwar hatten die Soldaten ihn zuvor noch gesprengt, damit kein wichtiges Material in die Hand des Gegners fällt. Doch die Aufständischen posieren für die internationale Presse vor dem brennenden Fahrzeug. Das Bild läuft weltweit.

Monate später gelingt es der Bundeswehr, bei weiteren Gefechten in Char Darrah die Aufständischen zurückzudrängen – und die Reste des gesprengten Dingo zu bergen. (Siehe Foto oben; über die Gefechte berichtet der ehemalige Fallschirmjäger Johannes Clair in seinem Buch Vier Tage im November.) Im Gegensatz zu dem Erfolgsbild der Aufständischen vor dem brennenden Fahrzeug bleibt dieses Bild jedoch lange Zeit unter Verschluss.

Das Gefecht nur wenige Kilometer von Kundus und dem deutschen Feldlager dort entfernt wird seitdem in der Truppe immer wieder debattiert – nicht nur wegen der Gefallenen, sondern auch, weil es das vermutlich härteste Gefecht der Bundeswehr seit ihrem Bestehen war. Wie die taktische Lage sich abzeichnete, ob eine Panzerhaubitze in Kundus (die es damals noch nicht gab) oder eigene bewaffnete Drohnen die Lage geändert hätten.

Ich kann nicht beurteilen, ob das letztendlich alles schon intern aufgearbeitet wurde und wie die lessons learned aussehen. Ich weiß nur, dass das Karfreitagsgefecht für die Truppe ein größerer Wendepunkt war als für die deutsche Öffentlichkeit. Denn die sah und sieht vor allem im Luftangriff bei Kundus am 4. September 2009 den Punkt, an dem klar wurde, dass die Bundeswehr am Hindukusch nicht zum Brunnenbohren unterwegs war – mit allen Konsequenzen, die nach wie vor sehr unterschiedlich beurteilt werden.

Es ist wichtig, sich an dieses Gefecht und an die Gefallenen zu erinnern (und gerne sammele ich Berichte zu dem Ereignis selbst in den Kommentaren – mein eigenes Archiv ist an der Stelle äußerst lückenhaft, weil mein früheres Focus-Blog zu der Zeit bereits abgeschaltet war). Vielleicht ist aber heute nicht der Tag, über fehlende lessons learned zu diskutieren oder die Frage, ob die jetzt zugegebenen Probleme mit dem G36 an jenem Tag eine Rolle gespielt haben.

Bundeswehr-Berichte zum Karfreitagsgefecht, fünf Jahre danach hier und hier.