Nachtrag zum G36: ‚Ergänzende Stellungnahme‘ von Heckler&Koch
Nach den Aussagen des Verteidigungsministeriums am (gestrigen) Montag zum Sturmgewehr G36 und dem Trefferverhalten in heißgeschossenen Zustand hat die Herstellerfirma Heckler&Koch am Dienstag eine ergänzende Stellungnahme vorgelegt (die erste Stellungnahme des Unternehmens findet sich in dem Eintrag vom Montag).
Der Übersichtlichkeit halber dokumentiere ich die zweite Mitteilung hier gesondert:
Ergänzende Stellungnahme von Heckler & Koch zum Pressestatement der Ministerin zum Sturmgewehr G 36 vom 30. März 2015
31.03.2015
Zu den aktuellen Negativmeldungen zu dem Gewehr G36, insbesondere zum aktuellen Pressestatement der Bundesministerin der Verteidigung, trifft Heckler & Koch folgende Feststellungen:
Seit mehr als 50 Jahren sind wir zuverlässiger Partner der Deutschen Bundeswehr. Das G36 wird seit nahezu 20 Jahren genutzt und hat sich in mehr als 35 Staaten weltweit bei vielen Einsätzen bewährt. Wir sind erschüttert über die in den vergangenen Tagen vom Bundesministerium der Verteidigung getätigten Aussagen zum Gewehr G36. Insbesondere bedauern wir außerordentlich, dass das Ministerium vor der letzten öffentlichen Stellungnahme mit weitreichenden Folgen für unsere technische Reputation nicht im Vorfeld das Gespräch mit Heckler & Koch gesucht hat.
Folgende Punkte möchte Heckler & Koch klarstellen:
1) Alle G36-Gewehre der Deutschen Bundeswehr erfüllen die mit der Bundeswehr vereinbarten sog. „Technischen Lieferbedingungen“, welche die zu erfüllenden technischen Leistungsmerkmale des Gewehrs G36 als Bestandteil des Liefervertrages abschließend normieren und dokumentieren.
2) Dies wurde durch Abnahme jedes einzelnen der insgesamt 178.000 von den Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr genutzten Gewehre G36 durch die Güteprüfstelle der Deutschen Bundeswehr rechtskräftig bestätigt. Insofern sind jegliche Erwägungen bzgl. einer Mängelgewährleistung sachlich und juristisch verfehlt.
3) Aus den Pressemeldungen lässt sich ableiten, dass die Bundeswehr inzwischen offensichtlich unter bewusstem Ausschluss von Heckler & Koch in den vergangenen 6 Monaten eigene neue Prüfkriterien definiert haben muss, welche Heckler & Koch bis heute nicht zugänglich gemacht worden sind.
4) Bis heute hat keine Stelle innerhalb der Bundeswehr Heckler & Koch zu diesen aktuellen Vorgängen kontaktiert oder gar informiert, obwohl das Unternehmen zu jedem Zeitpunkt den offenen Dialog angeboten hat.
5) In den letzten Jahren wurde immer wieder von einzelnen Kreisen innerhalb der Bundeswehr behauptet, es gäbe aus dem Einsatz abgeleitete neue Nutzungsszenarien. Sollte dies zutreffend sein, so sind diese Szenarien nach Kenntnis von Heckler & Koch niemals verbindlich in technische Anforderungsparameter übersetzt worden. Vielmehr deuten im Moment viele Indizien darauf hin, dass die für unser Produkt relevanten Parameter fortlaufend willkürlich geändert wurden, um die Diskussion rund um das Gewehr G36 fortführen zu können.
6) Tatsache ist, es existiert auf NATO-Ebene kein normiertes Prüfverfahren oder gar ein Bewertungskriterium bzgl. der Treffleistung von Handwaffen
a) in heißgeschossenem Zustand
b) bei extrem hohen Umwelttemperaturen
c) bei extremen Unterschieden der Außentemperatur oder sonstiger Klimaschwankungen
d) bei Sonnenbestrahlung
7) Nach Kenntnis von Heckler & Koch waren diese NATO-weit nicht definierten Kriterien bisher auch auf nationaler Ebene in der Bundeswehr nicht bekannt. Einzige Ausnahme bildet der im Frühjahr 2012 in der Bundeswehr erstmals normierte sog. „Einsatznahe Beschusszyklus“ (EBZ), im Rahmen dessen das Gewehr G36 nachweislich und unstreitig eine für ein Sturmgewehr übliche Treffleistung erbringt.
8) Wir halten fest, dass Heckler & Koch bei der Klärung der Vorwürfe gegen das Gewehr G36 und den weiteren Untersuchungen von Seiten der Bundeswehr bestenfalls lückenhaft, stets verspätet und in der Regel nicht eingebunden wurde.
Die fortlaufende Infragestellung der technischen Eignung des Gewehrs G36 steht im krassen Widerspruch zur weltweiten Einsatzrealität über einen Zeitraum von mittlerweile fast 20 Jahren.
In der größeren Debatte rund um die Ausrüstung der Bundeswehr erscheint das systematische Vorgehen gegen Heckler & Koch vor diesem Hintergrund nicht erklärbar und wir behalten uns vor, umgehend Untersuchungen von unserer Seite aus einzuleiten.
(Foto: Panzergrenadier mit einem G36 auf dem Truppenübungsplatz Bergen 2010 – ©Thomas Imo/photothek.de)
@wacaffe | 02. April 2015 – 14:25
„gibt es eigentlich zum karfreitag irgendwor eine frei zugängliche taktische analyse die über allgemeinplätze wie den aktuellen BW artikel hinausgeht?
ich meine irgendwo mal eine recht detaillierte abhandlung samt taktischer karten etc. gesehen zu haben erinnere aber nicht wo.
der panzergrenadier?“
Ich kenne öffentlich zugängliche Auswertung des Karfreitages.
Für Halmazag gibt es dies:
http://www.panzertruppe.com/pdf/pdf%20s-b/blumroeder_sb45.pdf
„Die modifizierte g36 Version existiert ja bereits. Siehe Webseite des Herstellers.“
Und da wird ein anderes Material verwendet?
@xyz:
Nein, an den relevanten (Problem-)Stellen nicht. Da macht es ein Alu-Vorderschaft oder ne andere Picatinny-Visierschiene sowie ein längenverstellbarer Hinterschaft dann auch nicht.
Und an der Kunststoffmischung kann H&K ja „eigentlich“ nix ändern, weil aus deren Sicht ja die Waffe fehlerfrei und von Technologieführer ist und es dort überhaupt kein Problem gibt.
@ xyz
vermute nein. man hat die anderen eigentlich a priori vermeidbaren scharten ausgewetzt. visierlinie,picantinnies, schulterstütze.
im prinzip wäre es so wie man es momentan auf der webseite sieht die nachfolgebeschaffung g36 a4 (oder wie immer die offiziell firmierte) geworden, die zwischenzeitlich wegen der untersuchung ausgesetzt wurde.
im prizip wäre das auch ein substantieller fortschritt gewesen ohne das die grundsätzlichen konstruktiven einschränkungen was hitzebestänbdigkeit angeht damit behoben worden wären.
worst case wäre wenn durch den jetztigen bohei die, eigentlich schon geplante, ersatzbeschaffung der verbesserten g36 ausfällt während man bis zum sankt nimmerleinstag auf hk 416 oder äquivalent warten muss.
(ich sage nur gladius kompatibles 416= geschätzte x millionen neu zu versenken)
@Vtg-Amtmann:
Einige Gründe warum man nicht nach Roth fahren muss…
Im WIWeB kennt man sich mit CFK auch aus.
Die Endmontage von Canyon liegt nur 300m vom Haupthaus des BAAINBw entfernt. Dort könnte man auch nachschauen.
Der richtige Radladen ist in Hilpoltstein kurz vor der Kanalbrücke.
@Woody: Hip und Canyon sind ja schon Grenzniveau! Daran wagte ich gar nicht zu glauben.
@wacaffe:
Genau dieser worst case (keine Beschaffung G36A4, Verzögerung bei Nachfiolgesystem) ist eigentlich schon vorprogrammiert: Eine Modernisierung des G36 ist durch die Ansagen der Ministerin de facto unmöglich, die Beschaffung eine Nachfolgers wird mind. 3 – realistisch wohl 5 – Jahre benötigen.
Im Ergebnis werden große Teile der Truppe auch 10 Jahre nach Konzeption des G36A4 mit dem G36A1 unterwegs sein.
Ganz prima.
Aber das hat man sich schön selbst eingebrockt, weil man einen Stresstest zum systembestimmenden Merkmal erhoben hat.
Auf diese Verfahrenshinweise des GI bin ich auch mal gespannt, aber ich verstehe nicht, warum wird nicht einfach angeordnet, daß die Soldaten bis auf weiteres das G 3 verwenden sollen im Auslandseinsatz oder warum wird nicht allen Soldaten im Einsatz selbst erlaubt zu wählen, welchem Gewehr sie mehr vertrauen?
Und statt auf einen Abschlußbericht zu warten, hätte man anstelle der vorgesehenen, aber nicht mehr beschafften weiteren G 36 Gewehre doch längst ein Ersatzsturmgewehr ordern können.
Wir können ja mal bei den Peshmerga nachfragen, ob sie nicht ein paar tausend G3 gegen gut erhaltene G36 eintauschen möchten. – gegen fürstliche Bezahlung, versteht sich.
Die russischen Infanteristen haben längst Schutzwesten, von der die NATO-5.56-Projektile abprallen, und sie nutzt ihrerseits 5.45-Stahlkern-Munition, die den herkömmlichen US-Body-Armor durchschlägt: siehe https://bw2.link/NgDzL.
Also selbst wenn ein NATO-Schütze den Körper seines Gegners mit dem G36 (und wohl auch mit dem HK 416, da gleiches Kaliber“chen“) trifft, wird er den Feuerkampf verlieren. Wenn die Bundeswehr neue Handwaffen kauft, dann bitte mit Kaliber 7,62, z.B. HK 417.
Puh. Weiß gar nicht wie man so scharf auf das G3 sein kann. Ich würde das G36 trotz der „Mängel“ weiter bevorzugen.
Was sagen die Saudis eigentlich zu „unseren“ Hitze Probleme?
Auf N-TV:
„Präzisionsmängel beim G36 – Gefährdete Ursula von der Leyen Soldaten?“…………………………..inkl. Zitierung von Thomas Wiegold.
@klabautermann:
Es wrd ja immer toller, der Sprecher des BMVg laut n-tv:
Man sei schon mit den vorläufigen Ergebnissen an die Öffentlichkeit gegangen, weil es unverantwortlich gewesen wäre, den Soldaten im Einsatz diese Informationen vorzuenthalten, bis der Abschlussbericht vorliegt, sagte ein Sprecher zu n-tv.de. Man habe keine Menschenleben gefährden wollen.
Und dann schaut man sich nochmal die Weisung des GI an (keine Gefahr).
Diese Volksverdummung ist wirklich dreist.
Es ist interessant wie sich die öffentliche Debatte verselbstständigt:
• Von: „Das G36 funktioniert und ist eine insgesamt gute Waffe, Probleme treten unter Extrembedingungen auf, die selbst in Gefechten selten erreicht werden. Wir beschaffen mittelfristig ein neues Sturmgewehr nicht nur wegen diesen seltenen Problemen. Solange bleibt das G36 als funktionstüchtige Waffe in der Nutzung.“
• Über: „Das G36 taugt nichts, wie können die Peshmerga nur mit diesem Schrott kämpfen, lasst uns wieder das G3 einführen!“
• Zu: „Große Hysterie!!– vdL verantwortlich für Gewehre die um die Ecke schießen?“
@ O&A – Ja und Nein. Hartkernmunition, egal ob 7,62×39 oder 5,56×45 durchschlägt Level III Platten (egal ob aus dem Westen oder Osten). Level IV Platten stoppen hingegen selbst 7,62×51 Hartkernmunition. Letztere verbreiten sich dank Fortschritten in der Keramiktechnologie im Westen, aber noch kaum im Osten. Man sollte also nicht alles glauben was im Internet steht.
@Memoria
Dieser „Widerspruch“ ist mir auch aufgefallen.
Aber wie der Karfreitagsgefechts-Faden ja zeigt ist man im BMVg Lichtjahre von echter Transparenz und Fehlerkultur entfernt.
@O&A:
Komisch, die 5,56mmx45 Hartkern AP (nicht mit AA59 Doppelkern) durchschlug, aus dem G36 verschossen, auf 150m problemlos eine SK4-Weste (immer mindestens das Vorderteil der Weste mit Platte und Weichballisitk, teilweise beide Platten plus Weichballistik). Das überraschte selbst uns.
Die Aussage, dass die Russen Wundermunition und Wunderwesten haben, wir nur Müll, ist wohl eher der russischen Propaganda zuzuschreiben.
@G3-Nostalgiker:
Einige Armeen haben schon 1945 erkannt, dass Full-House Patronen ala 30-06, 8×57, 7,6 Russisch für „Sturmgewehre“, die sowohl die Aufgaben eines Gewehres, in Teilen aber auch der MPi und die Aufgaben zwischen beiden Waffentypen, erfüllen soll, viel zu groß, schwer und Rückstoßstark sind und die zugehörigen Gewehre auch groß, schwer und rückstoßstark werden.
Diese Armeen haben Mittelpatronen entwickelt, die Russen die 7,6mmx39, die Deutschen die 8×33 und die Briten hatten Anfang der 50er auch was im Bereich 6,irgendwas in der Entwicklung.
Die 7,62×51 ist ein Überbleibsel der Idee einer Einheitspatrone für mittlere MG und Gewehre, groß, rückstoßstark, mit deutlich gekrümmter Flugbahn.
Ich will das G3 nicht wieder haben, beim Feuerkampf „Gruppe in der Verteidigung“ auf der Schießbahn, wo man gemütlich auf 200 bis 400m Klappscheiben umschießt funktioniert sie, im reaktionionsschnellen Schießen, z.B. im Nahbereich ist es ein echter K(r)ampf. Wundballistisch werden ihr von der 5,56 abweichende Eigenschaften angedichtet, die sie nicht hat und die mit einem Rattenschwanz an Nachteilen erkauft werden muss.
Moin Moin !
G3: Ich kann-obwohl noch Drillmäßig dran ausgebildet- dem „Eisenschwein“ nichts abgewinnen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass es viele aktive gibt, die ihr G36 mit Kusshand gegen ein G3, zudem in Grundausstattung Kimme-Korn, tauschen wollen würden. Das es ausgesuchte G3 gibt, die in den Händen eines SSchtz mit entsprechenden Modifikationen (Optik) einen Mehrwert haben bestreite ich nicht.
Zu den Meldungen über ungenaue G36 mal was aus eigener Erfahrung:
Wir haben nach der Ktg Übernahme im Sommer 2013 unsere G36 angeschossen. Es waren an dem Tag über 40 Grad Außentemperatur. An 2 G36 sind wir schier verzweifelt. Treffer mit Ablage in alle Richtungen. Nachdem die Knarren 1 Std über der Lüftung der Klima im Auto gelegen haben konnte man wieder von Schussgruppen sprechen. Wir haben es dann bei einem weiteren Schießen einfach mal ausprobiert. Auf 100m gingen die Schussgruppen mit Anstieg der Temperatur von 5 cm beginnend auf. In der letzten Runde waren einzelne Treffer nicht mehr auf der Scheibe. Diese Waffe konnte man allerdings auch selbst mit Handschuhen kaum noch am Handschutz festhalten, da es schlichtweg zu heiß wurde. Ohne Handschuhe ging schon vorher nichts mehr. Dabei wurden die Läufe meines erachtens nicht übermäßig belastet, kein „Sturmabwehrschießen“ o ä. durchgeführt.
Wir haben für uns festgestellt, dass es neben der Hitze auch auf die einzelne Waffe und ihren Pflegezustand ankommt.
Wenn ich eine Waffe übernehme, deren Handschutz bereits begonnen hat im unteren Bereich der Rohraufnahme zu schmelzen, dann dürfte es niemanden wundern, wenn die Präzision dieser Waffe von denen der Waffen die dieses Schadbild nich aufweisen abweicht. Leider ist dieses zu 95% ein Bedienerfehler, der zu 100% bei der Schießausbildung auftritt wenn ein Magazin nach dem anderen im Modus „F“ durch die Waffe geht. 50% der Waffen meiner Einheit zeigten diesen Mangel in verschieden starken Ausprägungen. Diese Waffen waren es auch, die bei weiterer Erhitzung die schlechtesten Schussbilder lieferten.
Desweiteren konnten wir einen Unterschied bei den verwendeten Handschutzvarianten feststellen. Offensichtlich wird die wärme bei den Kunststoffvarianten am schlechtesten abgeleitet.
Ein hinzugerufener Waffenprüfer teilte unsere Meinung. Seiner Aussage nach ist die Wärmeableitung beim Handschutz der G36kA2 aus Aluminium am besten, und die Nutzer dieser Variante haben keine Probleme. Alles was den originalen Handschutz hat, zudem noch mit LLM u. weiteren Dingen zugebaut hat ist schon eher ein Problem.
Nun ja das ganze wurde dann, wie so oft gemeldet.
Wer jedoch weiß wie Erfahrungsberichte zusammengefasst werden, der hat eine Ahnung was da so alles nicht den Weg in die Finale Form findet. Unsere „angeschlagenen“ Waffen versuchten wir auszutauschen, was nach langem und zähem Kampf an der Papierfront dann auch gelang.
Ich persönlich würde dem G36 per se kein Präzisionsproblem nachsagen.
Die Waffen im Einsatz sind teilw. mit 5 stelligen Seriennummern versehen, also Steinalt und schlichtweg ausgelutscht! Wenn eine Waffe tot geschrieben wird, bekommt der Nutzer nicht automatisch eine Tür weiter eine neue! Das sorgt immer wieder dafür, das Waffen noch in der Nutzung bleiben die eigentlich in die Schrottpresse gehören. Das sich dann viele Faktoren summieren ist ein Problem. Ein großer Faktor ist jedoch der Soldat selber. Wie oft habe ich im Ktgt. in der Waffenkammer ne „Hure“ bekommen, die nicht gepflegt, nie geputzt wurde, geschweige denn deren Lauf gereinigt wurde. Mein „eigenes“ mußte derweil gepflegt, gereinigt, top in Schuss, auf mich angeschossen, in der heimischen WaKa bleiben!
In Jagdforen wird diskutiert nach wieviel Schuss der Lauf chemisch Grundgereinigt werden sollt bzw. muss weil die Präzision nicht mehr gegeben ist. Da wird auch die Thematik „Bettung“ ausführlich erklärt.
Das am Karfreitag das wohl intensivste Gefecht der Bundeswehr geführt wurde ist außer Frage und unstrittig, ob ein FN SCAR oder H&K 416 /H&H 417 anstelle des G36 dem Tag eine andere Wendung gegeben hätte halte ich für fraglich.
Um das magische Schlagwort „Feuerzucht“ vs. reale Gefechtssituation einzuordnen:
https://www.youtube.com/watch?v=1KKSHsZt6Lg
Hier sieht man, wie schnell 2-3 Magazine im Gefecht weg sein können. Dabei würde ich in dieser Situation keine mangelnde Feuerzucht unterstellen (Soldat war weitgehend alleine und musste unterdrücken, trotzdem gab er keine sinnlosen automatischen Feuerstöße ab).
Der Punkt ist: Seit dem Erscheinen des Stg44 haben Karabiner (7,62×39, 5,56×45 etc…) im Bewegungsgefecht eine andere Einsatzphilosophie als ausgewachsenen Gewehre (7,62×51 etc…) für das Gefecht aus einer statischen Stellung heraus. Aus dem gleichen Grund wurden leichte MG`s eingeführt (Unterdrückung aus der Bewegung). Der Gi könnte also auch eine Veränderung der Ausbildung/Einsatzdoktrin anweisen (Ausbildung/Einsatz G36 stets in Verbindung mit MG4) um dem Problem kurzfristig zu begegnen. Wie sehr jedoch das MG4 innerhalb der BW als komplementäres Element zum G36 oder aber als leichtes Substitut für MG3 gesehen wird, weiß ich nicht. Mein Eindruck ist jedoch, dass ein wesentlicher Anteil von Kommentatoren vom Schießen aus der statischen Stellung ausgeht und deshalb die Präferenz für G3/MG3 so ausgeprägt ist. In der Folge würde eine reale Gefechtssituation dazu führen, dass G36 und MG4 nicht komplementär eingesetzt werden und es deshalb zu den verschärften Beschusszyklen des G36 kommen könnte.
Ggf. nicht nur ein technisches Problem, sondern ein Ausbildungs-/Mentalitätsproblem – jedoch nicht wegen mangelnder Feuerzucht, sondern wegen nicht erfolgter und umfassender Betrachtung der Handwaffensysteme/Einsatzdoktrin. Das Handwaffeneinsatzkonzept wird also dringend benötigt um Klarheit herstellen zu können und eine umfassende Beschaffung von Handwaffen einzuleiten.
z.B. Kommt man wahrscheinlich gar nicht Verlegenheit ein G36 so heiß schießen zu müssen, wenn man den Feind in gedeckter Stellung vorher schon mit leichten Mörsern zerschlagen hat.
Bei der BPK am 1. April ging es auch nochmal um das G36:
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/04/2015-04-01-regpk.html
Alles wird gut – irgendwann, mittelfristig…
bzgl. BPK vom 1 April:
Man könnte es auch als Aufforderung zum Aufbau einer systematischen Einsatzauswertung verstehen. Mit einer zentralen Stelle (ggf. Planungsamt BW?), welche die immer wieder auftauchenden Berichte systematisch dokumetiert hätte, wäre man der Sache früher auf die Spur gekommen und hätte sich selbst und dem Hersteller den „Skandal“ erspart.
@Bang50:
Die systematische Einsatzauswertung hat man in den letzten Jahren aufgebaut. Jedoch nicht mit abgestimmten Verantwortlichkeiten zwischen den TSK/ OrgBer und dem EinsFüKdo. Es gibt genug Dienstposten, Veranstaltungen und Berichtswesen.
Es fehlt am Anspruch institutionell zu lernen.
@ Memoria – Wo findet die Einsatzauswertung statt? Wenn man auf der BPK zugeben muss „wir müssen erst mal nachschauen wer in den letzten Jahren etwas gemeldet hat“, dann scheinen die Informationen nicht zentral gesammelt zu werden. Vielleicht fällt es der Institution deshalb so schwer zu lernen – Informationen vorhanden aber dezentral verstreut?
An welchem Aspekt hängt es Ihrer Ansicht nach?
„Ein hinzugerufener Waffenprüfer teilte unsere Meinung. Seiner Aussage nach ist die Wärmeableitung beim Handschutz der G36kA2 aus Aluminium am besten, und die Nutzer dieser Variante haben keine Probleme. Alles was den originalen Handschutz hat, zudem noch mit LLM u. weiteren Dingen zugebaut hat ist schon eher ein Problem.“
„Die Waffen im Einsatz sind teilw. mit 5 stelligen Seriennummern versehen, also Steinalt und schlichtweg ausgelutscht! “
Das möchte ich nochmal hervorheben, weil es das eigentliche Problem nochmal aufzeigt. Danke für den Beitrag @Hans Tonnenkäse
@ xyz – Soweit ich das G36 in seinem Aufbau verstanden habe, ist der Handschutz von der Rohrbettung thermisch isoliert. Der Aluminiumhandschutz kann also eigentlich nur die Hitzeentwicklung des Rohres besser über die Umgebungsluft an die Außenwelt abgeben. Am thermischen hot spot der Rohrbettung dürfte sich dabei jedoch wenig ändern. Lange Rede: Ich halte den Aluminiumhandschutz nicht für die Lösung des Problems – das Problem kann aber ggf. etwas verzögert werden.
Klarheit wird hoffentlich der Abschlussbericht bringen.
@Bang50:
Die offiziellen Einsatzerfahrungen werden in einem gesonderten IT-System beim EinsFüKdo erfasst. Jährlich finden sog. Auswertegespräche Wehrmaterial unter der Leitung von Heer/ SKB statt.
Beim G36 gab es n.m.E. vor allem Grabenkämpfe zwischen versch. Dienststellen.
Insgesamt hatte die Einsatzauswertung zwischen 2010-2013 ihre intensivste Phase. Nunmehr ist die Luft wieder raus. Aber selbst in den besten Zeiten fehlte es an systematischem Soll/ Ist-Abgleich. Ein soll-Zustand oder internationaler Vergleich war allzuoft gar nicht vorhanden. Dazu kommen Neuausrichtung und Personalwechsel.
Wie handhaben das die anderen Nationen, werden bei denen die Waffen auch erst im Einsatzland übernommen oder nehmen die „ihre“ Waffen mit?
Die von Hans Tonnenkäse beschriebenen Zustände der Waffen auf Grund mangelnde Pflege schockieren, überraschen aber nicht. Leider.
Laut FOCUS werden Nachtwei und Königshaus in der Kommission zu den Einsatzerfahrungen sein.
In diesem Sinne: Frohe Ostern.
@Holgone01: Bei den Amis wird der Schütze AFAIK mit seinem Gewehr verheiratet. Da gibt es also keine Waffenausgabe, sondern man hat immer dieselbe Waffe, für deren Zustand man auch immer selbst verantwortlich ist.
Moin Moin !
Und Frohe Ostern.
Zum Handschutz: Der Handschutz ist sicherlich nicht das alleinige Problem. Wie schon angemerkt wurde ist er daran beteiligt in wie weit sich die Wärme staut. Ich bin Nutzer, kein Techniker.
Waffen anderer Nationen:
Wir müssen gar nicht ins Ausland schauen. Die Angehörigen des KSK bringen „ihre“ Waffe wie selbstverständlich mit. Wenn ich es richtig im Kopf habe war das auch bei den Truppen die mit Gladius ausgerüstet wurden so. Gleiches gilt für Scharfschützen der BW
Unsere BW lamentiert in diesem Bereich immer rum. „Waffen“ im Lfz usw. Angeblich ging auch nicht regelmäßig ein Transportflieger aus Leipzig, da Waffen erst ab einer bestimmten Menge/Tonnage im allgemeinen geflogen werden. Am Ende war es dann wohl zu teuer und zu mühselig die Genehmigungen immer wieder auszufüllen. Dieses System hat sich mir nie erschlossen. Vielleicht wollte es auch nur irgendwer nicht…:(
Die Nationen mit denen ich zu tun hatte brachten alle „Ihre“ Handwaffenwaffen (Gewehr/Pistole/lMG/SPASS usw. mit. Diese Kultur ist bei uns verloren gegangen weil irgendein Haushälter das zu Teuer fand! „Wie kann ein Soldat auch seine eigene Waffe mit in den Einsatz nehmen“ Ohne Worte
Frohe Ostern noch !
@Hans Tonnenkaese
Weil es schon eine ganze Zeit her ist, das ich eine Waffenkarte für meine persönliche Knarre hatte.
Das ist die Wahrheit, Dienststellen, die nur für 20% der Köpfe eine Waffe haben!
Kann es sein, dass man zum Mitführen der eigenen Handwaffe ins Ausland eine komplexe Ausfuhrgenehmigung bei diversen Ministerien in DEU beantragen muss?
Da ging es uns damals beim Wehrdienst ja noch besser.
Schwer zu verstehen das es anders ist. Gerade im Einsatz. Gerade dort wo man die Waffe braucht.
Die G36-Kommission wird 4 Mitglieder haben.
Nachtwei, Königshaus und noch zu bennende Taktik- und Waffenexperten (siehe rp-online, „Königshaus und Nachtwei in Untersuchungskommission“).
königshaus und nachtwei….
beide mögen sich ja thematisch mit afghanistan befasst haben.
ob sie das für eine rein technisch-handwerkliche fragestellung qualifiziert sei mal dahingestellt.
hat mal wieder das versorgungspostenhautgout
Ja, genau die beiden sind qualifiziert denn sie kennen jene, welche Fragen haben und sind bereit diese an deren Stelle zu fragen.
P.S.: Beide haben nichts, außer ihre Reputation, zu verlieren.
@wacaffe:
Es geht bei der Kommission ja n.m.V. nicht um waffentechnische Details, sondern um die Lernfähigkeit der Bundeswehr.
Da sind die ernannten Persönlichkeiten (!) wohl wirkliche Experten. Es ist dem Fall auch keine Postenhuberei – das haben beide nicht nötig.
Nur leider habe ich den Eindruck, dass es dem BMVg nicht um echte Sachaufklärung und einen notwendigen Kulturwandel (Fehlerkultur) geht, sondern um das Simulieren von Aktivität.
Aber schaden kann es nicht und öffnet vielleicht so manchem die Augen welche Rolle die militärische Führung und die ehem. Spitze der Rüstung so spielte.
Es gibt da genug Munition. Man muss sie nur finden wollen – und vorallem auch dürfen.
Wenn vdL die Kommission richtig „füttert“, dann könnte das Ganze für TdM noch sehr peinlich werden. Damit wäre einer breiten Öffentlichkeit klar, dass der EuroHawk kein Ausrutscher war, sondern nur ein Beispiel für die Arbeitsweise von TdM.
Damit wäre dann der wichtigste Konkurrent von vdL auf dem Weh ins Kabzleramt verdrängt – und das nur weil sie – in Sorge um die Soldaten – eine Kommission mit nem Grünen und nem Liberalen einberuft.
Schon beinahe genial.
@Memoria
Das ist genial.
……und so weitet sich die Kommision ggf zu einem Untersuchungsausschuss zum Fall TdM/Neuausrichtung und Fehlernichtkultur in der Bw (was letztlich ein zusammenhängendes Thema ist) aus.
All in der Bw wissen, dass die Neuausrichtung ihr Versprechn nicht halten kann (siehe schon jetzt Lw) gezwungen durch das Rüsungs, Pers, Infra und NATO Desaster wird es weiter, erhebliche Veränderungen geben.
Dass kann UvdL nicht erklären ohne ihren Vorgänger zu belasten …………. also machen das andere für Sie und sie werden es tun.
Bin gespannt auf die Rolle von Bartels als Wehrbeauftragter, wie will der die Probleme angehen, wenn er sie oft schon im Verteidigungsauschuss nicht sehen wollte (Sationierung, Hubschrauberdeal, Unterkünfte, Bundesmeldegesetz, CAS uvm). Am Ende muss er UvdL in Schutz nehmen um sich nicht selbst besonderen/speziellen Fragen zu stellen :-).
@Elahan:
Da wird es noch viel zu lachen geben.
Auch mit Blick auf die Generalität.
Mal sehen, ob am Ende ein Kommissionsbericht veröffentlicht wird (Transparenz und so).
Nur leider wird es am Kernproblem, der Null-Fehler-Kultur, nichts ändern. Das ist eben auch ein zu dickes Brett.
@Memoria
„Null-Fehler-Kultur …….. hatte doch TdM“
Jetzt ist es an der Zeit, Fehler zu erkennen und sie abzuarbeiten.
Null Fehler wird es hoffentlich in einer Armee nie geben ……. sonst droht uns die Rückkehr der Büroklammer (i’ll be back).
@ Elahan – Anm: „Kann es nie geben“ ;-)
Josh Barnett (ein bekannter Ringer und MMA Schwergewichtler) hat es einmal auf den Punkt gebracht: Wer im Training keine Fehler kennt, wird sie erst im Kampf kennenlernen.
@Elahan:
Es greift zu kurz, wenn man die völlig unzureichende Fehlerkultur mit der Amtszeit von TdM gleichsetzt.
Die Bundeswehr hat in den letzten 20 Jahren immer stärker in Richtung „Null-Fehler“-Kultur (=Grünlage) entwickelt.
Da ist das G36 nur die Spitze eines opportunistischen Systems mit falschen Anreizen durch die Politik und mil. Führung.
Die Jasagerei – gerade auch der hohen Offiziere ist das systemische Problem.
Aber wer will das wirklich wissen?
@Memoria
„Es greift zu kurz, wenn man die völlig unzureichende Fehlerkultur mit der Amtszeit von TdM gleichsetzt.“
Da haben sie natürlich recht, doch keiner hat es für sich so in Anspruch genommen und verkörpert wie TdM.
Primat der Politik ohne medialen Widerspruch durch das Militär ist ein kampf mit ungleichen Waffen. Wie sich unsere Führer gegenüber ihren jeweiligen Vorgesetzten positionieren ist in manchen Bereichen Verantwortungslos (im Wortsinn) und genau daren fehlt es, keine Verantwortung, keine Rechenschaft. Selbst bei jenen welche Widerspruch leisten, wird dies oft nicht bekannt und so gibt es kaum einen Druck auf die Politik. Ggf inzwischen ein gesellschaftliches Problem und die Bw ist eben leider in Teilen ein Spiegel derer.
Dort wo mam Probleme als Handlungsfelder beschreibt und sie dann doch wie Problem vorher auch verschweigt oder klein redete, wird man schnell Feldmarschall und Reichsfürst wie es Grigori Alexandrowitsch Potjomkin war.
@Elahan:
Professionelle Beobachter sehen hier wohl auch eine Falle von vdL – siehe sueddeutsche.de, „Treffverhalten“.
Schöne Zusammenfassung zu G36 und Fehlerkultur:
http://www.ndr.de/info/sendungen/streitkraefte_und_strategien/streitkraeftesendemanuskript520.pdf
Auch lesenswert der Beitrag zu neuSAK.
@Memoria
aber „lesenswert“ anders als sie denken. Wahnsinn was immer noch für ein Unsinn verzapft wird.
Ohm nein – danke setzen. Nochmal nachlesen.
Und der Kaleu bietet auch ein paar Kracher:
Die Marine (und afaik der ZSan) sind die einzigen OrgBereiche die im übrigen das Ziel nicht erreicht haben (und nun eine Verlängerung bekommen haben) – und nicht etwa wie ja nachvollziehbar durch die seegebundene Abwesendheit sondern – und das ist peinlich – weil sie es an ihren eigenen Schulen nicht geschafft hat in 4 Jahren Personal für die Ausbildung sinnvoll zu rekrutieren und auszubilden. Dabei hat gerade die MUS Plön als große Ausnahme die Befähigung selbst Schießlehrer(!) und Schießausbilder nSAK lehrgangsgebunden auszubilden (neben der InfS Hammelburg und vorher der FJgSch).
Also was der gute Kaleu hier attestiert, ist dass es die größte Ausbildungseinrichtung der Marine nicht hinbekommt, was alle anderen irgendwie geschafft haben und das aufgrund interner Fehlplanung – schließlich ist das Zeitargument ein Witz – bei einer Lehranstalt mit Lehrgangsgebundener Ausbildung, eigenem Fachbereich und speziellem Personal für Schießausbildung.
Gut find ich auch den hier:
Die ersten beiden Sätze sind schonmal ne mega Weisheit in sich…. Aber was sind denn die tatsächlichen Schlüsse?
1. Vorher wurde bewusst keine ausreichende Schießausbildung betrieben (Denn auch ohne nSAK haben Einheiten die Schießausbildung ernsthaft betrieben haben ähnlich große Schussbelastungen an den Waffen wie heute mit nSAK)
2. „Waffenhuren“. Wenn alle ihre Ausbildung nSAK mit den SELBEN Waffen machen ist das tatsächlich eine unnatürliche Belastung für die Waffen. Bleibt die Frage warum das so gemacht wird und ob dies denn so schlau ist. Das passt aber wieder zu der tollen Aussage von HK in ihrer Stellungnahme alá „alle bisher 178.000 and die Bundeswehr übergebenen G36….“ – 178.000 insgesamt? bei einer bis vor kurzem >200.000 STAN – interessant.
3. Häufigere TMP ist ja schön und gut – interessant wäre allerdings was diese ergeben. Da lässt man sich wohl wissentlich nicht aus.
Aber bei einem muss ich ihnen recht geben @Memoria:
Diese Zusammenfassung ist ein schönes Beispiel zum Thema Fehlerkultur: Denn glücklicherweise hat man hier anscheinend den Bereich befragt, der am wenigsten Ahnung hat – das zeigt wenigstens wo noch Probleme liegen.
@Jas:
Danke für die Antwort.
Wir haben wohl an den gleichen Stellen den Kopf geschüttelt.
De Aussage zur Konzentration auf den Nahbereich ist ja weiterhin verbreitet – auch bei Konzeptionären. Mit erheblichen Auswirkungen auf Beschaffungsvorhaben.
Wenn man schon die eigene Schießausbildungskonzeption nicht mehr versteht…