Geplante Irak-Mission der Bundeswehr: Verfassungsrechtlich doch nicht so einfach
Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hatte sich im Dezember noch sehr zuversichtlich gezeigt. Die geplante Ausbildungsmission der Bundeswehr für kurdische Peshmerga-Kämpfer, die für den Kampf gegen die islamistischen ISIS-Milizen trainiert werden sollen, sei ungeachtet einer neuartigen Auslegung des Grundgesetzes möglich: Der Einsatz findet in einem System der kollektiven Sicherheit statt, ist damit verfassungsfest, hatte die Ministerin betont. Auch wenn sich das Bundeskabinett bei dem Beschluss dieses Mandats erstmals darauf gestützt hatte, dass das nach dem Grundgesetz vorgesehene System kollektiver Sicherheit nicht wie bislang UNO, NATO oder eine andere Organisation ist, sondern lediglich eine Koalition der Willigen. Nun scheint es an dieser Verfassungsinterpretation zunehmend Zweifel zu geben.
Die Rechtsansicht der Bundesregierung, hier schon mehrfach thematisiert, findet sich klar im Mandatsentwurf des Kabinetts:
Die deutschen Streitkräfte handeln im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit im Sinne des Art. 24 Abs. 2 des Grundgesetzes. Sie handeln bei ihrem Einsatz als Teil der internationalen Anstrengungen im Kampf gegen die Terrororganisation ISIS, die sich selbst auch „Islamischer Staat“ nennt, von der nach Feststellung des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen eine Bedrohung für Weltfrieden und internationale Sicherheit ausgeht (Sicherheitsrats-Resolution 2170 (2014) vom 15. August 2014). Die internationale Gemeinschaft leistet damit der Aufforderung des Sicherheitsrats Folge, die irakische Regierung im Kampf gegen ISIS zu unterstützen (vom Sicherheitsrat im Konsens angenommene Vorsitzerklärung vom 19. September 2014). Die Ausbildungsunterstützung wird auf Bitten und im Einverständnis mit der Regierung des Irak sowie der Regierung der Region Kurdistan-Irak geleistet. Mit Schreiben vom 25. Juni 2014 an den Generalsekretär der Vereinten Nationen (UN-Dokument S/2014/440) hat der irakische Außenminister alle Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen um Unterstützung im Kampf gegen die Terrororganisation ISIS auch im Wege militärischer Ausbildung gebeten. Der Einsatz zur Ausbildungsunterstützung ist daher völkerrechtsgemäß, ohne dass der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einen Eingriff in die Hoheitsrechte des Irak autorisieren müsste.
Doch genau an diesem Verständnis des Grundgesetz-Artikels 24 Absatz 2 entzündet sich der Streit. So hatte es das noch nicht gegeben – das System kollektiver Sicherheit war bislang immer eine feste Organisation.
Übereinstimmend berichten tagesschau.de und Spiegel Online von einem Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages, in dem diese Berufung auf eine Koalition der Willigen als problematisch eingeordnet wird:
Im Gutachten des Bundestags heißt es aber, um mit dem „System kollektiver Sicherheit“ zu argumentieren, wäre ein UN-Mandat notwendig, das den Einsatz völkerrechtlich legitimiert. Ohne Mandat gebe es auch kein „System kollektiver Sicherheit“. Daher finde der Unterstützungseinsatz keine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 24, Absatz 2.
heißt es bei tagesschau.de; SpOn hat offensichtlich das gleiche Gutachten:
Klar sei, dass der Einsatz „nicht im Rahmen und nach den Regeln eines kollektiven Sicherheitssystems“ stattfinde. Auch die von der Regierung zitierte Uno-Resolution 2170 und eine Erklärung des Sicherheitsrats reiche „zur Autorisierung des Anti-IS-Einsatzes im Irak nicht aus“. Vielmehr vermögen die Äußerungen „eine förmliche (autorisierende) Resolution nicht zu ersetzen“. Folglich finde der Einsatz „keine verfassungsrechtliche Grundlage“ nach Artikel 24.
Das Gutachten nennt einen Ausweg, den auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) angepeilt hatte. Demnach sei der Einsatz nach Artikel 87 des Grundgesetzes vertretbar. Dieser wertet die Nothilfe für andere Staaten als erweiterte Verteidigung der Bundesrepublik. Bisher hat Deutschland diesen Weg noch nie gewählt.
Ob dieses Gutachten Folgen hat? Das scheint eher zweifelhaft. Denn zum einen ist eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht angesichts der zahlenmäßigen Größe der Oppositionsfraktionen im Bundestag schwierig. Zum anderen ist auch denkbar, dass das Karlsruher Gericht die Sicht der Bundesregierung bestätigt – und damit Gegner dieser Interpretation in den Oppositionsparteien noch weniger gegen ungeliebte Auslandseinsätze vorgehen können.
Andererseits: Das Verfassungsgericht wird sich ja ohnehin mit der Frage beschäftigen, was nun eigentlich ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte im Ausland ist. Am 28. Januar, einen Tag vor der geplanten Billigung der Irak-Ausbildungsmission im Parlament.
Nachtrag: Einige Kernsätze aus der Zusammenfassung des Gutachtens (da der Bundestag bei den Gutachten seines Wissenschaftlichen Dienstes immer sehr auf die Einhaltung des Urheberrechts achtet, muss ich mich auf einige wenige Sätze im Rahmen des Zitatrechts beschänken):
Der geplante Unterstützungseinsatz der Bundeswehr findet nicht „im Rahmen und nach den Regeln eines kollektiven Sicherheitssystems“ (der VN) statt.. (…) Die Sicherheitsratsresolution 2170 (2014), welche die Terrororganisation IS verurteilt, reicht zur Autorisierung des „Anti-IS-Einsatzes im Irak nicht aus. Auch die (völkerrechtlich nicht bindende) Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrates vom 19. September 2014 vermag eine förmliche (autorisierende) Resolution nicht zu ersetzen.
Ad hoc-Koalitionen („Coalitions of the Willing“) stellen kein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit dar, da es ihnen an der für ein solches System notwendigen institutionellen und vertraglich begründeten Struktur fehlt.
Der Unterstützungseinsatz der Bundeswehr im Irak findet daher keine verfassungsrechtliche Grundlage in Art. 24 Abs. 2 GG.
Das Gutachten nennt als mögliche verfassungsrechtliche Grundlage noch Artikel 87a Absatz 2 des Grundgesetzes. (Außer zur Verteidigung dürfen die Streitkräfte nur eingesetzt werden, soweit dieses Grundgesetz es ausdrücklich zuläßt.) Voraussetzung dafür sei aber, die kollektive Selbstverteidigung oder Nothilfe zu Gunsten eines nicht verbündeten Staates als erweiterte Verteidigung anzusehen. Ein solches Vorgehen außerhalb der sonst üblichen kollektiven Sicherheitsstrukturen wäre eine verfassungsrechtlich neuartige Interpretation, allerdings kommt der Gutachter auch zu dem Schluss: Es besteht aber kein verfassungsrechtliches Postulat, wonach Bundeswehreinsätze nur im Rahmen von kollektiven Sicherheitssystemen erlaubt sind.
Damit sagt das Gutachten in einem Satz: Die von der Bundesregierung gewählte verfassungsrechtliche Grundlage geht nicht, aber der Umweg über den erweiterten Verteidigungsbegriff wäre möglich. Genau das wollte allerdings das Auswärtige Amt nicht.
Nachtrag 2: Die Aussagen dazu in der Bundespressekonferenz am 16. Januar. Neben BMVg-Sprecher Oberst Ingo Gerhartz und Regierungssprecher Steffen Seibert äußert sich für das Bundesjustizministerium Piotr Malachowski:
FRAGE : Eine Frage an Herrn Gerhartz im Zusammenhang mit dem geplanten Irak-Einsatz: Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat offensichtlich erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken und sagt, es gebe keine verfassungsrechtliche Grundlage für diesen Einsatz. Sieht man in Ihrem Haus jetzt die Notwendigkeit, den Mandatsentwurf noch zu ändern? Es geht ja um die Begründung für den Einsatz.
GERHARTZ: Ich glaube, diese Frage könnten Sie an mehrere Ressorts hier stellen. Wir haben im Antrag der Bundesregierung eine ganz klare Position festgelegt, und zu der stehen wir auch. Was jetzt einzelne andere Stimmen und Meinungen betrifft, so möchte ich diese nicht näher kommentieren.
ZUSATZFRAGE: Vielleicht kann der Regierungssprecher weiterhelfen?
STS SEIBERT: Ich kann nur sagen, dass die Rechtsgrundlage durch die Rechtsabteilungen des Auswärtigen Amtes und des Verteidigungsministeriums sowie natürlich auch durch die beiden Verfassungsressorts, also das Innenministerium und das Justizministerium, eingehend geprüft wurde. Insofern ist dieser geplante Einsatz nach Auffassung der Bundesregierung rechtskonform, und zwar sowohl verfassungsrechtlich als auch völkerrechtlich. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages kann sich davon unbenommen natürlich mit der Sache befassen und auch zu abweichenden Einschätzungen kommen; unsere Haltung ist aber, dass das ein Einsatz ist, der im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit des Grundgesetzes beschlossen wird. Es gibt ganz klare Aufforderungen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen, dass die Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Möglichkeiten gegen die Terrororganisation IS helfen sollen, und es gibt Anfragen und Bitten aus dem Irak selber in dieser Richtung. Insofern bleiben wir bei unserer rechtlichen Beurteilung.
ZUSATZFRAGE: Es ist dann wahrscheinlich müßig, die Verfassungsressorts dazu zu befragen, das ist bestimmt abgestimmt?
MALACHOWSKI: Das haben wir in der Tat abgestimmt, ja.
(Archivbild: Bundeswehrsoldat bei der Waffenausbildung für kurdische Peshmerga-Kämpfer im Oktober 2014 – Bundeswehr/Sebastian Wilke)
Warum stimmt der Bundestag eigentlich erst am 29. Januar über die Irak-Ausbildungsmission ab? Während andere Staaten längst ausbilden ist die BW mal wieder viel zu langsam.
Beim Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes wäre die erste Frage, wer dieses denn in Auftrag gegeben hat? Die Linke oder Herr Gauweiler?
Eine Klage der Linkspartei wäre gegen die Ausbildungsmission auf jeden Fall gefährlich, weil die Regierung hat sowieso eine Verfassnungsändernde Mehrheit, aber vor allem hat das Bundesverfassungsgericht noch nie Außenpolitische Maßnahmen der Regierung tatsächlich zu Fall gebracht, sondern entweder immer durchgewunken oder nur ein paar Bedingungen wie einen Parlamentsvorbehalt eingeführt.
Und weil es hier nur um Ausbildung geht, könnte das Bundesverfassungsgericht zum Ergebnis kommen, dies sei kein Einsatz im Sinne des Art. 87 a II GG, weil nur ausgebildet aber nicht gekämpft werden soll(darüber wird vielleicht die Entscheidung in Sachen Libyen-Evakuierung aufschluß geben) oder eben saggen, daß Art. 87 a II GG Nothilfe für einen fremden Staat erlaubt. Eine solche Auslegung, würde das Problem Kollektives Sicherheitssystem beseitigen und die Möglichkeiten für BW-Auslandseinsätze massiv erweitern. So daß hier eine Klage gefährlich nach hinten losgehen könnte und ein Kläger das Gegenteil erreichen könnte, was er will!
Ein Angriffskrieg ist per Verfassung verboten, aber heute wird sowieso jeder Krieg ein Verteidigungskrieg genannt und eine erweitere Auslegung des Verteidigungsbegriffes könnte deshalb den Gegnern von Bundeswehrauslandseinsätzen nicht gefallen, sondern nur der Bundesregierung und der Union.
Und mit einem erweitereten Verfassungsbegriff könnte die BW auch in Syrien eingesetz werden, indem die Bundesregierung einfach erklären könntge, daß es die Gegner von Präsident Assad als rechtmäßige Regierung von Syrien anerkennt und nicht mehr Präsident Assad. Dann bräuchte die Bundesregierung nur noch ein Hilfeersuchen der Freien Syrischen Armee bzw. deren politischer Vertretung um auch in Syrien eingreifen zu können militärisch(die BR will bestimmt im Moment nicht in Syrien eingreifen, aber man stelle sich nur einen Anschlag von ISIS in Deutschland vor und ein Kampagne der Bildzeitung auf Vergeltung und schon müsste die BR ihre Meinung ändern).
Es ist wie immer bei juristischen Gutachten.
Man kann es so sehen wie die Verfassungsrechtler die der Wissenschafltiche Dienst konsultiert hat, muss es aber nicht!
Micht stören schon wieder die apodiktischen Formulierungen in der Presse “ Einsatz verfassungswidrig“ usw.
Auch Juristen sind nicht frei von politischen Präferenzen und gereade die deutsche Jurispudenz neigt zu einer legalistischen Selbstparalyse die unabhängiges sicherhheitspolitisches handeln de facto unmöglich macht.
Die Behauptung eine „organisation kollektiver Sicherheit“ gäb es nur mit UN Mandat ist bspw. völlig kontruiert und bisher so nie behauptet worden. Auch im Kosove wurde ohne Mandat interveniert jedoch im NATO Rahmen=Organisation kollektiver Sicherheit.
Die Souveräne Entscheidung über sicherheitpolitische Prioritäten vom Placet des ZK der KpC und Putin abhängig zu machen halte ich für falsch!
Insofern sollte die BReg das Mandat einfach beschließen und dann selbstbewusst in Karlsruhe verteidigen. Ihre bisherigen Argumente überzeugen mich jedenfalls mehr als die der Gegenseite.
Die klingen eher nach Rechtsrenitenz
Der Vollständigkeit halber: Es gibt noch ein anderes Szenario:
Ein Bundeswehrsoldat könnte sich weigern, am Einsatz teilzunehmen. Hätte das negative Konsequenzen für ihn, könnte er den Rechtsweg beschreiten, nötigenfalls bis zur Verfassungsbeschwerde.
Etwas eigenwillige Argumentation mit dem UN-Mandat. Was ist mit dem Völkermordvorwurf des UN Generalsekretärs für Menschenrechte Ivan Simonovic noch im Herbst 2014?
http://www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=14982&LangID=E
@ wacaffe | 15. Januar 2015 – 17:20
Ich meine, Sie haben die beiden entscheidenden Sätze geschrieben:
Es ist wie immer bei juristischen Gutachten.
Man kann es so sehen wie die Verfassungsrechtler die der Wissenschafltiche Dienst konsultiert hat, muss es aber nicht!
Alles andere ist mMn polit-ideologischer Meinungsstreit. Das ist natürlich in Ordnung, aber man sollte dabei akzeptieren, dass es auch unterschiedliche juristische und nicht nur unterschiedliche politische Interpretationsmöglichkeiten gibt.
Wenn sich Frau Keul (Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin) in Zeit online aber so zitieren lässt: „Wenn das so durch geht, dann wird das einfach gelebte Verfassungswidrigkeit sein“, kritisiert Keul. „Wenn das unwidersprochen passiert, dann ist das der Abschied von dem, was im Grundgesetz steht.“, dann kann man sich den Diskurs auch sparen.
Ansonsten schließe ich mich wacaffe 15. Januar 2015 – 17:20 an, mit Ausnahme:
Die Souveräne Entscheidung über sicherheitpolitische Prioritäten vom Placet des ZK der KpC und Putin abhängig zu machen halte ich für falsch!
und
Die klingen eher nach Rechtsrenitenz
Ich weiß wirklich nicht, warum wir hier auf augengeradeaus neuerdings einen solchen Duktus nötig zu haben scheinen. Ich meine: haben wir nicht. Verzichten wir doch einfach wieder drauf.
Und: Die Kommunistische Partei Chinas wird mit KPCh abgekürzt.
Gut jedenfalls, daß diese grundlegende Frage jetzt aufgeworfen und hoffentlich abschließend geklärt werden wird.
Davon ab war hier genau diese Argumentation („kein System kollektiver Sicherheit“) auch schon vorgebracht worden.
@ wacaffe:
kurze Anmerkung zu:
„gereade die deutsche Jurispudenz neigt zu einer legalistischen Selbstparalyse die unabhängiges sicherhheitspolitisches handeln de facto unmöglich macht.“
Das Gegenteil ist der Fall… wenn man mal in Art. 24 GG reinschaut, wird man da nichts von den Streitkräften finden. Nur weil das Bundesverfassungsgericht 1994 der außenpolitischen Handlungsfähigkeit Deutschlands nicht schaden wollte, hat es aus Art. 24 II GG überhaupt die Möglichkeit der damals noch out of area Einsatz genannten Verwendung der Streitkräfte in den Artikel reininterpretiert. Wohl in der Annahme, dass es in den folgenden Jahren eine vernünftige Verfassungsänderung geben wird, die das gerade zieht.
@ wayres
mir ging es auch eher um die akademisch/publizistische Sphäre weniger um die Rechtssprechung.
Macht sich ein Soldat der BW strafbar, wenn er an einem Einsatz teilnimmt, dessen Grundgesetzliche Legalität fragwürdig* oder zweifelhaft ist?
*im Sinne von die Frage ist (noch?) nicht geklärt?
@ThoDan
Nein, denn dafür müsste man jedem Soldaten verfassungsjuristische Expertise unterstellen können. Das geht ja nicht mal bei den Politikern und Regierungsmitgliedern.
Für später für verfassungswidrig erklärte Gesetze wird auch kein Politiker angeklagt.
Worauf zielt ihre Frage ab? Wollen sie Soldaten, die in Auslandseinsätze gehen, teilkriminalisieren? Ich denke da schaut man auf die Falschen, weil schwächsten Glieder.
Cheers
Flip
Nachtrag, da Edit aufm Handy nicht verfügbar:
Die Frage ist auch, welche Straftat man dem Soldaten zur Last legen wollte?
@Flip
Im Gegenteil, ich kam auf die Frage als Ein Leser aufführte ein Soldat könnte den Einsatz deswegen verweigern.
@ThoDan
In Ordnung. Aber ich behaupte man kann das nicht so einfach wechselseitig auslegen.
Bleibt die Frage auf welcher Grundlage man dem Soldaten eine Straftat zu lasst legen wollte.
„Worauf zielt ihre Frage ab? Wollen sie Soldaten, die in Auslandseinsätze gehen, teilkriminalisieren? Ich denke da schaut man auf die Falschen, weil schwächsten Glieder.“
Die schwächsten Glieder sollten sich aber keine Sorgen darüber machen müssen, ob in in einer rechtlichen Grauzone rumhängen. Die Politik hatte jahrelang Zeit, das verfassungsrechtlich zu regeln.
@Flip
Ich bin nicht der Rechtsverdreher der Familie! Mir ging es ums Prinzipielle
Nun ja, wenn man sich den 24(2) mal durchliest, dann fällt doch auch auf, dass dort nicht nur ein System kollektiver Sicherheit angesprochen wird, sondern ein System gegenseitiger kollektiver Sicherheit und das setzt imho einen höheren „Organisationsgrad“ voraus als eine Koalition der Willigen, die in diesem Fall ohne formale end-state-definition = abgestimmtes Mandat und ohne formale Koalitionsarchitektur in einen bewaffneten Konflikt eingreift.
@klabautermann
es scheint, Du hast das Gutachten gelesen ;-)
Ich trag‘ später mal Details aus diesem Gutachten nach.
@ThoDan
Das wollte ich auch gar nicht andeuten und die Intention hinter ihrer Frage finde ich auch berechtigt. Ich bin da bei ihnen.
Ich denke einfach man müsste das als verschiedene und nicht direkt verbundene Fälle betrachten. Mir fehlt außerdem die Grundlage, was ja im Prinzip gut ist, wenn ich richtig liege.
Wie @TomCat schreibt, es ist an der Politik Einsätze verfassungskonform zu Mandatieren und den Soldaten Rechtssicherheit geben.
Cheers
Flip
@klabautermann:
Nun ja – das war auch bei OEF der Fall.
Deswegen kann es trotzdem verfassungsrechtlich problematisch sein, rückt aber die Aufgeretheiten der Grünen in ein anderes Licht.
@all
Habe oben was aus dem Gutachten nachgetragen.
@T.W.
Ich habe das Gutachten nicht gelesen, kann mich aber an -zig Diskussionen über Einsatzmandatierung im BMVg/AA im Laufe der Jahre noch gut erinnern ;-)
Meiner persönlichen Ansicht nach ist der 24(2) mittlerweile politisch „überstrapaziert“ und das gefällt mir eben ganz und gar nicht, denn durch diese Praxis wird imho das GG hinsichtlich des Einsatzes der BW in bewaffneten Konflikten in gewisser Weise „entwertet“.
Abgesehen von der politischen Energie, die immer wieder aufgewendet werden muß, um dann ein BT-Mandat – wie das hier zur Debatte stehende – durchzupauken. Diese Energie sollte man endlich mal bündeln und den 87er reformieren.
@Memoria
Bei OEF gab es die Resolution 1368 der VN und damit in Zusammenhang den NATO-Ratsbeschluß in Sachen Art. 5.
@ Flip
Sie sprechen in Ihrem Post von 12:27 einen interessanten Punkt an…
Ich sehe es ein wenig anders und wäre unter Umständen Betroffener von einem Mandat. Als Soldat habe ich meiner Meinung nach die Pflicht nach § 11 Absatz 1 und 2 SG Befehle auf Rechtmäßigkeit, mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln, zu überprüfen.
So einfach, wie das Ihr Post deuten lässt, sind die Soldaten nicht raus und das ist auch gut so!
Letztendlich, woher auch immer ich dieses Vertrauen nehme, gehe ich davon aus, dass in der Einsatzvorbereitung irgendwann ein Rechtsberater vorbei schneit und den Soldaten über die rechtlichen Bestimmungen informiert, insbesondere ROE’s.
Ich persönlich finde diesen Einsatz zu wackelig und schwammig, aber er wird bestimmt noch auf meine Ebene runtergebrochen, damit ich es besser deuten kann. Die Hoffnung stirbt zuletzt :))
@Wiegold: Nochmal meine Frage, ob sich dem Gutachten entnehmen lässt, wer es beim wissenschaftlichen Dienst des Bundestages in Auftrag gegeben hat? Waren es die Grünen, die Linken oder der Herr Gauweiler?
Interessant ist auch der Spon berichtet, wonach Außenminister Steinmeier dagegen ist, den Einsatz auf Art. 87 a II GG zu stützen, nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen, sondern weil dieser fürchtet, daß dann bei jeder Krise nach einem Auslandseinsatz der BW gerufen wird und die Auslandseinsätze der BW damit erleichtert würden bzw. Deutschland sich nicht mehr hinter dem Grundgesetz verstecken könnte!
Eigentlich ist es ein Armutszeugnis deutscher Außenpolitik wenn man offen – und mit einer gewissen Befriedigung – zugibt, daß uns unsere Verfassung einer militärischen Unterstützung und Hilfe für einen befreundeten Staates entgegensteht.
Hier wird doch wieder die fehlende außen- und sicherheitspolitische Strategie hinter juristischen Winkelzügen versteckt. Vielleicht sollte unsere politische Führung endlich mal ihre Hausaufgaben machen, statt verfassungsrechtliche Nebelkerzen zu zünden.
Was ist Deutschlands Platz in der Welt?
Wer ist Freund, wer ist Feind?
Was tun wir gegen unsere Feinde? Wie machen wir aus Feinden Freunde?
Wann ist die strukturierte Anwendung von Gewalt gegen wen legitim und in unserem nationalen Interesse?
Mit welchen Einzelmaßnahmen setzen wir unsere langfristigen strategischen Ziele praktisch um?
All dieses Rumgeeiere um verfassungsrechtliche Fragen soll doch nur kaschieren, dass unsere Politik keine konsistente außen- und sicherheitspolitische Gesamtstrategie hat (die „Grand Strategy“ fehlt). Man verhaspelt sich in kurzatmiger Tagespolitik und sieht vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr.
Wäre der politische Wille da, könnte die GroKo problemlos Grand Strategy und Grundgesetz in Einklang bringen … ups, dummerweise fehlt die Gesamtstrategie!
Aber Nebelkerzen scheinen in Deutschland ja zu funktionieren. Auch hier diskutiert man nicht das Für und Wider eines Irakeinsatzes. Nein, man debattiert juristische Detailfragen … und wieder hat sich die Politik erfolgreich davor gedrückt, einen konkreten Einsatz in eine außen- und sicherheitspolitische Gesamtstrategie einordnen zu müssen. Man diskutiert doch schön übers Grundgesetz …
@Closius
Aus dem Gutachten, Titel Sachstand – Völkerrechtliche und verfassungsrechtliche Grundlagen des Bundeswehreinsatzes im Irak geht nicht hervor, von wem es in Auftrag gegeben wurde bzw. ob es sich um eine ja auch mögliche Eigeninitiative des Wissenschaftlichen Dienstes handelt.
@thomas melber
Warum Armutszeugnis?
Ist es nicht genau das , was nach dem wk II gefordert und die Generation ab (spätestens)1960 geboren so will?
Krieg und „wegräumen“ von „Diktatoren“ hat ja total viel bewirkt.
Dem blauäugigen Ansatz, keine Waffen mehr zu exportieren, stimme ich auch nicht zu, könnte mich aber mit der Rolle einer politischen Schweiz gut anfreunden, Länder in der übrigen Welt glaub ich auch. Wie es geht?, führt hier zuweit.
DEU findet seine Sonne am Ballermann und dem Konto – was und mit wem noch soll DEU (wer ist das überhaupt)? bewirken?
Will man (fiktive) Sicherheit muss Schengen erstmal weg.
Kleiner Grenzverkehr kann leicht stattfinden – diese Menschen kennen sich.
Und ehrlich, wenn ich privat 90 oder 120 ǹfrüher anreisen muss ist es das nicht wert?
@closius
Sie haben wohl heute Phoenix geschaut – wer denkt Gutachter achten das Gut, der denkt auch das Zitronenfalter —
Ja, es fehlt an einer REGIERUNGSERKLÄRUNG, was ist der (vorgestellte)DEU PLatz in der Welt, was ist die Idee, diesen auszufüllen UND, was sagt IHR dazu.
2017 ist nicht mehr weit und mein Segelboot endlich bezahlt.
@klabautermann:
Mit Blick auf OEF ist diese Argumentation ebenso stichhaltig wie die für den Irak.
Denn in beiden Fällen fehlt die organisatorische Verfasstheit des Einsatzes. Beides mal eine ad-hoc-Koalition (s.o. der Nachtrag).
Dieser Umstand wurde von der BReg bei Mali stark problematisiert. Davor nicht und nun auch wieder nicht.
Daher kann ich das verfassungsrechtlich Neuartige nicht erkennen.
Es wäre an der Zeit das GG hier klarer zu formulieren.
Zumal BKAmt, AA und BMVg seit Jahren von der Ertüchtigung von Partnern reden.
Wenn die Politik die Debatte ernsthaft führen wollte, dann müsste man das Thema zentral bei der Erstellung des neuen Weißbuch es Weißbuches diskutieren.
Aber da will man sich ja auch nicht positionieren.
Das GG also weiterhin als Nebelkerze.
@Daniel
Sie haben natürlich absolut recht. Die genannte Pflicht wollte ich mit meiner Aussage auch keineswegs aushebeln. Bezogen auf die Mandatierung und Verfassungsrechtsdeutung und -auslegung, bin ich allerdings der Meinung, dass dem Soldaten keine verhältnismäßigen Mittel zur Verfügung stehen.
Was würden sie als verhältnismäßig erachten?
Ich halte es als verhältnismäßiges Mittel, das allgemeine Verständnis für Recht und Unrecht, die vorraussetzbaren Menschen-, sowie Völkerrechte heranzuziehen. So wurde es zumindest damals, also vor ca 5 Jahren, in der AGA und im Verband unterrichtet.
Für nicht verhältnismäßig halte ich, erst einen Gutachter konsultieren zu müssen. Gerade bei Themenkomplexen die selbst den obersten Juristen einen Eiertanz abverlangen.
Ich stimme ihrem Vertrauen zu und bin auch der Meinung, dass es zur Pflicht der Führungsriege (BReg, BMVg etc) gehört dieses Angebot bereitzustellen.
Trotz allem, hat in meinen Augen der Soldat natürlich das Recht vorbehaltlich begründet einem zweifelhaften Marschbefehl nicht zu folgen. Allerdings muss man sich auch immer über die Konsequenzen im Klaren sein und vernünftig abwägen.
Cheers
Flip
(Ich hoffe wir schweifen nicht zu sehr ab)
@Les Grossmann
Ich halte den wiss. Dienst des BT für neutral – da werden keine Gefäligkeitsgutachten geschrieben.
Das GG ist klar formuliert, nur die Regierung hätte gerne etwas anderes als das Gesetz vorsieht und das Volk will.
@ Thomas Melber | 16. Januar 2015 – 16:51
Der war gut! Mir kamen fast die Tränen vor lachen.
Sollten Sie das ernst gemeint haben: Wie kommen Sie darauf bzw. wie haben Sie sich diesen Glauben an das Gute in der Welt erhalten?
Intern wird der wissenschaftliche Dienst durchaus beratend tätig, aber sobald es um Veröffentlichungen geht, hat man doch nicht selten den Eindruck, dass da für den Auftraggeber ein wissenschaftliches Mäntelchen für eine politische Meinung gestrickt wurde.
Mitmachen oder nicht?
Die Regierung hat entschieden mitzumachen, also macht die Bundeswehr mit, erstmal.
Es stehen noch Fragen an, besonders die an das Bundesverfassungsgericht, mal abwarten.
Ich kann es nicht verstehen dass Soldaten verkauft oder besser verliehen werden (Wir runterstützen die Peschmerga) ) ohne dass grundlegende Fragen geklärt sind.
Material haben wir schon geliefert,
Werferfehler
Allerdings kann man jetzt voraussetzen, daß die Soldaten „bösgläubig“ sind (im Gegensatz zu „gutgläubig“). Will heißen, daß die Verfassungswidrigkeit des Einsatzes durchaus im Bereich des Möglichen liegt und dies nun allgemein bekannt ist.
Naja, bleibt zu hoffen, das die Kameraden, die aufgrund der möglichen Verfassungswidrigkeit des Einsatzes, diesen verweigern, nicht wie andere vorher (OTL Rose etc.) von den eingenen Kameraden gemobbt werden.
Als Erweiterung zu @ThoDans Frage, stellt sich mir die Frage wie ist der Ablauf, wenn ein Einsatze während er läuft für nicht verfassungskonform erklärt wird. Gibt es für solch ein Szenario Abzugspläne oder wird der Einsatz zunächst unter Vorbehalt weitergeführt?
Ich weis das ist natürlich sehr theoretisch.
Cheers
Flip
Hier noch die Debatte im Bundestag als Video:
http://dbtg.tv/fvid/4436708
Wie auch beim obigen Ausschnitt aus der BPK wird nicht auf die fraglichen Themen eingegangen. Es wird stets die völkerrechtliche Grundlage angesprochen, die i.e.S. verfassungsrechtliche Frage („Was ist ein System der kollektiven Sicherheit?“) wird klug umschifft.
@Memoria
Wenn der Frage ausgewichen wird heißt das doch, daß man sich einer Beantwortung im eigenen Sinne nicht sicher ist.
Eine juristische Klärung – besser noch eine (verfassungs-) rechtliche Klarstellung und Herbeiführung von Eindeutigkeit (Entscheidungs- und Handlungssicherheit) tut Not.
Wäre Verbrechen gegen die Menschlichkeit ein legitimer und legaler Grund?
@ Flip
„Gibt es für solch ein Szenario Abzugspläne oder wird der Einsatz zunächst unter Vorbehalt weitergeführt?
Ich weis das ist natürlich sehr theoretisch.“
Das BVerfG würde in dem Fall vermutlich ausreichende Fristen etc. setzen damit ein Abzug organisiert werden kann ohne die eigene Truppe zu gefährden.
Analog zu ungültigem Wahlrecht.
——————————-
Ansonsten kann man nur FvS zustimmen. Vor lauter Introspektive erreicht D das Stadium des eigentlich außen/sicherheitspolitsch wesentlichen nicht.
Das hat Methode. Wer sich durch notorischen Rechtspositivismus fesselt muss nichts wagen.
Darüber amüsieren sich auch außerdeutsche Völker-Staatsrechtler schon seit langem.
@ThoDan
Da das an den verfassungsrechtlichen Anforderungen nichts ändert denke ich: nein.
Man kann natürlich R2P, u.a. anführen, aber dann wären ja die VN mit im Boot. Das einfachste wäre eben ein VN-Mandat.
@Thomas Melber:
Die Position der Bundesregierung ist zzumindest – aus Sicht der reinen Lehre – angreifbar.
Aber eine solche Diksussion vermeidet man natürlich, weil man gegen die reine Lehre medial nicht gewinnen kann.
Eine Grundgesetzänderung sehe ich nicht – das wäre dann ja künftig viel zu klar.
Der Ausblick auf das neue Weißbuch (http://www.tagesschau.de/inland/weissbuch-bundeswehr-101.html) weist den Weg – in Richtung Realitätsferne, Anspruchslosigkeit und damit Belanglosigkeit der deutschen Sicherheitspolitik.
Merkeln am Weißbuch…
@wacaff(e)
Wenn man mitspielen will (was ggf. fraglich ist) muß man in allen Bereichen entsprechende Vorarbeit leisten:
– politisch (außen-, innen- und sichertheits-)
– rechtlich
– militärisch
vulgo „seine Hausaufgaben machen“.
@Thomas Melber:
So einfach ist das mit der UNSR-Resolution ja dieser Tage auch nicht.
Und warum braucht man die?
Weil Deutschland seine Verfassung verquer auslegt bzw. nicht ändern will?
Am deutschen Wesen…
@ thomas melber
meine rede.
manchmal muss man aber auch unter unsicheren Umständen entscheidungen treffen und diese dann verantworten.
dafür wird man gewählt. nicht alle eventualitäten könne ex ante durch die verfassung abgedeckt werden.
ergo macht es die BReg richtig. „So sehen wir es! Wenn ihr es anders seht klagt doch“
(Für die humanitäre intervention benötigt es übrigens gerade KEIN UNSC mandat. das ist ja gerade der Witz)
@ Heiko Kamann
OTL Rose wurde von Kameraden nicht wegen seiner, meiner persönlichen Meinung nach für einen Soldaten seltsamen Dienstauffassung, „gemobbt“.
Mit seinen Äußerungen und tlw. beleidigenden Ausführungen über SEINE Kameraden hat er sich selber deutlich ausgegrenzt.
(vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/J%C3%BCrgen_Rose_(Publizist))
Wie heißt es so schön: „Kameradschaft ist keine Einbahnstraße!“
„dafür wird man gewählt. nicht alle eventualitäten könne ex ante durch die verfassung abgedeckt werden.“
… mit der Folge, daß man immer wieder das Rad neu erfinden muß.
Dem Irak-Einsatz („mission“ klingt weniger martialisch) werden sicher weitere in ähnlicher Konstellation folgen, da bedarf es schon einer Klärung.
@wacaff
„Für die humanitäre intervention benötigt es übrigens gerade KEIN UNSC mandat. das ist ja gerade der Witz“
Putin freut sich.
Die Staaten benötigen evtl, je nach Definition -humanitär-, kein UNSC Mandat ………………die Bürger (in Uniform) der BRD ggf schon.