Koalitionsabgeordnete wollen mehr Geld für Bundeswehr-Ausrüstung (Neufassung)
Angesichts der Ukraine-Krise und einer generell als verändert empfundenen sicherheitspolitischen Lage plädieren die Verteidigungspolitiker der Koalitionspartner Union und SPD für mehr Mittel für den Betrieb und für Großgerät der Bundeswehr wie Panzer und gepanzerte Transportfahrzeuge. In Anträgen zum Bundeshaushalt 2015, die am (heutigen) Mittwoch im Verteidigungsausschuss debattiert werden und die Augen geradeaus! vorliegen, werden unter anderem mehr Kampfpanzer Leopard und mehr Boxer-Transportpanzer (Foto oben) verlangt. Die Begründung dafür ist vor allem die Kernaufgabe Bündnisverteidigung:
Die weltweite sicherheitspolitische Lage hat sich deutlich verschärft. In diesem Zuge legt die NATO verstärktes Augenmerk auf die Kernaufgabe Bündnisverteidigung. Auch Deutschland ist hierbei besonders gefordert. Die Buneswehr ist vor allem bei den landbasierten Kräften leistungsfähig, insbesondere bei den gepanzerten Kräften. Der bisher ausgeplante Kräfteansatz von 225 Kampfpanzern Leopard ist den neuen Entwicklungen nicht mehr angemessen.
und
Die weltweite Sicherheitslage erfordert ein grundsätzliches Umdenken, was den Stellenwert der Bundeswehr angeht, auch finanziell. Im europäischen Rahmen sind es vor allem die Landstreitkräfte, die Deutschland in besonderer Weise in das System der Bündnisverteidigung einbringen kann. Dafür bedarf es qualitativ ausreichender Waffensysteme in ausreichender Zahl. Der GTK Boxer ist eines dieser vielversprechenden und modernen Waffensysteme.
Konkret schlagen die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD in gemeinsamen Anträgen vor:
– Die derzeit auf 225 Exemplare des Kampfpanzers Leopard2 geplante Stärke der Panzertruppe soll überprüft werden, ebenso die Möglichkeit eines Entwicklungsprogramms Leopard 3. Das Verteidigungsministerium soll das in die mittelfristige Finanzplanung aufnehmen.
– Das Heer sei mit der geplanten Zahl von 190 Transportpanzern Boxer strukturell deutlich unterversorgt. Das Verteidigungsministerium solle einen signifikanten Aufwuchs trotz haushalterischer Engpässe sicherstellen. (Ein früherer Vorstoß der Koalitionsabgeordneten, die Zahl der Boxer zu erhöhen, war allerdings schon vor Monaten vom Verteidigungsministerium zurückgewiesen worden.)
– Das Verteidigungsministerium solle prüfen, ob für die verschiedenen möglichen Einsatzszenarien eine ausreichende Stückzahl an Luft-Boden-Raketen und Luft-Luft-Raketen sowie weiterer Munitionsarten unmittelbar zur Verfügung stehen. Hintergrund sind Berichte über einen unzureichenden Munitionsbestand für Eurofighter und Tornado.
– Über das künftige Taktische Luftverteidigungssystem (TLVS) solle noch möglichst in diesem Jahr eine Entscheidung getroffen werden. Dabei geht es um die Frage, ob auf Basis des gestoppten Medium Extended Air Defense Systems (MEADS) ein neues System als Nachfolger des Flugabwehrsystems Patriot beschafft wird oder ob eine Entscheidung für eine Patriot-Weiterentwicklung fällt. Das Gutachtergremium, das für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Rüstunsprojekte durchleuchtet hatte, hatte eine spätere Entscheidung empfohlen.
– Der Forschungs- und Technologietitel im Verteidigungshaushalt soll mindestens auf den Stand des Vorjahres angehoben und nicht von 300 auf 270 Millionen Euro reduziert werden.
– Die vorerst gestoppte Beschaffung weiterer Lose des Systems Infanterist der Zukunft – Erweitertes System (IdZ-ES) soll wieder in die aktuelle Beschaffungsplanung aufgenommen werden. Technisch gesprochen: Die Beschaffung war in den Teil II der geheimen Erläuterungen des Verteidigungshaushalts verschoben worden und steht damit derzeit nicht an.
Über die Vorschläge der Koalitionsabgeordneten hatte zuerst die Nachrichtenagentur Reuters berichtet (hier bei SpOn).
(Foto: Boxer in Afghanistan, 2012)
Rüstungsbeschaffung – Effizienz oder Besitzstandswahrung?
Die Bundeswehr pfeift aus dem letzten Loch – so oder so ähnlich könnte man vielleicht die Stimmung der letzten Wochen zusammenfassen. Verantwortlich für diesen Zustand ist sicher nicht nur die verspätete oder fehlgelenkte Rüstungsbeschaffung der letzten 20 Jahren. Nein, die Rüstungsprobleme sind viel mehr ein Symptom einer viel tiefer verwurzelten Entwicklung.
Der User JPW vom strategie-technik.blogspot.com hat dafür, wie ich finde, eine treffende Beschreibung gefunden: „Die Bundesrepublik steht vor den Trümmern ihrer vernachlässigten Sicherheitspolitik der letzten Jahrzehnte. Diese führte letztlich zu einer dreifachen Demobilisierung Deutschlands: Strukturell, industriell und – das wiegt am schwersten – intellektuell.“
Wenn jedoch die intellektuelle Demobilisierung am schwersten wiegt, warum diskutieren wir auf AG! primär die strukturelle und Industrielle Demobilisierung? Warum vernimmt man in Bundestagsdebatten ausschließlich Wortmeldungen zu Rüstungsprojekten und Bundeswehrpannen, aber kein Wort zur völligen Abstinenz einer kohärenten-/stringenten-, außen-/sicherheitspolitischen Strategie? Warum liest man in den Medien nur etwas über die Bundeswehr wenn sich die BW wieder einmal blamiert hat, aber kein Wort dazu, dass sich D schon seit Jahrzehnten international blamiert? Wie es scheint, sind wir einer geistigen Eindimensionalität gefangen. Krieg bedeutet für uns, sich zu einem verabredeten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort zu treffen, um sich nach gründlicher Vorbereitung gegenseitig auf die Nase zu hauen (am liebsten natürlich mit Kampfpanzern). Dabei ignorieren wir großzügig, dass Krieg heute nicht mehr zwangsweise physische Gewalt bedeutet, sondern auch Kriege der Bilder, Nachrichten und Ideen/Ideologien geführt werden. Sollte es dann tatsächlich mal um physische Gewalt gehen, sind wir von den vielen Dimensionen hybrider Kriege jedes Mal aufs Neue überrascht. Diese Feinde verhalten sich so gar nicht wie die Feinde in unserer eindimensionalen Welt –beleidigt rufen wir dann: „Feigheit“!
Und das Thema Rüstung? Obwohl wir seit Jahren technische Details bestimmter Waffensysteme hoch und runter diskutieren, hat sich an der Ausrüstungssituation eigentlich nichts geändert. Die Rüstung kommt immer noch zu spät, ist zu teuer und kann weniger als zugesichert – so zumindest die geläufige Formel. Die Entscheidungsträger schieben sich gegenseitig die Schuld zu: Die Politik ist der Meinung, dass die Industrie schuld ist. Die Industrie macht das Chaos in der BW-Bürokratie verantwortlich. Die Militärs sind stets abgetaucht und gerade nicht zu erreichen wenn es an der Zeit wäre Stellung zu beziehen.
Gleichzeitig wird diese Diskussion, ob öffentlich oder hinter verschlossenen Türen, von festen Dogmen und gegensätzlichen Interessengruppen dominiert. Die Industrie will Geld verdienen und schickt ihre Lobbyisten in den Kampf. Die Politik kann sich nicht so recht entscheiden ob sie ein gutes Rüstungsprodukt haben möchte, Technologieentwicklung subventionieren will oder ob Arbeitsplätze das wichtigste Kriterium sind. Die Militärs sind untereinander zerstritten und wollen vor allem den Besitzstand wahren. Irgendwo steht der einfache Soldat oder Bürger und schaut diesem Treiben ungläubig zu. Die Frage: Für welchen Zweck beschaffen wir Rüstung? Ist leider immer noch nicht abschließend beantwortet – so kreisen wir Runde um Runde um uns selbst.
Daher will ich versuchen, die Determinanten zu identifizieren um das Rüstungsproblem klarer erfassen zu können. Zunächst soll definiert werden, welches Ziel bzw. welcher effizienter Zustand angestrebt werden soll und welche Nebenbedingungen wirken. Ich versuche dann dieses Konzept mit dem wahrgenommenen Zustand (durch meine Augen und damit rein subjektiv) zu vergleichen und .ggf einen Ansatz abzuleiten. Natürlich kann ich dabei keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Wissenschaftlichkeit (ein normativer Ansatz ist eben immer subjektiv) erheben. Ich bin auch nur ein Mensch der für systematische Denkfehler anfällig ist und mit einer begrenzten Kapazität und unvollständigen Informationen ausgestattet ist.
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Als Zweck/Funktion der Rüstungsbeschaffung setze ich einfach den seit der Steinzeit gültigen Ansatz ein:
• Eine Gesellschaft beschafft Rüstung, um die Kampfkraft der eigenen Armee zu maximieren.
Ich denke, dass dieser Ansatz nach wie vor Gültigkeit besitzt. Mir ist klar, dass ich in diesem Fall eine Abkürzung nehme die in der politischen Realität kollektiver Entscheidungen nicht möglich ist. Trotzdem bin ich der Meinung, dass die Politik dieses Ziel ganz deutlich setzen muss. Ansonsten wäre die Empörung über die Ausrüstung der BW reine Heuchelei und eine Verbesserung der Situation von vorneherein ausgeschlossen.
Was ist Rüstung im volkswirtschaftlichen Sinn? Ein öffentliches Gut, welches durch den Staat bereitgestellt wird um die oben genannte Bedürfnis der Gesellschaft zu befriedigen. Wie jedes Gut, ist Rüstung knapp und fällt nicht vom Himmel. Die Erstellung von Rüstung ist also stets mit Kosten/Faktoreinsatz verbunden. Das bedeutet, die Maximierung der Kampfkraft findet unter der Nebenbedingung begrenzter Ressourcen statt. Jeder Akteur der mit der Rüstungsbeschaffung befasst ist, steht also vor dieser Optimierungsaufgabe.
Wie hoch die Kampfkraft am Ende ausfällt (bei gegeben Ressourceneinsatz) bzw. wie zufrieden wir mit der Rüstungsbeschaffung sein können hängt davon ab, wie gut diese Optimierungsaufgabe von jedem Akteur gelöst wurde.
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• Militär: Wo wird die Idee für eine Rüstungsbeschaffung eigentlich geboren? In unserer idealisierten Welt natürlich beim Militär. Dieses sollte sich laut seiner institutionellen Rolle ausschließlich mit Kämpfen und Siegen beschäftigen (was man unter Sieg bzw. Krieg versteht, kann man bei Clausewitz entnehmen). Das Militär müsste also am besten wissen wie man die Kampfkraft maximiert. Gleichzeitig sollte das Militär das höchste Eigeninteresse an der Maximierung der Kampfkraft haben. Schließlich wirkt sich mangelnde Kampfkraft im Ernstfall direkt auf das eigene Leben aus.
Betrachtet man Militär jedoch nicht als einzelnen Akteur, sondern als die große und komplexe Organisation die es heute ist, so ergeben sich in der Realität auseinanderfallende Rationalitäten zwischen den Individuen. Die Annahme, dass jeder Soldat ein Interesse an der Maximierung der Kampfkraft haben sollte, ist insofern nicht gegeben, weil auch im Ernstfall nicht jeder Soldat mit Konsequenzen für das eigene Leben rechnen muss. Diese Annahme gilt also höchstens für Soldaten, die im Ernstfall auch tatsächlich kämpfen müssen. Für alle anderen Soldaten, ist die Bedrohung des eigenen Lebens eher eine abstrakte Größe. Es ist interessant, dass Militärs offensichtlich dieses Problem früh erkannt haben. Konzepte wie Korpsgeist, gemeinsame Grundausbildung von Offizieren und Unteroffizieren etc.. sollen ja dem Zweck dienen, eine homogene Einheit zu formen welche dann einer gemeinsamen Zielsetzung entgegen strebt – eben der Maximierung der Kampfkraft. Tatsächlich ähneln die westlichen Militärs von ihrer Struktur und Mentalität eher einer komplexen Bürokratie. Die Public Choice Theorie vertritt dabei die Meinung, dass die innere Rationalität einer Bürokratie darin besteht, den eigenen Verwaltungsbereich auszubauen bzw. Verwaltungsaufgaben nicht mehr abzugeben. Bürokratie generiert also in erster Linie zusätzliche Bürokratie und keine Kampfkraft. Ein Umstand der auch von David Haskell Hackworth (ein hoch dekorierter Vietnamveteran) stark kritisiert wurde. Er warf dem US Militär (in dem er fast sein ganzes Leben verbrachte) vor, eine Bürokratie zu sein die sich selbst dient aber ihre Kraft nicht auf die Frage ausrichtet, wie man Schlachten gewinnt.
• In der realen Welt, ist die Annahme zweifelhaft, ob ein Soldat der tatsächlich kämpfen muss auch tatsächlich am besten weiß wie man kämpft. Dieses Problem hat sich erst mit dem militärischen/technologischen Fortschritt ergeben. Bsp: Könnte ein Panzerkommandant auch den besten Kampfpanzer entwerfen? Es ist offensichtlich, dass dieser Panzerkommandant dazu Wissen benötigen würde welches über sein normalerweise angewendetes Wissen hinausgeht. Technologisches und militärisches Know-how fallen also heute auseinander. Auch das militärische Know-how teilt sich inzwischen in zahllose Spezialgebiete.
• Ansatz: Aus diesen zwei Problemen ergibt sich meiner Ansicht nach ein ganzes Bündel an Möglichkeiten:
– Die BW muss ganz klar ihr institutionelles Ziel verinnerlichen, das Maximum an Kampfkraft zu generieren. Jede Tätigkeit innerhalb der BW muss mental auf dieses Ziel ausgerichtet sein.
– Die BW muss besonders das Auseinanderfallen dieser mentalen Einstellung verhindern (besonders in Stellen mit Verwaltungsschwerpunkt). Es gibt nur eine BW und keine BW der Luftwaffe, Marine, Heer, Sanitätsdienst, Streitkräftebasis, Verwaltung etc… Das bedeutet vor allem, wesentlich mehr Truppenpraxis von Offizieren oder selbst zivilen Angestellten. Aber auch das Abschaffen von mentalen Mauern. Mir ist dabei die Frage in den Kopf geschossen, ob eine Armee mit 185.000 Soldaten eigentlich 5 TSK braucht?
– Der bürokratische Anteil muss auf ein absolut notwendiges Minimum reduziert werden.
– Die intellektuellen Anforderungen an Soldaten welche die Funktionalen Forderungen verfassen, sind enorm. Es ist militärische, technische und strategische Sachkompetenz gefragt. Diese Leute müssen in Zukunft gezielt aufgebaut werden z.B: Truppenpraxis, technisches Studium, Truppenpraxis inkl. Führungsverantwortung, Projektbetreuung als Assistent in der integrierten Projektgruppe (Truppe und BAAIN parallel), Vollzeit in BAAIN Projektgruppe, höhere militärische Ausbildung mit Führungsverantwortung, Planungsamt BW.
– Um diese Ansätze in einer Struktur zusammenzufassen, hatte ich die Idee: Die Inspekteure gehen mit dem Gi als Generalstab zurück in das BMVg. Dem Generalstab untersteht direkt das Planungsamt, BAAIN und das Einsatzführungskommando (.ggf auch andere Abteilungen). Das Einsatzführungskommando führt alle Truppenteile der BW im Einsatz und Friedensbetrieb (faktisch die Abschaffung aller TSK). Dabei gilt es, so viele horizontale und vertikale Schnittstellen wie möglich zwischen Generalstab und der Truppe heraus zu nehmen (Bsp. das Einsatzführungskommando kann sicherlich die verbliebenen Heeresbrigaden und Luftwaffengeschwader direkt führen). Der Generalstab legt in einer übergeordneten Strategie fest, welche Rüstungsplanungen das Planungsamt und BAAIN forcieren soll, mit welchen Fokus das Einsatzführungskommando die Truppen strukturieren und ausbilden soll usw…
Ich bin gespannt auf die Gegenargumente ;-)
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• Politik: Erinnern wir uns daran, dass Rüstungsgüter ein öffentliches Gut darstellen. Folglich gibt es für Rüstungsgüter keinen klassischen Markt. Dadurch ist weder die effiziente Menge oder der effiziente Preis bekannt. In der ökonomischen Theorie wird deshalb die effiziente Menge öffentlicher Güter über die individuelle Zahlungsbereitschaft eines jeden Bürgers aggregiert (summiert). Es dürfte klar sein, dass in der Realität kein Bürger einen Fragebogen zugeschickt bekommt, in dem nach der individuellen Zahlungsbereitschaft für ein zusätzliches PzBtl. gefragt wird. Es sind die Repräsentanten (Abgeordneten) des Souveräns, die in einer kollektiven Entscheidung über die Zahlungsbereitschaft für das öffentliche Gut „Verteidigung“ entscheiden. Sind sie somit Teil unserer gestellten Optimierungsaufgabe? Nur indirekt! Der Politik kommt die Funktion zu, über die erwähnte Nebenbedingung zu entscheiden. Nämlich welches absolute Niveau an Ressourcen für die Maximierung der Kampfkraft bereitgestellt wird – auch bekannt als der Verteidigungsetat oder EP14.
• Tatsächlich erleben wir wieder in jüngster Zeit, wie sich Politik in die eigentliche Maximierungsfunktion einmischt, indem die Anschaffung ganz konkreter Rüstungsgüter gefordert wird. Weiterhin liegt die Vermutung nahe, dass die Politik in der Vergangenheit ganz wesentlich die Beschaffung von Rüstungsgütern bestimmt hat, deren Funktion es nicht war, die Kampfkraft zu maximieren. Politiker wollen nach der Puplic Choice Theorie vor allem ihre Wahlchancen maximieren. Eine beliebte Möglichkeit ist die Schaffung von Arbeitsplätzen. Rüstungsprogramme die zu diesem Zweck verabschiedet werden, entsprechen somit der politischen Rationalität, sind aber aus gesellschaftlicher Perspektive ineffizient.
• Ansatz: Wie bekommt man Politik dazu sich auf die eigentliche Rolle des „Geldgebers“ zu beschränken? Ich bin etwas ratlos, aber vielleicht kann die Schwarmintelligenz einen guten Ansatz liefern?
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• Industrie: Zu bestimmen was zwischen dem Anbieter (Industrie)und dem Nachfrager (Militär) ideal wäre, ist in der Ökonomie ziemlich leicht. Gibt es viele Anbieter und Nachfrager, kann keine Seite den Preis oder die nachgefragte Menge bestimmen – ein solcher Markt ist prinzipiell effizient und würde unserer Optimierungsaufgabe ideal entsprechen. Rüstungsgüter sind jedoch meist eine Ausnahme, weil höchstens ein Markt mit einigen wenigen Anbietern und Nachfragern existiert. Jeder Akteur hat also entsprechende Marktmacht. Meist werden Rüstungsgüter erst entwickelt, was eine langfristige Vertragsbindung bedeutet. In diesem Fall wird der Vertragsnehmer zu einem resistenten Monopolisten, da mit dem Vertrag eine absolute Markteintrittsbarriere entsteht. Das Machtverhältnis kippt in diesem Fall fast vollkommen auf die Seite des Vertragsnehmers. Die Vertragstheorie sieht hier entsprechende „Hostages“ vor, wie z.B. vertragliche Sanktionsmaßnahmen, Kostendeckelungen oder Abbruchkriterien. In der Theorie könnte damit im Idealfall ein Machtgleichgewicht hergestellt werden. Schlüsselfähigkeiten gibt es in der idealen Welt nicht, da davon ausgegangen wird, dass sich zu jedem Zeitpunkt ein Anbieter finden lässt.
• Schaut man sich jedoch die reale Vergangenheit an, so muss man den Eindruck gewinnen, dass in der Vergangenheit kein großes Interesse bestand Verträge so zu gestalten, dass sie dem Vertragsgeber zumindest geringfügige Rechte sichern. Selbst wenn „Hostages“ im Vertrag vereinbart wurden, bestand nur geringes Interesse im BMVg, diese tatsächlich einzusetzen. Auch wenn ein kleiner Markt für ein entsprechendes Rüstungsgut bestand, so fand man stets Begründungen, warum ausgerechnet dieses Produkt die Forderungen nicht erfüllt. Insgesamt kann man daher sagen, dass wegen der Einflussnahme durch die Politik und dem natürlichen Wesen der Rüstungsgüter, die Beziehung zwischen Industrie und Militär sich eben nicht wie eine Marktbeziehung zwischen Anbieter und Nachfrager verhält. Sie ähnelt sich viel mehr einer reinen Prinzipal (Militär) – Agent (Industrie) Beziehung. Wir haben also nicht automatisch eine effiziente Marktallokation über Angebot und Nachfrage und wir erkennen an, dass es zwischen dem Militär und der Industrie zu Problemen kommt (auch als Transaktionskosten bekannt). Verstehen wir nun die Industrie als Agenten, der den Auftrag des Prinzipals ausführen soll, ergibt sich ein ganz anderer Denkansatz. Der Prinzipal möchte, dass der Agent seinen Auftrag mit höchst möglicher Effizienz ausführt (wir erinnern uns an unsere Optimierungsaufgabe). Dadurch muss der Prinzipal bestrebt sein, die Transaktionskosten soweit wie möglich zu reduzieren.
• Ansatz: Der von den KPMG Prüfern empfohlene Ansatz Vertragsstrafen auch umzusetzen und in den Verträgen auch vermehrt Gebrauch von „Hostages“ zu machen, weist sicherlich in die richtige Richtung. Jedoch wird sich dadurch keine grundlegende Verbesserung erzielen lassen. Denn die implizite Annahme dahinter, dass es sich zwischen Industrie und Militär um rein marktwirtschaftliche Anbieter und Nachfrager handelt, ist eigentlich falsch. Als Prinzipal sollte das Militär bestrebt sein, die Transaktionskosten soweit wie möglich zu reduzieren. Meiner Ansicht nach, ist dazu ein ganz anderer Ansatz notwendig. Die BW muss die Schnittstelle zwischen sich selbst und der Industrie so reibungslos wie möglich gestalten. Dazu reicht es nicht aus, in einem Raum mit der Industrie einen Vertrag auszuhandeln und dann blöd aus der Wäsche zu schauen wenn es nicht das ist was bestellt wurde. Die BW muss ihr Projektteam und ihre Ing. direkt in die Industrie schicken. Der BW Projektmanager muss beim Industrie-Projektmanager im Büro sitzen. Der BW. Ing muss beim Industrie Ing. in der Entwicklungsabteilung sitzen. Erst dadurch kann der Prinzipal (BW) sicherstellen, dass der Agent (Industrie) in seinem Interesse handelt. Umgekehrt wird es dem Agenten (Industrie) dadurch erst möglich eine genaue Vorstellung zu entwickeln, was der Prinzipal genau möchte. Weiterhin halte ich es für fraglich, ob selbst der ausgefeilteste Vertrag den Prinzipal vor Schaden schützt. Meine Überlegung begründet sich darauf, dass die jeweiligen Projektkosten am Anfang definiert werden. Der Agent kennt diese Planung und wird bestrebt sein, seinen Gewinn zu maximieren/retten. Er hat also einen Anreiz, die geringste Qualität zu liefern oder jedes andere mögliche Schlupfloch zu nutzen. Anstatt also zu versuchen einen Vertrag möglichst Wasserdicht zu bekommen, sollte dem Agenten ein Festpreisgewinn garantiert werden (ja ich weiß, ein sehr unorthodoxer Vorschlag) zu der Bedingung, dass die bereits angesprochenen BW Angehörige physisch in der Industrie anwesend sind und Weisungsbefugnis besitzen. Gleichzeitig muss die BW jederzeit Einblick in die Vollkostenrechnung haben. Dadurch würde quasi fast eine Verschmelzung von Prinzipal und Agent für einen bestimmten Zeitraum gegeben sein. Ich schlage jedoch keine völlige Abkehr von marktwirtschaftlichen Prinzipien vor: Wenn ein Markt vorhanden ist, sollte dieser immer bevorzugt genutzt werden. Jedoch muss man auch auf der anderen Seite ein völlig anderes Konzept haben, wenn eben kein Markt vorhanden ist.
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Ein paar letzte Worte zur Diskussion über Schlüsselfähigkeiten und die Konsolidierung der europäischen Rüstungsindustrie.
• Die Diskussion über Schlüsselfähigkeiten nimmt das Ergebnis eigentlich schon vor weg und ist damit eine Scheindiskussion. Man sollte sich folgende Frage stellen: Welche unternehmerisches Risiko hat ein Unternehmen noch zu tragen, wenn es zu der Schlüsselfähigkeit gezählt wird? Die Antwort dürfte klar sein – keines mehr. Der Versuch mit einem solchen Unternehmen einen wasserdichten Vertrag zu schließen, ist zum Scheitern verurteilt. Das Unternehmen kann in diesem Fall ganz stumpf den Vertrag verletzen und dem Prinzipal bleibt trotzdem weiterhin nichts anderes übrig, als die Existenz des Unternehmens zu sichern. Ich schlage daher vor, über die oben angedachte Option nachzudenken oder kleinere Unternehmen schlicht durch das Militär kaufen zu lassen (Militär hat Kontrollmehrheit bzw. ist Gesellschafter). Im Fall von z.B. kleinen Elektronikspezialisten sicher ein gehbarer Weg um Ing. Kapazitäten und auch Know-how wieder in die BW zu holen. Auf der anderen Seite besteht natürlich die Gefahr, dass diese Unternehmen weiter gehalten werden (Arbeitsplatzsicherung) wenn z.B. durch technologischen Wandel eigentlich kein Bedarf mehr besteht.
• Ein weiterer Aspekt in der Diskussion über Schlüsselfähigkeiten. Welches Unternehmen kann überhaupt zur Schlüsselfähigkeit gezählt werden? Das hängt davon ab, wie groß sein Volumen ist. Dieses müsste nämlich im Notfall vom EP 14 bedient werden können. Ich habe daher große Zweifel, dass es überhaupt möglich wäre die Kompetenz, zum Beispiel des eigenen Flugzeugbaus, im Notfall zu erhalten. Hier werden sich also schlicht Realitäten einstellen die sich .ggf weit entfernt vom politischen Wunschdenken befinden.
• Die Konsolidierung der europäischen Rüstungsindustrie entfaltet erst dann ihre effizienzsteigernde Wirkung, wenn es sich dabei um einen weitestgehend funktionstüchtigen Markt handelt, der kaum verzerrt ist. Wie wir jedoch wissen, werden in anderen Ländern Rüstungskonzerne mit noch wesentlich größerem Aufwand vom Staat unterstützt. Es ist klar, dass diese Konzerne eine unfair starke Marktposition haben. Eine echte Konsolidierung kann es also erst dann geben, wenn der jeweils nationale Protektionismus aufgegeben wird. Ansonsten würde eine Marktrealität entstehen, die weit von Effizienz entfernt ist, da bessere/effizientere Konzerne von schlechteren/ineffizienteren Verdrängt würden. Dabei haben erst kürzlich die Wortmeldungen von Abgeordneten im Bundestag gezeigt, dass selbst in einer Zeit in der nach mehr Effizienz gerufen wird, vor allem der eigene Wahlkreis eine Rolle spielt. Zieht man nun auch noch in Betracht, dass Deutschland wahrscheinlich noch das marktliberalste Land in Europa ist, kann man sich ausrechnen was von den anderen Ländern zu erwarten ist. Übertragen auf die Idee einer gemeinsamen europäischen Armee braucht man sich also überhaupt keinen Illusionen hingeben. Wenn schon die „kleine“ Aufgabe nicht erledigt ist, braucht man sich noch keine Gedanken über die große Aufgabe machen.
Bang 50
@ Bang 50
Respekt vor ihrer Arbeit !
Ich glaube jedoch, dass der Ausgangspunkt ihrer Überlegung nicht der deutschen Realität entspricht :
Zitat:
„• Eine Gesellschaft beschafft Rüstung, um die Kampfkraft der eigenen Armee zu maximieren. “
Der deutsche Bundestag verabschiedet einen Haushalt mit dem Einzelplan 14, also für die Verteidigung bzw. zur Finanzierung der Bundeswehr. Für einen Großteil der Abgeordneten ist damit dieses Geld jedes Jahr abgeschrieben. Ein Teil will jedoch folgendes erreichen:
„Rüstungsentwicklung und -beschaffung ist deutsche Industriesubventionspolitik, bei der der Wettbewerbskommisar der EU kein Einspruchsrecht hat. Was dabei „hinten rauskommt“ (frei nach Bundeskanzler Kohl) , als fertiges, einsatzklares Produkt für die Bw ist sekundär. Wichtig ist das Primärziel der Förderung der deutschen Industrie.“
Damit sind die von der Grundprämisse abgeleiteten Folgerungen nicht mehr relevant und die „intellektuelle Demobilisierung“ der jetztigen Entscheidergenereration hängt wohl auch mit der 68er Studentenrevolution zusammen, die mehr oder weniger eine ganze Generation geprägt hat.
@ Georg – Darauf bin ich eingegangen. Wenn man Rüstung nicht für den Zweck Rüstung beschafft, ist jede weitere Diskussion erledigt – dann braucht man aber auch keine Armee unterhalten und kann den Etat gleich als Subventionstopf gebrauchen.
@Bang50:
Genauso wird es doch gemacht nur das man halt noch ne halblebige Armee unterhält
Eine Politik, aber auch eine Armee, ohne Anspruch und Konsequenz.
Jeder wurschtelt sich so durch.
Das Ergebnis wurde in den letzten Wochen offensichtlich.
Aber Besserung ist nicht in Sicht. Da man eben in der politischen leitung und der militärischen Führung keinen Anspruch hat.
Aber es ist ja auch hier bei AG.net immer schwieriger, diese im Kern kulturellen und intellektuellen Probleme zu diskutieren, die zum Zustand unserer Streitkräfte geführt haben. Das wird dann lieber als „Bashing“ und Besserwisserei betrachtet.
Das nehme ich dann eben auch zur Kenntnis – und störe hier zukünftig nur noch in „Notfällen“.
@Bang50
Danke für diesen wunderbaren Eintrag. Sollte doch eigentlich ein Startpunkt sein.
Vielleicht schaffe ich es, bevor der Thread vom System geschlossen wird, ein paar Ergänzungen oder Punkte zur Erweiterung der Diskussion beizutragen. Dazu muss ich mir den Beitrag aber erstmal ausdrucken und in Ruhe nochmal durchlesen.
Was ich aber viel bedenklicher finde ist der Zustand, das alte Mitstreiter wie @Memoria und andere sich mittlerweile entsprechend zurück ziehen und der Diskussion endgültig fernbleiben. Der letzte Beitrag von @Memoria sollte eigentlich wachrütteln.
Gerade @Memoria ist ein Paradebeispiel für einen extrem breit aufgestellten Diskutanten, der seit Jahren hier wertvolle Beiträge liefert, die ich äußerst gerne lese und mit dem ich gerne diskutiere. Dabei ist er immer hart in der Sache, aber für intellektuelle Diskurse jederzeit zu haben. Auch über seine Themenschwerpunkte hinaus gehend. „Bashing“ und Besserwisserei sieht nun wirklich anders aus.
Ich hoffe inständig das sich dieser Niedergang nicht weiter fortsetzt.
Ich empfehle die Lektuere des Artikels in der Zeit zum Thema Deutscher Pazifismus….
klarer habe ich es noch nirgendwo anders gelesen…
aber auch das sind Wellenbewegungen
@ Soenke Marahrens
Danke für den Hinweis auf den Zeit-Artikel. Die (veröffentlichte) Wahrnehmung der militärischen Operationen der letzten 25 Jahre und der DEU Rolle daran ist doch in der Tat, dass dabei nichts zum Guten entwickelt wurde. Ursächlich sehe ich aber dabei die oft mangelhafte Bereitschaft der lokalen Gesellschaften zur Überwindung der Konflikte. Nation building funktioniert ohne Beteiligung der Menschen nicht, schon garnicht mit militärischen Mitteln.
Entsprechend den Einsatzzahlen multipliziert sich die Zahl der ehemaligen Soldaten in den zahlreichen Einätzen (TdM nennt sie Veteranen), die mit der Überzeugung auf ihre Einsätze zurückblicken, dass ihr Einsatz letztlich nicht zum Erfolg geführt hat.
Ich erinnere mich an eine Studie, in der festgestellt wurde, dass junge Menschen vorallem wegen der Auslandseinsätze nicht zur Bundeswehr gehen. Deshalb sehe ich die Ausblendung der Realitäten in vielen (hier bereits diskutierten) Werbemassnahmen als nachvollziehbar weil zielführend. Jemand hat auch schon gesagt, dass nach dem „Zwangskennenlernen“ als GWDL dann doch ganz brauchbarer Nachwuchs generiert werden konnte.
Wenn es die GroKo nicht schafft, mit einer mEn notwendigen Grundgesetz Änderung eine zukunftsorientierte Sicherheitspolitik festzuschreiben, sollten wir aufhören die Lippen zu spitzen. Dann bleibt eben nur die Aufgabe als Zahlmeister.
@Bang50
Sie sind also auf der Suche nach einer Pareto-Optimierung (http://de.wikipedia.org/wiki/Pareto-Optimierung) für die BW ? Ich fürchte, dass da schon wieder einige „player“ intellektuell überfordert sind ;-) Ihrem Kampfkraft-Kriterium stehen einfach zu viele andere Optimierungs-Kriterien gegenüber (wie z.B. Gewinnmaximierung der Industrie). Die BW ist ja kein konstruiertes geschlossenes System (wie ein F1 Motor), eher würde ich sie mir als eine historisch entstandene, multiple-social-dilemma-echo-chamber vorstellen, in der sich Suboptimierungswellen in einer Kakaphonie überlagern und nicht harmonisch als Sinfonie erklingen. Schnittstellenreduzierung, Reduzierung des political bias und kooperative Nutzer/Produzent-Projektsteuerung in Sachen Rüstung sind sicherlich sehr gute Anstöße, allein diese stellen aber imho eine Revolution in Sachen deutsche HH-Kultur dar, von dem politisch/zivilen Kontroll-Trauma über die Streitkräfte ganz zu schweigen.
@ Memoria
Ich denke da sind wir uns schon lange einig. Solange man in diesem Land keine ernsthafte Außen-/Sicherheitspolitik betreiben möchte, ist mein Geerde schlicht für die Katz und ich hätte mir die Zeit besser sparen können. Aber manchmal macht man einfach solche irrationalen Dinge, wo man sich selbst fragt warum man sich das antut.
@NMWC
Diese Frustration ganz klar zu spüren und sie hat auch mich längst ergriffen. Es ist glaube ich die Erkenntnis, dass es trotz politischer Beteuerungen stets bei „the same procedure as every year“ bleibt. Dynamisches Chaos im Ruhezustand…
@ Klabautermann
Nun zuerst geht es mir darum, dass die Rüstungsbeschaffung eher Symptom und nicht die Ursache für den desolaten Zustand der BW ist. Im Kern befindet sich die gesamte deutsche Gesellschaft in einem andauernden Prozess der sicherheitspolitischen Selbstfindung. Dieses Thema ist für mich Priorität 1 und sollte primär diskutiert werden.
Da ich ehrlich gesagt inzwischen ziemlich genervt bin von Rüstungsdiskussionen in denen wir stets nur im Quark herumrühren, habe ich mir gedacht, zumindest mal zu definieren was eigentlich das Ziel der Rüstungsbeschaffung ist. Aus dieser Zielsetzung abgeleitet was der ideale Zustand wäre wenn wir dieses Ziel mit maximaler Effizienz verfolgen wollen (wahrscheinlich ist das nicht so toll heraus gekommen). Dabei geht diese Betrachtung etwas weiter als ein Pareto-Kriterium. Es handelt sich um einen Lagrange-Multiplikator in dem man zusätzliche Nebenbedingungen formulieren kann (in diesem Fall begrenzte Ressourcen). Somit ist auch die Gewinnmaximierung der Industrie implizit enthalten. Daraufhin versuche ich aus meiner subjektiven Sicht den tatsächlichen Zustand zu beschreiben. Mit diesem Soll-Ist-Vergleich soll zumindest mal die Marschrichtung dargestellt werden, damit sich die Diskussionen nicht ständig im Kreis drehen.
Ob man in der Realität dann 80 % oder nur 70 % möglichen Wirkungsgrad erreicht, ist dann am Ende wurscht. Wir haben ja noch nicht einmal das Ziel der Rüstungsbeschaffung eindeutig festgelegt und befinden uns eigentlich seit über 20 Jahren in der Startvorbereitung.
Diesen Zustand der Black Box haben Sie ja sehr schön beschrieben als:“ […]multiple-social-dilemma-echo-chamber vorstellen, in der sich Suboptimierungswellen in einer Kakaphonie überlagern[…]“ Aber das kann und darf doch nicht der ewig gültige Zustand bleiben? ;-)
@Bang50
Nun ja, auf Pareto-Optimierung bin ich nur gekommen weil ich die BW eher als ein Phänomen in Sachen Soziale Dilemmata erachte und weniger als ein rein mathematisch-technisches Wirkungsgradoptimierungsproblem wie einen Rennwagenmotor. Ich stimme Ihnen daher voll zu, wenn Sie schreiben, dass die Rüstung eher Symptom als Ursache ist.
Parlamentarisch-politisch kontrollierte Streitkräfte sind so ziemlich das komplexeste, was man sich in der Kompexitätstheorie so vorstellen kann. Die wirkungsgrad-optimierte, lastschwankungsfeste Steuerung eines solchen Systems ist selbst für Kybernetiker ein Mysterium ;-) Was macht man denn nun, wenn man sich ein hyperkomplexes system-of-systems geschaffen hat, das allerdings nicht so richtig rund läuft und trotz seines theoretischen Leistungsvermögens (Kompexität = Maß für theoretisches Leistungsvermögen) in der Realität immer wieder Aussetzer und Blindleistung erzeugt. Nun, eine alte Regel in der Kybernetik besagt in solchen Fällen, dass man das System versucht in kontrollierbare Sektionen aufzuteilen, die eben als family-of-systems interagieren. Man reduziert also den Grad der Zentralisierung und delegiert Steuerungsinstanzen an sogenannte selbstorganisierende Untersystemeinheiten. Man zentralisiert also nicht alle Hubschrauber und Flugzeuge bei der Luftwaffe, sondern Marine und Heer behalten strukturell alle Luftfahrzeuge, die sie in ihrer functional warfare area (Land-, bzw. Seekrieg) benötigen….. so als Beispiel in Sachen Dezentralisierung und output-Optimierung.
Mich stört an der ganzen Diskussion, dass wir nur über das Material diskutieren, aber nicht über das Personal und vor allem die Führungskräfte von morgen…
Wenn ich sehe, dass z.B. an der OSLw das Lehrpersonal immer weiter gekürzt oder herunterdotiert wird, damit man in Köln ein neues Amt aufbauen kann, dann denke ich hier kürzt man schon jetzt an der falschen Stelle und stellt falsche Weichen für die Zukunft. Was bringen mir die tollsten neuen Systeme, wenn dann keiner mehr da ist der die Verantwortung für deren richtigen Einsatz übernehmen kann….
@Bang50:
Eine nette Zusammenfassung haben sie da geschrieben.
@All:
Innerhalb der Bundeswehr denkt man durchaus über die Zukunft nach. Über Qualität und Quantität kann da sicherlich streiten. Das Problem ist nur: Beschäftigt sich das BMVg federführend mit Außen- und Sicherheitspolitischen Themen hat man manch ein Ressort bereits verloren.
Meine Erfahrungen mit einem der anderen Ressorts würde ich wie folgt beschreiben: Lieber würde man persönlich in Westafrika bei der Eindämmung der Ebola Seuche helfen, als auch nur irgendwie in eine Geschäftsbeziehung zu BMVg, Bundeswehr oder Rüstungsindustrie gerückt zu werden. Ohne Auftrag aus dem Kanzleramt läuft da nix.
Bezüglich Qualität und Quantität:
Das Referat Zukunftsanalyse des Planungsamtes kann von der Dienstpostenausstattung allenfalls ein Nukleus für die nötigen Diskussionen sein. Die ganzen anderen Mitspieler (Bundesministerien, Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik, Stiftung Neue Verantwortung, Stiftung Wissenschaft und Politik, Brandenburgisches Instituts für Gesellschaft und Sicherheit, etc. pp.) zu Koordinieren ist glaube ich nicht sinnvoll durch die Bundeswehr leistbar.
Das BMVg können sie in dem zusammenhang mehr oder weniger abschreiben. Nicht weil die Kameraden und Kollegen dort geistig nicht in der Lage wären sich Gedanken zu machen. Nein, die haben aktuell nicht den Auftrag (und auch nicht die Zeit) um über strategische Themen ernsthaft nachzudenken. Die Leitung sorgt für das Hamsterrad.
(Das überschneidet sich ein klein wenig mit der Bällebaddiskussion)