Von der Leyen: Beratungen über Verteidigungshaushalt „mit Maß“

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Nach den Beschlüssen des NATO-Gipfels in Wales in der vergangenen Woche stellt sich für Deutschland die Frage, ob mögliche zusätzliche Aufgaben der und Erwartungen an die Bundeswehr nur mit einem höheren Wehretat gestemmt werden können. In ihrem (so weit ich gesehen habe) ersten Interview nach dem Gipfel hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen dazu im ARD-Bericht aus Berlin Stellung genommen. Eine Anhebung auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts sei nicht erwartbar, es komme auf einen Verteidigungshaushalt nach Maß an – einschließlich einer gewissen Erhöhung, obwohl der ausgeglichene Bundeshaushalt oberstes Ziel bleibe.

Die Aussagen der Ministerin dazu zum Nachlesen:

Frage: Wie soll das alles funktionieren: Schnelle Eingreiftruppe, mehr militärische Präsenz in Osteuropa, all die anderen internationalen Krisen, wo ja auch Deutschland immer wieder gefragt wird. Da sagen viele: Die Bundeswehr kann das gar nicht leisten, die Bundeswehr ist da gar nicht entsprechend ausgerüstet.

Antwort: Doch, die Bundeswehr ist gut aufgestellt. Sie ist einsatzbereit. Sie ist auch fähig, Landes- und Bündnisverteidigung wahrzunehmen. Gerade wenn wir in dem Beitrag gesehen haben: 1,3 Prozent des Bruttosozialprodukts investieren wir in Verteidigungsausgaben. Wir sind eine große, ökonomisch starke Nation, d.h. man muss immer fragen auch: Wieviel Prozent von was. Einfach um Ihnen eine Zahl zu geben: Wir investieren fast 35 Milliarden pro Jahr für all das, was auch der NATO zur Verfügung steht. Wir sind der zweitgrößte Netto-Zahler in der NATO. Insofern ist es schon richtig, dass wir da ein gewaltiges Pfund investieren.

Frage: Aber die zwei Prozent, die die NATO da mal vorgegeben hat – andere liegen drüber. Wir habe es gesehen: USA, Großbritannien. Wir kommen nicht annähernd dran. Woran liegt das?

Antwort: Zum Teil liegt es daran, dass in anderen Ländern – und wir erinnern uns an die Euro-Krise – das Bruttosozialprodukt gesunken ist. Klar, dass man dann leichter an die zwei Prozent rankommt, wenn das Verteidigungsbudget nicht so stark sinkt. Gott sei Dank ist bei uns das Bruttoinlandsprodukt gestiegen. Und ich finde (es) wichtig, dass wir die 1,3 Prozent halten. Die dürfen nicht sinken. Ich habe Ihnen die Summe eben genannt, die wirklich da auch gut investiert wird. Und die zweite Frage ist immer: Nicht nur wieviel wir ausgeben, sondern auch wofür und wie effektiv. Und da können wir in der Tat in der NATO besser werden.

Frage: Aber dennoch, es gibt ja viele, die ja jetzt auch aus Ihrer Partei, aus Ihrer Fraktion im Bundestag fordern: Der Wehretat muss angehoben werden. Sie werden ja wahrscheinlich auch nichts dagegen haben, wenn Sie Ihrer Bundeswehr mal was Neues bestellen können?

Antwort: Ich finde (es) wichtig, dass wir jetzt in den Parlamentsberatungen das ganz intensiv auch durchdiskutieren, denn ich kenne genau die schwierige Balance, die wir eingehen müssen. Erstens, oberstes Ziel dieser Regierung ist ein ausgeglichenes Budget. Das ist ganz wichtig. Der Staatshaushalt muss konsolidiert werden. Und wir sehen, gesunde Staatsfinanzen, eine starke Wirtschaft – davon profitiert zum Schluss auch der Wehretat. Natürlich ist es aber auch richtig, dass wir, wenn wir jetzt neue Aufgaben bekommen, zum Beispiel durch die Beschlüsse des NATO-Gipfels oder durch zusätzliche Belastungen im Irak, dass ich mit dem Parlament darüber sprechen muss. Das steht jetzt in den nächsten Wochen an. Aber wie gesagt, man muss das Ganze mit Maß tun.

Frage: Und dann gibt es ja noch den Wirtschaftsminister, der einerseits die Rüstungsexporte beschränken will und irgendwie ja immer mit dem Finger, sage ich mal, auf Sie zeigt, dass Sie mehr bestellen sollen, damit die Rüstungsindustrie auch, ja, ich sage mal, ihren Standard halten kann.

Antwort: Ja, zwei Dinge zu dem Wort „Bestellen“. 50 Prozent und mehr der Wehrindustrie gehen in die Exporte. Das ist klar, dass die Bundeswehr niemals das kompensieren könnte, wenn die Exporte zurückgehen. Und zweiter Punkt zu „Bestellen“: (Es) ist mir auch wichtig, das noch mal klar zu machen – wir haben ganz viel, auf das wir warten, hochmodernes Gerät, was kommen muss. Noch mal ein Beispiel, das war im Bericht eben auch. Das große Transportflugzeug, den A400M, der hat jetzt vier Jahre Verspätung, die normale Version und die sogenannte geschützte Version, also die, die überall in der Welt fliegen kann, auch in die Krisengebiete rein, hat neun Jahre Verspätung. Ich würde ja gerne das Geld investieren in diese großen Waffensysteme, wenn dann auch die Industrie liefert. Und diese Reihenfolge müssen wir einhalten. Erst das Produkt, dann die Bezahlung.

Frage: Herr Gabriel hat angekündigt, dass es demnächst Gespräche gibt mit ihm, mit Ihnen und mit dem Finanzminister. Geht es da um den Wehretat oder geht es da um Rüstungsbestellungen?

Antwort: Nein, es geht um die grundsätzliche Aufstellung, nämlich um die Frage, welche Kernfähigkeiten müssen wir unbedingt in Deutschland behalten, haben, als Wissen. Das heißt, da konsequent rein investieren, dass sie auch bleiben, und was in andere Dinge, die wir vor allem auch im europäischen Verbund gemeinsam erreichen wollen. Und die Gespräche werden im Augenblick vorbereitet. Auf die freue ich mich. Das Ministerium hat dann auch seinen Expertenbericht abgeschlossen, Ende September. Das passt also genau auch zu den Haushaltsverhandlungen, die im Oktober dann vorangehen.

In der gleichen Sendung äußerte sich auch der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder zum Verteidigungshaushalt:

Frage: Herr Kauder, zum Schluss, Sie haben die Verteidigungsministerin vorhin gehört. Gehen Sie da mit trotz dem Wunsch, einen ausgeglichenen Haushalt zu haben. Mehr Mittel für den Wehretat?

Antwort: Also auf jeden Fall sage ich mal, nicht weniger. Wir können nicht noch weiter am Wehretat sparen. Unser Ziel bleibt ganz klar, der Haushalt ohne neue Schulden. Jetzt muss Frau von der Leyen uns sagen, was aus den Gesprächen in der NATO erwartet wird, und dann müssen wir schauen, was wir da tun können. Eins bleibt aber klar, es gibt keine neuen Schulden.

Nachtrag: Die Haushälter, und wohlgemerkt nicht nur der Opposition, verlangen vom Ministerium, erst mal den Laden in Ordnung zu bringen, ehe es mehr Geld gibt. Zum Beispiel der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs im Spiegel:

2013 hat das Verteidigungsministerium 1,3 Milliarden Euro eigene Gelder an das Finanzministeirum zurückgegeben. Dieses Jahr folgt wahrscheinlich eine ähnliche Summe, und im kommenden Jahr geht es so weiter. Das Geld fehlt nicht. (…)Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat ihr Haus nicht im Griff. Bei den großen Rüstungsvorhaben herrscht Stillstand, es wird seit Monaten nur geprüft. Die Abläufe funktionieren nicht.

Und der Grünen-Haushhälter Tobias Lindner im Deutschlandfunk:

Die Bundeswehr hat kein Problem mit der Menge des Geldes, sondern eher ein Problem damit, wie das Geld tatsächlich eingesetzt wird. Wenn Sie sehen, dass im letzten Jahr Ursula von der Leyen 1,5 Milliarden Euro des Geldes gar nicht ausgegeben hat, weil es im Rüstungsbereich hakt, dann ist nicht die Menge des Geldes ein Problem, sondern dann gibt es da enorme Management-Probleme.

 

(Foto: U.S. Defense Secretary Chuck Hagel greets German Defense Minister Ursula von der Leyen prior to a meeting during the NATO summit in Wales, Sept. 5, 2014 – DoD photo by Glenn Fawcett)