Wir steigern das Bruttosozialprodukt

Das ist mal eine gute Nachricht: Je mehr die Bundeswehr für Waffensysteme ausgibt, um so positiver wirkt sich das künftig auf die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung aus. Was ein bisschen schräg klingt, ist eine Folge der (europäischen) Neuordnung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, die ab September EU-weit verpflichtend gilt: Militärische Investitionen in Flugzeuge, Panzer, Schiffe und anderes Großgerät werden dann auch als Investitionen gewertet und verstärken die volkswirtschaftliche Gesamtleistung eines Landes. Mit den Worten der Statistiker aus der Erläuterung des Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESGV) 2010:

Bisher wurde zwischen militärischen Waffensystemen und zivil nutzbaren militärischen Anlagen unterschieden: Zivil nutzbare militärische Anlagen, wie Flughäfen, Kasernen oder Lazarette, waren nach ESVG 1995 als Investitionen zu buchen, während militärische Waffen (zum Beispiel Luftfahrzeuge, Schiffe oder Panzerfahrzeuge) bisher Vorleistungen des Staates darstellen. Dies war eine Ausnahme von der Grundregel, nach der Güter, die länger als ein Jahr für Produktionszwecke genutzt werden, als Investitionen zu behandeln sind. Mit der Zuordnung von militärischen Waffen zu den Investitionen im ESVG 2010 wird die bisherige Unterscheidung hinfällig und die Grundregel zur Abgrenzung von Investitionen auch hier respektiert. Wie bei anderen Anlagegütern auch, wird die zeitanteilige Nutzung anhand der Abschreibungen erfasst. Für die Bruttowertschöpfung des Staates ergeben sich durch die Umbuchung von Vorleistungen zu den Anlageinvestitionen zunächst keine Auswirkungen, denn die Vorleistungen (und damit der Staatskonsum) sinken, während die Investitionen in gleichem Umfang steigen. Allerdings führen die Abschreibungen auf militärische Waffensysteme zu einem Anstieg der additiv über die Kosten berechneten Bruttowertschöpfung des Staates – damit steigt auch das Bruttoinlandsprodukt entsprechend.

Im Klartext, so verstehe ich das als Nicht-Volkswirtschaftler: Mehr Waffensysteme, höheres Bruttoinlandsprodukt. Alles gut. Und selbst wenn der Investitionsanteil im aktuellen Verteidigungshaushalt mit knapp fünf Milliarden Euro etwas unter den Versorgungslasten, also vor allem Pensionen, im gleichen Etat liegt (gut fünf Milliarden Euro) – die Truppe sorgt damit für eine positive Gesamtrechnung? Nicht ganz, die Statistiker beurteilen die Neuregelung so:

Nach einer ersten vorläufigen Schätzung ist für Deutschland mit einer Niveauanhebung des Bruttoinlandsprodukts um etwa 3 % aufgrund der Konzeptänderungen und -präzisierungen zu rechnen. Dies ist vor allem auf die Behandlung von FuE-Ausgaben als Investitionen zurückzuführen. Für den Finanzierungssaldo des Staates beziehungsweise die Defizitquote werden keine großen Änderungen erwartet, vor allem weil aktivierte FuE-Ausgaben und militärische Waffen sich hier nicht auswirken.

Sind eigentlich die Abgrenzungen zwischen Waffen und Munition geklärt? So ’ne PAC-3-Rakete für die Patriot kostet ja auch mehr als ein Eigenheim, und so lange sie nicht genutzt wird, ist es eine Investition?

(Hinweis für die Spätgeborenen: Ich weiß, dass es inzwischen Bruttoinlandsprodukt heißt. Aber die Überschrift ist ein Zitat aus einem recht alten Song der Band Geier Sturzflug)

(Foto: Der Schützenpanzer Puma bei einer Heißklimaerprobung in den Vereinigten Arabischen Emiraten am 17. Oktober 2013 – Bundeswehr/ Sebastian Wilke)