Social Media: Leseverbot für die Bundeswehr?

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Es ist gut, dass die Überwachung der elektronischen Kommunikation durch staatliche Stellen hierzulande mit Skepsis betrachtet wird. Und für die Ausforschung gerade auch der privaten Kommunikation, wie sie durch den ehemaligen NSA-Mitarbeiter Edward Snowden bekannt wurde, gilt das erst recht. Dennoch wundert mich ein wenig, mit welchem Spin die Planungen der deutschen Streitkräfte, Datenbank-Tools zur Beobachtung auch sozialer Netzwerke zu nutzen, mit dem Eingriff in die Privatsphäre gleichgesetzt werden.

Die aktuellen Meldungen dazu beruhen auf einer Anfrage der Linkspartei. Vergleichsweise sachlich berichtet dazu netzpolitik.org:

Wissenserschließung aus offenen Quellen: Wie Bundeswehr und BND die Überwachung sozialer Netzwerke rechtfertigen

Den Spin der Linkspartei macht dagegen Spiegel Online voll mit:

Überwachung der Deutschen: So will die Regierung Facebook ausforschen

einschließlich der interessanten Aussage des Linkspartei-MdB Andrej Hunko: Wenn eine Verfolgungsbehörde Daten über eine bestimmte Person zusammenträgt, braucht es dazu eigentlich einen richterlichen Beschluss. Nun ist diese Aussage genau so richtig wie irreführend – weder ist die Bundeswehr eine Verfolgungsbehörde (der Begriff mag aus der Zeit herrühren, als in einem Teil Deutschlands die bewaffneten Organe des Staates mehr oder weniger eine Einheit bildeten, einschließlich der Verfolgungsbefugnisse), noch geht es, soweit ich die Bundeswehr bislang verstanden habe, um das Zusammentragen von Daten über eine bestimmte Person. (Was den Bundesnachrichtendienst angeht, habe ich zu wenig Einblick, als dass ich etwas dazu sagen könnte.)

Wer sich von den Fachleuten des Zentrums Operative Kommunikation (so heißt das ja inzwischen) mal hat erläutern lassen, was sie jetzt schon mit kommerziellen Tools wie BrandWatch anstellen, kommt zu einer etwas anderen Schlussfolgerung. Da geht es darum, aus Tausenden von offenen und öffentlichen Twitter- oder Facebook-Feeds Stimmungslagen herauszudestillieren, gerade in Konfliktregionen. Und nicht darum, Datensammlungen zu einzelnen Personen anzulegen.

Nun muss man sich das in der Tat sehr genau angucken – und so was sollte auch nachprüfbar sein, beispielsweise vom Datenschutzbeauftragten. Allerdings: Den Streitkräften solche social media-Analyse zu untersagen, ist etwa so, als würde man ihnen auch untersagen, auf Facebook oder Twitter zu lesen, was in Nordafghanistan so gefacebooked oder getwittert wird. Sie könnten sich ja merken oder gar aufschreiben, wer sich da geäußert hat. (Wenn übrigens Gogle die ziemlich gleichen Techniken nutzt, um eine Grippewelle vorherzusagen, scheint das ja kein Problem zu sein.) Und Zeitungen oder Radio- und Fernsehsendungen sollten sie lieber auch nicht mehr anschauen, sie könnten ja zu einem Erkenntnisgewinn kommen. (Dass sie das in manchen Fällen nicht tun, obwohl sie es besser täten, ist wieder eine andere Frage.)

Nun passt es natürlich in eine bestimmte politische Sichtweise, in Streitkräften nur das Instrument zur – überwiegend auch noch innerstaatlichen – Repression zu sehen. (Auch das war in einem Teil Deutschlands mal die Regel, vielleicht trägt das zu dieser Sichtweise bei.) Jegliche Art von Aufklärung im militärischen Sinn wird mit Ausforschung der Bevölkerung (auch gerne innerstaatlich in Deutschland) gleichgesetzt. Wenn wir das Ganze mal von dieser etwas schrägen Prämisse befreien, wäre vielleicht eine sinnvolle Diskussion darüber möglich, was der Bundeswehr in diesem Zusammenhang für die Erfüllung ihrer Aufgaben erlaubt sein sollte, welche – gegebenenfalls gesetzlichen – Schranken es geben muss/müsste/könnte und wo es tatsächlich ein No-Go ist.

Der Bendlerblogger hat sich des Themas bei der Feltpost mal etwas sarkastischer angenommen: Verteidigungsministerium kündigt sämtliche Abonnements

Und noch ein Tweet dazu von einem Soldaten, auf seinem privaten – und offenen – Twitteraccount:

 

(Screenshot: Facebook)