Debatte: Ukraine, Russland, der Westen…
Da es in den jeweiligen Ukraine-Threads die Neigung zu sehr grundsätzlichen Debatten gibt… mache ich hier einen neuen Thread für diese Diskussion auf. Was jenseits der aktuellen Lage grundsätzlich debattiert werden soll, gehört hierher (und einiges verschiebe ich auch hierhin).
Die Schlacht um die Krim hat Putin gewonnen, dass mit der Ostukraine wird Putin und die Separatisten wohl verlieren. Das dauert zu lange, und den notwendigen breiten Zuspruch aus der Bevölkerung kann man nicht erkennen. Die Ukraine wird wohl ein paar US Militärberater ins Land geholt haben, und Strategien mit denen entwickeln, wie man das treiben der Separatisten Einhalt gebieten kann. Die Separatisten dürften auch Russische Berater haben. Ein Einmarsch wird Putin auch nicht wagen.
Die Ukraine wird sich ein anderes Geschäftsmodel suchen müssen. Das mit den Ostukrainischen Oligarchen funktioniert nicht mehr. Davon haben auch etliche in Westeuropa profitiert. Putin muss sich auch was mit der Krim überlegen. Die Autark von der Ukraine zu entwickeln, dürfte Russland zu viele Rubel kosten.
@TW/JCR: Die Diskussion ist doch recht erhellend weil sie m.E. die zentrale Frontlinie etwas deutlicher hervortreten lässt: Auf der einen Seite stehen alle die sich als Gewinner des Kalten Kriegs, des Zusammenbruchs der UdSSR und des Warschauer Paktes ansehen . Auf der anderen jene, die sich als Verlierer dieser Vorgänge fühlen und sie daher – gemeinsam mit Putin – als Niederlage und Katastrophe bewerten. Dabei finde ich es schon faszinierend, dass die sich unsere heimische „Verlierer“- Seite immer noch so eng an die alte Vormacht anlehnt, dass die Loyalität über den gewaltigen ideologischen Bruch von wenigstens nominell internationalistischen Grundüberzeugungen hin zum offenen nationalen Chauvinismus (die korrekte Bezeichnung „großrussischer Faschismus“ setze ich mal in Klammern & Anführungszeichen, um Entzündungen und Ekzeme zu vermeiden) Putins völlig unberührt bleibt: Ob Genosse Generalsekretär oder Russischer Präsident, ex oriente lux . . .
In einem Punkt bin ich Putin dankbar: Er macht (unter anderem auch mir) mal wieder unmissverständlich klar, wofür der Westen steht (Meinungsfreiheit, Demokratie, Rechtsstaat) und wert ist, gegen Putin und seine Freunde verteidigt zu werden. Letztere, Putins Freunde, sind eben nicht zufällig zivilisatorische Leuchtürme wie Viktor Orban, Marine Le Pen, Silvio Berlusconi . . . die allesamt mit populistischen/demagogischen Strategien darauf setzen, die Verlierer der Moderne einzusammeln.So lange die bei uns noch nicht gewonnen haben, kann die Innere Emigration warten (Gruß @JCR).
@Zivi aD danke für den schönen Lacher am Abend. (:
Ich bin möglichst neutral, zum. mein Anspruch. Weder pro-russisch, noch pro-amerikanisch. Allein das scheint vielen Menschen in der Diskussion nicht annehmbar zu sein. Schwarz-Weiß-Denken vereinfacht halt. Verständlich bei der komplizierten Lage. Aber solange die einen den anderen pro-dies oder pro-das zu sein vorwerfen, anstatt sich mit den Fakten auseinanderzusetzen, um verstehen (zu können), führt das Ganze nur zu einem ogiastischem Vulkan der Streitsucht.
Spricht man einen Fakt an, der für den pro-das pro-dies ist, ist er pro-dies? Aber was kann der Fakt dafür. Er ist nunmal da. Diesen anzusprechen, bedeutet nicht pro-dies zu sein.
@Zivi a.D. | 05. Mai 2014 – 21:30
„Auf der einen Seite stehen alle die sich als Gewinner des Kalten Kriegs, des Zusammenbruchs der UdSSR und des Warschauer Paktes ansehen . Auf der anderen jene, die sich als Verlierer dieser Vorgänge fühlen und sie daher – gemeinsam mit Putin – als Niederlage und Katastrophe bewerten.“
Da argumentieren Sie doch sehr schlicht, mit Verlaub, und zugleich: So kann man sich täuschen.
Qua Amt und Laufbahn wäre ich sicher ein „Gewinner“ des Kalten Kriegs.
Weil ich mir aber schon immer den Luxus des eigenen Denkens bewahrt habe, war und bin ich – jetzt ganz besonders – ein Gegner jeglichen Blockdenkens und sehe die Vormacht jenseits des Atlantiks (übrigens auch aufgrund eigener Anschauung) sehr realistisch (und das heißt Abu Ghuraib, Guantánamo, NSA etc. pp.).
Ausnahmsweise ein Selbstzitat zur Begründung meiner „Denke“:
Höchste Zeit umzudenken: Deutschland ist Mitte, nicht Teil des „Westens“!
Bemerkenswert, wie die Deutschen – die einen Haushofer hervorgebracht haben – die Geopolitik immer noch verfemen und dabei verkennen, wie existentiell dieser Wissenschaftszweig gerade für ihre Nation ist.
Für unser Volk ist das Einvernehmen und die enge Zusammenarbeit mit dem neuen Rußland überlebensnotwendig – wirtschaftlich (Rohstoffreichtum einerseits, Industrieprodukte allerersten Ranges – immer noch – andererseits), aber auch unter dem Aspekt kultureller Nähe. Damit verglichen trennen uns von den nicht nur kulturimperalistischen U.S.A. Welten, nicht nur der Atlantische Ozean.
Der weit- und hellsichtige große alte Plettenberger, der Preußische Staatsrat Carl Schmitt, hat es mit seinen Wortschöpfungen von den „Landtretern“ (den Kontinentalmächten Rußland und Deutschland) in ihrem Gegensatz zu den „Seeschäumern“ (den angelsächsischen Seemächten England und U.S.A.) auf den Punkt gebracht.
Die Folgerungen daraus zu ziehen bedarf es eines Staatsmanns. Merkel fehlt dieses Format.
Und damit Schluß.
Mal was fast „Positives und Ehrliches“, heute, 20:05 STIMME RUSSLANDS: „Mindestens zehn Menschen sind bei einem Angriff der ukrainischen Polizei auf einen Checkpoint in Slawjansk ums Leben gekommen, über 20 wurden verletzt, meldet der Leiter der Volkswehr der Stadt _I_g_o_r_ _S_t_r_e_l_k_o_w_.
Und dazu gab es gleich ein passendes Interview auf http://german.ruvr.ru/2014_05_05/Jochen-Scholz-was-haben-die-deutsche-Militarleute-in-der-Ostukraine-getan-8232/
Welche illustre Person – frei nach Molière – OTL a.D. Scholz ist, kann man http://sochi2014-nachgefragt.blogspot.de/2014/04/jochen-scholz-friedensreferent.html nachlesen und unter den Mitzeichnern dessen offenen Briefes an Putin dürfte sich vielleicht dieser oder auch jener neue und vielleicht einschlägige User wiederfinden bzw. sich zumindest mit diesen identifizieren können.
Absolut d’accord, man muß politisch, wirtschaftlich, industriell, FuE-mäßig, kulturell, d.h. künstlerisch, literarisch, philosophisch und historisch sowie vor Allem „tolerant Europäisch Denken“ und da gehört auch Rußland ganz sicherlich weitaus näher als die USA dazu. Aber die eigenen Socken müssen nicht gleich den „braunen Ring“ eines sich zunehmend als Neo-GröFaZ entpuppenden Putin haben!
Manchmal frage ich mich ob Einstein’s Relativitätstheorien nicht nur in der Physik, sondern auch in der Metaphysik aka Realpolitik gültig sind:
http://www.haaretz.com/news/national/.premium-1.588896
„Netanyahu pushing Basic Law defining Israel as Jewish state“
„Unfortunately, as we have seen recently, there are those who do not recognize this natural right and who seek to appeal the historical, legal and moral justification for the existence of the state of Israel as the nation-state of our people,“ he added. „I see it as one of my basic missions as prime minister to fortify the state of Israel as the nation-state of our people.“
Welches Adjektiv hängt man denn nun an solch ein statement eines Ministerpräsidenten ? Nationalistisch ? Rass……? Zion……? Undemokratisch?….
Moralpolitik – oder ‚lupenrein werteorientierte‘ Politik – ist ein Luxus, den sich nicht jeder Staat leisten kann. Staatlich per Verfassung definierter demokratischer Werte-Kanon versus oder in Deckung (?) mit den vermeintlich „universellen“ aka „absoluten“ Werten des VN-Menschenrechtskanons, bzw. des angeblich für alle Staaten gültigen Völkerrechtes? „historical, legal and moral justification“ gewaltfrei in Deckung zu bringen ist alles andere als trivial im souverän-nationalen Rahmen und schon gar nicht im internationalen Wettbewerb des „Überlebens“ von historisch gewachsenen, ethno-zentrischen Staaten.
Ist eine internationale Ordnung ohne demokratisch, d.h. gewaltenteilig verfasste Staaten denkbar? Wer soll denn die Rolle von Staaten übernehmen? Al Quaida-Modelle oder corporate governance Modelle unter politischer Beteiligung von global players a la City of London ?? „Ich bin kein Brite, ich bin Deutsche Bank?“
Man kann Putin oder Netanyahu moralisch natürlich ablehnen und dämonisieren, aber letztendlich sind sie Garanten einer gewissen internationalen Ordnung basierend auf realpolitisch legitimierter und organisierter Souveränität und Interessensvertretung. Insofern plädiere ich dafür, dass dieser imho pissing contest zwischen USA und Putin langsam mal angehalten werden sollte. Er kostet europäische, politische Substanz und ukrainische Menschenleben.
@Zeitzeuge: Vielen Dank, dass Sie meine Ansichten so voll-inhaltlich bestätigen: Mit „Höchste Zeit umzudenken: Deutschland ist Mitte, nicht Teil des “Westens”!“ samt Ihren vehementen Hinweisen auf die Fehler & Verbrechen des Westens (die es zweifellos gibt) und nicht zuletzt dem Rückgriff auf Haushofer beziehen sie unzweifelhaft Position bei denen, die wie Haushofer (etwa Paul Lagarde oder Artur Müller-Bruck, bekannter als Moeller van den Bruck) mit ihren anti-westlichen Reflexen und der daraus entspringen „Kulturkritik“ zu Wegbereitern des Faschismus wurden. Nicht zufällig gelten diese ja auch inzwischen als Ikonen der so genannten „Neuen“ Rechten, die halt nicht mehr konservativ sein kann, weil ja alles den Bach runter gegangen ist – kein Erbe mehr da, da zu pflegen & erhalten wäre. Die weit- und hellsichtigen Staatsmänner sind mit den Segelschiffen verschwunden, heute haben wir nur noch ´ne Frau. Der fehlt natürlich das Organ (für Größe). Plettenberg tot, Schmitt tot. Wo man hinschaut, herbe Verluste . . .
Ein Unterschied von Ihnen zu Ihren intellektuellen, meinethalben auch philosophischen Vorfahren muss man allerdings festhalten: Ihre Altvorderen konnten nicht wissen, wohin solche Wege führen. Sie müssen schon aktiv wegschauen, um auszublenden dass man sich auf diesen Wegen zu den nützlichen Idioten der Faschisten macht – so wie Sie es für den großrussischen Faschisten Putin tun. Denn eines darf man festhalten: Bei den Nazis wie bei Putin waren und sind die Verbrechen aus rassistischen Motiven Teil des Systems und werden nie als Verbrechen eingestanden, im Westen sind es Unfälle, die am Ende (wie schwach und unvollständig auch immer) als Fall des Strafrechts aufgearbeitet werden von My Lai bis Abu Ghraib. Was ist der Rechte Sektor in Kiew gegen das zu einem einzigen Rechten Sektor geronnene Russland, in dem selbst die liberalen Bankiers und die talentierten Experimental-Lyriker sich mit Putin einig sind, dass die russische Minderheit endlich wieder über die minderwertigen Rassen wie Armenier, Turkmenen, Azeri . . . herrschen muss? Die Russen waren im alten Zarenreich wie in der UdSSR nicht anderes als eine ausbeuterische, unterdrückemde Minderheit. Und überwiegende Mehrheit der Russen möchte genau diesen Zustand wieder herstellen. Das und nichts anderes als dieser Herrschaftsanspruch steckt hinter Putins Politik und der breiten Zustimmung der russischen Bevölkerung.
Putin hat da praktisch einen Einmarsch in die Ostukraine versucht. Die Separatisten sollten unter der Anleitung Russischer Militärs die Macht in der Ostukraine Übernehmen. Wenn das geklappt hätte, wäre die Russische Armee dort einmarschiert. Das hätte aber nur geklappt, wenn die Masse der Ostukrainer den Anschluss an Russland gewollt hätten. Offensichtlich will die Masse aber weiterhin zu Ukraine gehören!! Daher ist das ganze Vorhaben praktisch schon gescheitert. So ist das halt. Auf der Krim gab es eine Mehrheit für den Anschluss an Russland. Daher konnte Putin da durchmarschieren.
Die EU ist sehr eng mit den US Wirtschafts- und Finanzsystem verbunden. Die Beziehungen zu Russland sind dagegen sehr viel distanzierter. Bricht in den USA eine Finanzkrise wieder aus, schlägt die sofort auf die EU über. Wenn Russland Probleme bekommt, dauert eine Ansteckung dagegen sehr viel länger. Die nächste Finanzkrise wird sehr bald kommen! Die Verschuldung im Westen wird stark bei Null Wachstum gesteigert. Das wird auch diesmal nicht gut gehen.
Zivi a.D. | 05. Mai 2014 – 23:18
„… so wie Sie es für den großrussischen Faschisten Putin tun. Denn eines darf man festhalten: Bei den Nazis wie bei Putin waren und sind die Verbrechen aus rassistischen Motiven Teil des Systems und werden nie als Verbrechen eingestanden, im Westen sind es Unfälle…“
Sie erwarten darauf sicher keine Antwort mehr.
Woher rührt dieser Ihr Haß auf Putin und die Russen?
Im übrigen: Godwin’s law.
@Zeitzeuge: Erst mit Haushofer den Stichwortgeber für die „Volk-ohne-Raum“-Ideologie der Nazis zum Säulenheiligen stilisieren und sich dann hinter Godwins´s Law verstecken? Feige & lächerlich. Dass es sich bei Putin um einen banalen Faschisten handelt, haben wir schon durch diskutiert. Ergebnis: Sein skruplelloser, mörderischer Rassismus ist Fakt. Seine krankhafte Homophobie ist Fakt. Sein Wunsch nach Restauration des alten Reiches (Zarenreich&UdSSR) ist Fakt. Dass ihm bei Letzterem kaum ein anderer ideologischer Kitt als irgendeine Spielart von großrussischem Faschismus zur Verfügung steht mangels Rückgriff auf Sozialismus/Kommunismus und expliziter Feindseligkeit gegenüber dem Westen, ist auch Fakt. Was fehlt Ihnen noch? Ein Abstammungsnachweis? Wer prinzipiell gegen Faschismus ist, kann an Putin und seinen Anhängern nichts Gutes finden.
Nur noch einmal etwas zur Persönlichkeit der Hauptfigur in diesem Spiel mit dem Feuer:
http://www.hansheinrichdieter.de/html/gefaehrlicherputin.html (Klare Worte von GenLt a. D. Hans-Heinrich Dieter)
Einiges kommt Geschichtsinteressierten bestimmt verdammt bekannt vor!
@ Zivi a.D. | 05. Mai 2014 – 21:30
Die Bezeichnung „großrussischer Faschismus“ trifft das aktuelle Russland unter Putins Führung meiner Ansicht sehr gut. Man darf hierbei ebenfalls nicht vergessen, dass Putin die Russen wie einst Hitler die Deutschen kommunikationstechnisch recht gut verführt hat. Viele Russen stehen hinter Putin, würden aber meiner Ansicht durchaus bereit sein, ihre Weltsicht wieder zu ändern, wenn sie angemessen informiert würden und die Sackgasse offensichtlich wird, in die dieser großrussische Faschismus führt.
Man sollte in diesem Zusammenhang allerdings zwischen Putins großrussischem Faschismus und Hitlers Nationalsozialsozialismus als deutsche Ausprägung des Faschismus unterscheiden. Da gibt es einige Unterschiede. Zudem ist die deutsche Öffentlichkeit bei NS-Vergleichen nicht diskursfähig. Der bundesdeutsche Salontiger schreit zwar dauernd „Nie wieder!!!“, wenn dann aber Elemente dessen, was man nie wieder möchte, die weltpolitische Bühne betreten, ist man vor Schockstarre und eigener Scheuklappen nicht in der Lage, dies sauber zu analysieren und die Konsequenzen daraus zu ziehen.
Ich halte zudem eine Polarisierung Russland vs. USA für unangemessen. Deutschland ist wie Frankreich, England und die USA Teil eine Wertegemeinschaft, die sich sehr darüber freuen würde, wenn Russland ebenfalls Teil der Werte von Rechtstaatlichkeit; Menschenrechten und der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wäre. Die aktuelle Politik Putins zeigt leider, dass all die Hoffnungen der letzten Jahre in Russlands Entwicklung ein potemkinsches Dorf waren. Das gilt es zu erkennen und zu analysieren, wie wir unsere Politik ändern müssen, damit die aufgeklärten Werte der freiheitlichen demokratischen Grundordnung wieder mehr Geltung und Substanz bekommen.
Das ist meiner Ansicht nicht nur eine außen- und sicherheitspolitische Frage. Die Quantität der „Putin- Versteher“ in Deutschland und ihre oft absurden Argumente zeigen mir, dass hier bei uns in Deutschland die Werte, von denen wir glaubten, sie seien eine Selbstverständlichkeit, doch nicht so solide in den Köpfen der Menschen sind, wie wir das hofften.
Die Diskussion um Verlierer oder Gewinner des sicherheitspolitischen Umbruchs Anfang der 90er geht m.E. voll an der Sache vorbei.
Eigentlich sollten sich alle, auch Russland, als Gewinner der Beendigung des Kalten Krieges fühlen. Und auch nach der russischen Annexion der Krim und den geschürten Unruhen in der Ost-Ukraine bin ich davon überzeugt, dass das Denken in Blöcken in einer zunehmend globalisierten Welt altes Denken ist. Die Beziehungen zwischen Staaten sind doch kein Nullsummenspiel, bei dem die Gewinne der einen Seite nur zu Lasten der anderen gehen. Durch eine kooperative Partnerschaft können alle Beteigten gleichermaßen gewinnen. Daher haben auch die Unterstellungen, „der Westen“ habe die günstige Situation nach dem Zerfall des WP und der SU ausgenutzt, um Russland zu schwächen und sich bis an dessen Grenzen auszudehnen, und habe dies mit der Ukraine nun erneut versucht, nicht viel mit der Realität zu tun.
Leider hat Russland nach anfänglichen kleineren Versuchen seine Chancen zur Modernisierung nicht genutzt. Es existiert keine wirklich funktionierende Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit ist nicht ausreichend gegeben, die Medien sind weitgehend gleichgeschaltet, die Wirtschaft ist in der Hand von regierungsgesteuerten Oligarchen und das Volkseinkommen wird höchst ungerecht verteilt. All dies müsste unter „normalen demokratischen Verhältnissen“ zu einem Aufstand der Bevölkerung führen. Die früheren Anti-Putin Demonstationen in Moskau und anderswo waren für die Machthaber ein deutliches Alarmzeichen. Um die Macht zu behaupten, musste man von diesen Unzulänglichkeiten ablenken. In einer Gesellschaft, die jahrzehntelang mit dem Gedankengut des Sowjet-Imperialismus gefüttert wurde, war es nicht allzu schwierig nationalistische Gefühle zu wecken, die man als wohlverstandenen Patriotismus deklariert. Dies ist offenbar gelungen, aber ein Irrweg.
Egal wie der unerklärte Krieg um die Ukraine ausgeht: Die russische Bevölkerung wird der Verlierer sein. Daher hoffe ich sehr, dass man Lösungen findet, die 1. den Westen nicht zwingen, von seiner bisherigen Politik der Kooperation abzurücken, und 2. Russland wieder auf einen Weg bringt, der innere Reformen hin zu mehr Liberalität und Rechtsstaatlichkeit erlaubt und es wirtschaftlich prosperieren lässt – nicht nur zu seinem eigenen Vorteil.
Ich bitte um Nachsicht für den etwas längeren Erguss.
@Klabautermann: Wenn Sie sich mal genauer bei Netanyahus Außenminister Liebermann nachschauen, finden Sie noch sehr viel Deutlicheres. Im Fall der Israelis fällt mir langsam nur noch Freud ein (je mehr man hasst, desto ähnlicher wird man dem, den man hasst) – Israel ist eben auf einen (für sich genommen berechtigten) Hass gebaut und damit auf dem von Freud beschriebenen Weg leider schon sehr weit voran gekommen. Was aber beide Fälle in meinen Augen verbindet ist der Beleg, dass genau dieser Rassenwahn (bei Putin wie bei Netanyahu, Liebermann & Konsorten) die Wurzel allen Übels ist und ihren Ausgangspunkt wackeln lässt: Wo haben die beiden denn Stabilität und Ordnung geschaffen? Ich sehe das Gegenteil. Israel ist ständig in Alarmbereitschaft, sofern nicht ohnehin offene Kämpfe gibt. Seit wie vielen Jahren führt Putins Russland seine schmutzigen Kriege in Tschetschenien, Georgien, Moldawien, Ukraine . . . ? Putin wie Natanyahu reden doch immer nur davon, dass sie Ordnung schaffen wollen. Geleistet haben sie bislang das Gegenteil.
@Sun Tzu, H.L.K.
Volle Zustimmung, als Ergänzung noch:
Diese RUS-USA Debatte trifft nur teilweise den Kern. „Wir““ sind zwar Teil einer westlichen Wertegemeinschaft (im wesentlichen EU, USA, CAN) aber nur bedingt Teil des Westen.
Was ist der Westen? Die USA? Dann unterscheiden wir uns schon in einigen Punkten.
Westeuropa? Das wird schwieriger weil wir eine einheitliche EU sind.
Nebenbei ist der Versuch, sich als eigenständiger Mittelblock zwischen West und Ost zu positionieren, 2x gründlich schief gegangen. Zum Glück haben wir daraus gelernt (und wurden, auch weil das notwendig war, schnell angelernt) und sollten die Vorzüge verstanden haben.
Wie @H.L.K. schreibt, ist dies der Austritt aus dem Nullsummenspiel zu einer Kooperation, die Gewinne für alle bringt.
Die Hardliner im Kreml (es ist ja nicht Putin alleine) haben jedoch werder dies verstanden noch die Tatsache, dass primär nicht der Kommunismus oder fehlende militärische Stärke zum Untergang der SU und Auflösung des WP geführt hat sondern ökonomische Schwäche und der Wille einiger Völker nach Freiheit. Dies ging so weit dass die Bürger in der DDR und anderen Staaten ihre garantierte wirtschaftliche Sicherheit (wenn auch auf niedrigen Niveau) aufgaben, um mit nichts über die Grenze zu flüchten nur um Freiheit zu bekommen.
In Russland hat sich seitdem jedoch nicht viel geändert außer dass sich einige Oligarchen maßlos bereichern konnten. Und die Eurasische Union wird auch deshalb nichts werden weil RUS nur wenig anzubieten hat… der Kommunismus als „Band“ ist weg, gesellschaftlich wenig, politisch wenig, Zusammenarbeit wird schwierig das RUS das Nullsummenspiel gewinnen will, mil Schutz vor wem?, wirtschaftlich nur Rohstoffe (wie im Falle UKR je nach Laune und Politik Weltmarktpreis oder deutlch darunter). Für einen Staat in dem nicht nur einige Wenige (Oligarchen etc.) profitieren wollen ist das recht wenig wenn man die EU als Alternative hat.
Und ja, it’s the economy, stupid!
@ Hans | 06. Mai 2014 – 9:55
Zustimmung und eine Anmerkung
Zitat: „In Russland hat sich seitdem jedoch nicht viel geändert außer dass sich einige Oligarchen maßlos bereichern konnten.“
Liegt hierin vielleicht ein bisher unterschätztes Risiko für Deutschland? Oder anders gesagt gesagt: Wollen einige in Deutschland eine Oligarchie für Deutschland und sympathisieren daher mit Russland?
Betrachten wir dazu mal beispielhaft hypothetisch das sozioökonomische Umwelt eines (natürlich auch hypothetischen) Elektrokonzerns, der bisher von der Waschmaschine bis zum Atomkraftwerk alles verkauft hat. Zu Zeiten des kalten Krieges war dieses Unternehmen eine Kernzelle der Deutschland AG. Wegen der krisensicheren Finanzausstattung zu dieser Zeit lästerte man: Bank mit angeschlossener Elektrobude. Man kassierte dicke Monopolgewinne, weil man exklusiv z.B. Haus und Hoflieferant des deutschen Telefonnetzes war. Im Gegenzug stand man für allerlei oft verlustträchtige Engagements zur Verfügung, die politisch gewollt oder aus nationalem Interesse angegangen wurden. Die Manager dieses Unternehmens konnten sich sicher sein, bis zum Ende ihres Lebens versorgt zu sein. Man war so etwas wie ein Industriebeamter, nur halt mit wesentlich höherer Besoldung.
Mit dem Ende des kalten Krieges fielen die politischen Renten mehr und mehr weg, da es keine staatspolitische Notwendigkeit mehr dafür gab. Einige Jahre konnte man sich durch aufzehren der stillen Reserven aushalten, die eigenen Kinder und Günstlinge wuchsen in die Führung nach, die Probleme der sterbenden Deutschland AG mussten die gealterten Industriepatriarchen nicht mehr selbst lösen.
Nur wie ging es weiter? Die wegbrechenden politischen Renten ersetzte man durch Skrupellosigkeit, denn technologisch hatten einen Konzerne aus Fernost und Amerika überholt. Russland war hier ein toller Markt. Die Einkäufer von Kraftwerken, Zügen etc. waren Oligarchen, für Bestechung anfällig. Da z.B. amerikanische Konzerne vom Staat bei Auslandsbestechung was auf die Finger bekamen, schaute der deutsche Staat hier lange weg. Streng nach Casablanca konnte man sagen: Dies war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.
Man hatte wieder einen Weg gefunden, wie man als Manager, der mit BWL oder Jura für einen Elektrokonzern nichts „vernünftiges, produktives“ gelernt hatte, seine Existenzberechtigung nachweisen konnte.
In dieser Situation begann nun die EU, Korruption verstärkt zu bekämpfen und die „düsteren Wolken“ eines Freihandelsabkommens erschienen am Himmel, mit dem man plötzlich in direktem Wettbewerb mit Unternehmen stehen würde, die nicht durch Bestechung, sondern durch Innovation im Wettbewerb bestanden.
Wie will man bei dieser Ausgangslage seine ökonomische Zukunft absichern?
Ein Weg könnte sein, Deutschland aus der westlichen Welt „herauszubrechen“ und in das Reich der Oligarchen zu überführen. Damit verhindert man lästige westliche Konkurrenz und könnte als zukünftiger Oligarch, die Voraussetzungen dafür bringt man ja mit, weiter ein schönes Leben ohne zu viel Arbeit führen.
Wäre es da nicht die „Pflicht“ des Vorstandsvorsitzenden dieses hypothetischen Unternehmens, Putin durch Besuche etc. propagandistisch zur Seite zu springen? Würde es sich nicht lohnen, seinen Lobbyapparat entsprechend loszuschicken?
Auch unter diesem Blickwinkel gilt:
„Und ja, it’s the economy, stupid!“
Das ist alles „4 Beine gut, 2 Beine schlecht“ auf argumentativ hohem Niveau.
In der Ukraine herrschte und herrscht wohl auch ein Oligarchen System. Wenige raffen sich alles zusammen, und schaffen es schnell ins Ausland. Für das Volk bleibt nur bittere Armut. Die Ostukrainische Bevölkerung ist mit den System wohl auch nicht mehr zufrieden. Ohne Rückhalt in der Bevölkerung kann Putin nicht siegen. Die Rebellen in Syrien sind auch auf der Verliererstraße geraten, weil die keinen Rückhalt in der Bevölkerung haben.
Man sollte das ganze Wertneutral sehen. Was auch immer man vom politischen System Putin halten mag, er strebt nicht an, überall in Westeuropa kleine Putins einzusetzen.
Einen Systemgegensatz zu konstruieren mag dienlich sein, um einen neuen kalten Krieg zu legitimieren, ist aber etwas an den Haaren herbeigezogen.
Tatsache ist, der so kritisierte extreme völkische Nationalismus ist der rote Faden, der sich durch ganz Osteuropa zieht. Der Unterschied zwischen den Nationalisten auf beiden Seiten ist eigentlich der, dass die einen eben aus geostrategischen Gründen auf unserer Seite sind.
Ein PiS Wähler hat von seiner Nation genau dieselbe Meinung wie ein Russe, der Putins Partei wählt.
Wir reden uns unsere Verbündeten dort schön.
@ Hans | 06. Mai 2014 – 9:55
Zur Attraktivitaet des Westens:…“ ihre garantierte wirtschaftliche Sicherheit (wenn auch auf niedrigen Niveau) aufgaben, um mit nichts über die Grenze zu flüchten nur um Freiheit zu bekommen.“
Sie wussten jedoch, dass sie auf mindestens gleichem Niveau im Westen ‚aufgefangen‘ werden wuerden.
@all
Weiterhin: In Russland aendern sich Dinge erheblich langsamer als im Rest der Welt. Oekonomisch ist RUS nach meiner Einschaetzung auf dem Stand der grossen Trusts Amerikas von 1895. Aber man hat auch schon Spruenge gesehen. Tatsache ist aber, dass nach der Talsole die direkt nach dem Zerbrechen der SU ( Versorgung, Renten Arbeitsplaetze) enstand, sich das Land oekonomisch langsam erholt.
Russland hat die EU nicht als Alternative sondern muss sich selber helfen. Auch das dauert. Das russische Volk hat Ausdauer und langsame Verbesserungen zeichnen sich ab.
Auch Putin kann auf Dauer nicht gegen ‚the economy, stupid‘ agieren.
@ Zivi a.D.
wie schwer es doch dem Menschen fällt, sein Weltbild zu verlassen.. Das System Putin weisst sicherlich Faschistoide Züge auf. Rassismus als Staatsdoktrie wie im Dritten Reich gibt es dort allerdings nicht. Putin spricht im verurteilt die Übergriffe auf Kaukasier und spricht , wenn er vom Russen redet nicht von einer Rasse. Das hier trotzdem vieles im Argen liegt ist klar, aber Ihre Vergleiche verharmlosen entweder den deutschen Nationalsozialismus, oder setzen den aktuellen russischen Nationalismus mit einer Gesellschaft gleich, die so nicht existiert. Was die informationstechnische Verblendung angeht, so trifft Ihre Darstellung auf Russland zu, gleichwohl wir auch in Deutschland einer ähnlich Qualitativen Berichterstattung unterligen. Die Mechanismen sind nicht ganz die selben und die Systeme sind nicht zu vergleichen. Aber schlampige Recherche, selektive Informationsauswahl bis hin zu PR Agenturen oder Politischer Meinungsbildung finden statt, und auch das führt zu einen undiffernezierten Weltsicht. (siehe die Meldung Russenbomber über Europa) Auch hier zitiere ich gerne Herrn
Schäuble “ ein jeder kehr vor seiner Tür)
Man könnte jetzt ewig weiter nachdenken, leider zeigt aber schon Ihr erster Eintrag zur Problematik, wohin Ihre Weltsicht tendiert. Der Ostdeutsche Wendeverlierer ist für den Russen, egal was dieser tut. Diese Einschätzung ist einfach, simpel und naiv…
Mal ein kleiner snapshot zum Thema „Oligarchie“:
http://www.bloomberg.com/infographics/2014-03-12/offshore-profits-avoid-irs-reach.html
Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass diese Firmen demokratisch kontrolliert sind ;-)
Und wenn ich dann noch die großen Hedgefonds hinzunehme und die Forderung nach Investitionsschutz etc. im TTIP, dann bin ich mir gar nicht sicher, ob die „neue“ FDGO so verschieden ist von einer Oligarchie. Einziger Unterschied mag künftig vielleicht nur sein, dass die westlichen Oligarchen kein Gesicht und keinen Personennamen haben, sondern ein corporate name tag und logo. ;-)
@klabautermann
Da möchte ich widersprechen. Nicht in der Sache, sondern in der Schlussfolgerung bzw. Einordnung:
Oligarchie ist wenn man auf die Ursprünge des Begriffs zurückgeht eine „Entartung“ der Aristrokratie, sprich ein paar Leute haben die Macht im Staate inne, aber nicht etwa solche, die es von Kindesbeinen an eingetrichtert bekommen haben, was das bedeutet, und die im Sinne des Gemeinwohls handeln (das wäre nach Aristoteles die Aristrokratie, die er als eine der besseren Staatsformen charakterisiert) sondern solche die aus Eigennutz handeln und zu gewissem Maße „illigitim“ (weniger juristisch als moralisch von Aristoteles und Platon betrachtet) zu Macht gekommen sind. Plutokratie wäre in diesem Falle eigentlich der passende Begriff für die Herrschaftsform, die man in Russland und Ukraine vorfindet, wenn auch keine reine, sondern eine, die sich wenigstens zu Teilen eine demokratische Fassade gibt.
Was ist in USA, Deutschland und anderen westlichen Staaten anders? Auch bei uns gibt es sehr sehr reiche Menschen und Konzerne. Natürlich haben diese in einer auf Wahl und Repräsentation basierenden Politik ein höheres Gewicht, als ein normalsterblicher Arbeitnehmer. Der entscheidende Unterschied ist der Aufbau des Gemeinwesens: Die Regeln der westlichenStaaten sind sehr stark auf die Rechte des Individuums gegenüber dem Staat geprägt, was Missbrauch von Staatsmacht zur Selbstverwirklichung eindämmt. Die Beeinflussung erfolgt daher zumeist auf dem Wege des Lobyismus, also über den politischen Umweg und unterwirft sich damit zwangsläufig dem Staatssystem und seinen Regeln. In der Konsequenz wandert dann der eine oder andere Konzernlenker auch mal vors Gericht, weil er die Regeln zu weit ausgelegt hat (Mannesmann oder Siemens fällt mir da etwa ein).
Im direkten Vergleich erscheint der Unterschied daher oberflächlich und aus sicht des „kleinen Mannes“ ersteinmal nicht gewaltig. Reiche Leute mit Einfluss. Im Detail ist es aber ein wirklich großer Unterschied, ob ein Oligarch ungestraft politische und ökonomische Macht ausleben darf, Privatarmeen unterhalten und unbequeme Personen mit wohlwollender Blindheit der Exekutive verschwinden lassen kann, oder aber ein Unternehmen große Mengen Geld und „Vorteile“ unter die politische Kaste bringt um ihre Interessen zu fördern. In vielen Bereichen des alltäglichen Lebens wird man den Unterschied nicht so deutlich spüren, aber für den Staat und dessen Eigendynamik ist das schon ein drastischer Unterschied.
Wenn man steil einordnen wollte, was wir in Deutschland für ein Staat sind, dann würde ich laienhaft soetwas wie „repräsentative Demokratie/Bürokratie mit rechtsstaatlicher Grundordnung und wirtschaftlicher Ausrichtung“ dazu sagen. Russland wäre eher „oligarchisch/plutokratisch gebändigte Ochlokratie mit polizeistaatlichen Strukturen und erheblichen staatlichen Eingriffsrechten“. Im Groben wohlgemerkt, nicht in jedem Detail.
Diese gesellschaftliche Vergleicherei ist nur begrenzt zielführend.
Keiner will das russische politische System hier einführen und ein „wir sind besser als die“ mag für einem persönlich befriedigend sein, trägt aber garantiert nicht zur Klärung der Lage bei.
Tatsache ist, der Durchschnittsrusse lebt im Moment wahrscheinlich besser als die meisten seiner Vorfahren oder als er selbst unter Gorbatschow und Jelzin, inklusive politischer Freiheit. Das heißt nicht daß es dort toll ist, nur daß es früher noch schlimmer war. Wenn man vorher nichts hatte und jetzt ein bisschen, ist man zufriedener als wenn man das Gefühl hat, dass es von einem sehr hohen Niveau sehens bergab geht.
@drd
Ich glaube, eine intellektuell sicherlich verführerische, allerdings sehr akademische Diskussion zur Kategorisierung der gegenwärtigen politischen Prozesse in USA/Europa/Rußland in eine Interpretation des Polybios’schen „Verfassungskreislaufes“ nach Platon oder Aristoteles oder Cicero oder Machiavelli, würde den Rahmen dieses Forums doch etwas überdehnen.
Gebändigte (Ochlokratie=) Pöbelherrschaft durch mediales und kinetisches staatliches oder unternehmerisches flash-mobbing versus political correct social engineering waren den o.a. genannten Herren sicherlich noch nicht geläufig. ;-)
@JCR
Korrekt, Menschen vergleichen immer nur relativ und dann auch noch sehr emotional gefiltert. Dennoch ist der Vergleich nicht uninteressant, weil er sehr gut mit dem Vorgehen Russlands in Deckung zu bringen ist. Vergleicht man die Herangehensweise so fällt schon auf, wie gut auf der Klaviatur westlicher Medien und Internetstimmungen gespielt wird. Das zeugt von einer sehr detaillierten Kenntnis der „Schwachstellen“ in unserer Gesellschaftsform. Diese Herangehensweise wäre in Russland sehr viel weniger denkbar. Das merkt man auch daran, wie unterschiedlich die Stimmungsmache in der Ukraine durchgeführt wird. Dort auf Medienkritik, US Politik und EU Hass aufzusatteln wäre recht sinnlos. Viel besser zieht die Faschismuskarte. Noch besser klappt eine Kooperation mit den Oligarchen, denn die kontrollieren die Stimmung ihrer Leute am direktesten.
Ich denke, dass die Einordnung der Propaganda, der Saktionen, der Operationen vor Ort und der medialen Verlautbarungen der einzelnen Akteure auch im Lichte der Gesellschaftsunterschiede beäugt werden sollten. Nur „Faschismus!“ zu rufen und auf Putin zu zeigen bringt nicht recht was. Nur „An die eigene Nase fassen!“ zu fordern und von Systempresse im Westen zu reden auch nicht.
@Klabautermann
Man wundert sich immer wieder wie sehr das Verhalten von Menschen in den letzten paar Tausend Jahren gleich geblieben ist. Die Plebiszite in Athen wurden mit den gleichen „Methoden“ gewonnen wie Presidentenwahlen in den USA. Wir sind gar nicht so anders als die alten Griechen ;) auch wenn wir es gern glauben. Wer Sallust ließt wird sich wundern, wie ähnlich zu heutigen Debatten die Gesellschaftskritik da klingt…
Aber wir schweifen in der Tat gewaltig ab…
@drd
die Maslov’sche Bedürfnishierarchie (http://de.wikipedia.org/wiki/Maslowsche_Bed%C3%BCrfnishierarchie) könnte in der Tat eine sozialgeschichtliche Universalkonstante sein ;-)
@ drd | 06. Mai 2014 – 14:28
Schöner Beitrag. Danke!
Diese Art Gedanken über die grundlegende Struktur, in der wir leben wollen, sollten wir uns in Deutschland häufiger machen.
Wenn das mit Substanz und Geschichtsbewusstsein geschieht, könnte uns das weiterbringen.
Handelsblatt.com meldet, dass Russland den Leitzins erhöhen möchte, evtl. um Kapitalabflüsse zu verhindern, bzw. neue Anleger zu gewinnen.
“Wenn das mit Substanz und Geschichtsbewusstsein geschieht, könnte uns das weiterbringen,,
Da bin ich eher skeptisch. Derartige Gedanken hat man sich zu allen Zeiten gemacht was aber die wiederholung der Immer gleichen Fehler auch nicht verhindert hat.
Die menscheit hat kein Kollektives Gedächtnis und die Erkenntnis des Individuums stirbt mit seinem biologischen substrat.
Ansonsten hätte es nach dem Römischen Reich kein Mittel alter Mehr geben fürfen.
Ich glaube nicht an Fortschrittsdeterminismus.
@wacaffe
Das Problem sind nicht Wiederholungen sondern die feinen Unterschiede in den Situationen, die eben den Ausgang unberechenbar machen. Das Mittelalter ist soweit ich das beurteilen kann eher kein Vergessen der Errungenschaften des Römischen Reiches sondern ein etwas holpriges „Harmonisieren“ der römischen Errungenschaften mit den Traditionen Nordeuropas. Aus dem Konflikt kann man ganz sicher auch etwas über die aktuellen Probleme in der Ukraine lernen, wenn man sich anstrengt. Denn der Untergang der UdSSR hat in den Randbereichen sicher sehr vergleichbare Probleme hinterlassen, wie seinerzeit in Gallien oder Germanien.
Daher sollte man auch in der Tat nicht von Fortschrittsdeterminismus reden. Man kann aber sehr wohl Parallelen entdecken und daraus evtl. neue Handlungsoptionen oder wenigstens ein erweitertes Lagebewusstsein ziehen.
Man kann sich auch an Spengler halten
“Geht eh‘ alles den Bach runter, machen wir es epikureisch und genießen die hedonistisch dekadente spätphase“
;-)
Lesenswert – Anatol Lieven, King’s College London:
Ukraine: The Only Way to Peace
[Das war für ein Zitat eindeutig zu lang (zudem unnötig, weil der Link vorhanden ist). Das bitte nicht wieder. Und nein, auch keine Diskussion nach dem Motto „so schlimm isses ja nich, nu stellen Se sich mal nicht so an“ – evtl. Rechnungen landen schließlich bei mir. T.W.]
@ wacaffe | 06. Mai 2014 – 18:27
Sie stellen die Denkweise untergehender Kulturen ganz gut da. Vielleicht spekuliert Putin ja darauf, dass unsere Gesellschaft inzwischen ausreichend durchsetzt ist mit rein spaßorientierten Zeitgenossen, denen die Zukunft egal ist.
Ich denke nur, auch in unserem Land gibt es viele Menschen, die sich für sich und ihre Kinder eine Zukunft in Freiheit und Wohlstand wünschen und auch bereit sind, dafür zu kämpfen.
Nur so ein Gedanke am Rande: Die 1920ger Jahre waren in der neueren Geschichte das Jahrzehnt, indem die Denke „Geht eh’ alles den Bach runter, machen wir es epikureisch und genießen die hedonistisch dekadente Spätphase“ weitere Verbreitung fand. Hat nicht unbedingt die friedlichste Phase des 20. Jahrhunderts eingeläutet … und auf den Untergang warten wir immer noch, wenn auch sehr wechselhaft …
;-)
@ suntzu
Das sehe ich anders. die 20er waren tatsächlich das endstadium ihrer epoche (grob gesagt 1871-) der zweite Weltkrieg war insofern vielleicht eine nötige Zäsur die viele Phänomene und Geisteshaltungen der vorhergehenden Zeit irreversibel überwunden und damit übrhaupt erst den weg für neues freigemacht hat. Ohne Krieg keine Nachkriegsordnung keine UN,keine EU, keine 68er usw.
Der Krieg ist nicht Vater aller Dinge aber sicherlich Ursprung vieler neuer entwicklungen kultureller,technischer,soziologischer art.
ein produkt des WW2 sind präzedenzlose 70 jahre frieden in mitteleuropa
um es provokant zu formulieren „war Hitler vielleicht eher Gründervater der EU ex negativo als Schuman und Konsorten?“
Was wäre eigentlich wenn sich in Ostpreussen (Oblast Kaliningrad) Selbstverteidigungs kräfte Formen würden – ausgerüstet in flecktarn aber ohne Nationalkennzeichen und Rangabzeichen.
Wie würde Russland reagieren? Ostpreußen könnte sich ja wieder Deutschland anschließen.
“war Hitler vielleicht eher Gründervater der EU ex negativo als Schuman und Konsorten?”
Nu werd ich aber nen büschen ärgerlich !
Egal ob Hitler oder Putin, Hauptsache Faschismus ? Geht’s noch ?
hä?
das war doch kein positives werturteil.
valium s’il vous plait
@wacaffe
Wie soll man denn Sätze wie „Ohne Krieg keine Nachkriegsordnung keine UN,keine EU, keine 68er usw. “ anders interpretieren ? Das haben Sie geschrieben !
Das ist doch unterste Geschichtsklitterungs-Schublade !
im gegenteil.
sie glauben dohc nicht ernsthaft das jahhundertealte Ressentiments, virulenter Nationalismus, ius ad bellum Mentalitäten und vieles mehr was die europäische vorkriegsära prägte ohne eine derart existenzielle kollektive erfahrung wie den WW2 mit allen seinen prägenden Merkmalen überwunden worden wären.
Stellen sie sich mal jaques musterfranzose vor dem man ca. 1928 gesagt hätt für eine dauerhafte friedenordnung solle er doch bitte weitreichende souveränitätsrechte an ein gremium abgeben bei dem deutschland maßgeblichen einfluss hat. bonne chance!
wie ich schon sagte die diagnose eines historischen prozesses und seiner konsequenzen ist wertneutral.
Recht steile Thesen; entweder Ausdruck akademischer Metaphorik oder martialen Fatalismus. Da möchte ich den Gedankengang doch umgekehrt ad absurdum führen:
hätte Arminius den Kampf gegen Varus nicht geführt so würden wir Deutschen heute sowas wie Latein sprechen und wären bereits sehr früh in den Genuß von Wasserleitungen, Kanalisation und dolce vita gekommen.
Aber vielleicht haben Sie auch Recht und WWII hat zumindest zumindest den Polen ein dauerhaftes, strukturietes Staatswesen beschert.
Jedoch glaube ich, daß die Ukrainer heute auf einen Bürgerkrieg als „reinigendes Gewitter“ oder „Inspiration für eine neue Zeit“ lieber verzichten würden.
Meine Kommentar galt in Bezug auf :
wacaffe | 06. Mai 2014 – 20:54
@ gustav struve
„Jedoch glaube ich, daß die Ukrainer heute auf einen Bürgerkrieg als “reinigendes Gewitter” oder “Inspiration für eine neue Zeit” lieber verzichten würden.“
mit sicherheit. und sie tun auch gut daran.
trotzdem ändert das nichts daran das kriege historisch gesehen oft just diesen effekt „kathartischer umwälzung“ hatten.
@wacaffe
Der „Krieg als Mutter“ ?
Nicht nur Brecht würde kotzen !
wacaffe | 06. Mai 2014 – 21:36
„trotzdem ändert das nichts daran das kriege historisch gesehen oft just diesen effekt “kathartischer umwälzung” hatten.“
„Ein gebranntes Kind scheut das Feuer“ ist ein Allgemeinplatz. Dennoch bemühen sich alle Eltern dieser Welt ihr Kind vor dem Ofen zu warnen um Verbrennungen zu vermeiden.
Krieg ist ein Unglück. Im seinem Schoß keimt nicht der Sproß des Friedens oder des Fortschritts. Einzig die Einsicht der Überlebenden schafft Friedenszeiten. Aber nicht notwendigerweise und nicht immer. Siehe WWII nach WWI.
@ kb
ok . für sie mach ich’s etwas einfacher.
Die USA enstanden durch…..
Deutschland wäre ohne die….. von Friedrich II,Napoleon und Bismarck nicht enstanden.
Die Russische Revolution war Reaktion auf die Entbehrungen des….
fill the blanks
Brecht kann kotzen so viel er will. da ändert kein jota an der geschichtlichen bedeutung des Phänomens Krieg.
Putin demonstiert es dohc gerade. ohne den einsatz physischer gewalt bzw. der drohung damit wäre die krim jetzt nicht russisch.
ich lehne dieses vorgehen auf das schärfste ab. das interessiert die realität aber herzlich wenig. die ist wie sie ist.
@ gustav struve
krieg ist primär destruktiv richtig. trotzdm entstehen in, durch und wegen ihm innovationen die sonst nicht aufgetreten wären.
techniken,religionen,staatsformen usw.
sich nur auf die zerstörung materieller und personeller art zu konzentrieren greift m.E. zu kurz.
wacaffe | 06. Mai 2014 – 21:55
Sie schrieben:“Ohne Krieg keine Nachkriegsordnung keine UN,keine EU, keine 68er usw.
Der Krieg ist nicht Vater aller Dinge aber sicherlich Ursprung vieler neuer entwicklungen kultureller,technischer,soziologischer art.
ein produkt des WW2 sind präzedenzlose 70 jahre frieden in mitteleuropa“
Das klingt aber schon irgendwie „zuversichtlich“.
Die von Ihnen angedeutete “ geschichtlichen bedeutung des Phänomens Krieg“ könnte man auch so umschreiben: „Aus Schaden wird man klug.“ Und weiter: Viel Schaden, viel klug“.
Das könnte für den einzelnen Menschen vielleicht stimmen. Doch die auch als Historizismus bekannte, im wesesentlichen von Karl Popper widerlegte, Denke hat einen Haken. Sie stimmt nicht. Entwicklungen nicht nicht zwingend vorwärtsgewandt.
Was aber immer stimmt ist, daß Kriege für Menschen die Hölle auf Erden sind. Daher kann ich ihnen nichts, aber auch gar nichts abgewinnen.
@ wacaffe
Die Menschheit und die Zivilisation wäre also ohne WWI und II, Korea, Vietnam, Afghanistan I und II, Irak I und II, Balkan, Lybien, Syrien ..etc. nicht so fortgeschritten wie sie es ist ? Evolution durch Katharsis ?
Im übrigen schreibt sich die deutsche Black-Metal-Band „Katharsis“ und nicht Kathartis.
;-)
„Das klingt aber schon irgendwie “zuversichtlich”“
es klingt aber nur deswegen zuversichtlich weil Sie mit den genannten Resultaten positive emotionen verbinden.
mir ging es aber rein um die kausalität nicht um eine ethische bewertung.
“ “Aus Schaden wird man klug.” Und weiter: Viel Schaden, viel klug”.Doch die auch als Historizismus bekannte, im wesesentlichen von Karl Popper widerlegte, Denke hat einen Haken. Sie stimmt nicht. Entwicklungen nicht nicht zwingend vorwärtsgewandt.“
ich meinte eigentlich das gegenteil. Popper hat vollkommen recht est gibt keinen fortschrittsautomatismus der geschichte nur „entwicklung“ im sinne verstreichender Zeit.
„es geht auch nicht um viel schaden viel klug“ sondern um „große umwälzung gleich katalysator für Neues“ Neu ist nicht unbedingt besser(siehe post ww1) aber anders und eröffnet der menscheit neue potentiale für triumph,scheitern oder beides zusammen (bsp.nukleartechnik)
@ kb.
die untermalen zukünftig dann meine kryypto-bellizistischn posts. ;)
@someone (17:01): Könnte es sein, dass sich die Handelsblattmeldung auf die bereits stattgehabten Straffungen von März/April beziehen? Aktuell find ich jedenfalls nix darüber, dass die Nabiullina nochmal nachlegen will – was mir btw auch ziemlich gewagt erschiene. Die Konjunktur ist eh schon ziemlich mau und gegen Kapitalflucht helfen nur große Schritte nicht unter 50-75 Bps. Wenn es aber tatsächlich aktuell ist und CBR tatsächlich weiter so zuschlagen muss um den Markt aufzufangen, dann sind die Russen böse in der Klemme. Dann könnte sich schon jetzt bestätigen, dass sich Putin die Krim gar nicht leisten kann (schlag nach bei Bismarck).