Somalia: Black Hawk Down, Diplo Style?
Auch wenn Somalia nach wie vor ein von bürgerkriegsähnlichen Kämpfen zerrissenes Land ist: Die internationale Gemeinschaft, so schien es in jüngster Zeit, war entschlossen, in dem seit Jahrzenten umkämpften failed state am Horn von Afrika mitzuhelfen, daraus wieder ein funktionierendes Staatsgebilde zu machen. Anfang April hatte auch der Bundestag beschlossen, die EU-Trainingsmission für die somalischen Streitkräfte wieder mit deutschen Soldaten zu unterstützen – mit Ausbildung in der somalischen Hauptstadt Mogadischu selbst.
Doch die anhaltende Auseinandersetzung mit den islamistischen Al-Shabaab-Milizen und vor allem zielgerichtete Anschläge auf UN-Mitarbeiter wie auf somalische Politiker und Journalisten in der vergangenen Tagen scheinen bei der internationalen Gemeinschaft zu einem Umdenken zu führen. So sehr, dass der ranghöchste UN-Vertreter in Somalia offen die Möglichkeit eines Abzugs der internationalen Diplomaten erörtert:
The top United Nations envoy to Somalia warned Tuesday that the U.N. and other foreign diplomats may have to withdraw from the war-ravaged nation if they continue to be attacked.
U.N. Special Representative Nicholas Kay said attacks that cause „significant losses“ would likely force international officials to leave or, at least, pare down their missions in the Somali capital of Mogadishu.
„I am deeply conscious that if we make a mistake in our security presence and posture, and suffer a significant attack, particularly on the U.N., this is likely to mean to us withdrawing from Somalia,“ Kay said at the U.S. Institute of Peace in Washington.
berichtet Associated Press von der Rede Kays am (gestrigen) Dienstag (Ortszeit) in Washington.
Das erinnert an Black Hawk Down, die Auseinandersetzungen zwischen US-Streitkräften und der damaligen Somalischen Nationalallianz 1993 in Mogadischu. Damals war es somalischen Kämpfern gelungen, Black-Hawk-Hubschrauber der Amerikaner abzuschießen, die getöteten Piloten wurden im Triumphzug durch die Straßen geschleift. Der Schock führte zu einem schnellen Abzug der US-Truppen (und als Folge auch recht bald der damals in Somalia stationierten Bundeswehrsoldaten) aus dem Land.
Was der UN-Repräsentant hier andeutet, ist ein neuer Black Hawk Down-Moment. Nur eben auf dem diplomatischen Sektor – die Truppen der kombinierten Mission von Afrikanischer Union und UN dürften sich vermutlich weiter mit Al Shabaab auseinandersetzen.
(Foto: An AMISOM Soldier enroute to a cordon and search operation early in the morning on 16th April 2014 in Madina area of Wadajir district in Mogadishu. AMISOM, the Formed Police Unit and SNA cordoned off the area as NISA and Somali Police went into houses in search for Al Shabaab operatives. AU UN-ISTPHOTO / David Mutua)
Darauf dürften die Protagonisten doch spekulieren. Niemanden da zu haben, der Ihnen bei den Schweinereien zusehen kann. Irgendwelche europäischen Soldaten sind da nicht wirklich wohlgelitten. So sah´ das auch vor gut 20 Jahren bereits aus………
Die Stimmung in Somalia ist-in weiten Teilen (vor allem Mogadishu´s) sehr „Pro-Al Shabbab“….
Warum, ist einfach zu erklären:
Trotz immenser Anstrengung aller Beteiligten, eine „funktionierende Regierung“ aufzubauen, herrscht hier vor allem eins: Korruption und Armut.
Konnten die Einwohner Mogadischus sich unter der „Al Shabbab-Regierung“ (unter Auflagen) frei bewegen und ihren Berufen nachgehen, müssen sie nun etliche Checkpoints durchqueren, an denen sie teils Stundenlang aufgehalten und diskriminiert werden-es sei denn, sie zahlen den (oft „offiziellen“ Polizisten) ein „Bakshish“….
Daher ist es kein Wunder, das Al Shabbab sich nicht so einfach „geschlagen“ gibt…
Die Aussage zeigt doch nur einmal mehr, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Zugegeben, die Sicherheitslage in Mogadishu hat sich nicht wie unsere Bundesregierung Anfang des Jahres verkündet hat, verbessert. Sie ist unberechenbarer geworden, vor allem, weil viele Angriffe von als Soldaten oder Polizisten getarnten al-Shabaab-Sympathisanten ausgeführt werden. Das aber seit 2007 über 3000 afrikanische (meist ugandische und burundische) Soldaten in Somalia gefallen sind, wird irgendwie erschreckend wenig gewürdigt. Der große Unterschied zu 1993 ist ja gerade, dass offiziell kein Europäer mehr im Land kämpft, sondern diese Aufgabe (teils sehr willkommen für internationales Prestige und freie Hand in der Innenpolitik der jeweiligen Länder, man nehme Uganda und ihr restriktives Anti-Homosexuellengesetz) an unsere afrikanischen „Partner“ ausgelagert wurde. AMISOM hat seit Ende März eine der größten und wie man hört teilweise sehr erfolgreichen (zum größten Teil aber weil sich al-Shabaab mittlerweile aus konventionellen Zusammenstößen fernhält) Offensiven der letzten Jahre gestartet. AMISOM bräuchte eher eine Aufstockung, um zurückerobertes Gebiet auch effektiv schützen zu können. Jetzt vom Abzug der Diplomaten zu sprechen kommt zu einem denkbar unpassenden Zeitpunkt und fällt den am Boden kämpfenden Soldaten vollkommen in den Rücken!
Da frage ich mich schon, ob unser Lagebild völlig anders ist (Qualität MilNW?) oder die Lage mit Blick auf das Mandat erheblich geschönt wurde.
Oder sogar eine Kombination aus beidem (Inkompetenz + Opportunismus)?