Lagebeobachtung Ukraine 13. April
[Hier stand kurzfristig ein Foto der Agentur Getty, die zwar derzeit die Nutzung aktueller Bilder in Blogs gestattet. Nachdem ich gesehen habe, welche Anwaltskanzlei in Deutschland für Getty vermeintliche oder tatsächliche nicht zulässige Nutzung verfolgt, finden Getty-Bilder hier nicht mehr statt.]
Eine laufende Berichterstattung gibt es unter anderem bei der BBC
Der britische Journalist Graham Philips veröffentliche am Sonntagmorgen ein Video mit einem kurzen Blick hinter die Barrikaden in Slovianks:
(Direktlink: http://youtu.be/BbJXFZoowSk)
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erneuerte in einem am Sonntag veröffentlichten Kommentar seine Aufforderung an Russland, sich aus den Ereignissen in der Ukraine herauszuhalten: De-Escalation starts on the ground
Eine Meldung der Wirtschafts-Nachrichtenagentur Bloomberg, schon vom vergangenen Freitag, ist in Deutschland offensichtlich weitgehend untergegangen: Die Bundesregierung soll Pläne der Airbus-Verteidgungssparte gestoppt haben, (auch militärisch nutzbare?) Satellitentechnologie (SAR – diese Abkürzung kann sowohl für Search and Rescue als auch für Synthetic Aperture Radar stehen) im Wert von 700 Millionen Euro an Russland zu liefern. Außer Bloomberg gibt es dafür bislang keine Quelle, und offiziell gibt’s auch keine Aussage dazu.
Hmm. Leute, die sich als Russen bezeichnen, russische Fahnen hissen, „Rossia“ skandieren, den Anschluß an Russland fordern und nach einem russischen Militäreinmarsch rufen.
Deren Anführer und Sturmkommandos mit russischen, nicht ukrainischen Gewehrmodellen ausgerüstet sind, die auf VK und in russischen Medien als russische Kriegshelden gefeiert werden, russische Medaillen vorweisen, auf Demos in Russland als militante Nationalisten auftreten und in Tschetschenien für GRU Speznaz kämpfen.
Und wenn man sie verhaftet haben sie ein halbes Dutzend Pässe, darunter auch einen russischen.
Warum kommt man nur auf die Idee, das wären Russen?
Ein Journalist vor Ort für Daily Beast:
http://t.co/vHC29L4GIO
Erstmal Fehler: Makarov Pistolen
@califax
Und die vielen Frauen, die sich an den Demonstrationen und Barrikaden beteiligen, sind natürlich auch von Russland eingeflogen worden.
Selbst die ukrainische Regierung hat mittlerweile so eine Art Rückzieher gemacht. Sie spricht nur noch von Provokateuren aus Russland und ich bestreite nicht, dass es die gibt.
Sie unterschätzen ebenfalls den Umstand, dass viele russischsprachige Ukrainer noch zu Sowjetzeiten Berufssoldaten waren und ihren Dienst in der russischen Armee einfach weitergemacht haben. Kein Wunder also, wenn es da Veteranen gibt, die auch in Tschetschenien gedient haben.
Ich habe absolut gar nichts gegen eine kritische und skeptische Auseinandersetzung mit den Sachverhalten auszusetzen, aber Sie haben sich hier ein Feindbild gesetzt und versuchen es mit allen Mitteln aufrecht zu erhalten. Russland nutzt sicherlich die Situation aus, aber wer hat denn erst diese Situation mit mehreren hundert Millionen Dollar geschaffen?
Schuld eigen, würde ich mal sagen.
Beste Grüße
vom Konsumfritzen
@Fritz
Wenn Russland irgendetwas an einem friedlichen Ausgang gelegen wäre, dann würde Putin die Truppen an der Grenze jetzt langsam mal abziehen. Das wäre ein klares Signal, dass eine zweite Krim nicht stattfinden wird, damit wäre auch ein wenig der Übermut der Aufständischen untergraben und damit vielleicht der Weg zu Verhandlungen und Reformen möglich. Abgesehen davon, dass Truppen an der Grenze nie ein akzeptables Mittel der Außenpolitik seien sollten, sind sie in diesem Falle geradezu Beflügelung für die aktuellen Ereignisse. Wenn es erst wirklich zu ernsthaften Gefechten gekommen ist, dann ist der Weg unendlich viel länger.
Momentan sieht es aber ganz danach aus, als wäre das Russland nur sehr recht. Und das ist meiner Meinung nach ein erheblich besseres Indiz für die Absichten als die ständige Beschwörung westlicher Steuerung in der Maidanbewegung. Aber das kann jeder gern anders sehen.
Mit den Gewehrmodellen sind natürlich nicht Makarovs sondern AK 100, AK 103 und Scharfschützengewehre gemeint.
Meine Prognose für das UNSC-Meeting: Russland wird Responsibility to Protect ansprechen.
Übrigens werden die Leute, die in Slaviansk die Polizeistation gestürmt haben, von RUSSISCHEN STAATSMEDIEN als Angehörige des Vostok-Batallions, GRU SPEZNAZ, stationiert in Tschetschenien, identifiziert.
@Fritz: Das ist hier übrigens ein Milblog. Mich interessieren hier vor allem militärische Infos. Daß es in der Ukraine auch Zivilisten gibt, die den Anschluß der Ukraine an Russland befürworten, weiß ich. Die stehen vor jeder Barrikade rum. Es gibt Umfragen, die auch ziemlich konstante Werte für die Tendenzen in der Bevölkerung anzeigen: Zwischen 10 bis 20 Prozent unterstützen wahlweise Annexion oder Föderation.
Aber diese Leute sind militärisch genauso irrelevant, wie die überwältigende Mehrheit der Leute, die gegen die Besetzungen und gegen die Annexion sind. Putin holt sich, was er will. Er benutzt die Leute, die für ihn sind. Die anderen werden halt verprügelt oder umgebracht.
Ich habe kein Feindbild gegenüber Russen, im Gegensatz zu manchen hier, die ein einbetoniertes Feindbild gegenüber Amerika und Deutschland pflegen oder sogar in der Ukraine nach irgendwie vielleicht aktiven Juden schnüffeln müssen.
Aber die russische Zivilgesellschaft mit ihren verschiedenen Meinungen ist in diesem Konflikt nicht relevant. Putin wird dafür sorgen, daß die Referenden so ausgehen, wie er will, während er jetzt bereits die Reste der Meinungsfreiheit in Russland zu beseitigen beginnt.
Russland ist nicht mehr das Paradies der Marxisten sondern eine völkisch-nationalistische Diktatur mit fundamentalistisch christlicher Staatsdoktrin. Putin marschiert stramm nach rechts-außen und die westliche Linke hält sich die Augen zu und tippelt blind hinterher.
Ein Schmankerl aus der Schweiz
http://www.isn.ethz.ch/Digital-Library/Publications/Detail/?ots591=0c54e3b3-1e9c-be1e-2c24-a6a8c7060233&lng=en&id=178570
ein zitat aus dem obigen text scheint mir prototypisch für die realitätsflucht der deutschen Debatte zu SiPO generell zu sein
Kopf.Tisch.
Tja… das schein noch einer zu sein, der Clausewitz nicht verstanden hat… Oder vielleicht gar nicht gelesen…
Irgendwie scheinen die meisten die Clausewitz referenzieren den Satz gern komplett falsch herum zu verstehen. Quasi als Rechtfertigung für den Krieg oder als These rücksichtsloser Politik. Dass Clausewitz das genau anders herum betrachtet, also die Frage nach dem warum des Krieges und seiner Ausprägungen stellt, scheint keiner zu bemerken.
@drd: Dazu hätte man Clausewitz ja auch lesen müssen. Aber die allermeisten kennen eben nur diese eine Phrase von ihm. Ich war beim Lesen auch überrascht, wie schonungslos und kritisch Clausewitz militärische Lösungsansätze sieht.
Teile der Polizei in der Ostukraine b.z.w. die Personalpolitik der Polizeiführung sollen seit Jahren unter dem Einfluss Janukowitschs und seiner Familie stehen.
Die Polizei in Donezk sei mehr oder weniger vom Janukowitsch-Clan gekauft worden .
http://www.pravda.com.ua/news/2014/04/14/7022305/
Hier eine gute Übersicht über die Lage in der Ukraine von gestern Abend.
Status of towns in Eastern Ukraine as of 21:00 Kyiv time, Sunday, April 13,2014
https://twitter.com/EuromaidanPR/status/455547501005647872/photo/1/large
q califax „Russland ist nicht mehr das Paradies der Marxisten sondern eine völkisch-nationalistische Diktatur mit fundamentalistisch christlicher Staatsdoktrin. Putin marschiert stramm nach rechts-außen und die westliche Linke hält sich die Augen zu und tippelt blind hinterher.“ uq
Ueberwiegend korrekt -Und in soweit gleicht Russland heute der SU von 1939.
@califax: „das hier ist ein MilBlog. Mich interessieren hier vor allem militärische Infos.“.
Um mal wacaffe zu zitieren: „Kopf.Tisch.“
Hören Sie doch mal bitte mit ihrer Laienbildanalyse auf! Das bringt echt keinen Mehrwert. Sie heben ja nun wiederholt auf die (angeblich) genutzten Waffenmodelle AK-100 und AK-103 ab, welche die Aufständischen angeblich nutzen und welche sie in Ihren Augen zu russischen Truppen/Agenten/whatever machen. Mal davon abgesehen, dass es eine „AK-100“ gar nicht gibt, sondern die Numerierung der neueren Sturmgewehre nach dem Kalashnikov-Muster bei 101 beginnt, dürfen Sie mir die AK-10(1?)/AK-103 auf den Bildern gern mal zeigen. Ich sehe da bislang nur AK-74, auch in der Kurzvariante, (Standardgewehr der Ukraine) sowie einzelne AK-74M (modernisierte AK-74, mit schwarzen Kunststoffteilen, Standardgewehr RUS, aber auch bei UKR begrenzt in Verwendung).
Ihre angebliche AK-103 ist die 7,62×39 Variante der AK-74M. Wird selbst in RUS bislang kaum genutzt und habe ich auf bislang keinem der Bilder identifizieren können (Das Magazin wäre gegenüber der AK-74M der giveaway). AK-101 wäre übrigens auch unwahrscheinlich, die ist nämlich in 5,56×45 NATO, mithin nicht so gut für ex WARPAC-Aufständische geeignet…
Also bitte. Das hier „ist ein MilBlog“ und muss doch nicht so werden wie die SPON-Laien-Bildanalyse…
Die AK-100 ist ein einläufiges Marinegeschütz im Kaliber 100mm. Einen Einsatz in der Ukraine (außer evtl. in Sewastopol ;-)) würde ich eher bezweifeln.
@Hohenstaufen
Das ist genau der Punkt, den @califax nicht versteht. Russland steht an der Grenze, um Präsenz zu zeigen und um Druck aufzubauen. Präsident Janukowytsch ist das As im Ärmel und der Schlüssel zur Macht in der Ukraine.
Er ist de jure immer noch Präsident, auch wenn das de facto von der westlichen Allianz nicht anerkannt wird.
Russland bereitet mit Präsident Janukowytsch zusammen dessen Rückkehr vor. Die Aussage von Präsident Putin, Präsident Janukowytsch würde keine politische Rolle mehr spielen war eine pur Farce. Im Gegenteil!
Gestern bei der Pressekonferenz, saßen neben Präsident Janukowytsch der Innenminister Vitaly Zakharchenko und der Generalstaatsanwalt Viktor Pshonka und damit wurde nichts anderes gesagt, als, wir sind die Regierung, wir erheben den Machtanspruch und Russland lässt sie ohne jegliche Einschränkung gewähren.
@califax
Wieviel Waffen hat die USA in den 80er Jahren nach Afghanistan geliefert, ohne das großartig amerikanisches Militärpersonal im Einsatz war? Ich habe übrigens in meinem Blog schon vor längerem geschrieben, dass Spetsnaz einsickern werden.
Die Korrektur bezüglich der Makarov, war auf meine Aussage von wegen Makarov Maschinengewehre gemünzt.
@Marcel Weißenfels
Es gibt eine AK-100er Reihe:
AK-101
Ak-102
Googln Sie mal.
Beste Grüße
vom Konsumfritzen
@Marcel Weißenfels: Touché! :)
@califax, drd: Das Problem ist nicht, dass Clausewitz heute „falsch“ gelesenen wird (was in der Sache ironischerweise zwar richtig aber eben auch belanglos ist), sondern dass diese „falsche“ Lesart im frühen 19. Jahrhundert Clausewitz Arbeiten erst politisch verdaulich machte. Den Mann Clausewitz haben die Hohenzollern und ihre Apologeten bekanntermaßen gehasst wie die Pest, aus jederzeit nachvollziebaren Gründen, die in der Restauration 1815-1848 zu finden sind. Mithilfe dieser konstitutiven Fehlinterpretation wurde aus Clausewitz rationaler Betrachtung des Krieges als ultima ratio der Politik ein ideologisches Fundament des Militarismus gezimmert, das den Krieg zum mythisch überhöhten Selbstzweck machte (die langfristige Wirkung dieser Clausewitz-Interpretation hat Barbara Tuchman in ihrer Studie „1914“ vor allem im Zusammenhang mit dem deutschen Vorgehen in Belgien beschrieben). Auf diese spezifisch militaristische Deutung schwingt eben immer mit, wenn Clausewitz heute zitiert wird.
Spiegel Online meldete um 11:07, dass der ukrainische Übergangspäsident Turtschinow ein Referendum in Aussicht gestellt hat. Es soll parallel zu den Präsidentschaftswahlen am 25. Mai stattfinden, und über eine mögliche Federalisierung der Ukraine abstimmen.
Das ist ein diplomatisch sehr geschickter Schachzug von Turtschinow, der obendrein in die richtige Richtung zielt. Denn die Ukraine braucht mit Blick nach vorn nichts mehr als einen Versöhnungsprozess im Lande und nichts weniger als eine unnachgiebige Konfrontation beider Seiten.
Die doppelte Frage ist nur: Erstens, meint es Turtschinow wirklich ernst, und wenn ja, kann er sich gegenüber den Hardlinern in Kiew mit dieser Idee durchsetzen? Und zweitens, lassen sich die russentreuen Agitatoren im Osten der Ukraine auf eine Entwicklung ein, die deeskalierend wirkt, also Stabilität fördert und damit ihren eigenen Zielen wohl eher widerspricht? Bei beiden Aspekten melde ich mal einiges an Skepsis an. Es wäre ja auch zu schön, um wahr zu sein.
@ Zivi a.D. | 14. April 2014 – 11:42
Barbara Tuchman ist eine vorsichtig zu gebrauchende Quelle. Bereits ihre Vorgeschichte zu ‚August 1914‘ enthaelt einige Unwahrheiten so zB die erzaehlte Tatsache das sie und ihre Familie auf einem Passagierschiff im Mittelmeer die Zeugen eines Artillerieduells zwischen der ‚Goeben‘ und einem britischen Kreuzergeschwader gewesen sind.
Dieses Gefecht hat niemals stattgefunden.
An sonsten ist sie sehr interessant zu lesen, aber mit einem erheblichen Schuss Skepsis. Das resultiert natuerlich auch aus ihrer Familiengeschichte.
Weitere Behörden in der Ostukraine werden von Bewaffneten gestürmt. Die Kämpfer sehen immer professioneller aus.
https://pbs.twimg.com/media/BlLFTZnCQAAE7Ng.jpg:large
@MikeMolto: Dank für den sachdienlichen Hinweis, natürlich muss jeder „sein“ Buch lesen und sich auch über die Grenzen jeder Studie klar sein. Im vorliegenden Zusammenhang stellen sich die Fragen m.E. nicht auf dieser Ebene, es geht lediglich um das politische Interpretationsproblem, dass sich mit Clausewitz Arbeiten stellt.
@Hohenstaufen:
Die Funde in der Google Bildersuche datieren die beiden auf die Krim.
@Zivi a.D., MikeMolto
Ich verstehe die Tendenz, dass jedes Buch im ganzen Kontext seit Erscheinen gelesen werden sollte, durchaus. Allerdings ist das aus meiner Sicht eine zweischneidige Sache. Wenn man das konsequent angeht, ist keine bedeutsame Orginalschrift mehr unter Masterarbeitsebene abzuhandeln. Das kann kaum Sinn der Sache sein. Außerdem hat diese Herangehensweise dazu geführt, dass viele die vollständige einschlägige Sekundärliteratur gelesen haben, ohne sich das Orginalwerk überhaupt anzutun. Das mag bei so neuen Texten wie Clausewitz noch gehen, aber spätestens bei Platon und Aristoteles ist dann in einem Menschenleben keine umfassende Beschäftigung mehr möglich ;)
Abgesehen davon ist auch die Konsquenz gefährlich. Nehmen wir mal Darwin und Genetik, da hat man lange Zeit in Deutschland quasi reflexartig das Weihwasser herausgeholt, zu einflussreich schien die Lesart der 30er. Das scheint sich erst wieder durch den Kreationismus relativiert zu haben, quasi Teufel mit Bezelbub austreiben.
Meiner Meinung nach sollte die Orginalquelle so neutral wie möglich angegangen und in den Kontext des Autors gesetzt werden. In Punkto Clausewitz kann man dann eigentlich sicherheitspolitisch durchaus etwas lernen.
@ Turtschinow und das Referendum
Wenn die das wirklich konsequent durchsetzen, ist das wahrscheinlich eine brilliante Strategie. Sie verhindert sehr effizient jegliche Deutungshoheit der Aufständischen ohne viel Angriffsfläche zu bieten. Und der Ausgang kann zudem eigentlich erstmal völlig egal sein, denn auch mit starkem Föderalismus kann man in Kiew sicher gut leben. Mit einer zweiten Krim-artigen Aktion dagegen eher nicht.
Außer den deutschen und englischen Wikipedia-Artikel habe ich zu Clausewitz noch nichts gelesen. Ich bin zwar ’n büschen bange, aber ich habe mir gestern den Link für „Vom Kriege“ bei Projekt Gutenberg geholt und schon mal das Vorwort gelesen… Mal sehen, wie weit ich als Laie (in jeder zugehörigen Beziehung) komme :-).
@ drd | 14. April 2014 – 14:23
Ich meine man hat politisch in den Clausewitz immer viel zu viel hineininterpretiert.
Er handelt wirklich „vom Kriege“, und zwar auf der Strategie-Ebene, die Taktik beruehrt er nur dort, wo er Beispiele braucht. (Ich erspare mir hier die Buecher-/ Kapitelueberschriften.)
Immer in der Praemisse, der Souverain habe nun einmal den Krieg ‚beschlossen‘ oder er sei ihm aufgezwungen worden – und was hat dann von seiten der ‚Armee‘ zu folgen….
Und auch hier gilt Tacitus: Suum quique in annum referre. Das heisst Clausewitz ist ein ‚Kind‘ seiner Zeit und die moralische Seite des Krieges bzw die Frage wie es zu dem Krieg kommt , wie sie jetzt auch im Falle Ukraine bemueht wird, wird ausgeblendet.
Insofern der Satz als Zusammenfassung der gesamten Praemissen: ‚Der Krieg ist die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.‘ – das verstehe ich so, (referre annum): „Wenn diplomatische Aktionen versagt haben und der Souverain sieht eine Wahrscheinlichkeit per Krieg seine Ziele durchzusetzen, so waehlt er eben den Krieg – als politisches Mittel.“
In Ihrem letzten Beitrag beruehren Sie natuerlich die frage der Universalitaet. Die ist heute nicht mehr gegeben. Von Plato und Aristoteles kann man noch einiges Wissen, aber dann muss man sich eben an Vtg-Amtmann in Sache Helikopter verlassen (pun intended) und es gibt auch noch UBoote….
@Anna Nym
Lobenswert! Allerding ein Wort der Warnung: der Gute ist sehr theoretisch und extrem knapp in seiner Darstellung. Keine leichte Kost finde ich.
@MikeMolto
Jein… sicher ist die Natur des Krieges aus strategischer Sicht das Hauptthema, aber seine Betrachtung warum der Krieg eben nicht immer der volle Einsatz aller möglichen Mittel ist und der Exkurs in dem Zusammenhang, dass eben die Politik im Krieg nicht aufhört und darum der absolut vollständige Krieg nicht stattfindet, ist schon ein eher sicherheitspolitischer Gedanke.
Den Satz habe ich im Kontext des Textes eigentlich umgekehrt verstanden: Der Krieg verhält sich nicht wie man naiv annehmen sollte nach der Logik der Militärs, weil er Politik mit anderen Mitteln ist. Das ist ein ganz anderer Gedankengang. Da Clausewitz in dem betreffenden Kapitel im Detail analysiert, warum der Krieg so anders ist, als man annehmen könnte, scheint mir dies die logischere Interpretation. Ich denke aber auch, dass es Clausewitz nicht in erster Linie um diese Denkrichtung ging.
Dennoch halte ich die Erkenntnis für ziemlich richtig, da sie auch die deutsche Außenpolitik recht klar dominiert (auch nach einem bewaffneten Konflikt wird es irgendwann wieder zu politischen Verhanlungen kommen… also besser schon vorher mit Verhandlungen alles versuchen, dann kann man den Anteil des Waffengangs vielleicht vermeiden)
Aber wir schweifen ab… :)
@Anna Nym:
Das Buch ist in der Tat lesenswert, allerdings empfehle ich auch, es zusammen mit Sekundärliteratur zu lesen. Das große Problem an „Vom Kriege“: Es war ursprünglich eher eine Art Vorlesungsskript, also mehr eine Gedankenstütze für Clausewitz selbst als ein wirkliches Buch. Insofern hat er sich nicht damit aufgehalten, irgendwelche Beispiele zu verschriftlichen. Seine Studenten hätten ihn ja jederzeit fragen können. Das „Skript“ wurde dann durch Clauswitz´ Frau nach seinem Tod veröffentlicht, natürlich ohne Beispiele, womit es eines der abstraktesten Bücher zum Thema Krieg und Frieden ist.
@“das bekannteste Clausewitz-Zitat“
Die Sache mit dem Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist eher eine analytische Aussage, hilfreich ist es, den ganzen Absatz zu betrachten:
„Wir behaupten dagegen, der Krieg ist nichts als eine Fortsetzung des politischen Verkehrs mit Einmischung anderer Mittel. Wir sagen mit Einmischung anderer Mittel, um damit zugleich zu behaupten, daß dieser politische Verkehr durch den Krieg selbst nicht aufhört, nicht in etwas ganz anderes verwandelt wird, sondern daß er in seinem Wesen fortbesteht, wie auch seine Mittel gestaltet sein mögen, deren er sich bedient, und daß die Hauptlinien, an welchen die kriegerischen Ereignisse fortlaufen und gebunden sind, nur seine Lineamente sind, die sich zwischen dem Krieg durch bis zum Frieden fortziehen. […] ER HAT FREILICH SEINE EIGENE GRAMMATIK; ABER NICHT SEINE EIGENE LOGIK. Hiernach kann der Krieg niemals von dem politischen Verkehr getrennt werden, und wenn dies in der Betrachtung irgendwo geschieht, werden gewissermaßen alle Fäden des Verhältnisses zerrissen, und es entsteht ein sinn- und zwecklosen Ding.“ (Eigene Hervorhebung)
heutiges Deutsch:
„Jedem militärischen Konflikt liegt ein politischer Konflikt zugrunde. Verstehe ich den politischen Konflikt nicht, werde ich auch den militärischen Konflikt nicht verstehen.“
@T.W.
sorry für OT
Zur Ehrenrettung von Josef Joffe, dessen Meinung ich sonst eher selten teile, muss das Zitat aus dem Zeit-Artikel aber im Zusammenhang gesehen werden.
Joffe hat geschrieben: „Der Westen, zumal Europa, lebt im 21. Jahrhundert. Clausewitz ist tot, der Krieg ist nicht mehr Instrument der Politik. Rivalen messen sich auf dem Markt, nicht auf dem Schlachtfeld. In dieser Arena herrschen Regeln und Verträge, ihr Sinn ist der gemeinsame Gewinn. Der Nationalismus ist verblasst, die Abrüstung hat inzwischen auch Amerika erfasst.“
Man kann sich natürlich weiterhin streiten, welche Rolle „der Krieg“ als „Instrument der Politik“ im Westen hat. Aber dass der Faktor Globale Ökonomie eine im 21. Jahrhundert weitaus größere Relevanz als zu Zeiten Clausewitz‘ hat, ist wohl unbestreitbar.
@hhansen
„Aber dass der Faktor Globale Ökonomie eine im 21. Jahrhundert weitaus größere Relevanz als zu Zeiten Clausewitz’ hat, ist wohl unbestreitbar.“
Dies ist richtig, aber auch der Krieg hat eine größer Relevanz im 21. Jahrhundert, (wenn auch nicht im Bewusstsein der Bevölkerung) als zu Zeiten von Clausewitz.
Der angekündigte „Kampf gegen den Terrorismus im Osten“ der Putschregierung in Kiew ist wohl mangels Kämpfern ausgefallen. Die Köpfe der Anti-terror Einheiten wurden heute zwar (wiedereinmal) ausgetauscht, aber auch das wird wohl nichts ändern. Die illegitime Regierung hat mangels Gefolgschaft in den Sicherheitselementen keine Möglichkeit die Staatsgewalt auszuüben.
Die Regierung fordert jetzt UN Truppen als „Peacekeeper“. Putin wird sicherlich bereit sein solche unter einem UN Mandat zur Verfügung zu stellen.
Es wird wohl Zeit das man den Komödiantenstadel in Kiew beseitigt. Hat „fuck the EU“ Nuland noch ein weiteres so tolles As im Ärmel oder kann der Spuk jetzt beendet werden?
U.S. Vizepräsident Biden kommt am 22ten zu Besuch nach Kiew. Den VP schickt man ja üblicherweise zu Staatsbegräbnissen. Da ist dieser Besuch sehr angemessen.
Hr. Joffe irrt. Clausewitz lebt zwar nicht mehr aber seine ideen werden weiter verfolgt.
Man kann verschiedene Kapitel zitieren. in meiner Ausgabe, 1. Aufl v. 1832, liest man:
1. Buch
Erstes Kap, Was ist der Krieg?
2. Definition:
„Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfuellung unseres Willens zu zwingen.“
und weiter:
24. ‚ Der Krieg ist eine blosse Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.
So sehen wir also, dass der Krieg nicht bloss ein politischer Akt, sondern ein wahres politisches Instrument ist, eine Fortsetzung des politischen Verkehrs, eine Durchfuehrung desselben mit anderen Mitteln. Was dem Krieg nun noch eigentuemlich bleibt, bezieht sich bloss auf die eigentuemlichge Natur seiner Mittel. Das die Richtungen und Politik mit diesen Mitteln nicht in Widerspruch treten, das kann die Kriegskunst im allgemeinen und der Feldherr in jedem einzelnen Fall fordern….(Hier denkt man unwillkuerlich an Vietnam und Afghanistan – um die Bruecke zur Moderne wiederzufinden.)
Bereits damals kam der Handelskrieg dazu, als Kontinentalsperre oder Seeblockade, was man heute auch unter Embargo und Wirtschaftskrieg subsummieren muesste.
Es gab durchaus vor und zu Clausewitz‘ Zeiten eine Globalisierung, denn bereits der Siebenjaehrige Krieg fand genau so in Indien und Nordamerika, wie auch in Westindien, in Afrika und Schlesien um globale Ziele statt!
“Der Westen, zumal Europa, lebt im 21. Jahrhundert. Clausewitz ist tot, der Krieg ist nicht mehr Instrument der Politik. Rivalen messen sich auf dem Markt, nicht auf dem Schlachtfeld. In dieser Arena herrschen Regeln und Verträge, ihr Sinn ist der gemeinsame Gewinn. Der Nationalismus ist verblasst, die Abrüstung hat inzwischen auch Amerika erfasst.”
Ist der Nationalismus wirklich verblasst? In Frankreich eilt der missmutige und enttäuschte Wähler „wieder zur Tricolour“ und auch sonst tut man sich in Europa extrem schwer damit, staatliche Souveränität zugunsten eines starken Europas aufzugeben (Stichwort: Europäische Armee, anyone?!). Außerdem kann man das obige Spiel nur spielen, wenn sich alle an die Regeln halten, was – mit Blick auf die Geschehnisse im Osten – nicht mehr so ohne weiteres vorausgesetzt werden kann.
Klar rüsten die USA derzeit ab – aber glaubt jemand ernsthaft, dass nach Obama wieder ein Demokrat Präsident wird? Damit hätte sich das „Sparen auf Kosten der Nationalen Sicherheit“ nämlich auch wieder erledigt.
Ich finde es immer wieder faszinierend, wie sich Autoren jedweder Art und Zunft in bester eurozentrischer Manier dazu hinreißen lassen, bindende Zukunftsperspektiven in die Welt zu posaunen. Als ob das ernsthaft möglich wäre und in der Geschichte auch noch niiiieeeee schiefgegangen ist. Ein Maginot versprach ebenfalls, dass man jetzt getrost sparen könne, weil man ja die besagte Linie hätte – hat nicht ganz so gut funktioniert, gell?
@b
[ironie] Danke dass Sie die Kommentarschwerpunkte der Leserforen deutscher Medien so treffend zusammenfassen. [/ironie]
@all
Sorry dass ich den Post nicht ignorieren konnte. Ich vertrage eine Menge Unsinn, aber das geht einen Tick zu weit. Es war einfach ein wenig zu geschmacklos.
Zum UN Peacekeeping:
Das könnte interessant werden. Da darf man gespannt sein, wie sich Russland aus der Nummer windet, falls es wirklich zu einer Verhandlung im Sicherheitsrat kommt. Vermutlich irgendetwas in der Richtung: Keine legitime Regierung, darum müssen wir jetzt ein Veto einlegen. Oder man hat es schon immer so gesagt und Angebot eines russischen Truppenkontigents.
@Voodoo
Da kann ich nur zustimmen. Vor allem stört mich an der Argumentation, dass sie komplett ignoriert, dass vergleichbare Situationen in der Geschichte durchaus vorkamen. Man könnte etwa die Stadtstaaten Norditaliens oder die Hanse referenzieren. Auch da war die Wirtschaftsmacht riesig und man nutzte diese um Konflikte zu bestehen. Da diese Perioden nicht ewig anhielten, ist es etwas gewagt davon auszugehen, dass es heute grundlegend anders aussehen sollte. Es wäre schön wenn dem so wäre, keine Frage. Aber mit Wunschdenken Sicherheitspolitik anzugehen ist ziemlich dusselig, da sollte man auch als Optimist eher etwas pessimistisch denken.
Ich lese gerade in der ZEIT Onlineausgabe, dass Russland erneut eine RS-24 [SS-27 Mod-2] getestet hat; damit also laut Autor zum zweiten Mal innerhalb der Krise.
Entspannung sieht jetzt aber auch anders aus und erscheint etwas hochgepokert, im Vergleich zu einer Handvoll NATO-Flugzeuge im Baltikum…
@Voodoo – Die russischen Raketentests sind nach START angemeldet und auf beiden Seite Routine. Es sollen auf russischer Seite ca. 18 davon in diesem Jahr stattfinden. Üblicherweise werden etwas weniger durchgeführt als geplant. Ein Test pro Monat ist aber völlig normal. Dementsprechend haben die USA beim letzten Mal auch Entwarnung gegeben.
Wie lange ist für solche Raketentest eigentlich die Vorwarn-/Informationszeit? Das es diese gegeben hat fehlt ja mal wieder, wie auch in der Meldung zum ersten Test (wurde erst später nachgeliefert). Also nichts als Panikmache. Wie viele Raketen haben die USA in diesem Zeitraum getestet…das und andere Sachen, sind Informationen die man sich bei solchen Meldungen dann eher wünscht um so etwas einordnen zu können. Und nicht das der Russe böse ist und mit seinen Atombomben um sich schmeißen kann, dass wissen wir eh alle… .
@b,Narf
Ein paar Punkte werden gern übersehen: Die Raketen sind im Gegensatz zu den amerikanischen ICBMs nicht etwa modernisierte Überbleibsel des Kalten Kriegs sondern neue Entwicklungen, die auf eine reduzierte Signatur beim Start und einem Schutz vor Abfangmaßnahmen ausgelegt sind. Die Entwicklung ist 1991 begonnen worden und seit 1997 sind die Raketen eingeführt. Die desolate Lage der konventionellen Mittel Russlands hat seiner Zeit dazu geführt, dass ein Großteil der Analysten diese Entwicklung verständisvoll hingenommen hat (sinngemäß hieß es meist „Wenn die Abschreckung nicht mehr gegeben ist, dann steht Russland mit dem Rücken an der Wand“). Nun wird allerdings seit Jahren in Russland konventionell und nuklear zunehmend modernisiert und aufgerüstet…
Insbesondere die verkürzte Brenndauer der ersten Stufe ist darauf ausgelegt, eine Entdeckung durch Satellitenüberwachung zu vermeiden. Begründet wird es mit dem Schutz vor Raketenabwehr. Das mag stimmen, es macht aus dem System aber dadurch auch das, was man im Kalten Krieg „Erstschlagswaffe“ genannt hat: Einsetzbar mit der Chance ohne Gegenwehr einen Atomschlag durchzubringen. Kein angenehmer Gedanke, oder? Eine derartige Neuentwicklung hätte im Kalten Krieg mit Sicherheit zu ernsten Spannungen geführt. Von daher steckt hinter dem „Nichtaussetzen“ von den Tests ein wenig mehr als Bürokratie und „Wieso? Ich darf das doch!“
@Anna Nym:
Als Lesehilfe empfehle ich folgende – sehr treffende – Einordnung des Werkes:
http://www.clausewitz-gesellschaft.de/fileadmin/dokumente/Vortraege/Vo_Kleem.pdf
Lesen Sie danach (!) die Vorrede, das 1. Buch und das 8. Buch.
Alles andere verwirrt nur. Die Kernbotschaften sind dort zu finden (siehe Vorrede).
Wer sich in der Ukraine noch Sorgen wegen des Rechten Sektors macht, wird einen starken Kaffee kredenzt bekommen. Der rechte Sektor und Swoboda sind kleine Splitterparteien.
Aber inzwischen sind die ganz normalen Ukrainer und Russen aus der Mitte der Gesellschaft wütend. Viele von denen waren in Afghanistan und haben dort gesehen, wie erfolgreiche asymmetrische Kriegführung aussieht.
Und der Hass auf die russischen Soldaten ist inzwischen hemmungslos.
Es geht gerade los.
Memoria | 14. April 2014 – 18:59:
Vielen Dank für den Hinweis :-).
Bei der Clausewitz-Gesellschaft habe ich auch eine E-Book-freundliche Variante des Originaltextes „Vom Kriege“ gefunden (http://www.clausewitz-gesellschaft.de/index.php?id=408&L=1%2F , unter Autor Dr. Corff)
Lage vom Montag, besetzte Gebäude und Einrichtungen.
http://pbs.twimg.com/media/BlPd3QKCUAADfV-.jpg:medium