Harsche Töne vom NATO-Generalsekretär: „Diese Krise ändert alles“
NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hat am (heutigen) Freitag vor dem Brussels Forum des German Marshal Fund eine Rede gehalten, die doch deutlich anders klingt als die Reden der EU-Politiker zur Krise in der Ukraine und zum Verhalten Russlands. Eine Rede. die die Notwendigkeit der militärischen Stärke des Bündnisses betont – und mich sehr an den Kalten Krieg erinnert. Letzteres mag Ansichtssache sein, die Worte des dänischen Politikers scheinen mir allerdings ziemlich deutlich: Nach dem, was in der Ukraine und auf der Krim passiert ist, haben sich die Koordinaten der Geopolitik verändert.
Die ganze Rede zum Nachlesen bei der NATO hier; ein paar Kernsätze:
So we need to respond. Both now and in the future.
For now, I see three priorities. First: To reaffirm our commitment to collective defence. Second: To strengthen our support to Ukraine and the wider region.
And third: to make clear that we can no longer do business as usual with Russia.
First, collective defence. No one should doubt NATO’s resolve if the security of any of its members were to be threatened. Our commitment to the security of all Allies is unbreakable. Now and in the future.
This commitment is not just about words, but real assets and real actions. More planes to police the airspace over the Baltics. Surveillance flights over Poland and Romania. And we remain vigilant and ready to take all necessary steps. Our goal is to defuse the crisis on our borders. And make no mistake – we will defend our Allies.
Second, we will strengthen our support for Ukraine. We will intensify political and military cooperation. That includes
• support of the transformation of Ukrainian armed forces into modern and effective organizations, able to provide credible deterrence and defence against military threats
• enhancing the ability of the Ukrainian armed forces to work and operate together with armed forces of NATO Allies
• increased participation in NATO exercises
This will be done both as an Alliance and by Allies individually.
(…)
In 2010, we agreed to develop a true strategic partnership between NATO and Russia. I still believe that engagement remains the right way forward. But I also have to say that today, we see Russia speaking and behaving more as an adversary than as a partner.
That is not of our choice. It is of great concern. And it puts into question the very foundation of our cooperation with Russia.
We have already agreed that no staff-level meetings with Russia will take place for now. And we are reviewing the entire range of our cooperation so that NATO Foreign Ministers can take the appropriate decisions when they meet in Brussels in ten days from now.
However, we are also keeping the door open for political dialogue.
(…)
This is what we are doing now. But we must look to the future. Because this crisis is a game-changer. And it undermines the rules-based global order.
To uphold that order, Europe and North America must stand together. And continue to strengthen our economic and military ties. This is how we can best face up to those who break the rules. And how we can continue to protect our values and our way of life.
First: We must reinforce our economic ties. The transatlantic trade and investment partnership is key. And it is urgent. Second: We must make energy diversification a strategic transatlantic priority and reduce Europe’s dependency on Russian energy.. And third: We must increase defence investment in Europe and strengthen our security cooperation within NATO.
The United States has shown a clear commitment to Europe’s security. From jet fighters to the Baltics, exercises in the Black Sea, to the deployment of the USS Donald Cook to Spain, as a centerpiece of NATO’s missile defence system.
Europeans must play their full part. We have seen encouraging signs, but there is more to be done. We need greater political will, stronger capabilities, and more investment in defence.
We cannot continue to disarm, while the rest of the world is rearming, and some are rattling their arms on our borders.
[Hervorhebungen von mir; T.W.]
Vor dem Hintergrund scheint auch die Diskussion um die Verstärkung des Baltic Air Policing in einem anderen Licht. Die NATO, so die Botschaft von Anders Fogh Rasmussen, muss ihre Muskeln spielen lassen. Und bereit sein (vor allem in Europa), mehr für Verteidigung und Abschreckung zu tun. Diese Debatte dürfte erst beginnen.
Nachtrag: Es gehört nicht direkt dazu, aber in den Zusammenhang engerer Zusammenarbeit zwischen US-Streitkräften und Bundeswehr: Nach einem Bericht von Wiesbadener Kurier/Mainzer Allgemeine Zeitung (Link aus bekannten Gründen nicht) will die U.S. Army Europe mit Sitz in Wiesbaden den Posten ihres Chefs des Stabes mit einem deutschen (Brigade)General besetzen. Das habe Kommandeur Generalleutnant Donald M. Campbell dem Blatt bestätigt. Die Entscheidung liege jetzt bei Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen.
Nachtrag 2, der eher in einen gesonderten Thread zum Thema Landesverteidigung gehört (der demnächst sicherlich ansteht) – eine Umfrage der Thüringischen Landeszeitung*:
Drei Jahre nach der Aussetzung der Wehrpflicht wünscht sich mehr als jeder dritte Deutsche (38 Prozent) eine Rückkehr zu der Pflicht, in der Bundeswehr zu dienen. Das ergab eine bundesweite Umfrage der Thüringischen Landeszeitung (TLZ, Samstagsausgabe) zur Außen- und Sicherheitspolitik. 46 Prozent der Befragten lehnen demnach eine Wiedereinführung ab. Gespalten sind die Bürger auch in der Frage, ob es ein Fehler war, die Wehrpflicht auszusetzen. 39 Prozent der Befragten finden, dass es falsch war, 44 Prozent finden das Gegenteil. (…)
„Die Bundeswehr kann in ihrer gegenwärtigen Verfassung Deutschlands Sicherheit gewährleisten“: Dieser Aussage stimmen 38 Prozent der Befragten zu, 32 Prozent lehnen sie ab, 30 Prozent haben keine Meinung zu dem Thema oder wollten keine Angabe machen.
Klarer sieht das Meinungsbild bei der Aussage aus, wonach Deutschland seine Sicherheit weiterhin den Amerikanern überlassen sollte. Nur etwa jeder Zehnte (12 Prozent) stimmte dem zu. 69 Prozent sprachen sich dagegen aus. Gespaltener sind die Befragten bei der Aussage „Deutschland sollte sich klar auf der Seite des Westens und gegen Russland positionieren“. Nicht einmal jeder Zweite (44 Prozent) teilt diese Auffassung. Fast jeder Dritte (30 Prozent) lehnt sie ab.
Interessant ist bei dieser Umfrage, dass mit mehr als 2.000 Befragten die Zahl deutlich höher war als sonst üblich.
Und noch ein letzter Nachtrag – von Foreign Affairs: NATO Is Back – A Conversation with Anders Fogh Rasmussen
(*Links zu deutschen Verlagswebseiten finden hier in der Regel nicht statt. Bei diesem Link und dem zitierten Text handelt es sich um eine Pressemitteilung des Verlags, nicht um die redaktionelle Veröffentlichung.)
(Foto: An F-15C Eagle from the 493rd Fighter Squadron takes off from Royal Air Force Lakenheath, England, March 6, 2014. The 48th Fighter Wing sent an additional six aircraft and more than 50 personnel to support NATO’s air policing mission in Lithuania, at the request of U.S. allies in the Baltics – U.S. Air Force photo by Staff Sgt. Emerson Nunez)
Ach ja … der Obertrommler für Verteidigungsbudgets mal wieder. Ich habe eigentlich großen Respekt für Rasmussen, aber kommt der sich nicht langsam selber lächerlich vor? Jahrelang die Sprüche von wegen Europa müsse mehr in Verteidigung investieren und jahrelang ist er erfolgreich ignoriert worden. Auch wenn er de facto Recht hat: merkt er nicht, daß er einfach nicht durchdringt?
@ grimnir17
„Mit dieser Armee wird sich keine effektive Landesverteidigung machen lassen, nicht jetzt und auch nicht in den nächsten Jahren. Man kann nur hoffen, dass viele der oberen Zehntausend wirklich aus ihrem Dornröschenschlaf aufwachen und ihren Ponyhof verlassen. Der perpetuierte Kantsche Frieden ist vorbei bzw. ihn hat es nie gegeben.“
Der Ponyhof ist „alternativlose“ Standardvorgabe, gewachsen aus internem Wunsch nach Frieden und Distanz zu dem ganzen geopolitischen Krempel nach ’45 und externem Wunsch nach einem fundamental friedlichen, passiven, außenpolitisch ambitionslosen und stabil demokratischem Deutschland. Eine solche „Kultur“ bringt auch einen gewissen Typus Politiker hervor – nämlich einen, der mit Außenpolitik wenig und mit Militär gar nix anzufangen weiß. Da kommt nix anderes … die können es gar nicht anders, wir (im Sinne der deutschen Bevölkerung) wollen es auch gar nicht anders (siehe Umfrageergebnisse).
@ csThor
Hey, er versucht es wenigstens das Thema irgendwo auf den Tagesordnungen zu platzieren. Wenn ich mal nach Deutschland sehe, da könnten einige Herren die auch bei uns als Bindeglied zwischen Armee und Politik fungieren sollen (GI) seit drei Monaten Cocktails schlürfend in der DomRep am Strand liegen, ohne das jemand ihr Fehlen bemerkt hätte.
Fakt ist: Kein Land in Europa ist noch in der Lage, alleine für seine Sicherheits sorgen. Vielleicht kommt mal jemand auf die Idee, der seit Lybien 2011 dahinsiechenden GSVP mal den Defibrilator auf die Brust zu setzen.
Lustig nebenbei: Die Aussage in einigen Medien: „Die Geopolitik ist zurück!“ War sie denn je weg?
http://www.spiegel.de/politik/ausland/krim-krise-von-der-leyen-fordert-mehr-praesenz-der-nato-a-960187.html
Meint vdL damit wohl auch ihre Armee? Zu trauen würde ich es dem Verteidigungsministerium ja ein Btl nach Polen zu verlegen während in der Heimat Standorte verwahrlosen.
@Memoria
„Ach und wie unsere Verteidigungsfähigkeit ausgestaltet wird, ist nicht aus dem GG ableitbar.“
Zum Teil schon :-)
GG87a (1) Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf. Ihre zahlenmäßige Stärke und die Grundzüge ihrer Organisation müssen sich aus dem Haushaltsplan ergeben.
„Auch eine Armee, die aus ein paar Alarmrotten und nem Wachbataillon besteht, entspricht dem Verfassungsauftrag. Wenn man die Bedrohung entsprechend einschätzt.“
Das kommt der Realität schon sehr nahe.
Wir haben in Europa genügend Gerät und Soldaten aber leider keine Effizienz.
Ich glaube nicht, dass wir mit einer größeren und einsatzfähigeren Wehrkraft, Putins Plan beeinflusst hätten. Was wäre die Begründung für ein Eingreifen gewesen und wie wäre eine mili Konfrontation verlaufen? Zur Abschreckung reichen Atomwaffen.
Putin ist bereit für seine Ziele evtl auch Menschen zu opfern die ihm nahe stehen, unsere
Politiker und viele von uns sind dazu nicht bereit. Das ist der elementare Unterschied. Er hat eben Eier, leider auch im Kopf.
@Elahan:
Genügend Gerät? Während Rasmussen von stärkeren europäischen Armeen träumt, werden weiter Fakten geschaffen:
PzBtl33 Goldener Schuss
http://www.youtube.com/watch?v=9HnzBcwyY2Q
@ Stephan L.
„Hey, er versucht es wenigstens das Thema irgendwo auf den Tagesordnungen zu platzieren.“
Der Gedanke zählt, oder wie? ;) Gerade jetzt wo das Ende seiner Amtszeit naht hätte er (oder noch: sollte er) mal Tacheles reden und auch Roß und Reiter nennen. Wäre doch witzig, wenn er eine gepfefferte Rede z.B. darüber hält, was Deutschland seit 1990 abgebaut hat an Kapazität und was es an Finanzierung abgetragen hat. Und dann ein paar Kommentare dazu, was man selber vor Jahren auf einem Gipfel mit abgenickt hat von wegen 2% GDP und wo er den finanziellen Nachholbedarf bei der BW sieht und wo er politische Fehlstellungen aus NATO-Sicht erkennt. Dann möchte ich mal die Reaktion der Laiendarsteller in Berlin sehen … das wäre wahrscheinlich höchst amüsant.
„Wenn ich mal nach Deutschland sehe, da könnten einige Herren die auch bei uns als Bindeglied zwischen Armee und Politik fungieren sollen (GI) seit drei Monaten Cocktails schlürfend in der DomRep am Strand liegen, ohne das jemand ihr Fehlen bemerkt hätte.“
Daß die Herren mit Goldstern links und rechts in der BW die Menthalität eines Schoßhündchens haben und meinen sie müßten die Klappe halten ist nichts neues.
„Vielleicht kommt mal jemand auf die Idee, der seit Lybien 2011 dahinsiechenden GSVP mal den Defibrilator auf die Brust zu setzen.“
Bloß nicht! Jedenfalls nicht solange es nur darum geht französische Interessen in Afrika mit europäischen Ressourcen zu unterstützen ist das „Gemeinsam“ eher ein Hohn.