Bonner Landgericht: Keine Amtspflichtverletzung von Oberst Klein bei Kundus-Luftangriff
Der ehemalige Bundeswehr-Kommandeur in Afghanistan, der damalige Oberst Georg Klein, hat mit seinem Befehl zum Luftangriff bei Kundus am 4. September 2009 seine Amtspflichten als militärischer Befehlshaber nicht verletzt. Mit dieser Begründung lehnte das Landgericht Bonn am (heutigen) Mittwoch die Klagen von Hinterbliebenen der bei dem Luftangriff Getöteten ab. Klein, der inzwischen zum Brigadegeneral befördert wurde, habe nicht schuldhaft gegen Normen des Völkerrechts zum Schutz der Zivilbevölkerung verstoßen, entschied die 1. Zivilkammer. Zuvor hatte bereits die Bundesanwaltschaft erklärt, dass sich der frühere Kommandeur bei der Entscheidung, zwei feststeckende entführte Tanklaster auf einer Sandbank im Kundus-Fluss zu bombardieren, im Rahmen des Völkerrechts bewegt habe, und deshalb strafrechtliche Ermittlungen abgelehnt.
Die Mitteilung des Bonner Gerichts im Wortlaut:
Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Bonn hat in ihrem heute (Mittwoch, 11.12.2013) verkündeten Urteil die Klage von zwei afghanischen Zivilisten gegen die Bundesrepublik Deutschland abgewiesen. Diese hatten Schadensersatz für die von einem Oberst der Bundeswehr angeordnete Bombardierung von zwei Tanklastern in der Nähe von Kundus/Afghanistan am 04.09.2009 gefordert.
Die Kammer ist aufgrund der Beweisaufnahme vom 30.10.2013 überzeugt, dass dem damaligen Kommandeur des PRT Kundus („Provincial Reconstruction Team“) keine schuldhafte Verletzung seiner Amtspflichten (§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit Artikel 34 Grundgesetz) vorzuwerfen ist. Mit seiner Anordnung zum Bombenabwurf habe er nicht schuldhaft gegen Normen des Völkerrechts zum Schutz der Zivilbevölkerung verstoßen.
Die Tanklaster habe er zu Recht als militärische Objekte identifiziert. Sie seien aufgrund des enthaltenen Treibstoffs für die Logistik der Taliban nützlich und für einen möglichen Anschlag geeignet gewesen.
Der deutsche Offizier habe auch die mögliche Anwesenheit von Zivilisten vor seiner Entscheidung ausreichend geprüft. Die ihm zur Verfügung stehenden Informationsquellen habe er genutzt. Ihm sei bei seiner Lagebeurteilung kein fahrlässiges fehlerhaftes Handeln vorzuwerfen. Von dem vor Ort befindlichen Informanten habe er bei insgesamt sieben Nachfragen die Mitteilung erhalten, dass keine Zivilisten vor Ort seien. Er musste auf Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden weiteren Informationen, inbesondere den Infrarot-Kameraaufnahmen der US-Kampfjets, nicht erkennen, dass dies unzutreffend war.
Nach Einschätzung der Kammer sei für den Kommandeur auf den am 30.10.2013 im Gericht vorgeführten Infrarot-Kameraaufnahmen nicht ersichtlich gewesen, dass sich eine größere Anzahl von Zivilisten bei den entführten Tanklastern aufhielt. Entgegen dem Klägervortrag sei auch für die Kammer anhand der Aufnahmen nicht zu erkennen, wie viele der nur als Punkte sichtbaren Personen bewaffnet waren. Es sei auch weder die Körpergröße noch das Alter der Personen festzustellen.
Auch aufgrund des Bewegungsmusters habe sich dem damaligen Oberst die Anwesenheit von Zivilisten nicht aufdrängen müssen. Die Kammer stützt sich bei ihrer Bewertung auch auf die Aussagen eines von ihr gehörten Sachverständigen für afghanische Landeskunde. Der gerichtliche Gutachter hatte mitgeteilt, dass zu den Taliban auch Personen zu zählen seien, die nur über eine geringfügige oder gar keine militärische Ausbildung verfügten. Die Kammer geht davon aus, dass von solchen Kämpfern keine Verhaltensweisen und Bewegungsmuster zu erwarten sind, die einer üblichen militärischen Ausbildung entsprechen. Der Sachverständige habe weiter angegeben, dass eine Taliban-Operation mit 60 oder mehr beteiligten Kämpfern als ungewöhnlich zu bezeichnen sei. Die Region sei damals aber als Hochburg der Taliban anzusehen gewesen.
Schließlich habe auch der Funkverkehr zwischen den US-Kampfjetpiloten und dem deutschen Fliegerleitoffizier den damaligen Oberst nicht zu einer anderen Bewertung veranlassen müssen. Die Piloten fragten zwar sinngemäß nach, ob es sich bei allen in der Nähe der Tanklastwagen befindlichen Personen um Aufständische handele. Der Mitteilung aus der Kommandozentrale, es lägen Informationen vor, dass nur Aufständische vor Ort seien, widersprachen sie aber nicht. Soweit die Piloten die Möglichkeit von Tiefflügen zur Vertreibung anwesender Personen („show of force“) aufzeigten, erfolgte dies ausdrücklich zur Darlegung von Handlungsoptionen des militärischen Befehlshabers.
Gegen die heute verkündete Entscheidung können die Kläger innerhalb eines Monats ab Zustellung des schriftlichen Urteils Berufung einlegen. Das Rechtsmittel ist unmittelbar beim Oberlandesgericht Köln anzubringen. Die Pressestelle des Landgerichts erhält hiervon frühestens Kenntnis, wenn das Oberlandesgericht Köln die Verfahrensakten hier anfordert.
Das Urteil wird nach erfolgter Zustellung an die Parteien und einer Anonymisierung von Personendaten auf der Internetseite www.nrwe.de im Volltext kostenlos abrufbar sein.
Wegen der übrigen Darstellung der Parteien sowie der Prozessgeschichte verweise ich auf die Pressemitteilungen Nr. 1, 4, 6, 12 und 20/2013, die Sie auf der Internet-Seite des Landgerichts Bonn kostenlos einsehen können.
Damit ist (vorerst) das letzte juristische Vorgehen gegen Kleins damalige Entscheidung beendet. Ob es zu weiteren juristischen Schritten kommt, ist mir allerdings bislang noch nicht klar – gegen das Urteil ist ja Berufung möglich.
Nachtrag 1: Die Kläger haben Berufung angekündigt.
Nachtrag 2: Fürs Archiv: Thomas Ruttig vom Afghanistan Analysts Network zu der Bonner Entscheidung.
(Foto: Oberst Georg Klein im Sommer 2009 in Kundus – Screenshot aus einem Al Jazeera-Bericht)
wieso kam es überhaupt zu einem schadensersatzprozess vor einem deutschen gericht mit afghanischen antragsstellern? wurde nicht erst kürzlich im distomo prozess festgestellt, dass aufgrund der staatenimmunität individualansprüche gegen staaten weiterhin ausgeschlossen sind?
anyone?
Hallo wacaffe,
ohne den Distomo Prozess zu kennen, aber war es nicht so dass der damalige Oberst angeklagt wurde? Die Bundesrepublik hätte sich aber sein Verschulden anrechnen lassen müssen und den Schadensersatz leisten müssen.
@ werferfehler
distomo.einfach googlen ging um sühnemaßnahmen der wehrmacht in griechenland+ schadensersatz. grundsatzurteil zur fortgeltung der staatenimmunität
der von ihnen geschilderte verfahrensweg wäre dann ja eine umgehung der staatenimmunität.
spätestens auf der zurechnungsstufe Klein/Bundesrepublik müsste diese jedoch wieder greifen.
Soll Oberst Klein nicht gegen die ROE verstossen haben?
Wenn ja?
Wie wäre zu bewerten bzw. war es legitim?
@wacaffe
Mich wundert auch warum dieser Prozess überhaupt zugelassen wurde. Aus der Perspektive del Völkerrechts gilt meiner Kenntniss nach folgendes:
Privatpersonen können nicht Völkerrechtssubjekte verklagen:
– Siehe Art. 43 Abs. 1 IGH-Statut.
– Präambel des Rom Statut des IStGH bzw. Art 25 Abs. 1
MfG
@ thoDan
die rechtsqualität von roe erschöpft sich vermutlich im innenverhältnis Dienstherr/Soldat.
Das Landgericht ist scheinbar von ausgegangen das nur ein völkerrechtliches Delikt zu zivilrechtlichen Ansprüchen führen kann.
„Mit seiner Anordnung zum Bombenabwurf habe er nicht schuldhaft gegen Normen des Völkerrechts zum Schutz der Zivilbevölkerung verstoßen.“
wacaffe | 11. Dezember 2013 – 16:06
Weil Deutsche Anwälte extra hin gereist sind um Aufträge zu holen
Da ist was verdient
@ mrk
ja eben. diesen widerspruch hat mir noch keiner erklären können. müsste ja in der langfassung des urteils thematisiert werden.
@alarich
deutschen anwälten steht es frei auf der suche nach mandanten durch die welt zu vagabundieren. die zulässigkeit ist jedoch sache des deutschen gerichts und dieses hätte nach meinem verständnis a priori ein zulässigkeit mit verweis auf die staatenimmunität ablehnen müssen.
Analog hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Varvarin
Nachtrag, nicht uninteressant (3. Abs.):
http://de.wikipedia.org/wiki/Sanja_Milenkovi%C4%87
Hmmm… Gerade das Beispiel Distomo (die Bezeichnung „Sühnemaßnahme“ – eine Bezeichnung, mit der die Täter nach dem Krieg ihre Schuld verschleiern wollten – sollte man m.A.n. tunlichst vermeiden und lieber den korrekten Terminus „Kriegsverbrechen“ verwenden) und dessen juristische Aufarbeitung zeigen m.A.n., dass es immer noch gravierende Mängel dabei gibt, während Kampfhandlungen begangenes Unrecht an Zivilisten wiedergutzumachen. Im Endeffekt bleiben die Opfer (bzw. deren Hinterbliebene) auf dem Schaden sitzen, den die Streitkräfte einer fremden Macht ihnen unrechtmäßig zugefügt haben. Das mag rechtlich so begründbar sein, ein Ruhmesblatt ist es keineswegs. Sich als Bundesrepublik (bzw. deren Justiz) dann darauf nicht einfach zurückzuziehen und die Klage hier zuzulassen, halte ich daher erst einmal für keine schlechte Wahl.
Ziemlich problematisch finde ich hingegen diese Stelle der Urteilsbegründung:
„(…)Auch aufgrund des Bewegungsmusters habe sich dem damaligen Oberst die Anwesenheit von Zivilisten nicht aufdrängen müssen. Die Kammer stützt sich bei ihrer Bewertung auch auf die Aussagen eines von ihr gehörten Sachverständigen für afghanische Landeskunde. Der gerichtliche Gutachter hatte mitgeteilt, dass zu den Taliban auch Personen zu zählen seien, die nur über eine geringfügige oder gar keine militärische Ausbildung verfügten. Die Kammer geht davon aus, dass von solchen Kämpfern keine Verhaltensweisen und Bewegungsmuster zu erwarten sind, die einer üblichen militärischen Ausbildung entsprechen.“
Herrlich, das ist mal wieder Völkerrecht by Drone-Warriors hier in den Kommentaren. Wenn Sie in Italien oder Frankreich unverschuldet von einem Polizeiauto angefahren werden, verbietet Ihnen dann auch das IGH-Statut eine Schadensersatzklage?
Es geht um eine gewöhnliche Amtshaftung nach 839 BGB, 34 GG. Die Staatenimmunität schließt die Klage vor einem ausländischen Gericht aus.
„Auch aufgrund des Bewegungsmusters habe sich dem damaligen Oberst die Anwesenheit von Zivilisten nicht aufdrängen müssen.“
Richtig
„Der gerichtliche Gutachter hatte mitgeteilt, dass zu den Taliban auch Personen zu zählen seien, die nur über eine geringfügige oder gar keine militärische Ausbildung verfügten. Die Kammer geht davon aus, dass von solchen Kämpfern keine Verhaltensweisen und Bewegungsmuster zu erwarten sind, die einer üblichen militärischen Ausbildung entsprechen.”“
Das ist für ein deutsches Gericht in der Tat eine sehr erstaunliche und realitätsnahe Erkenntnis, die man der Führung der Bundeswehr (zivil und militärisch) auch wünschen würde. Das hätte ich von einem Zivilgericht (vor allem in DE) nun wirklich nicht erwartet. Man kann dem Gericht hier nur gratulieren. Was daran bedenklich sein soll, erschließt sich mir nicht. Vielleicht fehlt mir aber auch die gut-gut-gut-gut-gutmenschliche Perspektive.
@ADLAS-Doe | 11. Dezember 2013 – 17:58
Mit der von Ihnen zitierten Passage wird der angemahnte Schutz von Zivilisten zur Makulatur, denn ich kann mit dieser Begründung fast jeden über 12 Jahre den Taliban zuzählen, weil sich diese nicht an die Haager Landkriegsordnung halten. War is hell, und wenn ich als Zivilist dazwischen gerade und theoretisch eine Waffe halten könnte, habe ich halt Pech. Mitgefangen, mitgehangen. Eine erstaunliche Begründung.
@autostaedterin
„…wird der angemahnte Schutz von Zivilisten zur Makulatur, denn ich kann mit dieser Begründung fast jeden über 12 Jahre den Taliban zuzählen, weil sich diese nicht an die Haager Landkriegsordnung halten…und wenn ich als Zivilist dazwischen gerade und theoretisch eine Waffe halten könnte, habe ich halt Pech. “
Diese Äußerung ist unlogisch, denn wenn der erste Teil der Aussage zutrifft, ist die genannte Person eben kein Zivilist mehr, sondern ein legitimes militärisches Ziel. Man muß übrigens keine Waffe in der Hand halten, um ein solches Ziel darzustellen.Ich habe die Nummer der entsprechenden ISAF-ROE nicht mehr im Kopf, aber dort ist ganz klar definiert, dass Angriffe auf Nachschub von ISAF militärisches Handeln gegen die Urheber legitimieren, und entsprechend wurden die Ziele auf der Sandbank dann ja auch im Einklang mit dem Humanitären Völkerrecht behandelt.
Die Angreifer waren aber nicht nur legitime militärische Ziele, sondern auch mutmaßliche Straftäter nach afghanischem Recht. Sollte es sich bei den Klägern um Überlebende des Luftangriffs gehandelt haben, hätte man die Gelegenheit nutzen sollen, sie festzusetzen und zuverlässigen afghanischen Stellen zur weiteren Behandlung zu übergeben. Falls diese Chance hier vergeben wurde, wären schwere Vorwürfe gegen die verantwortlichen Stellen ob dieser Nachlässigkeit gerechtfertigt.
@Westfale
Nice try. Die Gleichsetzung von Überlebenden mit Angreifern kommt jetzt wo her?
@Westfale | 11. Dezember 2013 – 18:48
Der Tenor der Begründung ist doch, dass es für Oberst Klein unmöglich war, aus erster Hand mit Sicherheit festzustellen, wie viele Zivilisten, die sich maximal des Diebstahl sschuldig gemacht haben, vor Ort waren. Und das man ihm das nicht als fahrlässig vorwerfen kann.
@T. Wiegold
Die Personen um die Tanklaster waren nach dem Ihnen sicherlich auch bekannten Stand der Auswertung des Vorfalls entweder Aufständische oder Personen, die die Aufständischen unterstützten, etwa indem sie die Tanklaster teilweise entluden, damit sie durch die Furt kommen. Solche Unterstützung qualifiziert nicht nur zur militärischen Bekämpfung (und zwar als direktes Ziel, nicht nur als Kollateralschaden), sondern stellt auch nach afghanischem Recht eine mutmassliche Straftat dar. Hier sollte zudem ein besonderes öffentliches Interesse der Bundesrepublik vorliegen, weshalb eine Übergabe der mutmasslichen Angreifer an afghanische Stellen (natürlich nachdem diese ein Papier unterzeichnen indem sie die Einhaltung der Menschenrechte etc. zusichern) angemessen gewesen wäre. Ein Jurist müsste prüfen, inwiefern diese Unterlassung ggf. einen Verstoß gegen den § 258 StGB darstellt.
Ebenfalls sollte geprüft werden, ob ggf. gegen andere Gesetze verstoßen wurde, etwa durch Leistungen, die der mutmaßlich gewerblich handelnde Anwalt der Kläger in Afghanistan seitens der Bundeswehr mutmaßlich unentgeltlich in Anspruch genommen hat. Die Bundeswehr hat solche Unterstützung zumindest bislang nicht dementiert. Die Bundeswehr hat ja zugegeben, dem Anwalt und seiner Mannschaft zumindest 2009 bei seinen Besuchen in Afghanistan u.a. militärische Sicherung und Transport zur Verfügung gestellt zu haben. Als Bürger würde mich nun interessieren, was ihm dafür berechnet wurde, und falls dies nicht geschah, auf welcher Rechtsgrundlage dies passierte.
Es kann schliesslich nicht angehen, dass der nun mehrfach bestätigt unschuldige Oberst Klein über Jahre mit offensichtlich unbegründeten Klagen überzogen werden kann, während die Regelungen des Rechtstaat gegenüber diejenigen, die dies zu verantworten haben, offenbar nur unzureichend angewendet werden.
Sorry
Wenn ich wo hin geht wo zu Kämpfe oder zu rechnen kann das hier eine Vergeltung Aktion kommen kann, bin ich selber schuld.
Das heißt ich möchte ein neues Auto dann stell ich das zum 1ten Mai in Berlin Kreutz Berg auf, und verklage BRD zu einem Neuen Auto ( Schadenersatz )
Dann würde Berlin Wahrscheinlich Zugeparkt von ganz Deutschland
Und die Frage konnte mir nie beantwortet werden wie man weiß dass in der Nacht ein LKW steht, da muss doch ein Tipp von den Taliban gegangen sein
Und warum nach den vielen Zivilsten, warum gingen zu der Zeit die Anschläge zurück bis neuen Ausgebildet wurden wieder zu nahmen
Und wo erkennt man eine Taliban von dem Dorf von ein einem Bauern in dem Dorf
Taliban ist nicht Taliban, es gibt sogenate Auftrag Söldner Tags sind die Bauern und Nacht s legen die IED,
@Westfale | 11. Dezember 2013 – 19:12
Welche Chance hätte man denn da als ziviler Nachbar, einer freundlichen Aufforderung der Taliban (bekräftigt mit einer Kalaschnikow) , mitzuhelfen, entgehen zu können? Hilfe unter Zwang ist keine Unterstützung, die einen automatisch zum legitimen Ziel macht.
@ Westfale
„Die Personen um die Tanklaster waren nach dem Ihnen sicherlich auch bekannten Stand der Auswertung des Vorfalls entweder Aufständische oder Personen, die die Aufständischen unterstützten, etwa indem sie die Tanklaster teilweise entluden, damit sie durch die Furt kommen.“
Falsch. Die Intention der vor Ort handelnden ist genauso ungeklärt, wie die Frage ob sie unter Zwang handelten. Tatsächlich ist nichtmal die genaue Zahl bekannt. Vermutlich dürften diverse einfache Treibstoffdiebe gewesen sein. Daraus einen Angriff auf die ISAF-Nachschublinien zu konstruieren ist lächerlich. (Der hat zu diesem Zeitpunkt bereits stattgefunden. Nebenbei ohne dass die Bundeswehr je die Notwendigkeit gesehen hätte ihre Nachschubwege zu sichern – trifft ja nur Afghanen.) Mit der gleichen Logik können sie auch gleich anfangen Landärzte hinzurichten.
Tatsächlich geht ihre Argumentation ja noch weiter: Wer nicht als offensichtlicher Kämpfer erkennbar ist, darf als möglicher Aufständischer bekämpft werden. Damit gäbe es dann, wie Autostädterin ja anmerkt, per Definition keine Zivilisten mehr.
Und nach afghanischem Gesetz begangene Straftaten sind für die Bundeswehr irrelevant. Es gibt keine Verpflichtung zur Amtshilfe. Und, mit Verlaub, die Bundeswehr hat es bisher immer unterlassen auch nur in Ansätzen aktiv zu werden. Dieser Zweig ihrer Argumentation läuft schlicht ins Leere. (Ganz davon ab, dass §258 StGB auf die ganze Situation sowas von nicht anwendbar ist.)
@ all
Kleine Kaufempfehlung zur Weihnachtszeit: Dieses Jahr ist „War Comes to Garmser: Thirty Years of Conflict on the Afghan Frontier“ von Carter Malkasian rausgekommen. Das soll sehr sehr gut sein. Etwas mehr Realitätsnähe würde einigen hier gut tun.
@westfale, Alarich & xyz: Bei der Begründung musste ich instinktiv an folgende Szene aus „Full Metal Jacket“ denken: http://www.youtube.com/watch?v=S06nIz4scvI
Kommt mir irgendwie falsch vor. Aber gut, ich ertappe mich auch ab und an dabei – nur so zu Testzwecken – auch mal die „gut-gut-gut-gut-gutmenschliche Perspektive“ einzunehmen…
@autostaedterin
Militärische Bekämpfung stellt keine Strafe für unmoralisches Verhalten dar. Das Kriterium für Legitimität der Bekämpfung ist (stark vereinfacht ausgedrückt), ob und wie die Bekämpfung militärische Wirkung auf einen Gegner erzielt. Eine ursprünglich zivil genutzte Brücke ist z.B. dann ein legitimes Ziel, wenn Nachschub darüber fahren kann, und auch ein zum Einsatz gezwungener Kämpfer ist ein legitimes Ziel, wenn der Gegner durch seine Bekämpfung einen Kämpfer weniger zur Verfügung hat. Geschützt ist hingegen jemand, der sich nicht am Geschehen beteiligt, wobei die Teilnahme an Kampfhandlungen nicht bedeuten muß, das jemand eine Waffe in die Hand nimmt. Auch ein Rüstungswerk, in dem Arbeiter tätig sind die nicht Soldaten sind, ist in bewaffneten Konflikten etwa potentiell ein legitimes Ziel.
@J.R.
Der damals zuständige Rechtsberater hat den Vorfall als laufenden Angriff gegen ISAF eingestuft und u.a. auf ISAF-ROE zum Thema „Angriff auf Nachschub“ verwiesen. Die Information ist offen, weil das Dokument irgendwann von Wikikeaks veröffentlicht worden ist, aber das ist ja auch nur einer von vielen Aspekten, und die Annahme eines möglichen Einsatzes als VBIED war zu dem Zeitpunkt ja auch nicht unplausibel.
„Mit der gleichen Logik können sie auch gleich anfangen Landärzte hinzurichten.“
Solange diese sich auf sanitätsdienstliche Versorgung Verwundeter beschränken, genießen sie besonderen Schutz. Die Personen, über die wir hier jeden, waren aber nach keiner mir bekannten Darstellung der Vorfälle Sanitäter.
@ADLAS-Doe
“ Aber gut, ich ertappe mich auch ab und an dabei – nur so zu Testzwecken – auch mal die “gut-gut-gut-gut-gutmenschliche Perspektive” einzunehmen…“
Als ob es an dieser in Deutschland mangeln würde.
ich finde es absurd wenn man seine pflicht erfüllt und sich am ende mit gerichten rumstreiten soll,der mann hat nichts falsch gemacht…solche diskusionen würde es beim amerikaner garnicht geben.
@westfale „Als ob es an dieser in Deutschland mangeln würde.“ – auf die Gesamtbevölkerung bezogen vermutlich nicht, in der (recht überschaubaren) deutschen SiPol-Community hingegen manchmal – zumindest gefühlt – schon…
Westfale | 11. Dezember 2013 – 20:01:
Ebenso ist die Information offen und politisch in aller Breite aufgearbeitet, dass die durchgestochene Ersteinschätzung auf falschen Annahmen beruhte und rückblickend nicht haltbar ist.
Das Urteil des LG Bonn ist Konsequenz daraus, dass Oberst Klein, der maßgebliche Beamte im haftungsrechtlichen Sinne, die tatsächliche Lage, die aller Wahrscheinlichkeit den Angriff nicht gerechtfertigt hätte, nicht pflichtwidrig verkannte sondern von einer rechtfertigenden Lage ausgehen durfte. Das ist aus meiner Sicht ein sehr überzeugendes Ergebnis, aber noch kein Anlass die Irrtümer von Vorgestern als Tatsachen zu begreifen.
@ Westfale
Sehen sie, da gehen die Interpretationen schon auseinander. Um aus einem festgefahrenen Tanklaster eine direkte Kampfhandlung zu konstruieren muss man sich schon weit aus dem Fenster lehnen. Und das wird durch das unplausible VBIED-Argument nicht besser.
Rechtlich gesehen braucht’s das nicht. Da reichen ein paar bewaffnete Aufständische als militärisches Ziel aus, und gegen Kollateralschäden sagt das Kriegsvölkerrecht nichts. Tatsächlich reicht es für die Straffreiheit aus, glaubhaft machen zu können, dass man den Eindruck hatte, dass dort Feinde gewesen waren. Das bezweifelt in diesem Fall kaum wer, und damit ist Oberst Klein juristisch aus dem Schneider. So einfach.
In der Praxis kommt man damit sogar straffrei durch, wenn man ziellos Mörser in Dörfer reinfeuert. Siehe etwa den polnischen Nangar Khel-Zwischenfall. Das kaltblütige Töten von Zivilisten ist halt verdammt schwer nachzuweisen.
(Und auch das „Die Verwundeten und Kranken werden geborgen und gepflegt“ wurde von der Bundeswehr ja trotz anderslautender ROE ignoriert. Ohne Konsequenzen.)
Nebenbei: Den besonderen Schutz genießen bei einer der Konfliktparteien registrierte Sanitäter, die sich entsprechend kennzeichnen und ausweisen. Für alle anderen gilt der Schutz, der für alle nicht an direkten Kampfhandlungen Beteiligte gilt.
Und der ist kriegsvölkerrechtlich praktisch nichts mehr wert wenn ein militärisches Ziel in der Nähe ist.
Tatsächlich können Staaten ganz normal strafrechtlich das Versorgen von Aufständischen als Terrorismus-Unterstützung unter Strafe stellen. Unter den Russen in Afghanistan wurde das zum Beispel mit dem Tod bestraft.
Oder man schenkt sich die rechtlichen Feinheiten, und deklariert einfach alles was den Feind stärkt zum militärischen Ziel. Besonders beliebt in der Hinsicht scheinen dann eben Ärzte, Radiosender, Kraftwerke, Richter oder Prediger. Damit ist die Nato ja auch schon bei der Bombardierung Belgrads durchgekommen. Hat außer ein paar „Gut-gut-gut-gut-gutmenschen“ schon damals niemanden interessiert.
OT: An alle Foristen, die hier mit ziemlicher Selbstverständlichkeit „Gutmensch“ im pejorativen Sinne verwenden, mal 2 Fragen:
1. Was wäre Ihrer Meinung nach denn das begriffliche Gegenstück eines „Gutmenschen“?
2. Wären Sie damit einverstanden, zukünftig als ein solches Gegenteil bezeichnet zu werden, da Sie den „Gutmenschen“ ja deutlich abzulehnen scheinen?
Gerade WEGEN der Staatenimmunität mußte die Klage vor einem deutschen Gericht erfolgen.
Der Grundsatz der Staatenimmunität besagt nämlich nicht, daß ein Staat vor allen Ansprüchen immun ist: Was wäre dann mit all den Klagen auf ALG II, den besoldungsrechtlichen Klagen von Beamten und den Klagen gegen Steuerbescheide oder auf Erteilung einer Baugenehmigung? Der Grundsatz der Staatenimmunität hat zum Inhalt, daß Staat A nicht vor dem Gericht des Staates B verklagt werden kann, weil kein Staat über einen anderen richten kann.
Die Klage in Afghanistan wäre nach diesem völkerrechtlichen Grundsatz also unzulässig gewesen.
Soweit ich es verstehe, geht es nicht um völkerrechtliche Individualansprüche. Solche sind wohl tatsächlich nicht anerkannt. Es geht um Amtshaftungsansprüche nach nationalem deutschem Recht. Die DEU Rechtsordnung scheint da grundsätzlich mehr zu gewähren, als international üblich und völkerrechtlich verpflichtend.
Ein Amtshaftungsanspruch setzt voraus, dass ein Amtsträger eine Amtspflicht verletzt hat. Das hat das LG hier offenbar verneint bzw. als nicht nachgewiesen angesehen. Amtspflichtverletzung bedeutet in dem Fall nicht, dass Zivilisten getötet wurden sondern dass der Oberst vorsätzlich oder fahrlässig etwas falsches gemacht hat. Das er nicht vorsätzlich Zivilisten bombardieren lies, dürfte unstrittig sein. Fraglich war nur, ob er hätte erkennen können und erkennen müssen, dass sich zumindest auch Zivilisten vor Ort befanden. Das hat die Beweisaufnahme offenbar nicht nachweisen können. Dabei dürfte nicht ganz unwesentlich sein, dass offenbar ein Informant mehrfach bestätigt hat, dass es sich bei der Menschenmenge ausschließlich um Taliban handelte. Die übrigen Informationen, Luftbildaufnahmen bzw, Video und die Angaben der Piloten, haben offenbar nicht zwangsläufig zu einer anderen Einschätzung führen müssen.
Auf die Tatsache, dass sich das Lagebild im Nachhinein als falsch erwiesen hat, kommt es schlicht nicht an.
Ich bin aber mal auf die schriftliche Urteilsbegründung gespannt.
@ andreas moser.
richtig,ihre definition ist aber unvollständig.
bestandteil des staatenimmunitätsprinzips ist auch, dass das handeln eines staates im auslan (hier deutschlands in afghanistan) nur vom afghanischen staat nicht aber von afghanischen individuen gerügt werden kann. (siehe distomo bzw. thomas melbers obige beispiele)
ich zitiere aus beck völkerrecht: „Zu beachten ist bei individualansprüchen gegen einen fremden staat im zusammenhang mit internationalen bewaffeten konflikten (analog nicht internationalen), dass zwischenstaatlichen entschädigungsregelungen der vorrang vor individueller rechtsdurchsetzung gebührt“
@ ops
vielleicht sollten sie das nächste mal noch mal zur lektüre greifen bevor sie derart forsche beiträge beisteuern.
@Ops
„Ebenso ist die Information offen und politisch in aller Breite aufgearbeitet, dass die durchgestochene Ersteinschätzung auf falschen Annahmen beruhte und rückblickend nicht haltbar ist.“
Und wenn es so wäre, würde es nur zeigen, dass man hinterher eben immer schlauer ist. Unter Zeitdruck und mangelnden Informationen getroffene unzutreffende Bewertungen sind aber keine Straftat, und wer sie dazu erklären will, dem werden die Soldaten zur Neige gehen.
@J.R.
„Oder man schenkt sich die rechtlichen Feinheiten, und deklariert einfach alles was den Feind stärkt zum militärischen Ziel. …Damit ist die Nato ja auch schon bei der Bombardierung Belgrads durchgekommen.
Wenn die NATO damit durchgekommen ist, war es offenbar nicht anfechtbar. Und warum sollte man den Feind auch nicht mit optimaler Wirkung bekämpfen, solange es die Regeln zulassen? Der Krieg gegen Serbien war sicherheitspolitisch genau so sinnlos wie der gegen Afghanistan, aber man hat ihn immerhin gewonnen.
@Gaius Bruxellus
„1. Was wäre Ihrer Meinung nach denn das begriffliche Gegenstück eines “Gutmenschen”?“
Je nach Standpunkt „Realist“ oder „Zyniker“.
„2. Wären Sie damit einverstanden, zukünftig als ein solches Gegenteil bezeichnet zu werden, da Sie den “Gutmenschen” ja deutlich abzulehnen scheinen?“
Ich habe mir schon ganz andere Bezeichnungen anhören müssen.
@Westfale
„Wenn die NATO damit durchgekommen ist, war es offenbar nicht anfechtbar.“
Oder es ist dem Sicherheitsrat einfach nicht möglich, gegen den Willen einer Vetomacht einen Internationalen Strafgerichtshof einzusetzen. Das würde ich dann aber unter „Politik“ verbuchen. ;)
„Und warum sollte man den Feind auch nicht mit optimaler Wirkung bekämpfen, solange es die Regeln zulassen?“
Weil es in sehr vielen Fällen militärstrategisch, politisch und moralisch falsch ist? Aber sowas läßt sich halt leicht schreiben, wenn die eigene Familie nicht betroffen ist. Und wenn man für die militärischen und politischen Konsequenzen von verfehltem Verhalten nicht gradestehen muss.
@wacaffe
Mir ging es um Legitimität, nicht Legalität.
@ Gaius Bruxellus | 11. Dezember 2013 – 21:47 :
zu 1: Realist.
zu 2: ich bitte darum.
@westfale und lollo
Ich glaube, Sie sind sprachlich etwas ungenau: „Realist“ hat als Gegenstück soweit ich informiert bin bereits den „Idealisten“. Dem „Gutmensch“ als moderne Wortschöpfung sollte als exaktes Gegenstück der „Schlechtmensch“ gegenüber gestellt werden.
Himmelherrgott, ich halte es für ebenso falsch, sich in ultra-pazifistischen Wolkenkuckucksheimen einzuschließen oder die Welt idealistisch-verklärt durch die rosarote Brille betrachten zu wollen. Ich mag nur die sprachlich verdrehte Worterfindung des „Gutmenschen“ nicht, weil sie implizit unterstellt, dass jeder Mensch mit guten Absichten sich automatisch auf dem Holzweg befindet; als ob es keine moralischen Werte gäbe, an denen sich Handeln orientieren sollte; als ob es ein natürliches Recht gäbe, zu tun und zu lassen, was man will, koste es was es wolle. Dahinter steckt ein Rückfall hinter zahlreiche Errungenschaften abendländischer Kulturgeschichte.
Die Bezeichnung der hier auftretenden Sessel-Rambos als „Realisten“ wäre dann wohl doch ein wenig arg verquer.
Vielleicht sollte man vorher vielleicht mal das Gegenteil von „Wirkung“ definieren. „Schaden“? Den genau so wird die Aktion von Leuten, die vor Ort mit den Folgen leben mussten, eingeschätzt.
Die Argumentation, wie bei so ziemlich allen Diskussionen zum Thema, bewegt sich mal wieder auf dem Niveau, dass es ja auch vollkommen legal wäre, bei Nacht einen Checkpoint einzurichten, der nicht von einem illegalen Checkpoint der Aufständischen/Kriminellen/Taliban zu unterscheiden ist. (Und wenn ein Auto dann nicht anhält kann man sich begründet bedroht fühlen, und kommt damit vor jedem Gericht durch.) Trotzdem ist es handwerklich schlecht, und der dadurch entstehende Schaden eben beträchtlich.
Aber teils wird hier ja auf eine Art kategorisiert, nach der auch einsatzerfahrene U.S. Marines die “gut-gut-gut-gut-gutmenschliche Perspektive” einnehmen. Alles Pazifisten? Sollte vielleicht zu denken geben. Zum Beispiel ob an „First do no harm“ vielleicht doch was dran ist, oder ob auch die Bundeswehr von den Lessons Learned der anderen Streitkräfte was lernen könnte?
am morgen danach lohnt ein blick in die medienlandschaft!
wo kommentiert denn das primat der politik das urteil? gar nicht. der ibuk ist vorsichtshalber in afg, ansonsten „nur“ die klassischen oppositionsgrößen…
ein soldat in verantwortung im einsatz kann einem schon leid tun – am ende allein auf weiter flur.
soviel zum umgang mit soldaten durch die, die sie in den einsatz schicken…..
sagt mal esst ihr alle Steine? über was sich manche leute hier den kopf zerbrechen ist ja wahnsinn. bin nur durch zufall hier in das forum gestolpert aber fand schnell interesse!
es ist eigentlich schlimm das sich manche hier nen kopf darüber machen was der deutsche Offizier nun verkehrt gemacht haben könnte. fakt ist die taliban haben 2 STW der bundeswehr mit ca. 12000-14000 o sogar 16000 liter Diesel je STW geklaut. das die den sprit dort nie zum Rasen mähen nehmen iss wohl jedem klar. der wird dann schön in schnellkochtöpfe gefüllt, noch n auslöser mit verbaut und damit wird dann wieder mit freundlichen grüßen dieser kuffnukken der Straßengraben oder wie man das dort nennen mag geschmückt! ja und das dort „zivilisten“ ums leben gekommen sind ist ungemein tragisch. du weißt dort nicht wann wer um welche uhrzeit taliban ist oder nicht! das kann sich dort an einem individuum mehrmals am tag ändern. trauen kannst du dort keinem vom dem pack!
ich weiß von was ich rede denn ich hatte zweimal das vergnügen als bw-soldat in dieser scheiße dort zu sein!
es ist beschähmend wie wahrscheinlich die mehrheit der bundesbürger hinter den eigenen soldaten steht!
ich wünsche den ganz schlauen von hier mal einen tag als deutscher soldat mit verantwortung in kunduz o. mazar e sharif!
@Weihnachtsmann in Uniform
Bei aller Emörung auf Ihrer Seite: Wäre nett, wenn wir hier nicht in den Ton verfallen. Den Schaum vor dem Mund kann die andere Seite auch bieten – wenn Sie von Kuffnucken reden, dann leben Sie auch damit, dass Sie als NATO-Killer und Babymörder bezeichnet werden. Und genau diese Art von Auseinandersetzung will ich hier nicht.
(Mal abgesehen davon, dass es auch tatsächlich ein bisschen verkürzt ist, wie Sie’s darstellen – es gibt in afghanischen Dörfern durchaus Menschen, die Brenstoff aller Art zum Überleben gut gebrauchen können, ohne das Zeug in IED abzufüllen, für die Diesel übrigens recht selten verwendet wird.)
@ Gaius Bruxellus | 12. Dezember 2013 – 7:00
Ich sehe eher die Reihung „Gutmensch = extreme Ausprägung einerseits“, dann „Realist = mit Augenmaß in der Mitte der Realität stehend“ und dann „Schlechtmensch (wenn Sie den Begriff so haben wollen…) = extreme Ausprägung andererseits“.
Gute Absichten sind nichts verwerfliches, aber man kann es m.E. nicht jedem auf der Welt Recht machen, daher meine Einlassung als Realist.
Ich sehe auch kein logische Folge darin, dass, wenn jemand sich nicht als Gutmensch bezeichnen will, er ein schlechter Mensch / Schlechtmensch, oder vielleicht Unmensch sein muss.
Ich hoff doch mal, dass dieser „Weihnachtsmann“ hier nur ein einmaliges Auftreten hatte …
Yep. Einmal im Jahr sollte reichen. Das mit dem Diesel für die IED ist natürlich doof ohne Dünger.
Deswegen ist es ja besonders gefährlich, wenn Bauern Diesel klauen. ;-)
Liebe Community,
da die Diskussion über die Staatenimmunität in diesem Beitrag etwas wirr geführt wird, möchte ich gern ein paar Dinge dazu richtig stellen.
Zuerst ist festzuhalten, dass zwischen der Immunität von STAATEN und PERSONEN strikt zu unterscheiden ist.
Die Immunität von STAATEN entstammt aus der Idee, dass Staaten nicht über sich gegenseitig zu Gericht setzen sollten und die Handlungen eines anderen Staates nicht zu bewerten haben. Sie gilt immer, außer ein Staat verzichtet explizit oder konkludent, während oder vor einem Verfahren auf sie. Ein Beispiel für den vorzeitigen Verzicht ist z.B. die Europäische Menschrechtskonvention. Ein Staat kann sich nicht auf Immunität berufen, wenn ein Verfahren im Rahmen der EMRK gegen ihn anhänglich gemacht wird.
Der Distomo-Fall beschäftigt sich mit der Staatenimmunität von Deutschland. Es war Deutschland (nicht ein Individuum) welches durch die Nachkommen der Opfer von Distomo belangt werden sollten. Die Kläger versuchten einen nicht rechtmäßig erworbenen Titel in Italien gegen die BRD vollstrecken zu lassen. Daraufhin klagte Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) auf Anerkennung seiner Staatenimmunität. Der Gerichtshof stimmte Deutschland zu (http://watchingthelaw.blogspot.se/2012/02/international-court-of-justice-germany.html). Dies hat jedoch NICHTS mit der Frage zu tun, ob Individuen verklagt werden können! Der Distomo-Fall ist für unsere Diskussion nicht relevant.
Für PERSONEN gibt es auch Immunitäten, welche verschiedene Begründungen haben. Üblicherweise haben folgende Personen Immunitäten:
– Staatsoberhäupter, Außenminister
– Diplomaten, (Konsularbeamte)
– Bestimmte Mitarbeiter von Internationalen Organisation (UN, Europarat, …)
Der Umfang der Immunitäten für Personen (Wann, Wo, Gegen Wen, Welche Ausnahmen) ist sehr unterschiedlich und hängt von der Situation ab. Ich werde das hier jetzt nicht im Detail darlegen. Falls die Frage aufkommt, könnte ich jedoch die Diskussion zum Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) nachreichen.
Wie euch schon aufgefallen sein wird, habe ich Soldaten (noch) nicht erwähnt. Diese können aber auch (so etwas ähnliches wie) Immunitäten haben. Dies ist z.B. der Fall wenn Staaten untereinander vereinbaren, dass ihre Soldaten in dem anderen Land Immunitäten besitzen sollen. Dies ist häufig Bestandteil der Status of Force Agreements (SOFAs). (Eine andere Möglichkeit Immunität zu erhalten könnte sich durch Resolutionen des Sicherheitsrates ergeben oder durch die Verwendung im Rahmen von UN-geführten Einsätzen (Soldat = Verwendung als „UN-Organ“ Partizipation an der Immunität der UN).)
Diese ist auch der Grund, warum die Afghanen nicht vor einem afghanischen Gericht Brigadegeneral Klein verklagen können. Diese Art von Immunität hat jedoch nichts mit der Staatenimmunität von Deutschland zu tun (@Andreas Moser).
Der Gang vor ein deutsches Gericht ist jedoch national und völkerrechtlich unproblematisch. Er ist sogar konsequent, da Deutschland in jedem Fall für seine Truppen im Ausland die Gerichtsbefugnis behält.
Nun ein paar Worte ZUR SACHE.
Das Völkerrecht dient hier als Rahmen für die rechtliche Bewertung der Handlungen von Brigadegeneral Klein, da es vorschreibt, welche Handlungen für Soldaten illegal sind und für welche sie belangt werden können. Die deutschen Gesetze setzen diese dann noch um (ich vereinfache jetzt stark).
Die Bekämpfung von rechtmäßigen Zielen (normalerweise Kombattanten) ist ausdrücklich im Völkerrecht erlaubt. Dabei müssen jedoch Regeln eingehalten werden. Zum Beispiel: Es ist zu prüfen, um was für ein Ziel es sich handelt (Zivilisten dürfen nicht das Ziel sein, Art. 51 (2) Zusatzprotokoll I zu den Genferkonventionen (ZPI). An dieser Stelle möchte ich auch ausdrücklich @J.R.
(„Rechtlich gesehen braucht’s das nicht. Da reichen ein paar bewaffnete Aufständische als militärisches Ziel aus, und gegen Kollateralschäden sagt das Kriegsvölkerrecht nichts. „)
widersprechen, dass das humanitäre Völkerrecht keine Regeln über den Umgang mit Kollateralschäden besitzt. Art. 57 ZP I beschreibt ausdrücklich welche Vorsichtsmaßnahmen bei Angriffen zu treffen sind. Ich zitiere in Auszügen:
1. In the conduct of military operations, constant care shall be taken to spare the civilian population, civilians and civilian objects.
2. With respect to attacks, the following precautions shall be taken:
(i) do everything feasible to verify that the objectives to be attacked are neither civilians nor civilian objects […]
(ii) take all feasible precautions in the choice of means and methods of attack with a view to avoiding, and in any event to minimizing, incidental loss of civilian life, injury to civilians and damage to civilian objects;
(iii) refrain from deciding to launch any attack which may be expected to cause incidental loss of civilian life, injury to civilians, damage to civilian objects, or a combination thereof, which would be excessive in relation to the concrete and direct military advantage anticipated;
[…]
(Einschub: Ich möchte jetzt keine Diskussion über die Anwendung von ZPI vom Zaun brechen. Ich könnte die Regeln auch mit der Haager Landkriegsordnung, den Genfer Konventionen oder dem Gewohnheitsrecht begründen)
Ich werde jetzt nicht die Sache weiterbewerten. Was jedoch aus dem Urteil ersichtlich wird, ist dass das Gericht die Verworrenheit der heutigen Einsätze anerkennt. Es wird (gerade wenn eine Partei nicht das humanitäre Völkerrecht achtet) immer schwer zwischen den Akteuren zu unterscheiden, welche bekämpft werden dürfen und welche nicht. Ob diese Diskussion zielführend ist debattieren wir ja hier schon zur genüge. (Anmerkung: Ich meide hier die Begriffe Zivilist und Kombattant, da man bei einigen „Kämpfern“ diskutieren könnte, ob sie nicht laut dem Völkerrecht als Zivilisten zu bewerten sind, welche illegal an Kampfhandlungen teilnehmen und als solche bekämpft werden dürfen (Art. 51 (3) ZPI) und ggfs. für ihre Teilnahme an den Kampfhandlungen im Falle der Gefangenschaften vor Gericht gestellt werden könnten.)
Beste Grüße
Ein (normalerweise) stiller Mitleser
PS: Sorry für die Formatierung. Ich habe noch nicht wirklich rausgefunden, wie das in diesem Blog geht. Die Texte zum ZPI gibts auf der Seite von IKRK http://www.icrc.org
Danke!! Eine sachlich Darstellung. Auch ein Soldat im Einsatz unterliegt rechtlichen Auflagen, es ist zu einfach sich mit „der hat als Oberst schon richtig gehandelt, wo kommen wir denn hin, wenn alles was befohlen wird auch noch durch Gerichte überprüft wird“ des ganzen zu entziehen.
Ich habs schon mehrfach geschrieben, wir weigern uns offensichtlich auf allen Ebenen strikt gegen ein nüchternes Lessons Identified / Lessons Learned, aber das ist ja nicht nur in diesem Fall so. Könnte ja möglich sein, dass man Konsequenzen ziehen müsste, und das ist doch sowas von unangenehm.
@ Karsten
Danke für Ihre ausführliche Darstellung. Das meiste davon (insbesondere Ihre Einlassung zum Einhalten von Regeln bei der Bekämpfung rechtmäßiger Ziele) kann ich nachvollziehen.
An einer – freilich nicht unwesentlichen – Stelle möchte ich Ihnen allerdings nicht folgen: Sie argumentieren sinngemäß, es gehe im hier anhängigen Fall gar nicht um die Frage, ob Staatenimmunität greift oder nicht. Die Klage gegen BG Klein müsse vielmehr wegen seiner als Soldat in Afghanistan gewährten Immunität vor einem deutschen Gericht erfolgen.
Hier zögere ich aber bei einer Zustimmung. Denn wenn ich es richtig sehe, ist vor dem Landgericht Bonn die Bundesrepublik Deutschland verklagt, und nicht BG Klein als Person. Dass dabei die Rechtmäßigkeit seines Handelns (als deutscher Soldat und damit quasi in Vertretung Deutschlands) im Mittelpunkt einer Würdigung stehen muss, versteht sich von selbst.
Das Ergebnis ist gleich: Staatenimmunität greift hier nicht. Nur die Begründung lautet anders: Weil die Klage vor einem deutschen (und nicht etwa afghanischen) Gericht erfolgt.
Oder sehe ich das als Nichtjurist zu einfach und damit falsch? Dann lasse ich mich gern belehren.
@ diba
Genau so ist es. Und jeder Soldat, der sich seiner staatsbürgerlichen Pflichten bewusst ist, weiß das auch. Allerdings schützt das nicht davor, in Grenzsituationen extrem schwierige Führungsentscheidungen unter hohem Risiko treffen zu müssen.
@KeLaBe
Mea Culpa … Sie haben natürlich Recht. Die Klage war gegen Deutschland gerichtet, welches sich vor seinen Gerichten nicht auf Immunität berufen kann. Die anderen Ausführungen zur Immuntitä der Person Klein träfen zu, wenn BG Klein Ziel der Klage gewesen wäre.
Naja, so war es ein interessante Ausführung.
Ich hätte nach dem Lesen aller Kommentare nochmal nach oben scrollen sollen ;)
Danke Ihnen für den Einwurf.
„(Und auch das “Die Verwundeten und Kranken werden geborgen und gepflegt” wurde von der Bundeswehr ja trotz anderslautender ROE ignoriert. Ohne Konsequenzen.)“
Das spricht nicht unbedingt für die Realitätsnähe der ROE. Aber in einem sicheren, klimatisierten Zimmer mit Internetanschluss in DE mag sich das für manch moralisierenden Zeitgenossen gut anhören. In der realen Welt spielt man mit dem Leben der eigenen Soldaten und setzt sie absolut vermeidbaren Risiken aus. Aber vielleicht hängt derartige Menschenfeindlichkeit (Vermeidung eigener Verluste) ja mit dem „Wehrmachts-Traditionalismus“ in der Bundeswehr zusammen? Da haben sie doch gleich was zu bloggen: „Wehrmacht/Bundeswehr lässt verwundete Taliban wegen Bedrohungslage und Eigenschutz links liegen“
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