Seltene Geschlossenheit: Bundestags-Abstimmung über Einsatz im (Süd)Sudan
Ein ntowendiger Nachtrag zur Sitzung des Bundestages am (gestrigen) Freitag: So viel Gemeinsamkeit im Parlament bei der Abstimmung über einen Einsatz der Bundeswehr im Ausland werden wir vermutlich so schnell nicht wieder sehen. Mit Ausnahme der Linkspartei (und zwei Enthaltungen bei der SPD) haben alle Parlamentarier die Beteiligung deutscher Soldaten an den UN-Einsätzen im Sudan und im Südsudan gebilligt – sowohl an der UNAMID-Mission in der sudanesischen Provinz Darfur als auch an der UNMISS-Mission im Südsudan.
Die absehbaren nächsten Mandate werden mit Sicherheit nicht so glatt durchlaufen. Ein Anzeichen dafür ist unter anderem, dass die Grünen (erfolglos) den Antrag stellten, die Bundeswehr nicht mehr an der Überwachungsoperation Active Endeavour im Mittelmeer zu beteiligen. Egal wie die künftige Regierungskoalition aussieht: Das mit den Mehrheiten für Einsatze wird schwieriger.
Kann mir mal bitte jemand erklären, was es mit den „nicht abgegebenen“ Stimmen auf sich hat. Sind diese Parlamentarier im Urlaub/KZH oder hatten sie keine Lust abzustimmen?
Erst mal heißt das nur, dass sie an der Abstimmung nicht teilgenommen haben. Ob sie (entschuldigt) gefehlt haben an dem Tag, einen anderen wichtigen Termin hatten oder taktisch geschickt zur Toilette mussten, ist aus der Liste nicht ersichtlich.
UNMISS: 22 Soldaten
UNAMID: 10 Soldaten
2h Bundestag für 30 Männekens.
@MK: es sind doch fast nie alle Parlamentarier zugegen. Ich bin sogar überrascht, dass es da so viele waren.
Andere Frage: ist irgendwo ersichtlich, mit welcher Begründung die Linke gegen die Einsätze gestimmt hat?
Taktisch geschickt zur Toilette – sehr schön umschrieben…
Aber ich frage mich, warum das mit den Einsätzen schwerer werden soll. Die SPD alleine hat ja schon mehr Abgeordnete als die ganze Opposition zusammen…
Erst, wenn bei Union und SPD ein Drittel der Abgeordneten „aufrührerisch“ dagegen stimmen würden (also ausnahmsweise mal ihrem Gewissen statt der Fraktionsdisziplin folgen würden, keine Wertung zu Bundeswehreinsetzen, da bin ich in der Regel persönlich gar nicht gegen), wäre ein Mandat langsam in Gefahr.
Auf der anderen Seite wären in der unwahrscheinlichen Situation, dass unsere Abgeordneten sich nicht der Fraktion unterwerfen, vielleicht auch „Ja“-Stimmen zumindest bei den Grünen möglich…
Oder sind die Fraktionsfürsten so gütig, bei Bundeswehrmandaten die Fraktionsdisziplin zu lockern?
@Tak
Wie hier schon geschildert, sind auch laufende Einsätze wie Atalanta zwischen Union und SPD umstritten – jedenfalls hatten die Sozialdemokraten bei der vorhergehenden Abstimmung dagegen gestimmt.
@Gramm
Die Linken haben, wenn ich das richtig sehe, bisher jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr widersprochen.
Wenn die Linke könnte, wäre Sie auch komplett gegen die Bundeswehr!
Bei denen wird, so glaube ich manchmal, auch die Dorffeuerwehr nach 30 Jahren ohne Brand abgeschafft!
@ Gramm
http://www.linksfraktion.de/themen/auslandseinsaetze-bundeswehr/
So wie ich das Statement verstehe, ist die Linke grundsätzlich gegen jegliche Entsendung von Soldaten ins Ausland. Das mit den UN-Mandaten ist mir allerdings neu. Interessant wäre auch die Frage, wie es mit rein humanitären Einsätzen oder Sicherungskontingenten für zivile Einsätze aussieht.
„DIE LINKE lehnt alle Auslandseinsätze, auch mit UN-Mandat, ab und fordert den vollständigen Abzug der Bundeswehr aus allen Einsatzgebieten“
Gramm | 29. November 2013 – 10:31
Das ergibt sich aus dem Grundsatz- und dem letzten Wahlprogramm. Die Linke ist da verlässlich und konsequent im Sinne ihrer Wähler.
Solange die Linke ihre weltfremde dogmatische Haltung nicht aufgibt, wird sie nie koalitionsfähig. Das weiß sie wohl auch. Den Luxus, in der Sicherheitspolitik grundsätzlich gegen alles zu sein, kann man sich auch nur in der Fundamentalopposition leisten (und auch da nur, anders als die Grünen, wenn man sich Scheuklappen aufsetzt). Wer sogar der Völkergemeinschaft eine Unterstützung versagt, darf auch keine Verantwortung tragen.
In einer etwaigen Großen Koalition sehe ich ähnlich wie @Tak wenig Risiken im Abstimmungsverhalten. Die jeweiligen Meinungsverschiedenheiten von Union und SPD wird man da tunlichst schon im Vorfeld thematisieren und auszuräumen versuchen. Jedenfalls kann ich mir bei diesen Fragen eine regierungsinterne Kampfabstimmung im Plenum nur schlecht vorstellen. Und bei neuen Mandaten: Im Zweifel kommt eine Sache einfach nicht auf die Tagesordnung. Erfahrung darin, wie wir uns – auch international – auf diesem Wege aus der Affäre ziehen können, haben wir ja schon.
Insbesondere der SED Anteil der Linken, hat jahrzehnte lange Erfahrung, die Streitkräfte vorwiegend im Inneren einzusetzen. Insofern ist die Haltung konsquent und läßt erahnen, auf was wir uns gefasst machen müssen, falls sie mal an die Regierung kommen.
@ KeLaBe
So weltfremd ist die Linke gar nicht. Jedenfalls in Bezug auf die Auslandseinsätze und ihrer grundlegenden Ablehnung derer. Egal ob mit oder ohne UN Mandat, sie vertritt die Interessen einer Wählergruppe und das konsequent und verlässlich.
Interessant wäre es dennoch mal die Linke an der Macht zu haben und dann zu schauen was passiert. Mutmaßen kann man viel, nur bei den Linken hat man eben ncoh gar keine Erfahrung gemacht.
Bei dem freundlichen Desinteresse gegenüber der BW, der Ablehnung des AFG Einsatzes und einem generell schwierigen Stand des Soldatentum sehen ich große Teile der Bevölkerung hier hinter den Linken ;-)
@ NMcM
Man kann auch konsequent weltfremd sein. Ist gar nicht so schwer.
Natürlich kriegt die Linke mit ihrer prinzipiellen Haltung so manche Wählerstimme. Das ist ja offenbar auch ihr klares Kalkül. Eine absolute Mehrheit erreicht sie damit aber nie und nimmer. In eine Regierungskoalition wiederum kann sie nur eintreten, wenn sie auch eine internationale (Mit-) Verantwortung zu tragen bereit ist. Und ich wette: Wenn die Verlockungen von Regierungsämtern real werden, brechen alle bisherigen Dogmen blitzschnell weg. Bis dahin muss man in sicherheitspolitischer Hinsicht die Linke aber nehmen, wie sie sich gibt: Als verantwortungsunfähig.
Koalitionsvertrag, Seite 184, Kapitel 8. „Arbeitsweise
der Koalition“. Ich zitiere mal:
Im Bundestag und in allen von ihm
beschickten Gremien stimmen die
Koalitionsfraktionen einheitlich ab.
Das gilt auch für Fragen, die nicht
Gegenstand der vereinbarten Politik
sind. Wechselnde Mehrheiten sind
ausgeschlossen.
KeLaBe | 29. November 2013 – 12:26
„Als verantwortungsunfähig.“
War es denn die Linke, die die Bundeswehr schlecht und ungeeignet ausgestattet nach AFG geschickt hat?
Also, sehr verantwortungsbewußt haben sich da mach andere Parteien auch nicht gezeigt; wenn man die Diskussionen über Ausrüstung und Versorgung der Soldaten in diesem Blog verfolgt.
Ich will die Linke nicht verteidigen; finde nur ihre o. zitierte Aussage … gewagt.
@ NMcM:
„Interessant wäre es dennoch mal die Linke an der Macht zu haben und dann zu schauen was passiert. Mutmaßen kann man viel, nur bei den Linken hat man eben ncoh gar keine Erfahrung gemacht.“
Ich möchte nicht Obst mit Gemüse vergleichen, aber hier scheint mir die Warnung vor Extremisten angebracht. Die Politik des „Schaun mer mal“ ist in Deutschland zuletzt vor 80 Jahren gründlich in die Hose gegangen. Im Übrigen empfehle ich die Lektüre der nachfolgenden SPD-Pressemitteilung. Ist zwar schon fast zwei Jahre alt, aber die Fakten stimmen bis heute.
http://www.spdfraktion.de/presse/pressemitteilungen/Linke_Solidarität_mit_Diktator_Assad_ist_zynisch
@ minenjäger.
so extrem wirds wohl net werde, auf landesebene benehmen die sich eigentlich ganz manierlich.
@ BausC
und SPD /CDU im Osten haben sich ausschließlich aus echten widerstandskämpfern rekrutiert ?
… das soll mit sicherheit keine wahlempfehlung für die linke sein, aber etwas mehr gelassenheit im umgang mit ihr würd auch net schaden. um der sache mal etwas gerechtigkeit walten zu lassen möcht ich an der stelle mal auf die vom VG unterbundenen/eingeschränkten versuche der letzten Koalitionen verweisen, die Verfassung auszuhöhlen.
@ Markus, d.Ä. :
Wenn man sich ansieht, was DIE LINKE so in den Landesparlamenten in Wiesbaden, Hannover, Bremen und Kiel veranstaltet (hat), wird das Wort „manierlich“ kaum passen. Als die Sozialdemokratin Dagmar Metzger in Hessen das Projekt „Ypsilanti“ scheitern ließ, hatte sie dafür gute Gründe. Das war 2008. DIE LINKE hat sich seitdem nicht wesentlich verändert. Weder bei der Abgrenzung zum Extremismus noch in der Frage, wie Deutschland seiner Verantwortung in der Welt gerecht wird.
@ Heiko Kamann
Doch: Falls die Linke ihr außen- und sicherheitspolitisches Dogma auch in der Realpolitik zum Maß aller Dinge macht, ist sie nolens volens verantwortungsunfähig. Denn wer könnte und dürfte sich denn in diesem Fall auf eine Koalition mit ihr einlassen? Wer kann schon mit einer Partei, die sich nicht nur aus dem westlichen Bündnis, sondern sogar aus der Solidarität innerhalb der UN verabschieden möchte (anders kann man die Weigerung, UN-Mandate a priori ignorieren zu wollen, kaum verstehen) ernsthaft eine Regierung bilden?
Verantwortungsunfähig heißt hier also, dass die Linke unter diesen Bedingungen gar keine Chance bekommt, auf Bundesebene Verantwortung zu übernehmen. Zum Glück, möchte man dann hinzufügen. Andererseits sehe ich das Dogma der Linken keineswegs so stabil. Wenn man sich mit Abgeordneten dieser Partei im kleinen vertraulichen Kreis unterhält, klingt vieles anders bis sehr viel anders.
Das alles hat übrigens überhaupt nichts mit AFG zu tun. Dass sich da keine Partei mit Ruhm bekleckert hat, wissen wir alle. Das ist aber keine Entschuldigung für weitere deutsche Sonderwege.
@ Heiko Kamann:
Das Problem der schlechten Ausrüstung / Vorbereitung für den AFG-Einsatz liegt m.E.
nicht vorrangig bei „der Politik“. M. E. hätten die Militärs die Lage beurteilen und, falls Defizite erkannt worden wären, den Mund aufmachen müssen.
@ ex-droneur
Vielen Dank für den Auszug aus dem Koalitionsvertrag.
Ich ergänze durch einen Auszug aus dem GG:
Art 38
(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
Aber mit einer Zweidrittelmehrheit lässt sich sicher dieser „old school“-Artikel (soooo analog bzw. sooooo 1949…) praxisgerecht schleifen…äh…anpassen.
@markus, d.Ä.
„@ BausC
und SPD /CDU im Osten haben sich ausschließlich aus echten widerstandskämpfern rekrutiert ? “
Nein, dass natürlich nicht. Nur darf man sie getrost als Splitterparteien und ohne die opositionellen Möglichkeiten der heutigen Linken ausgestattet sehen.
Die Macht hatte ohne jeden Zweifel die SED. Mehr wollte ich gar nicht ausdrücken.
@ ex-droneur
Nachtrag (war zum Editieren leider zu langsam):
Hm. Dürfen „die“ das überhaupt ? So einfach per „Koalitionsvertrag“ (inwieweit bzw. auf welcher juristischen Grundlage ist ein solcher überhaupt rechtens ?) das GG in einem demokratierelevanten Artikel biegen ?
Aber mit einer Zweidrittelmehrheit lässt sich sicher dieser „old school“-Artikel (soooo analog bzw. sooooo 1949…) praxisgerecht schleifen…äh…anpassen.
@ex-droneur & etienne rheindahlen
Genau dieser Abschnitt des Koalitionsvertrages ist mir auch schon aufgefallen. In den Medien wird der aber so gut wie garnicht thematisiert. Da ist der verbale Schlagabtausch zwischen Gabriel und Slomka wichtiger…
Der Absatz ist Standard in Koalitionsverträgen.
Nur dieses Mal fällt es – warum auch immer – mal auf.
Auch wenn dieser Absatz Standard ist, so heißt das dennoch nicht, dass er mit Artikel 38 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar ist.
Die Gewissensfreiheit des Abgeordneten ist zwar die verfassungsrechtliche Norm, in der politischen Praxis aber kaum wahrzunehmen. Sogenannte „Gewissensentscheidungen“, wo die Fraktionen ihren Mitgliedern persönliche Wahlfreiheit überlassen, sind eher selten (zuletzt 2011 bei der Abstimmung über Präimplantationsdiagnostik), womit eine eigentliche Norm zur Ausnahme wird.
Die „Fraktionsdisziplin“ ist zwar kein Zwang, kann aber einen erheblichen sozialen Druck ausüben. Wer ein Parteiamt anstrebt oder einfach nur bei der nächsten Wahl wieder auf die Liste will, wird sich hüten sich offen gegen seine Fraktion zu stellen.
Gibt es irgendwo im WWW eine auf aktuellen Stand gehaltene Übersicht über die Pesonalstärke der Bundeswehr in den einzelnen Auslandseinsätzen? Vielleicht sogar nach den Teilstreitkräften unterteilt? Vielen Dank für eine Antwort. Glück ab!
Hier werden Sie geholfen:
http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9pPKUVL3UzLzixNSSKiirpKoqMSMnNU-_INtREQD2RLYK/