Kabinett verlängert unstrittige Bundeswehreinsätze – Die schwierigen kommen erst noch

Deutschland hat zwar derzeit nur eine geschäftsführende Regierung, und der Bundestag ist – mangels neu eingerichteter Ausschüsse – auch nicht so recht arbeitsfähig. Das hindert (formal) aber nicht an Kabinettsbeschlüssen über Bundeswehreinsätze, die noch die Zustimmung des Parlaments brauchen – und so hat das Bundeskabinett am (heutigen) Mittwoch die Verlängerung der Mandate für zwei Missionen beschlossen:Auch künftig sollen deutsche Soldaten als UN-Militärbeobachter in der sudanesischen Unruheprovinz Darfur (UNAMID) und im Südsudan (UNMISS) tätig bleiben können. Wann und wie der Bundestag darüber beraten wird, habe ich allerdings noch nicht genau verstanden. (Nachtrag: Die erste Bundestagsberatung darüber gibt es am 28. November; am gleichen Tag soll auch ein Hauptausschuss eingesetzt werden, der die noch nicht existenten Fachausschüsse vorübergehend ersetzt – die dann über die Mandatsbeschlüsse beraten.)

Nun sind diese beiden Mandate im Sudan und im Südsudan zwar nicht ungefährlich, aber es ist de facto kein bewaffneter Einsatz, sondern in beiden Fällen eine Beobachtermission. Damit sind sowohl der Kabinettsbeschluss als auch eine Zustimmung des Bundestags mit der – absehbaren – Mehrheit von Union und SPD relativ unproblematisch.

Doch die schwierigen Entscheidungen über – laufende! – Einsätze, die schon bislang zwischen CDU/CSU einerseits und Sozialdemokraten andererseits umstritten sind, stehen erst noch bevor: Das Mandat für die Operation Active Endeavour, den NATO-Überwachungseinsatz im Mittelmeer;  die Frage, ob sich Deutschland an der Verlagerung der EU-Ausbildungsmission für somalische Soldaten (EUTM Somalia) von Uganda in die somalische Hauptstadt Mogadischu beteiligt; und die Verlängerung der Anti-Pirateriemission Atalanta.

• Operation Active Endeavour (OAE)

Es ist die letzte Beteiligung Deutschlands an einer Operation, die die NATO als Mittel der kollektiven Verteidigung gemäß Artikel 5 des Nordatlantik-Vertrags nach den Anschlägen des 11. September 2001 in den USA ausrief (nachdem die Bundeswehr ihre Beteiligung an der Operation Enduring Freedom 2010 einstellte). Die Abschreckung und die aktive Bekämpfung möglicher terroristischer Aktivitäten im Mittelmeer ist allerdings seit einiger Zeit eine reine Mission zur Beobachtung und zum Datensammeln geworden, und die Bundeswehr beteiligt sich daran relativ sparsam: Faktisch werden Active Endeavour immer nur die Marineeinheiten unterstellt, die auf dem Weg zur Einsätzen bei UNIFIL vor dem Libanon oder zu Atalanta am Horn von Afrika unterwegs sind – oder auf dem Rückweg.

Dennoch hält vor allem die Union an der deutschen Beteiligung an diesem Einsatz fest. OAE seit nötig, weil damit ein hervorragendes Lagebild für das Mittelmeer geschaffen werde und zudem die Bundeswehr ohne großen Aufwand mitmachen könne, verteidigte der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter die Mission am (gestrigen) Dienstag bei einer Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Und: Die Mission sei eine Art Mantel, den man anziehen kann, wenn die Bedingungen im Mittelmeer wieder eskalieren.

Darüber hinaus, sagte Christoph Heusgen, Sicherheitsberater der Kanzlerin, ermögliche Active Endeavour trotz des NATO-Zuschnitts eine Zusammenarbeit mit Partnern außerhalb der NATO – wenn die beteiligten Schiffe deren Häfen im Mittelmeer anliefen.

Kiesewetter räumte allerdings auch ein, das OAE ein heikles Feld sei und auch bei den Verhandlungen für einen Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD eine Rolle spiele. In der Tat – denn die Sozialdemokraten hatten bei der jüngsten Verlängerung dieses Mandats im Bundestag nicht zugestimmt. Einer ihrer Kritikpunkte ist die scheinbar endlose Fortschreibung des Bündnisfalls mehr als zehn Jahre nach 9/11.

Deshalb dürfte eine Verlängerung in einer möglichen schwarz-roten Koalition nicht so einfach durchgehen – und dafür zeichnet sich eine sehr pragmatische Lösung ab: Die Überlegungen in der Bundesregierung gehen offensichtlich in die Richtung, das Mandat so umzubauen, dass dafür keine Zustimmung des Parlaments mehr erforderlich ist. Schon jetzt, so läuft die Argumentation der Union, sei es faktisch eine nicht-exekutive Mission, die keine Billigung des Bundestages brauche. Sollte Active Endeavour dann doch exekutive Befugnisse benötigen, zum Beispiel das Anhalten und Boarden verdächtiger Schiffe, sei es immer noch früh genug, sich um ein Parlamentsmandat zu bemühen.

Das Ganze rührt natürlich an die Frage, was ein Einsatz der Bundeswehr im Sinne des Parlamentsbeteiligungsgesetzes ist – und da ist ja noch ein anderer Fall ungeklärt: Die Operation Pegasus, das Ausfliegen von Deutschen und anderen EU-Bürgern aus Libyen 2011. Nach Ansicht der Bundesregierung war es kein Einsatz, der – auch nur im Nachhinein – vom Bundestag gebilligt werden müsse, sondern sozusagen eine bewaffnete Dienstreise. Die Klage der Grünen gegen dieses Vorgehen liegt noch beim Bundesverfassungsgericht; wann es eine Verhandlung darüber geben wird, ist noch offen.

• EUTM Somalia

Die Bundeswehr beteiligt sich seit 2010 an der EU-Ausbildungsmission für somalische Soldaten – allerdings in Bihanga in Uganda, wo das Trainingscamp aus Sicherheitsgründen errichtet wurde. Inzwischen hat die EU die Verlagerung dieser Ausbildungsmission in die somalische Hauptstadt Mogadischu beschlossen, was aus deutscher Sicht ziemliche Sicherheitsprobleme bedeutet. Außerdem würde das für die bislang aus Regierungs-Sicht nicht mandatspflichtige Mission wegen der Gefährdung ein Mandat mit Zustimmung des Bundestags bedeuten (wie auch Verteidigungsminister Thomas de Maizière im Interview bei Augen geradeaus! sagte). Deshalb wird die EU wohl erst mal ihre Ausbildung in Mogadischu ohne deutsche Hilfe beginnen müssen – die Weichen in der Europäischen Union sind bereits gestellt, und Deutschland hat dafür bislang keine Soldaten zugesagt. Zwar hatte de Maizière noch im August betont: Dies ist ein erfolgreiches Mandat, an dem wir uns beteiligt haben und das werden wir dann in aller Ruhe Ende des Jahres entscheiden, da besteht auch kein Zeitdruck. Aber das Ende des Jahres ist nun schon ziemlich nahe gerückt.

• Atalanta

Auch wenn der Einsatz gegen die Piraterie am Horn von Afrika grundsätzlich im Parlament nicht umstritten ist – in der aktuellen Form kann die Union dennoch nicht auf die Zustimmung der SPD auf eine Verlängerung hoffen. Bei der letzten Abstimmung über das Mandat im Bundestag am 16. Mai dieses Jahres stimmte die SPD fast geschlossen dagegen, wie schon im Vorjahr. Grund ist die – bislang nur einmal genutzte – Möglichkeit für die EU-Mission, die Logistik der Piraten auch am Strand zu bekämpfen. Noch ist ein bisschen Zeit für eine Einigung in einer möglichen schwarz-roten Koalition, die Verlängerung steht erst im Frühjahr an.

(Und das sind nur die aktuell laufenden Einsätze. Über neue Herausforderungen reden wir gar nicht.)

(Archivbild 2006: Deutsche UN-Beobachter im Sudan – Bundeswehr/ Rott via Flickr unter CC-BY-ND-Lizenz. Persönliche Anmerkungen: Leider gibt es vom Einsatz deutscher Soldaten bei den UN-Missionen im Sudan/Südsudan nur diese betagten Aufnahmen aus der Zeit, als der Südsudan noch gar nicht existierte… Diese Aufnahme entstand bei einer Long Range Patrol von Rumbek nach Yrol; der deutsche Hauptmann rechts im Bild ist schon lange nicht mehr Soldat, aber an interessanter Stelle in der deutschen Sicherheitsarchitektur aktiv.)