Koalitionsverhandlungen: Bundeswehreinsatz ohne Parlamentsbeschluss?
In den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD gibt es auf jedem Feld Wasserstandsmeldungen mit den Forderungen der einen und der anderen Seite – aus dem Bereich der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik bislang vergleichsweise wenige. Vielleicht deshalb ist die vielfach aufgegriffene Meldung des Spiegels über eine Unions-Forderung so sehr auf öffentliche Aufmerksamkeit gestoßen: In den Gesprächen habe die Unionsseite die Forderung erhoben, Auslandseinsätze der Bundeswehr auch ohne Bundestagsmandat zur ermöglichen und dafür das Parlamentsbeteiligungsgesetz zu ändern.
Nun steht schon in der Spiegel-Meldung, dass der CDU-Außenpolitiker und stellvertretende Fraktionschef Andreas Schockenhoff diese Forderung gezielt für bestimmte EU-Einsätze aufgestellt habe und zugleich ein Rückholrecht des Parlaments damit verbinden wolle. Das ganze sei auf die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) der europäischen Union begrenzt; über ja auch denkbare Ausweitungen auf ähnliches im NATO-Rahmen wurde dabei offensichtlich nicht debattiert.
Das sind natürllch Feinheiten, die in der weiter gehenden Berichterstattung mitunter wegfielen. Von diesen Details abgesehen: Neu ist diese Forderung der Union und insbesondere von Schockenhoff nicht – die hatte er bereits im Sommer 2012 in einem gemeinsamen Papier mit seinem CDU-Kollegen Roderich Kiesewetter, Oberst a.D. und Präsident des Reservistenverbandes, formuliert. Die Aufreger-Punkte aus dem damaligen Papier zur GSVP im Auszug:
Die Stärkung der sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit kann nur durch einen teilweisen Verzicht der Mitgliedstaaten auf ihre nationale Souveränität gelingen. Eine wirkungsvolle GSVP wird die militärischen Fähigkeiten der einzelnen Staaten in so starkem Maße zusammengelegt und unter geteilte Führung gestellt haben, dass es nicht möglich sein wird, nationale Vorbehalte als Einzelmeinung durchzusetzen. Deutsche Soldaten könnten damit in einen EU-Einsatz gehen, den die deutsche Regierung und der Deutsche Bundestag allein aus eigener Initiative nicht beschlossen hätten. Im Gegenzug für diesen Souveränitätsverzicht erhielte Deutschland – wie alle EU-Mitgliedstaaten – aber mehr außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit und ein wirkungsvolleres und bezahlbares Instrumentarium.
Empfehlung: Deutschland sollte sich als Anlehnungspartner für Staaten mit einer vergleichbaren sicherheitspolitischen Kultur anbieten. Es sollte mit diesen kooperationswilligen Partnern konkret zu einem Pooling und Sharing bereit sein, z.B. in den Bereichen gemeinsame Luftverteidigung, gemeinsamer Küstenschutz, gemeinsame Ausbildungseinrichtungen, Führungsstrukturen (z.B. Hauptquartier Ulm) und einheitliches Führungs- und Informationssystem. Dies sollte im Rahmen der GSVP in Weiterentwicklung der deutsch-schwedischen Gent-Initiative zum Pooling und Sharing geschehen, die ein wichtiger Zwischenschritt ist, aber nicht ausreichen wird, um ein geordnetes Verfahren zur Rollenspezialisierung und Kooperation zu garantieren. Zudem sollte die deutsch-französische Kooperation für die Schaffung gemeinsamer Fähigkeiten weiter vertieft werden und für interessierte Partner offen sein.
(…)
c. Dieser Souveränitätsverzicht betrifft gerade den Bundestag mit seiner im europäischen Vergleich starken Mitspracherolle und sollte sich in einer Reform des Parlamentsvorbehalts bei Auslandseinsätzen der Bundeswehr niederschlagen. Der Bundestag muss weiterhin das letzte Wort in Form eines Rückrufvorbehalts bei solchen Entscheidungen behalten. Es wäre jedoch ein deutliches Zeichen der Vertrauensbildung gegenüber unseren Partnern, das deutsche Entscheidungssystem zu flexibilisieren.
Empfehlung: Der Präsident des Deutschen Bundestages sowie die Führungen der Bundestagsfraktionen müssen einen Beratungsprozess zu dieser möglichen Flexibilisierung beginnen. Zu denken wäre an einen im Rahmen der jährlichen Debatte sicherheitspolitischer Richtlinien (s. 4a.) jeweils zu fassenden Parlamentsbeschluss für die Bereitstellung deutscher Soldaten und Fähigkeiten in integrierten Streitkräften, deren Einsatz dann einem einstimmigen Beschluss des Europäischen Rates (oder des NATO-Rates) unterläge. So obläge der Exekutive das „Einsatzrecht“ und dem Bundestag als der Legislative das „Rückholrecht“.
Nun kann man lange darüber streiten, ob die zeitliche Nähe von Koalitionsverhandlungen und dem für Dezember geplanten EU-Gipfel zur europäischen Sicherheit eine zeitliche Koinzidenz, eine Korrelation oder gar eine Kausalität bedeutet. Und völlig offen ist ja auch, was sich davon in einem Koalitionsvertrag wiederfindet.
(Foto: Deutsche Pioniere bei der EU-Trainingsmission in Mali – EUTM Mali)
Dazu passend ist ja auch ein Papier von SWP und dem German Marshall Fund über eine mögliche geopolitische Strategie: http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/projekt_papiere/DeutAussenSicherhpol_SWP_GMF_2013.pdf (Ich denke jetzt mal nicht, dass das unter das LSR fällt)
Entsprechende Reaktionen gab es auch schon (Heise)
@ christian
Basis ist wohl eher dieses jüngst erschienene swp plädoyer dessen empfehlungen 1 zu 1 übernommen wurden
http://www.swp-berlin.org/de/publikationen/swp-studien-de/swp-studien-detail/article/reform_des_parlamentsbeteiligungsgesetzes.html
Sinnvoll wäre es jedenfalls. Siehe awacs etc.
Wie kommentierte hier jemand so schön? Eine Auflösung des Parlamentsvorbehalts wäre schön blöd für die Regierung, denn dann könnte ja jeder sehen, dass man nicht WILL… Bisher habe man sich immer hinter einem angeblichen „Nicht-KÖNNEN“ verborgen.
Vielleicht ist diese Initiative daher eher ein Mittel, um Verhandlungsmasse aufzubauen? Nach dem Motto „naaa guuut, dann geben wir [CDU] eben diese Idee mit dem Parlamentsvorbehalt auf, dafür aber müsst ihr [SPD] folgendes…“
Nee, Fußgänger, die Jünger des Transatlantizismus meinen das ernst. ;)
Ich glaub auch, daß das für die AWACS-Einsätze sowie die Leute in diversen HQs durchaus sinnvoll wäre, aber das wird erstens in der medialen und damit öffentlichen Wahrnehmung mit Sicherheit durch einen Aufschrei des geheuchelten Entsetzens untergehen. Da wird mit Sicherheit wieder ganz schnell von der Abschaffung des Parlamentsvorbehalts v.a. für Kampfeinsätze geschwafelt werden … Wir kennen doch unsere Pappenheimer von der schreibenden Zunft. ;)
@csThor | 28. Oktober 2013 – 13:01
Das wäre dann, abgesehen vom „v.a.“, aber kein Geschwafel, sondern Realität. Es dürfte schlichtweg unmöglich sein, den bisherigen Vorbehalt so umzuformulieren, dass zwar ua. AWACS oder Schreibtischposten besetzt werden dürfen, aber kein anderer bisher sanktionierter Einsatz rechtlich zulässig wird.
Abgesehen davon, dass AWACS nun auch nicht nur ein defensives System ist was nur im Rahmen von Defensivoperationen verwendet wird.
Ich weiß nicht, irgendwie war das mit dem bisherigen Parlamentsbeteiligungsgesetz gar nicht so schlecht. Je weniger SiPo (auch Mandate) im Parlament behandelt wird, desto weniger nimmt die Öffentlichkeit davon Kenntnis. Und bei einer großen Koa wird sicherlich jedes Mandat auch kurzfristig flutschen.
Nebenbei, wie ist das eigentlich mit den für Dezember fälligen Mandaten. Ggf. noch mit alter Regierung, aber welcher Ausschuss (es gibt bis dahin vmtl. keine NEUEN) berät darüber? Oder ist es dann Thema des gesamten Parlamentes?
@ katze
das problem besteht primär darin, das einmal genehmigte verwendungen in stäben bzw. multilateralen einheiten in allen anderen staaten selbsverständlich auch deren potentielle einsätze umfassen.
nur in deutschland ist dies nicht der fall, so dass wie wiederholt geschehen die einheit einsatzunfähig wird (awacs anteil). Wer über den einsatz entscheidet ist letzlich egal, problematisch wird es erst wenn einmal gegebene Zusagen jederzeit wieder revidiert werden können.
hier zeigt sich mal wieder das D zwar immer für pooling und sharing agitiert die notwendigen konsequenzen aber nicht ziehen will. Hampelmannaktionen wie awacs syrien/libyen prädestinieren jedenfalls nicht gerade zur „anlehnungsnation“
Wäre doch eine super Sache.
Der Bundestag beschließt einmal im Jahr alle Fähigkeiten die man der NATO / EU / UN im Rahmen von Pooling&Sharing zur Verfügung stellt und was damit gemacht werden darf. Als Voraussetzung immer ein Internationales Mandat.
Dann wissen die Alliierten was wir anbieten können und der Bundestag behält sich ein Rückholrecht vor.
Was ist Von Herr Arnold
SPD Papier wo es hieß wie man Nachsteuern will, jetzt können Sie s
Da stand was von Fernmelder ( Mehr ), erhalt der Fernspäh Kp und so weiter
Aber das würde mehr Kosten hört man deshalb nicht mehr?????
Oder was kommt jetzt.
Man hört SPD will den Verkauf von Waffen in bestimmte Länder erschweren, so lange die USA sich darüber freuen, wir machten Leo II an Saudis und das bekamen die mit jetzt Kaufen M1
Und die CDU legt jetzt dagegen das man Politiker weitere Macht begrenzen soll
Wie gesagt: Es wäre gut, wenn sich die Union durchsetzen würde. Dann würde nämlich offenbar, dass die Regierung nicht will, aber sich stets bequem hinter dem Parlament versteckt.
@küstengang01:
Dann braucht man gar keine Parlamentsbeteiligung mehr.
Bisher war es ja auch nicht gerade so, dass die Regierung sich beteiligen wollte und das Parlament sich weigerte (Libyen, Mali, Syrien).
Selbst in dringenden Fällen – wie Op Pegasus – hat man die Möglichkeiten des ParlBetG nicht genutzt.
Typische Scheindebatte.
@Memoria
Volle Zustimmung. TdM lenkt von der Neuausrichtung ab um seine Ganzneuausrichtung mit der Zusammenarbeit der EDA zu rechtfertigen und die hanwerklichen Fehler zu verdecken. Hauptfehler der Reform: zu schnell und ohne Abstimmung mit den EU Partnern konzeptioniert. In welchen Saaten der EU entsenden die Parlamente ihre Armeen und wo gibt es bei uns damit Probleme?
Aber man sieht ja ganz schön, wie wichtig der Spin einer Nachricht ist. Der hätte nämlich auch lauten können: Union setzt sich für mehr Europa in der GASP ein, die SPD für Partikularismus!
Ich empfehle als update den FAZ.net-Artikel:
„SPD: Parlamentsvorbehalt bei Auslandseinsatzen bleibt“.
Nicht überraschend politische Rituale eben.
Interessant jedoch das darin erwähnte SWP-Papier eines Diplomaten (http://www.swp-berlin.org/de/wissenschaftler-detail/profile/ekkehard_brose.html). Darin wird mit Verweis auf die AWACS-Diskussionen eine Änderung der Parlamentsbeteiligung gefordert.
Bezeichnendes Beispiel: Da war das Problem die Spitze des AA und nicht der Bundestag. Als deutscher NATO-Vertreter kann man dann trotzdem die Verantwortung dem Bundestag zu schieben. Nun forscht er zu dem Thema bei der SWP.
Wahre Profis…
OT (zu Mali ist aber gerade nichts offen und hier paßt wenigstens das Bild):
Laut „Le Monde“ hat Frankreich für die Freilasung von 4 Geiseln aus dem Niger 20-25 Mio. € an AQIM bezahlt. Der Verteidigungsminister hat deswegen angeblich sogar das Treffen mit TdM zur Zukunft der D/F-Brigade abgesagt.
Schönes Beispiel für Krieg im 21. Jahrhundert.
Erst in Nord-Mali AQIM vertreiben und dann für die Freilassung von Geiseln AQIM bezahlen.
Was lernen wir daraus?
Genau diese Frage pflegt meine 4-jährige Tochter mit der lakonischen Antwort „nüscht!“ zu beantworten….
Ich sollte Sie vllt. für eine Karriere in der internationalen Politik vorbereiten…