Syrien: Verwirrung
Ich war heute überwiegend mit anderen (privaten) Dingen beschäftigt – aber nicht nur deswegen verliere ich langsam den Überblick über das Hin und Her zwischen den USA und ihren Verbündeten einerseits und Russland (und Syrien) andererseits. Es gibt einen Vorschlag für eine UN-Resolution, aber Russland sagt, so nicht, Syrien ist bereit zur Chemiewaffenkontrolle, und in der Nacht wird US-Präsident Barack Obama reden… Der Knackpunkt scheint zu sein: Wie sieht die Unterstellung der angekündigten Übergabe syrischer Chemiewaffen unter internationale Kontrolle aus, und was sind die Zwangsmechanismen, wenn Syrien das nicht erfüllt?
Die (vorerst) letzte Meldung: Russland zieht den Antrag auf eine bereits vorgesehene Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats zurück.
Das ist für einen Einzel-Blogger derzeit nicht zeitgerecht nachzuvollziehen… Ich beschränke mich jetzt mal darauf, die Aufzeichnung eines Google-Hangouts mit US-Außenminister John Kerry hier einzustellen und hoffe, morgen etwas mehr durchzublicken.
(Direktlink: http://youtu.be/qpRNIegUZfY)
Das Video existiert unter dem Link nicht mehr.
Herr Wiegold mich deucht Sie lesen zu wenig ria.novosti, auf Deutsch natürlich, und schauen zu selten bei Russia Today vorbei…Sorry @ all, musste einfach raus.
Großes diplomatisches Theater
!. Akt (Die Schuldzuweisung, obwohl noch es keine Beweise gibt)
Russland hat einen von Frankreich vorgeschlagenen Syrien-Resolutionsentwurf nach Angaben des Außenministeriums in Moskau abgelehnt.
„Der Vorschlag Frankreichs, die syrischen Behörden für den eventuellen Einsatz von Kampfstoffen verantwortlich zu machen, ist nicht annehmbar“, erklärte Lawrow.
http://de.rian.ru/security_and_military/20130910/266850889.html
2. Akt (Die Retourkutsche auf die Ablehnung)
Die von Russland zum Dienstag einberufenen Syrien-Konsultationen im UN-Sicherheitsrat sind nach Angaben seines Vorsitzenden Gary Quinlan abgesagt
worden.
http://de.rian.ru/security_and_military/20130910/266851321.html
Großes Kasperletheater der Kriegswilligen!
Der Redenschreiber von Obama hat wahrscheinlich einen Tobsuchtsanfall bekommen als er den französischen Resolutionsentwurf gelesen hat ;-)
http://www.washingtonpost.com/politics/running-transcript-president-obamas-sept-10-speech-on-syria/2013/09/10/a8826aa6-1a2e-11e3-8685-5021e0c41964_story.html
zum nachlesen
To cut a long story short:
1. Ein russisch-amerikanischer Resolutionsentwurf muß nicht notwendigerweise eine Chapter VII Sanktionsklausel enthalten, denn falls
2. Syrien/Rußland nicht liefern, dann behält sich Obama das Recht vor einen deutlichen militärischen Schlag auszuführen, allerdings nur, wenn
3. der Kongress zustimmt.
Alles klar ???
Nun ist Putin wieder an der Reihe
@ klabautermann
Können Syrien und Russland überhaupt liefern?
– Ist eine glaubhafte Chemiewaffen-Herausgabe während eines Bürgerkriegs wirklich möglich?
– Sind Syrien und Russland bereit verbindliche Verantwortung für den Fall einer lückenhafte Übergabe zu übernehmen?
Scheint mir beides nicht wahrscheinlich. Und daher bleibt der Eindruck dass beide nur auf Zeit und ein paar Wohlwollenspunkte von Leichtgläubigen spielen.
Was verbindliche Verantwortlichkeit angeht seh ich keine Perspektiven:
Bisher sind die Sarin-Bestände des Regimes die einzige Quelle für Sarin im Land, und auch wenn nicht ausgeschlossen werden kann dass kleine Mengen in der Vergangenheit in die Hände der Opposition gefallen sind, so hat diese in vielfacher nicht die Mittel um den Chemieangriff in Damaskus verübt zu haben. Das heißt aber nicht, dass sie nicht in den Besitz kleiner Mengen kommen könnte – und dafür wird das Regime sicherlich nicht vorab die Verantwortung übernehmen. Macht Assad jedoch keine verbindlichen Zusangen, hindert ihn nichts daran sein Vorgehen kleiner Giftgaseinsätze zu Terrorzwecken wieder aufzunehmen. Hier sehe ich keine Lösung.
@klabautermann
Danke. Wer so alles mitten in der Nacht auf ist… (Stelle das noch mal gesondert ein für die, die nachts schlafen ;-) )
(Und die Kommentare direkt zur Rede verschiebe ich in den neuen Thread.)
@Kommentator
Bei mir tut das Video, sowohl direkt als auch unter dem Link.
@J.R. | 11. September 2013 – 7:27
Woher wollen wir wissen, dass die Sarin-Bestände des Regimes die einzige Quelle für Sarin sind?. In der Türkei wurden syrische Terroristen mit Sarin festgenommen, im Irak wurden Produktionsstätten dafür ausgehoben und in Syrien wurden Fässer mit Giftstoffen mit der Aufschrift Saudiarabien den Terroristen abgenommen. In Tokio wurde von Terroristen vor Jahren Sarin eingesetzt. In Libyen sind Chemiewaffen verschwunden. Chemische Kampfstoffe sind also auf dem „Markt“ verfügbar und müssen, wenn in Syrien eingesetzt nicht aus Beständen der Syrischen Armee stammen.
JR
‚Ist eine glaubhafte Chemiewaffen-Herausgabe während eines Bürgerkriegs wirklich möglich?‘
Konservative Schaetzungen zur transparenten Vernichtung solcher Bestaende bewegen sich im Zeitraum fuenf bis zehn Jahre. In Nicht-Kriegsgebieten. Daher zb die vertragsgemaesse Frist fuer den Beitritt zur C-Waffen-Konvention, der fuer Syrien auch ins Gespraech gebracht wurde.
Basierend auf solchen realitaetsbezogenen Erwaegungen ist das momentan alles totales Theater. Fragt sich halt nur, was die Alternative ist…
@ Stefan
In der Türkei wurden syrische Terroristen mit Sarin festgenommen
Nein, wurden sie nicht. Siehe u.a. BBC: „Er [der Provinzgouverneur] dementierte früherere türkische Berichte, dass das tödliche Nervengift bei den Razzien gefunden wurde. […] Mr. Cos teilte jedoch mit, dass unbekannte chemische Substanzen gefunden wurden, die noch untersucht werden.“
In Syrien wurden Fässer mit Giftstoffen mit der Aufschrift Saudiarabien den Terroristen abgenommen
Was mal wieder zu belegen wäre.
Nebenbei: Die Kosten der Infrastruktur, zur Herstellung des Sarins das in der Tokyoter U-Bahn freigesetzt wurde, werden auf 10 Mio. $ geschätzt, für 5 Liter Sarins schlechter Qualität, und trotz der beengten Verhältnisse und der großen Menschenmenge reichte es „nur“ für 13 Tote.
Da seh ich bei keiner der Oppositionsgruppen die Resourcen, die Infrastruktur, die Expertise noch Umstände und Gelegenheit besser Sarin zu produzieren als damals die Aum-Sekte.
Dem Gegenüber stehen Tonnen der Nervengas-Vorstufen in Regimebeständen, professionell hergestellt. Aber selbst die rühren sich nicht von selbst an, und halten im Endzustand auch nicht ewig.
Wie ich bereits gestern dargelegt habe ist kein UN Beschluss notwendig.
Russische und chinesische Offiziere können die Kontrolle über die Lagerstätten der Stoffe übernehmen. Syrien tritt der Chemiewaffenkonvention bei und die zuständige internationale „Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons“ (OPCW) übernimmt dann die Bestandsaufnahme und plant die Vernichtung. Die OPWC ist eine internationale Gemeinschaft in eigenem Recht und nicht Teil der UN.
No Need For UN In Syria’s Chemical Weapon Solution
Die Stoffe sind nur unter Gefahr transportierbar. Sie werden wohl in Syrien verbleiben und dort dann der Vernichtung zugeführt werden. Der Bau entsprechender Verbrennungsanlagen kann, wie in anderen Ländern auch, einige Jahre dauern.
Wenn die USA eine Resolution gegen Chemiewaffen wollen dann kann man ja gleich den ganzen Nahen Osten damit einbeziehen. Mal schauen wie die dann abstimmen.