RC N Watch: Bundeswehrkommandeur billigte Bombenabwurf bei Kundus

Die Situation im Distrikt Char Darrah in der nordafghanischen Provinz Kundus, nur wenige Kilometer vom deutschen Camp entfernt, hat sich in jüngster Zeit deutlich verschlechtert – die einstige Taliban-Hochburg, Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen mit deutschen Soldaten zum Beispiel im Dorf Isa Khel, scheint wieder unter Kontrolle der Aufständischen. In dieser Lage lässt einen die Meldung der Bundeswehr vom heutigen Sonntag aufhorchen:

Am 7. September wurde ein Außenposten der afghanischen Sicherheitskräfte (ANSF) bei Isa Kehl, ca. 3,5 Kilometer westlich des deutschen Feldlagers in Kundus, von Aufständischen angegriffen. Die Bekämpfung der Aufständischen durch die ANSF blieb erfolglos.
Daraufhin forderten die ANSF-Kräfte Unterstützung bei ISAF über die Provincial Advisory Task Force (PATF) in Kundus an. Ein zweimaliges Überfliegen des Raumes (Show of Force) durch ISAF-Kampfflugzeuge erzielte keine Wirkung. Auf weiteren Antrag der ANSF stimmte der örtliche deutsche Kommandeur der PATF Kundus dem Waffeneinsatz zu.
Gegen 17.04 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit (19.34 Uhr Ortszeit) wurde eine Bombe durch ein Flugzeug vom Typ A-10 auf erkannte Aufständische abgeworfen. Daraufhin brachen die Aufständischen den Angriff auf den Außenposten zunächst ab.
Nach bereits unmittelbar nach dem Angriff eingeleiteten Untersuchungen von ISAF, kam es, bisherigen Erkenntnissen zufolge, zu keinen zivilen Opfern. Die Untersuchungen vor Ort dauern an.
Im Rahmen des geltenden Rechts der ISAF-Mission können ISAF-Kräfte auch Afghan National Security Forces (ANSF) unterstützen. Diese Unterstützung kann auch in Rahmen von Gefechten mit Aufständischen erfolgen.
Dazu sehen die ISAF-Regularien ein abgestuftes Prüfungsverfahren für den Einsatz militärischer Mittel vor. Im Vordergrund steht dabei als höchste Priorität, die Schädigung, Verletzung oder Tötung von afghanischen Zivilpersonen oder anderen Unbeteiligten zu verhindern. Nur wenn alle Regularien vollständig eingehalten werden können, unterstützt ISAF die ANSF-Kräfte militärisch. Zu den möglichen Unterstützungsleistungen gehört auch Luftunterstützung.
Bei der am 7. September erfolgten Luftunterstützung durch ISAF-Kräfte wurden alle Regeln und Vorschriften von ISAF eingehalten.

Kurz nach dem vierten Jahrestag des Luftangriffs bei Kundus am 4. September 2009 zeigt sich in dieser Meldung, dass die Bundeswehr offensichtlich den rechtlichen Details mehr Aufmerksamkeit schenkt als damals – so penibel wie die Voraussetzungen für einen Luftangriff in der Meldung ausgebreitet werden: TIC, Show of Force, Prüfung auf Unbeteiligte, Battle Damage Assessment unmittelbar danach…

Trotzdem wüsste man gerne noch ein paar Einzelheiten mehr; vielleicht gibt’s die ja noch.

Nachtrag: Nach Angaben des Einsatzführungskommandos standen die Aufständischen kurz davor, den strategisch wichtigen Combat Outpost der afghanischen Sicherheitskräfte zu überrennen. Deutsche Soldaten seien an den Gefechtshandlungen nicht beteiligt gewesen, auch nicht mit einem JTAC, also einem Feuerleitoffizier Fliegerleitoffizier, vor Ort. Die Bundeswehr habe aber die Lage mit anderen Aufklärungsmitteln (auch wenn’s nicht gesagt wurde: ich könnte mir eine Drohne vorstellen) im Blick gehabt.

Nachtrag 2: Ich habe es leider nicht verifizieren können bisher, aber die Vermutung drängt sich auf: Handelt es sich bei dem umkämpften Außenposten der ANSF möglicherweise um die Höhe 432, der Bundeswehr gut bekannt?

H432_Isa-Khel

 

(Archivbild: A U.S. Air Force A-10 Thunderbolt II ground attack aircraft waits to refuel Aug. 18, 2011 over southern Afghanistan. The most prominent feature of the A-10 Thunderbolt II is the 30-millimeter GAU-8/A Avenger Gatling-gun cannon – U.S. Air Force photo by Master Sgt. Jeffrey Allen via Flickr)