Nachtrag zur Syrien-Debatte: Die EU-Erklärung im Wortlaut
Die Debatte am Wochenende über Syrien, die US-Haltung dazu und die Haltung der Europäer, die amerikanisch initiierte Erklärung (zunächst ohne Deutschland) in St Petersburg, die nachträgliche deutsche Unterschrift… all das ist ja schon hinreichend ausgebreitet.
Aber wo ist der Wortlaut der Erklärung der EU-Außenminister dazu, der ja nach den Worten des deutschen Ressortchefs Guido Westerwelle dazu führte, dass Berlin die US-Erklärung dann nachträglich unterzeichnete? Der ist gut versteckt, aber dann doch über die Webseite des Europäischen Rates zu finden. Der Einfachheit halber stelle ich den Text hier ein, auf den sich die Außenminister der Europäischen Union am 7. September bei ihrem Treffen in der litauischen Hauptstadt Wilna verständigt haben:
• On 21 August, a large-scale chemical attack was perpetrated in the outskirts of Damascus, killing hundreds of people, including many women and children. That attack constituted a blatant violation of international law, a war crime, and a crime against humanity. We were unanimous in condemning in the strongest terms this horrific attack. • Information from a wide variety of sources confirms the existence of such an attack. It seems to indicate strong evidence that the Syrian regime is responsible for these attacks as it is the only one that possesses chemical weapons agents and means of their delivery in a sufficient quantity.
• In the face of this cynical use of chemical weapons, the international community cannot remain idle. A clear and strong response is crucial to make clear that such crimes are unacceptable and that there can be no impunity. We must prevent creating a dreadful precedent for the use of chemical weapons in Syria again, or elsewhere.
• The EU underscores at the same time the need to move forward with addressing the Syrian crisis through the UN process. We note the on-going UN investigation on the 21st of August attack and further investigations on other chemical weapons attacks carried out in this conflict. It hopes a preliminary report of this first investigation can be released as soon as possible and welcomes President Hollande‘s statement to wait for this report before any further action. The EU urges the UN Security Council to unite in its efforts to prevent any further chemical attack. To that effect, it encourages the UNSC to fulfil its responsibilities and take all initiatives to achieve this goal. The EU and its member states intend to play a full and active part in that context.
• The EU recalls the individual responsibility of the perpetrators of attacks of this type, who must be held accountable, and the role of the ICC in investigating and judging such acts.
• Only a political solution that will result in a united, inclusive and democratic Syria can end the terrible bloodshed, grave violations of human rights and the far-reaching destruction of Syria. An encompassing diplomatic process leading to a political solution is now more urgent than ever. The initiative for a „Geneva II“ peace conference must move ahead swiftly . The EU is ready to provide all support needed to achieve a political settlement and work with partners and international actors, particularly the United Nations.
• The EU will uphold its commitment, as the largest donor, to provide aid and assistance to those in need due to the Syrian conflict. It will maintain its readiness to help the recovery, rehabilitation and transition in Syria, in accordance with the needs of the Syrian people.
(Über den öffentlichen Umgang der Bundesregierung mit dem Hin und Her zur Unterschrift unter die US-Erklärung, also das faktische Versagen deutscher public diplomacy, habe ich auf WiegoldZwo was geschrieben.)
(Foto: US-Außenminister John Kerry, Mitte, beim EU-Außenministertreffen in Wilna mit seinen Kollegen aus Großbritannien, William Hague, l., und aus Malta, George Vella, r. – U.S. State Department/United States Government Work via Flickr)
Kernphrase „It seems to indicate strong evidence ….“
„Das scheint auf starke Beweise hinzudeuten ….“
Anders gesagt – man weiß nichts und hält sich den Rückzieher weit offen.
Die Kommunikation des Weißen Hauses ist auch sehr wage geworden. Von „irrefutable proof“ am ersten Tag der Propagandakampagne ist man jetzt bei einem „common sense test“ auf die Verantwortlichkeit der syrischen Regierung für den Vorfall angelangt.
US: Proven link of Assad to gas attack lacking
Reicht „common sense“ um als Söldner für Saudis und Israelis an Al-Qaeda’s Seite die syrische Regierung zu bekämpfen?
Die EU-Erklärung ist klar und unklar zugleich.
Klar ist erstens: Chemiewaffeneinsätze dürfen nicht „hoffähig“ werden, und das werden sie, wenn man locker über sie hinwegsieht. Klar ist zweitens: Die Legitimität einer Antwort liegt zu allererst bei den Vereinten Nationen, und dort beim Sicherheitsrat. Und klar ist drittens und als Wichtigstes: Die Suche nach einer tragfähigen Gesamtlösung des Syrien-Konflikts ist das Maß aller Dinge.
Unklar ist: Was soll geschehen, wenn der SR sich wegen partikularer nationaler Interessen weiterhin einer gemeinsam getragenen Antwort verweigert? Schafft das nicht im Gegenteil einen unerwünschten Präzedenzfall? Unklar ist auch, wie stark die Indizien sein müssen, um Verantwortlichkeiten des CW-Einsatzes hinreichend zuordnen zu können. (Die Formulierung „It seems to indicate strong evidence …“ ist in der Tat an Schwammigkeit kaum zu überbieten und steht durchaus im Widerspruch zu der strammen Wertung der Bundeskanzlerin vor ein paar Tagen.) Und unklar ist vor allem drittens, wie eine Gesamtlösung für das Syriendrama aussehen könnte. In Syrien ist nicht erst seit 2 Jahren, sondern seit Jahrzehnten offenbar zu viel passiert, um auf einen großen friedlichen Durchbruch, mit dem alle leidlich leben können, allzu große Hoffnungen zu setzen.
Trotzdem ist die EU-Erklärung insgesamt zu begrüßen. Sie schafft erstmalig so etwas wie eine starke gemeinsame europäische Position in dieser Frage. Und allein das könnte vielleicht sogar als Warnsignal ausreichen, um die kriegführenden Parteien zur Vernunft zu rufen. Wenn man dieser optimistischen Bewertung zustimmt, wären ggf. sogar weitergehende (auch militärische) Aktionen zunächst obsolet. Wenn …
n-tv: „US-Außenminister Kerry räumt Syrien eine Frist ein, um einen Militärschlag zu vermeiden. Sollte die syrische Führung binnen einer Woche alle Chemiewaffen an die internationale Gemeinschaft übergeben, werde es keine Intervention geben, sagt Kerry.“
Wer bloß könnte im Namen der „internationalen Gemeinschaft“ diese Waffen in Empfang nehmen ??? ;-)
„The evidence is not as strong as the public statements that the president and the administration have been making,“ said Rep. Justin Amash, R-Mich. „There are some things that are being embellished in the public statements. … The briefings have actually made me more skeptical about the situation.“
http://www.cleveland.com/nation/index.ssf/2013/09/irrefutable_evidence_lacking_i.html
@klabautermann
Deutschland-Ostsee ist ein genutzter Lagerplatz.
Durch neue C Waffen würde das Durchschnittsalter der am Boden liegenden Munition wieder sinken.
@klabautermann n-tv: “US-Außenminister Kerry räumt Syrien eine Frist ein, um einen Militärschlag zu vermeiden. Sollte die syrische Führung binnen einer Woche alle Chemiewaffen an die internationale Gemeinschaft übergeben, werde es keine Intervention geben, sagt Kerry.”
Die syrische Antwort darauf wird sein das man alle nicht konventionellen Waffen übergeben wird sofern Israel bereit ist dieses gleichzeitig zu tun.
Kerry war ja heute in Hochform Er stellte u.a. fest „The Assad regime is the Assad regime.“ Der man sprudelt so vor Erkenntnissen.
@all
Zu dem (scheinbaren) US-Ultimatum an Syrien habe ich einen neuen Thread aufgemacht.