‚Meuterei‘ auf der Hermelin: Verfahren wegen geringer Schuld eingestellt
Der Vorfall auf dem deutschen Schnellboot Hermelin, bei dem Mitte Februar mehrere Soldaten einen Bootsmann überwältigten und fesselten, hat keine strafrechtlichen Konsequenzen. Das Verfahren gegen sechs Soldaten vor dem Amtsgericht Rostock wurde wegen geringer Schuld eingestellt, berichtet der NDR:
Das Verfahren gegen sechs Marinesoldaten vor dem Amtsgericht Rostock ist wegen geringer Schuld der Angeklagten eingestellt worden. Die sechs waren wegen des Verdachts der Meuterei, Körperverletzung und Freiheitsberaubung angeklagt. Eine Straftat konnte während der neunstündigen Verhandlung am Amtsgericht Rostock nicht nachgewiesen werden. Es seien jedoch Grenzen überschritten worden, erklärte der Richter.
Da war im UNIFIL-Einsatz was eskaliert – und der Vorfall hatte sicherlich auch deswegen öffentliches Aufsehen erregt, weil der betroffene Bootsmann thailändischer Abstimmung war, also ein fremdenfeindlicher Hintergrund vermutet wurde. Allerdings war recht schnell offenkundig, dass andere Hintergründe hatte. Die damalige Meldung der Bundeswehr:
Am 15. Februar nach 19 Uhr zogen mindestens vier Obermaate einen ihnen vorgesetzten Bootsmann aus seiner Koje auf dem Schnellboot Hermelin im Hafen von Beirut im Libanon. Der Bootsmann wurde mit Tape und einem Spanngurt auf einem Tisch fixiert und anschließend am Bein bemalt.
Natürlich bekam das ganze mit der – recht seltenen – Anklage wegen Meuterei dann noch einen zusätzlichen Dreh; dieser Anklagepunkt wurde zwar fallen gelassen. Allerdings hätte schon der Vorwurf des tätlichen Angriffs auf einen Vorgesetzen strafrechtliche Folgen haben können; die Angeklagten kamen allerdings in diesem Fall mit einer Einstellung gegen eine Geldbuße davon. Ein Disziplinarverfahren droht ihnen aber weiterhin.
(Archivbild Juni 2012: Bei herrlichem Sonnenschein liefen die Schnellboote S71 „Gepard“ und S73 „Hermelin“ im Hafen von Limassol ein. Die Schnellboote werden nun die Minenabwehreinheiten ablösen. Die Besatzungen der beiden Schnellboote werden bis in den September hinein ihren Dienst beim Deutschen Einsatzkontingent UNIFIL leisten, dann wird die Besatzung getauscht. Die Schnellboote „Gepard“ und „Hermelin“ bleiben bis in das Jahr 2013 im Einsatzgebiet vor der libanesischen Küste eingesetzt. – Bundeswehr/PizEinsFüKdo via Flickr unter CC-BY-ND-Lizenz)
Da der Thread „Nach Zwischenfall auf der Hermelin droht erste Anklage wegen Meuterei an Bord [des Schnellboots „Hermelin“] “ http://augengeradeaus.net/index.php?s=meuterei nicht mehr offen für Kommentare ist, schreibe ich es hier rein (einfach googlen ndr+:Geringe Schuld: Meuterei-Prozess eingestellt)
Zitat ndr: […]Das Verfahren gegen sechs Marinesoldaten vor dem Amtsgericht Rostock ist wegen geringer Schuld der Angeklagten eingestellt worden. […] Es seien jedoch Grenzen überschritten worden, erklärte der Richter.[…]
Warum greife ich das auf? Zum einen für eine handlungsbezogene und einmal für eine grundsätzliche Bemerkung:
1. handlungsbezogen:
a) Seinerzeit hatte der Disziplinarvorgesetzte (entweder selbst oder seiner) festgestellt, dass hier der Anfangsverdacht einer Straftat bestand.
b) Er stellte die Abgabepflicht fest, unabhängig von der Tasache, dass er nach Soldatengesetz zuständig bzw. an die Einleitungsbehörde „meldepflichtig“ bleibt, ist das logische Konsequenz bei derart gelagerter Wehrstraftaten.
c) Die Handlungen wurden seitens der Soldaten zugegeben. Heuer das amtsgerichtliche Urteil (leider noch nicht in der Datenbank nachlesbar) und die klare Bestätigung gegenüber der Handlungsrichtigkeit des Disziplinarvorgesetzten, welcher abgab.
2. grundsätzliche Bemerkung:
a) Es ist beruhigend für die Soldaten der Hermelin, dass ihr Disziplinarvorgesetzter hier das Heft des Handelns in die Hand nahm und alles unternahm um für alle Beteiligten schnellstmöglich dort Rechtssicherheit herstellen zu lassen, wo es möglich ist.
b) Es ist sehr gut, dass der Disziplinarvorgesetzte erkannte, dass er mit seinen Möglichkeiten dies nicht kann (und nebenbei: darf).
c) So ist dies auch in diesem Fall „Stinger“. Immer dann, wenn man als Disziplinarvorgesetzter gesetzliche Grenzen auferlegt bekommt, immer dann, wenn man sich selbst nicht in der Lage sieht oder wie hier und im Falle der Hermelin nicht sehen darf, dann ist der Fall an die Stelle abzugeben, die dies kann und darf. Und nein: das Strafmaß muss nicht lebenslänglich lauten, um die Sinnhaftigkeit und Richtigkeit herauszustellen.
d) Die Bemerkung des Gerichtes, dass zu rügen sei, dass der einfache Disziplinarvorgesetzte ermittelt hätte, ist zur Kenntnis zu nehmen, wichtig ist sie nicht.
Lapidar bemerkt: 2 handlungsstarke Disziplinarvorgesetzte wie es sich vor allem verbeamtete Staatsdiener mitunter vergeblich wünschen. Man darf seitens der Bw mit beiden Vorgehensweisen mehr als zufrieden sein.
[Habe den Kommentar in den neuen Thread zum Thema verschoben – danke für den Hinweis. T.W.]
Laut dpa hat das Opfer die Aktion ja selber als «kleinen Jungenstreich» bezeichnet, daher verwundert das Urteil nicht wirklich.
Ein kluges Gericht (Richter & Staatsanwalt), die den Ball an die Bundeswehr zurück spielten und mit der Einstellung absolute juristische Grenzen aufzeigten. Wäre mal interessant zu erfahren, was da im im „disziplinaren Nachgang“ noch hinterher kommt?
Naja…
zum einen: wie bereits unter http://augengeradeaus.net/2013/06/nach-zwischenfall-auf-der-hermelin-droht-erste-anklage-wegen-meuterei/comment-page-1/#comment-70504 geschrieben, war es natürlich keine Meuterei…
viel interessanter ist jedoch die Einstellung bzgl. der restlichen Tatbestände nach dem WStG, allerdings als Richter, hätte ich auch versucht, diesen Fall so vom Tisch zu bekommen :-)
Würde mal sagen, wenn der Disziplinarvorgesetzte ebenso klug wie das Gericht ist, sieht er von einer Diszi ab und verhängt gegen alle Beteiligten – auch gegen den Offizier, der nicht unmittelbar nach der dummen Antwort des Bootsmanns vor der Front eingeschritten ist – und vor allem auch gegen sich selbst, eine EZM.
Unabhängig von den Vorgängen, welche zur „Meuterei“ geführt haben, hat der Kommandant hier richtig gehandelt. Der Verzicht auf eine Abgabe ist beim Verdacht auf eine Wehrstraftat nur in unmittelbarer Absprache mit dem zuständigen Wehrdisziplinaranwalt möglich. Bei §27 (1) wird grundsätzlich ermittelt. Hier hat der Vorgesetzte keine anderen Möglichkeiten.
Die Ursache der Meuterei steht auf einem anderen Blatt und ist gesondert zu untersuchen.
Die Rüge des Gerichtes ob der Ermittlung des Vorgesetzten ist mit den vorliegenden Informationen nicht zu beurteilen. Grundsätzlich ist bei Verdacht auf ein Dienstvergehen immer zu ermitteln – der Vorgesetzte muss ja herausbekommen, was vorgefallen ist. Sollte dabei der Verdacht auf eine Straftat aufkommen ist abzugeben und eine weitere Ermittlung einzustellen.
Jetzt sehe aber die Situation in einer kleinen Einheit, wo so etwas passiert ist:
Ich hätte auch versucht die Hintergründe herauszubekommen – allein schon um meine Einheit weiterhin Einsatz- /Dienstfähig zu halten.
Gut für alle Beteiligten ist allemal, dass der Vorwurf der Meuterei vom Tisch ist.
Eine gute Entscheidung des Gerichts. Nacht Nach dem was in der Öffentlichkeit über den Fall bekannt wurde, wäre es ärgerlich gewesen, ein paar jungen Kameraden mit so etwas einen riesigen Stein in den Weg zu legen. Unser Rechtssystem sieht hier bewusst andere Mittel vor. Sehr gut, dass der Ball nun wieder intern liegt. Ich hoffe das auch im Disziplinarverfahren eine ebenso kluge Entscheidung getroffen wird.
@ Vtg-Amtmann:
Bei dem Vorwurf wird das Verfahren bei der zuständigen Wehrdisziplinaranwaltschaft liegen, da hat der D-Vorgesetzte keine Aktien mehr drin…
@Ares: WStG § 3 Anwendung des allgemeinen Strafrechts lautet:
(1) Das allgemeine Strafrecht ist anzuwenden, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt.
Auch wenn der Vorwurf der Meuterei § 27 WStG nicht bewiesen werden konnte, so blieben doch die Tatbestände des tätlichen Angriffs auf einen Vorgesetzten, der Freiheitsberaubung und der gefährlichen Körperverletzung, sagte der Richter. Diese wurden wohl gemäß § 153a StPO gegen Auflagen / Zahlung in Höhe von ein beziehungsweise zwei Monatsverdiensten ebenfalls fallen gelassen. Ich schätze mal, damit wird Wehrdisziplinarananwaltschaft mit sehr spitzen Fingern an den Fall herangehen
Und das wäre auch m.M.n. sehr gut so!
@Ares | 25. September 2013 – 5:48
Für diese Meinung haben Sie damals schon (berechtigten) Gegenwind bekommen und diesen nicht ansatzweise entkräftet.
Warum das AG Rostock die Meuterei für nicht bewiesen (Pressebericht) hält, entzieht sich meiner Kenntnis. Vermutlich hält es den subjektiven Tatbestand („wissen oder jedenfalls damit rechnen, dass man sich an einer Zusammenrottung beteiligt, die mit vereinten Kräften eine Unbotmäßigkeit gegenüber einem Vorgesetzten begeht“) für nicht nachweisbar. Das würde zutreffen, wenn es nur ein Dummer-Jungen-Streich aber keine Abreibung sein sollte.
Ihre (zu weit gehende) Ansicht würde das aber nicht stützen.
Ob der Volltext je veröffentlicht wird und dazu was hergibt?
OFFTOPIC
Bei zwei Schnellbooten & UNIFIL kommt mir ein altes Video wieder ins Gedächtnis, dass mir 2007 während meiner Grundausbildung gezeigt wurde. Zwei Schnellboote kamen sich dort ungesund nahe, gefilmt von einer Fregatte.
Weiß man eigentlich, was disziplinarisch / rechtlich auf diese Aktion gefolgt ist?
Dumme statt blaue Jungs…Ist eigentlich das Kiel holen eine EZM?
@SH.Kaleu
Ablösung mindestens eines S-Boot Kommandanten
(ich weiß gerade nicht mehr, ob es beide waren – einer mindestens…)
Theoretisch (und auch praktisch) kann der Disziplinarvorgesetze den Fall abgeben und dennoch disziplinar tätig werden. Dann hat er die unmittelbare, disziplinare Wirkung erreicht, unabhängig vom – teilweise behäbigen – Strafverfahren.
Wenn die Disziplinarmaßnahme unanfechtbar geworden ist, ist dies ist dann der Staatsanwaltschaft/dem Gericht mitzuteilen, dies sollte dann in das Urteil einfließen.
Ist eine Entscheidung im Gerichtsverfahren gefallen, darf auch nicht mehr im verfahrensgleichem Zusammenhang diszipliniert werden; es sei denn, es geht um die rein dienstrechtlichen Belange (Verstoß gegen die Dienstpflichten, z.B. „Wohlverhaltenspflicht“), für die es im Strafrecht keine Entsprechung gibt und daher auch nicht Gegenstand eines Verfahrens sein können.
Es sei denn, der Disziplinarvorgesetzte sieht das Fehlverhalten als so schwerwiegend an, dass er es an die Staatsanwaltschaft und disziplinar an das Truppendienstgericht abgibt, dann muss er die Füße stillhalten…
@Hans Dampf: Der DV hat abgegeben, disziplinar wurde bislang offenbar nicht gewürdigt, das Gericht hat entschieden und insgesamt nach 153a StPO eingestellt und damit dürfte so ziemlich „aus die Maus sein“. Ich sag es nochmals, wenn der DV ebenso klug wie das Gericht ist, sieht er von einer Diszi ab und verhängt gegen alle Beteiligten – auch gegen den Offizier samt seiner dummen und provozierenden Frage an den Bootsmann und wegen des nicht unmittelbar nach der dummen Antwort des Bootsmanns vor der Front erfolgten Einschreitens – und vor allem auch gegen sich selbst als DV, eine EZM, statt einen weiteren „Bohei“ aus der Angelegenheit zu machen!
@ Bear1958 | 25. September 2013 – 7:11, @ all:
Ich bezog mich bei der Rüge des Gerichts auf das Stingerurteil http://augengeradeaus.net/2013/09/bundeswehr-stinger-verfehlte-ziviles-flugzeug/#comments, dort schrieb ich auch den Post, nicht auf das Meutereiurteil. In letzterem wurde nicht gerügt.
Für Außenstehende und das Glossar: EZM = Erzieherische Maßnahme