Kontrolle syrischer Chemiewaffen: Zufall,Fehler, trickreicher Plan?

Obama_Putin_St.Petersburg

Ncoh weiß niemand, ob und wie der Plan funktionieren wird, Syriens chemische Waffen unter internationale Kontrolle zu stellen – zu viele Einzelheiten sind noch unklar. Von den politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen (Mit UN-Mandat? UN-Mandat mit Sanktions/Strafandrohung? Wer soll faktisch die Kontrolle übernehmen?) Aber dafür, mit irgendwas muss man sich ja beschäftigen, gibt’s die wildesten Überlegungen, Analysen, Vermutungen, wie anscheinend innerhalb von Stunden dieser Plan geboren wurde – und damit die Drohung eines US-Militärschlags gegen das Regime in Damaskus sehr viel an Bedrohlichkeit verlor.

Ein kleiner und vermutlich unvollständiger Überblick:

1) Zufall und, je nach Sichtweise,  Fehler

Dafür spricht, bislang, einiges. US-Außenminister John Kerry antwortet am 9. September bei einer Pressekonferenz in London auf eine Reporterfrage, ob Syrien den drohenden Luftangriff noch abwenden könne. Aber ja, sagt Kerry, und es klingt nicht ernstgemeint: Syriens Präsident Assad müsse nur innerhalb einer Woche seine Chemiewaffen vollständig an die internationale Gemeinschaft übergeben – aber das werde wohl nicht passieren.

Sofort melden die ersten Nachrichtenagenturen ein Ultimatum der USA an Syrien. Und noch während das US-Außenministerium versucht, die Äußerungen seines Chefs einzufangen und von rhetorischen Aussagen spricht, reagiert Russland: Außenminister Sergej Lawrow greift das scheinbare Angebot auf und hat, zufällig, den syrischen Außenminister an seiner Seite – der ebenfalls zustimmt.

Der  schlimmste Tag in der Geschichte der westlichen Diplomatie, sagte dazu ein pensionierter britischer Diplomat. Auch in den USA gibt es Stimmen, die das ganze als russisch-syrischen Trick verstehen, um die USA von dem geplanten Luftangriff abzuhalten.

b) Eine Absprache zwischen Barack Obama und Wladimir Putin

Auf eine solche Absprache zwischen dem US-Präsidenten und seinem russischen Kollegen am Rande des G20-Gipfels in St. Petersburg gibt es ein paar Hinweise – zum Beispiel Meldungen, die sich auf offizielle russische Quellen berufen. Und US-Außenminister Kerry versuchte sich gegen den Eindruck zu wehren, die Russen hätten die USA mit ihrem Vorpreschen überrumpelt: Darüber habe man doch schon länger gesprochen.

Dazu passt eine, nennen wir es Spekulation, die ein paar interessante Fakten verknüpft – nämlich den St. Petersburger Gipfel mit der unbekannten Ladung des russischen Landungsschiffes Nikolai Filchenkov. Und der Analyse:

The only person which could solve this problem is President Vladimir Putin, who has both the means and the persuasive power to get Assad to allow Russian special forces to remove chemical weapons in time and load them carefully onto the Nikolai Filchenkov and if required on more Russian fleet transports who could arrive at Tartus on short notice. With such a move, President Obama would be off the hook, making his unwanted and quite questionable military strike unnecessary, also saving a lot of face should matters go wrong, as they usually do in this region.

In einem Punkt ist das sicherlich zutreffend: Die überraschende Entwicklung am vergangenen Montag hat Obama vermutlich vor einer Niederlage im US-Kongress bewahrt. Und wenn jemand in der Lage ist, die Syrer zu etwas zu zwingen, dann Russland – wohl kaum die USA.

c) Polen war’s. Oder Israel.

Auch wenn noch offen ist, ob der Plan der Überstellung syrischer Chemiewaffen wirklich klappt – einen möglichen Erfolg beanspruchen jetzt schon andere für sich. Zum Beispiel Polens Außenminister Radek Sikorski. Und in Israel soll so etwas schon vor Wochen diskutiert worden sein.

Stimmt a, b oder c? Keine Ahnung. Warten wir auf den Hollywood-Blockbuster in etwa zehn Jahren. Oder das Enthüllungsbuch. Wichtiger ist vermutlich, wie es konkret weitergeht.

(Danke an etliche meiner Leser, die bereits in den Kommentaren vorangeganger Einträge auf einige der oben verlinkten Fundstellen hingewiesen haben – ich wollte den Punkt gerne mal zusammenfassen.)

Nachtrag: Wo wir gerade bei den Irrungen und Wirrungen sind… in den vergangenen Tagen wurde hier im Blog das Vorgehen von Elizabeth O’Bagy, einer Mitarbeiterin des Institute for the Study of War in Washington, recht kontrovers diskutiert. Die Dame ist seit heute ihren Job los, so eine Art Guttenberg, allerdings offensichtlich ohne auch nur den Hauch einer Promotion.

(Foto: President Vladimir Putin of Russia welcomes President Barack Obama to the G20 Summit at Konstantinovsky Palace in Saint Petersburg, Russia, Sept. 5, 2013 – Official White House Photo by Pete Souza)