Lesetipp: US-Fortschrittsbericht Afghanistan
Angesichts der vorgerückten Stunde nur schnell ein Lesetipp: Die US-Regierung hat ihren Fortschrittsbericht zu Afghanistan veröffentlicht, Progress Toward Security and Stability in Afghanistan (danke für den Leserhinweis!). Daraus stammt auch die Grafik oben – die blaue Linie sind die ISAF-Gefallenen, die grüne Linie die Gefallenen der afghanischen Sicherheitskräfte, also vor allem Polizei und Armee. Von Januar 2010 bis März 2013, also bis vor dem Beginn der diesjährigen Fighting Season.
Aus der Zusammenfassung:
The security situation also remains challenging: Afghanistan continues to face a resilient insurgency that uses sanctuaries in Pakistan to attempt to regain lost ground and influence through continued high-profile attacks and assassinations. Although ANSF capabilities have greatly increased over the past two years, it has yet to demonstrate the ability to operate independently on a nationwide scale. Therefore, the Afghan government will require continued assistance from ISAF and the international community over the next year and a half to help enable it to address these challenges and improve long-term prospects for stability. While relations between Afghanistan and the U.S. have at times been turbulent during this period, negotiations have made progress on key issues. Assessing whether the gains to date will be sustainable will be difficult to do until the exact size and structure of the post-2014 US and NATO presence is determined. Another key factor in this assessment will be whether a Bilateral Security Agreement (BSA) between the U.S. and Afghanistan is reached.
Na da erkennt man doch wieder wie ruhig es in Afghanistan geworden iss. Noch ne grüne linie genommen die steil nach oben geht . schöne Assoziation. Hoffentlich siehr das kein hochrangiger falsch und macht beim rück…sry abzug strategische fehler weil er sich in sicherheit wiegt
„a resilient insurgency that uses sanctuaries in Pakistan to attempt to regain lost ground and influence through continued high-profile attacks and assassinations.“
Abseits vom Thema Pakistan eine Erinnerung auch für den Norden:
Der Gegner ist immernoch da, fähig, flexibel und zielgerichtet.
Hoffe dies verdrängt man beim ANSF rühmen und Container zählen in MeS nicht zu sehr.
Das ist ein Bild. Nenn ich mal einfach starke Korrelation.
Nachtrag:
Interessant ist – wie früher bei ISAF – die Treppenfunktion der Verluste.
Das Niveau steigt jährlich, d.h. der Gegner verliert zumindest kinetisch auf operativer Ebene nicht an Momentum.
Er behält den Schwung – das ist natürlich noch mit nichtkinetischen Indikatoren (Akzeptanz der INS als Regierungsalternative etc.) zu verbinden.
Eine positive Grundlage ist es aber nicht, denn sie können und wollen noch.
Nun, es gibt weder weiße noch schwarze Schwäne…..nur graue, und davon in 254 Schattierungen
history repeating itself.
„“Vietnamization“ was both a goal and the program through which that goal would be achieved at the earliest practical time. The main elements of Vietnamization were the improvement and modernization of the South Vietnamese armed forces, the transfer of day to day combat operations from the United States military to the ARVN, and the unilateral withdrawal of American troops from South Vietnam. “
„The only goal Vietnamization achieved was the removal of U.S. combat troops. However, by achieving that goal it failed the South Vietnamese Army where it needed the most assistance, providing leadership, training, and morale. Without those basic military essentials, the policy of Vietnamization doomed ARVN and South Vietnam to their ultimate fate. “
http://www.militaryhistoryonline.com/vietnam/vietnamization/
@wacaffe: right!
Vietnamization 1973 =
Vietnamisierung der Särge
_________________________
Vietnamization 2013 =
ANSaFisierung der Särge.
________________________-
also wieder mal ….im westen nichts neues…
Semper fortis
@ memoria …
ob wir uns irgendwo nen „chart-analyst“ ausleihen können ? trendkanäle setzen und so ;)
@markus, d.Ä.:
Bestimmt, genug BWLer gibt es doch in unserem Land :-).
Ohne Quatsch: Auch hier hoffe ich das jemand in Potsdam oder Berlin diese OSINT mit anderem zu einem Gesamtlagebild („allgemeine Lage AFG“) zusammenführt.
Dies war zumindest vor 5-7 Jahren nicht der Fall:
Fü S V 3 und Fü S II waren mit der eigenen Lage beschäftigt, der Sonderstab AFG des AA war nur sehr begrenzt an landesweiter Sicherheitslage interessiert, Potsdam schaute nur nach Norden und der Gardeschützenweg wechselte häufig das Auswertepersonal.
Zwischenzeitlich wurde es nach meinem Eindruck besser (siehe Fortschrittsberichte 2009-2011).
Aber mittlerweile ist die Lage ja eh keine Bezugsgröße mehr für eigene Planung.
Declare victory and go home.
Aber bitte an der Türkante nicht stolpern…
Was ich mich bei solchen Berichten frage (vielleicht wurde das hier schon irgendwann mal erörtert?), gab es eigentlich in den letzten Jahren seitens der BW intensivere Kontakte zur russischen bzw. sowjetischen Seite bez. deren Erfahrungen in AFG und wie man das am besten zum Abschluss bringt? Es ist ein Abzug ohne die Sicherheit eines Erfolges, egal, wie man es mit irgendwelchen Euphemismen bezeichnet.
Diese Entwicklung könnte natürlich auf viele Faktoren zurückzuführen sein:
– Die Taliban werden stärker
– Die Taliban fahren wegen des ISAF-Abzugs ihre Operationen hoch auf ein nicht nachhaltiges Niveau, um den Eindruck zu erwecken, sie hätten die Oberhand
– Die ANSF sind weniger risikoavers als ISAF
– Die Zahl der KIAs pro Angriff ist höher weil ANSF nicht die technischen Möglichkeiten der ISAF hat
– Die ANSF werden schlecht geführt
– Die ANSF sind schlecht ausgebildet
– Anderere Faktoren die weniger offensichtlich sind
..und jede beliebige Kombination der Faktoren.
Gestiegene Verluste sagen als Indikator in der Tat zunächst wenig aus. Sie können sogar ein positiver Indikator sein, falls sie dadurch zustande kommen, dass ANSF mehr Aufgaben übernehmen und dabei bereit sind Risiken einzugehen. Dafür würde man aber andere zuverlässig gemessene Indikatoren brauchen, etwa die Zahl der von ANSF initiierten Gefechte, die Zahl der Verluste bei Aufständischen, die Zahl der Distrikte unter INS und unter ANSF-Kontrolle etc.
Zitat: rück…sry abzug
Beides falsch, es nennt sich politisch korrekt:
Rückverlegung!
Zynismus on: Klingt doch gleich viel besser, oder?
An der Stelle braucht man doch gar nicht groß rumtheoretisieren. Auch wenn die Zahlen in der Theorie alles mögliche bedeuten könnten, so unterstreichen sie doch letztlich das, was eh jeder weiss:
– ISAF ist immer weniger präsent, und wird entsprechend weniger getroffen.
– ANSF sind aus diversen Gründen angreifbarer geworden, und erleiden entsprechend höhere Verluste.
Und gegen „mehr Wirkung“ spricht, dass die Zahl der gezielt getöteten Regierungs-Sympathisanten weiter steigt, wie die gerade veröffentlichten UNAMA-Zahlen zu zivilen Verlusten zeigen.
Von 2011 auf 2012 hat sich die Zahl der gezielt getöten Regierungsangestellten ja bereits verachtfacht. Und jetzt hat sie von 2012 auf 2013 (für den bisherigen Vergleichzeitraum) nochmal um 80% zugelegt. Das spricht nicht für mehr Sicherheit.
@J.R
Mit dem Hnweis auf den UNAMA-Bericht haben Sie recht – ich sehe zu, dass ich den hier nachtrage.
@J.R.
Sicherheit ist nicht das Ziel des Einsatzes, sondern Kontrolle über Afghanistan. Wenn Sicherheit das Ziel wäre, müsste man sich nur sofort zurückziehen, und die Zahl der Vorfälle würde auf Null zurückgehen.
Steigende Verluste auf afghanischer Regierungsseite wären in diesem Zusammenhang prinzipiell kein Problem, solange a) der Durchaltewille der Regierungsseite größer wäre als der ihrer Gegner und b) diesen Gegnern tiefere Wunden geschlagen würden als diese der Regierung zufügen. Die dargestellten Zahlen sind nur deshalb ein Problem, weil die Regierungsseite geringeren Durchhaltewillen zeigt und ihren Gegnern nur unzureichend Schaden zufügt.
Vielleicht kann man den Durchhaltewillen ja steigern, indem man Visavergabe und Asyl für Regierungsmitarbeiter grundsätzlich ausschliesst, und den Transfer von Vermögen und Ausreise von Angehörigen ins Ausland konsequent unterbindet. Wenn die afghanische Elite keine Chance zur Flucht hat, wird sie eben kämpfen müssen.
@C’est la Vie, J.R., all
Habe zum UNAMA-Bericht einen neuen Thread aufgemacht. Je nach Schwerpunkt passt es da eher hin…
@ C’est la Vie
Sicherheit ist nicht das Ziel des Einsatzes, sondern Kontrolle über Afghanistan.
Kontrolle gibt es nur wenn man die Einflussnahme der Gegenseite auf die Bevölkerung abwehren kann. Ein wesentliches und wirksames Mittel der Einflussnahme ist eben Gewalt und Gewaltandrohung. Den Schutz davor bezeichnet man aus Akteursperspektive glaub gemeinhin als Sicherheit.
Dazu kommt, dass es nicht um den Durchhaltewillen der klar Positionierten geht – die machen nur ein paar Prozent aus. (Und von ein paar ganz oben abgesehen kommt für die meisten eine Ausreise eh nicht in Frage. Das sind hier die Dorfpolizisten, die Bürgermeister, städtischen Beamten etc. von denen wir hier reden.)
Was zählt ist die Zusammenarbeit der Bevölkerung, denn die weiß gemeinhin sehr gut was in ihrem Gebiet vorgeht. Und die stellt letztlich auch die erste Verteidigungslinie, die Resourcen und den Rekrutierungspool. Und ohne deren Unterstützung sind auch Hardcore-Kader extrem angreifbar. Aber dazu muss man erstmal die Kontrolle der Gegenseite schwächen (und das bedeutet u.a. ganz konkret ihr die Möglichkeit zu nehmen glaubhaft Vergeltung anzudrohen) und den eigenen Einfluss ausbauen. Das macht man nicht in Kabul, und das macht man auch nicht im Feldlager.
Und derzeit sieht es tendenziell eher danach aus, als würden diverse „Regierungsgegner“ ihren Einfluss ausbauen.