DroneWatch: Mehr zivile Opfer bei Drohnenangriffen als bei bemannten Flugzeugen
Das Blog Danger Room des US-Magazins Wired, hier immer eine Informationsquelle und, ich gebe es offen zu, auch immer ein Vorbild für Augen geradeaus!, hat im Juni recht sang- und klanglos den Betrieb eingestellt. Die Mannschaft des Danger Room ist zwar jetzt verstreut, setzt aber die gute Arbeit fort – zum Beispiel Spencer Ackermann beim Guardian. Für dieses (britischen) Blatt ist er Hinweisen auf eine Untersuchung der US-Streitkräfte zum Einsatz von bewaffneten Drohnen in Afghanistan nachgegangen. Mit dem sehr interessanten Ergebnis:
A study conducted by a US military adviser has found that drone strikes in Afghanistan during a year of the protracted conflict caused 10 times more civilian casualties than strikes by manned fighter aircraft.
Die Studie, auf die Ackermann sich bezieht, ist zwar eingestuft und die einzelnen Daten nicht zugänglich – offensichtlich aber die Zusammenfassung mit diesem Fazit. Der Grund dafür ist nicht die Technologie an sich, sondern der unterschiedliche Ausbildungsstand von Drohnen-Bedienern und Kampfpiloten:
„Drones aren’t magically better at avoiding civilians than fighter jets. When pilots flying jets were given clear directives and training on civilian protection, they were able to lower civilian casualty rates.“
Die Studie könnte doch interessanter Input für die deutsche Debatte über die Beschaffung von Kampfdrohnen werden. Auch wenn dann die Aussage naheliegt, dass ein Ausbildungsproblem, nun, durch Ausbildung überwunden werden könnte.
(Ich bin ein bisschen dabei, nachzutragen, was in den vergangenen Tagen liegengeblieben ist; also kommen noch Sachen, die nicht tagesaktuell sind.)
Eine bewaffnete Drohne vom Typ Reaper bei der Landung in Kandahar, Afghanistan (Foto: Crown Copyright/MoD UK/Fg Off Owen Cheverton via Flickr unter CC-BY-NC-Lizenz)
Es kam in der Dskussion gestern noch ein anderer Aspekt der auch teilweise die höheren Zivilopfer erklären könnte. Zumindest ein Teil der Drohnen wird von der CIA geflogen und die andere Rules of Engagement, darf also unter gewissen Umständen mehr Zivilverluste in Kauf nehmen.
Die 17 Drohnentoten in Pakistan gestern werden ja auch nicht alles „Militante“ gewesen sein.
Tatsache bleibt trotzdem das das unbehinderte menschliche Auge vor Ort besser sieht als das Auge das auf Kamera, Blidschirm und verzögerter und komprimierter Bildübertragung angewiesen ist. Wie man das mit „Training“ ändern will entzieht sich mir.
Der Guardian hat sich anscheinend vorgenommen, es sich diese Tage mal gründlich mit der US-Regierung zu verscherzen. Gefällt mir.
Benannte Jets dürften nur auf Anforderung von Bodentruppen Angriffe fliegen, nachdem die Bodentruppen angegriffen wurden. Wer Zivilist und wer Angreifer ist da wohl offensichtlich, und wird den Jetpiloten mitgeteilt. Die Drohnen klären zumeist wohl ihre Ziele selber aus, und greifen diese dann pro aktiv an. Das Problem dürfte einfach sein, dass die Amis aus der Luft meist nicht erkennen können, wer Zivilist und wer Feind ist.
@ Ben:
Ist aber nicht gerade das Thema der Aufklärung einer der größten Kritikpunkte?
Wenn ein Kampfjet eingesetzt wird, gibt es Aufklärungsdaten von Infanterie, eigene Aufklärung und meist noch Aufklärung von Drohnen. Viele Augen sehen mehr als wenige.
@b:
Ich bin mir gerade nicht sicher, aber sind RoE nicht eigentlich vom Einsatz bestimmt und nicht von der Ausführenden Organisation? Wenn die CIA andere RoE aht, bedeutet es dann, dass die CIA nicht teilnehmer des Afgahnistan-Einsatzes ist?
@Sven S.
Unterschiedliche RoE gab es sogar von Mission zu Mission der amerikanischen regulären Kräfte in Afghanistan… je nachdem ob die nun primär für ISAF oder OEF unterwegs waren… da sind Konstrukte vorstellbar, bei denen zwei Truppenteile in 10 km Entfernung einmal nach EOF und einmal nach ISAF-Regularien unterwegs sind.
Die CIA macht eh ihr eigenes Ding.
Ich teile aber die Ansicht von Ben, nach der die Jets eher in aktiven Kampfhandlungen eingegriffen haben, während man die Drohnen auch gerne mal unter Inkaufnahme von zivilen Opfern auf Hochwertziele gejagt hat… ist eben eine Frage der Verhältnismäßigkeit.
Vielleicht werden absolut einfach mehr Angriffe mit Drohnen als mit Jets geflogen. Dann führt die Zahl in die Irre und die Behauptung ist unseriös.
Hier wird mal wieder der übliche Feher begangen nicht zwischen der Plattform selbst und ihrem modus operandi/roe zu unterscheiden.
Drohnen haben aufgrund ihrer technischen Auslegung bez. Stehzeit, Präzisionsbewaffnung, hochwertiger Optiken das Potential deutlich niedrigere Kollateralschäden zu verursachen da man schlicht mehr Zeit hat einen opportunen Moment abzuwarten.
Was immer wieder ignoriert/missverstanden usw. wird ist das die Einsatzvariante „signature strikes“ auf diffusen Parametern basiert und collateral damage so deutlich wahrscheinlicher wird. Dazu kommt nohc die kreative Umgehung der internen Berichtspflichten zu collateral damage indem man schlicht alle Männer im wehrfähigen Alter 16/17+ zu Kämpfern deklariert. Übrigens auf allerhöchste Obama Ordre hin.
Folglich ist das Problem nicht die Drohne per se sondern die großzügige Auslegung/ toleranz hinsichtlich einer Inkaufnahme von „Beifang“.
Die deutsche Diskussion ist insofern überhaupt nicht tangiert, da die geschilderten Einsatzvarianten zumindest politisch nicht tragbar wären.
@ Sven S.
Mir ist nicht bekannt, dass es offizielle U.S. Militäroperationen in Pakistan gibt, weshalb die Mehrzahl wenn nicht sogar alle UAS-Einsätze auf pakistanischem Territorium CIA-Operationen wären. Die CIA muss dabei weder RoE von ISAF oder OEF nutzen, sondern kann eigene Einsatzregeln festlegen, die wohl durch den US-Präsidenten genehmigt wurden. Prinzipiell handelte es sich hierbei eigentlich um „covert operations“ aber sowohl das covert als auch die damit einhergehende deniability sind inzwischen nicht mehr vorhanden.
Bezüglich des Einsatzes in Afghanistan ist der Umkehrschluss andere RoE nicht im Einsatz so nicht richtig. Das Auswärtige Amt und der BND sind ja beispielsweise auch in Afghanistan aber nicht Teil von ISAF oder OEF, sondern Teil einer nationalen Anstrengung und müssen sich daher nicht an ISAF SOP halten.
@ dallisfaction
Zu sagen die Behauptung sei unseriös, fände ich in Unkenntnis der genauen Zahlen für zu weit gefasst. Wie bei jeder Statistik können einzelne Ausreißer das Gesamtergebnis stark verändern und je nachdem, welche Zahlengrundlage vorliegt, kann man fast alles damit begründen.
Inweiweit diese Zahlen, die auf der Basis spezieller Einsatzregelen und -taktiken in einem bestimmten Zeitraum in einer bestimmten Phase eines innerstaatlichen Konfliktes erhoben wurden, so verallgemeinert werden können, dass sie die Grundsatzdiskussion zur Beschaffung eines Waffensystems informieren können, halte ich für riskant. Wie bereits öfters erwähnt, wäre die Leistungsfähigkeit und auch Präzision der UAS unter anderen klimatischen Bedingungen vermutlich deutlich schlechter. Flögen bemannte Jets und UAS dagegen die gleichen Einsätze unter gleichen RoE wären die Ergebnisse unter Umständen andere.
Zur amerikanischen Rechtfertigungsdialektik hier noch ein lesenswerter Kommentar.
http://www.salon.com/2013/02/09/how_do_you_explain_drone_killings_with_post_orwellian_newspeak/
Das erste Zitat im Artikel ist glaube ich unglücklich gewählt.
So wie es dort steht könnte es auch einfach sein, daß 10 mal mehr Angriffe durch Drohnen geflogen werden. Günstiger wäre glaube ich: ’10 times likelier to kill civilians than manned aircraft are.‘ gewesen.
Grüße
@ dallisfaction
Vielleicht werden absolut einfach mehr Angriffe mit Drohnen als mit Jets geflogen. Dann führt die Zahl in die Irre und die Behauptung ist unseriös.
Ich gehe davon aus, dass die Angabe des Guardians („zehnmal soviele“) eine relative ist, wie ja auch die Wortwahl „an order of magnitude more likely to result in civilian casualties per engagement“ nahelegt („je Einsatz ist es eine Größenordnung wahrscheinlicher dass es zu zivilien Verlusten kommt.“)
Andernfalls wäre die Quote nebenbei noch schlechter, da der Waffeneinsatz von Drohnen bei der Luftunterstützung in Afghanistan nur einen Bruchteil ausmacht. (Siehe die vom Bureau of Investigative Journalism gesicherte offizielle Statisik.)
Für die vom Guardian betrachteten Jahre 2010/2011 machten Drohnen ein Zwanzigstel der Waffeneinsätze aus (2012 dann ein Zehntel).
@ Ben
Die Drohnen klären zumeist wohl ihre Ziele selber aus, und greifen diese dann pro aktiv an. Das Problem dürfte einfach sein, dass die Amis aus der Luft meist nicht erkennen können, wer Zivilist und wer Feind ist.
Und damit dürften Sie die Ursache benannt haben. Ich bezweifle, dass eine andere Ausbildung daran wirklich viel ändern kann.
Und was lernen wir daraus?
Die Fragen wurden ja schon aufgeworfen:
10 mal mehr Flüge, daher auch 10 mal mehr unbeteiligte Tote?
Gleiche Anzahl Flüge, trotzdem 10 mal mehr unbeteiligte Tote?
Solange das nicht klar ist ist eine Diskussion eigentlich unnötig, wir können nichts dazu sagen,
Werferfehler
Und bis man dann vernünftig ausgebildet hat, wird die höhere Anzahl an Opfern als „trainings-kollateralschaden“ hingenommen?
Dronen fliegen eben nicht einfach mal so in der Gegend rum und knipsen je nach Laune Personen am Boden aus. Ich habe aber das Gefühl genau das spiegelt die allgemeine Meinung in der deutschen Bevölkerung wieder.
Auch ein Droneneinsatz erfordert eine entsprechende Missionsplanung im Vorfeld !!!
Für den FAC / JTAC am Boden der in bestimmten Situationen mit Video Downlink arbeitet unterscheidet sich nicht viel ob die Platform ein Kampfjet oder Drone ist. Wobei die Sensoren der Predator schon weit besser sind als so mancher in die Jahre gekommene Pod am Kampfjet.
Auch die ROE´s und Verfahren sind die selben.
Ich tippe eher darauf das die Hemmschwelle beim Dronenpiloten bedeutend geringer ist. Da wird dann im Zweifelsfalle schon eher auf den Knopf gedrückt.
Ironischerweise würde dann doch wieder die Bevölkerungsmeinung erfüllt.
Gibt die Statistik eigentlich her bei wievielen der Waffeneinsätze mit zivilen Opfern ein FAC / JTAC controlled hat und welcher Nation er angehörte ????
OT, aber interessant:
Laut Bundeswehr.de sind die ersten 100 Fahrzeuge der Rückverlegung in Trabzon angekommen, darunter:
– 37 Dingo
– 21 Eagle
– 3 Transportpanzer Fuchs
– 3 Fennek
– 2 Pionierpanzer Dachs
– 2 Enok
– 1 Bergepanzer Büffel
– 15 Anhänger verschiedener Typen
– mehrere Wölfe
– Exoten wie etwa ein Knicklader, ein Kettenbagger oder ein Erdhobel
Das sind ja gefühlt 50% aller funktionsfähigen Dingo…
@ nachdenklich
Dronen fliegen eben nicht einfach mal so in der Gegend rum und knipsen je nach Laune Personen am Boden aus.
Bei den Briten und Amerikanern machen Drohnen aber auch genau das.
(Siehe unter anderem die Aussagen von James Jeffrey, der selbst Drohnenpilot in Afghanistan war.)
Zum OT
Was ist an den 2 Enoks so besonders ?
Und warum fühlen sich 37 Dingos für dich wie die hälfte von hunderten Dingos an. Glaube das sind so um die 700-800 Fahrzeuge der BW. Insgesamt hat KMW vor kurzem das 1000. Vehikel ausgeliefert.
@ J.R.
Die Situation die er beschreibt gibt das aber nicht her.
Auch er startet nicht einfach mal so weil er gerade dran ist, überfliegt ein bestimmtes Gebiet und schiesst drauf los weil er meint was gesehen zu haben.
Da sitzt immer eine Kommandostruktur darüber die noch ein Wörtchen mitzureden hat.
Die Situation mit dem IED vergrabenden Taliban der sich als spielendes Kind entpuppt gab und gibt es immer wieder . Egal welche Platform in der Luft ist .
Interessant finde ich seine Bemerkung, daß es sich hinter einem Bildschirm leichter töten lässt. Damit sind wir wieder bei der Hemmschwelle.
Dabei kommt mir nebenbei auch der Soldat in den Sinn der hinter einem FLW Bildschirm sitzt ….
@wacaffe
„Hier wird mal wieder der übliche Feher begangen nicht zwischen der Plattform selbst und ihrem modus operandi/roe zu unterscheiden.“
und genau diesen Fehler machen sie selbst.
„Drohnen haben aufgrund ihrer technischen Auslegung bez. Stehzeit, Präzisionsbewaffnung, hochwertiger Optiken das Potential deutlich niedrigere Kollateralschäden zu verursachen da man schlicht mehr Zeit hat einen opportunen Moment abzuwarten.“
Beim US Einsatz von RPAs „beyond line of sight“ können die Hochwertoptiken nicht in Echtzeit genutzt werden. Deshalb werden Flugbahn und Ziel zuvor Programmiert und sind somit vor Abflug festgelegt. Ein Eingreifen der Operateure ist eher selten. Die Waffen, die eingesetzt werden sind andere als die, welche beim Einsatz zur Truppenunterstützung im Gefecht eingesetzt werden. Ziel der RPAs bei der Gezielten Tötung (targeted killing) sind meist Häuser und keine Einzelpersonen. Meist ist die einzige Info die an die ground control station (GCS) geht ist, ob die Zielpersonen noch im Gebäude sind, ansonsten wird die Mission (im Regelfall) abgebrochen. Mehr Einfluß wird oft nicht genommen.
Ein Luftwaffenpilot ist immer (sic!) vom Waffeneinsatz entkoppelt, er sieht nie die Folgen seines Einsatzes, es ist schlichtweg Unsinn zu sagen hinter dem Monitor ist es einfacher zu töten als direkt im Jet.
Ich behaupte ebenfalls die hohen Kollateral Schäden sind durch die Einsatzprofile der UAV entstanden, insbesondere in gebieten wo ich eben kein JFST/FAC am Boden habe oder sonstwie Beobachter was ziemlich häufig in Pakistan vorkommen dürfte da wir nur wenige und dann verdeckte kräfte am Boden haben. Da kann ich mir sehr gut vorstellen das man Verluste in Kauf nimmt um das mehr oder weniger Hochwert Ziel zu Vernichten/Töten. Ausserdem sind solche Ziele natürlich meistens leider nicht mitten in der Pampa anzutreffen sondern meist irgendwo wo auch Zivilisten rumlaufen. Es ist eher ein Problem das die Hemmschwelle prinzipiell sehr niedrig ist denn man tötet ja die „anderen“ for the greater Good.
Wenn zehnmal mehr Sorties von UAV geflogen werden, ist das kein Wunder oder?
Die CIA hat kein JFST/FAC Personal. Die heuern nur einheimische an, die Tipps geben wo bestimmte Zielpersonen sich aufhalten, und maximal GPS Sender anbringen. Wenn man falsche oder sehr ungenaue Infos bekommt, gibt es ein Fehlschlag mit Kollateral Schäden. Die bewaffneten Drohnen werden nur zu Luftunterstützung herangezogen, wenn die gerade über das Zielgebiet fliegen, ansonsten kommen wohl nur benannte Flugzeuge im Einsatz. Daher spielt das auch keine Rolle, ob Reaper mehr Sorties fliegen oder nicht.
Die Reaper fliegen mit Waffen Aufklärungsmissionen. Wenn der Pilot im fernen USA einen Taliban vermutet, wird da wohl sehr schnell geschossen. Was sicherlich Politisch in den USA gewollt ist, und damit werden die USA so weiter machen. So etwas ist in DE halt nicht Politisch gewollt, daher wird die DE Lw so nicht vorgehen können.
Das mit Autonom dürfte beim Reaper wohl auch nicht viel besser klappen, wie beim EuroHawk. Wenn der nicht von einen Menschen kontrolliert würde, flöge der wohl überall hin, bloß nicht ans Ziel. Eine bewaffnete Heron TP dürfte zu teuer kommen, und die USA uns eine bewaffnete Reaper die nächsten Jahre liefern wollen, halte ich für fraglich. Das ganze halte ich für eine TdM Phantom Diskussion, um abzulenken, dass man eigentlich völlig Planlos in Lfz Planung ist.
@Ben
Leider ist es so dass die RPA besser mit Wegepunkten (GPS gestützt) programmiert als „BLOS“ gesteuert.
Sonst Zustimmung
Ich glaube nicht, das GA noch viele Reaper an Exportkunden verkaufen kann. Der Reaper kann praktisch wohl nur nach Westeuropa und Australien exportiert werden. Die Australier schielen wohl gerader eher Richtung Triton. Frankreich wird m.M. aus Industriellen nur höchstens 6 Reaper abnehmen. Wenn Drohnenminister TdM weg ist, dürfte man auch mit den geleasten Heron 1 weiter machen, und evtl. diese Kaufen. Ein Umstieg auf das US Produkt produziert ja wieder sehr hohe Kosten. Die Niederländer wollten mit DE Reaper anschaffen. Daher dürfte sich die Niederländer die Reaper Beschaffung auch sparen. Bei IAI mit seinen Ladenhüter Heron TP dürfte es wohl nicht besser aussehen.