„Kein Grund, an der Zuverlässigkeit der Afghanen zu zweifeln“
Nach dem Gefecht am 4. Mai in der nordafghanischen Provinz Baghlan, bei dem ein deutscher Soldat des Kommandos Spezialkräfte gefallen war, sieht die Bundeswehr keinen Anlass zum Misstrauen gegenüber afghanischen Sicherheitskräften. Wir haben keinen Grund, an der Zuverlässigkeit und am Kampfeswillen der Afghanen zu zweifeln, sagte der stellvertretende Befehlshaber des Bundeswehr-Einsatzführungskommandos, Konteradmiral Rainer Brinkmann, am Mittwoch in Potsdam. Brinkmann bestätigte zugleich im Grunde Berichte über den Ablauf des Gefechts, wies aber die Einschätzung zurück, die beteiligten afghanischen Polizisten hätten dabei die Flucht ergriffen und die deutschen Soldaten im Stich gelassen.
Wenn wir den Eindruck hätte auf die Afghanen sei kein Verlass, wäre die Zusammenarbeit zumindest ausgesetzt worden, sagte Brinkmann. Nach seinen Worten hatten sich die afghanischen Sicherheitskräfte, Polizisten einer Provicial Response Company, zwar taktisch anders verhalten, als es deutsche Soldaten gemacht hätten. Zudem hätten die Afghanen in dem Terrain am 4. Mai, einem Waldstück, keinerlei taktische Erfahrung. Die Vorwürfe, sie hätten die Deutschen bewusst im Stich gelassen oder es habe gar einen Verrat durch Innentäter gegeben, entsprächen nicht unserem Informationsstand, sagte der Admiral.
Einzelheiten des Gefechts wollte Brinkmann nicht nennen, betonte aber zugleich, das Verhalten der Afghanen werde von der Bundeswehr nicht wie in Medienberichten als Flucht bewertet. Weder die Afghanen noch die Deutschen seien wie üblich vorgegangen und hätten ein Gefecht in der Intensität, wie es dann stattfand, nicht erwartet.
Unter Berufung auf Bundestagsabgeordnete hatte es geheißen, die afghanischen Polizisten hätten sich aus einem Hinterhalt fluchtartig rund 700 Meter zurückgezogen, ohne auf die deutschen Soldaten Rücksicht zu nehmen.
Die Vermutung, die Bundeswehrsoldaten seien verraten worden und in eine Falle gelaufen, wies Brinkmann ebenfalls zurück. Die Gefahr durch solche Innentäter habe strategische Bedeutung und werde äußerst Ernst genommen, sei in diesem Fall aber nicht zu belegen.
(Foto: An Afghan National Police-Provincial Response Company member tosses a grenade before other PRC members enter a simulated room during a training session taught by International Security Assistance Force Special Operations Forces at Forward Operating Base Kutschbach, Afghanistan, Nov. 25, 2010 – ISAF photo by U.S. Air Force Staff Sgt. Joseph Swafford via Flickr unter CC-BY-Lizenz)
Also ich würde sagen, die Mütze, die der Admiral hier auf hatte, war die eines Diplomaten.
Nach dem Anschauen des Videos „What winning looks like“ auf Youtube habe ich einen anderen Eindruck als die Bundeswehr zur Zuverlässigkeit der Afghanen. Aber zum Glück bin ich nicht so nah dran wie die Bundeswehrsoldaten.
Videolink zu Youtube: http://www.youtube.com/watch?v=Ja5Q75hf6QI
Ich würde sagen, die Mütze, welche der Admiral auf hatte, war die eines Flagoffiziers…
Das müssen sie ja wohl auch sagen denke ich…offiziell an der Zuverlässigkeit der ANSF zu zweifeln wäre zum einen ein Eingeständnis dass es nicht ganz rund läuft, und zum anderen würde das einen zornigen Herrn Karzai auf den Plan rufen…
um nochmal auf den Spiegelartikel einzugehen… Eine Aussage macht mich da etwas stutzig: „Bei einem seiner Kameraden durchschlug eine Kugel den Helm und verletzte ihn schwer.“ Bei der Einsatzmeldung der Bundeswehr steht jedoch, dass der Soldat bereits am 07. Mai, also 3 Tage später, aus der medizinischen Behandlung entlassen wurde und im Einsatzland verbleibt. Also scheint mir von einer der beiden Seiten etwas beschönigt bzw. dramatisiert zu sein.
Mehr zu dem Auftritt bei spon. Scheint ja ein Galauftritt gewesen zu sein. Wir können alles außer Pressearbeit ;-)
Sicher versucht jetzt die Bundeswehrführung mit allen Mitteln den Eindruck zu vermeiden, als hätte man bereits vorher wissen müssen, mit welch „unsicheren Kantonisten“ man es in Gestalt afghanischer Polizisten zu tun hat. Jeder einigermassen mit afghanischen Verhältnissen Vertraute wird wissen, was er von dieser sog.“diplomatischen“ Rede zu halten hat. Sie ist samt und sonders unwahr und gibt keinesfalls die Realität wieder. ich würde einen Admiral bitten , sich doch nur zu Angelegenheiten der Hohen See und ggfs. zu der „Gorch Fock“ zu äussern. Nicht alles, was ihm der Stab da aufgeschrieben hat, sollte er in die Öffentlichkeit tragen. Er gibt sich nur der Lächerlichkeit preis.
„Oh wenn Du doch nur geschwiegen hättest…!“
Wieso macht das EinsFüKdo so ein Pressegespräch vor dem Auftritt des Ministers am 5.6. im VA? Sind zu wenige Bälle in der Luft? Soll TdM bei der Gelegenheit auch gleich noch erläutern, warum die udp der letzten Monate offenbar falsch und unvollständig gewesen sind?
Wie AB und chickenhawk völlig richtigerweise sagen muss er das ja schon so sagen. Nach der neuen Statistik wäre das ja der Super-Gau gewesen (medial natürlich).
Aber die Aussage steht auch im Kontrast zu den in anderen Medien (FAZ, SPON) berichteten Bedenken in den höheren Führungsebenen, dass das Verhalten der afghanischen Kräfte einiges in Frage gestellt hätte. Im alten Thread hatte ich deswegen ja geschrieben warum man von den am Vorfall beteiligten afghn. Kräften denn etwas anderes erwartet hatte als die Erfahrungen bisher suggeriert haben (bzw. die der ISAF Partner).
Irgendwo passt das volle Vertrauen dann ja auch nicht damit zusammen, dass der Anstieg der Zwischenfälle die logische Folge der Verantwortungsübernahme sein. Gut da spielen noch andere Faktoren mit rein, dennoch passt das alles nicht richtig.
Was soll er schon anderes sagen?
Mir scheint es, als wenn die Devise gilt:
Augen zu und durch.
Die Frage ist doch, warum er überhaupt in dieser Situation dieses Pressegespräch anberaumt. Dass die Berichterstattung der FAZ und von SPON zum 4. Mai aufgegriffen werden – mit den kolportierten Äußerungen des GI zur Infragestellung der Zusammenarbeit mit den ANSF – liegt doch auf der Hand. Er bestätigt die Berichterstattung und setzt sich in Widerspruch zum GI. Ohne dieses Gespräch hätte sich vor nächstem Donnerstag niemand mehr für Afghanistan interessiert.
@ Tom-W.: Stimmt – mit der versuchten Richtigstellung pusht man wieder. Allerdings ist es definitiv so, dass die Bewertungen bei SPON und FAS (Flucht, Verrat, etc.) erstens nicht der Obleute-Unterrichtung und zweitens nicht den Tatsachen entspricht.
Ich liebe diese Volksvertreter, die derart vertraulich agieren. Ich liebe aber auch den Presse/InfoStab mit seiner unnötigen Geheimniskrämerei. Was die Feinde von de Maizière betrifft, so suchen diese aktuell jede offene Flanke und nutzen diese. Leider oft auch auf dem Rücken der Truppe.
Ich hoffe, einer der 16 überlebenden Kameraden nutzt die Chance der Anonymität in diesem Internet und teilt seine Lagebewertung mit dem interessierten Publikum.
Außerdem google ich gerade nochmal den Begriff „disconnected leadership“
Zwei Anmerkungen:
1. Bei den Afghanischen Kräften mit denen die TF 47 als QRF eingesetzt war, handelt es sich um ein PRC (Provincial Responce Company). Das sind Kräfte, die auf „evidence based“ Zugriffsoperationen spezialisiert sind. Wenn also ein Fehler gemacht worden ist dann der, dass die Afghanen diese Kräfte für Infantrieaufgaben eingesetzt haben.
2. Stichwort Statistik: Mit Übernahme der Räume, hängen wir in vielen Bereichen jetzt vom sogenannten „Green Reporting“ ab. In diesem werden viele Vorfälle als Sigacts gemeldet, die zu einer Verzerrung der Zahlen führen. Die vergleichsweise hohe Zahl an gemeldeten und entschärften IEDs gehört z.B. dazu.
@lastboyscout:
TF 47 und PRC als QRF scheint mir ebenfalls das Thema zu sein.
Die QRU im OP-N wurde zudem offenbar ja auch nach Stunden nicht zur Vstk eingesetzt (IRF-Rolle?).
@memoria.
War keine Combined mission.
@lastboyscout:
Naja mit der ad-hoc Unterstützung der TF47 in QRF-Role wurde es ja ne combined mission (afghanisch-deutsch).
Zumindest bei Bündnispartnern mit entspannterem Verhältnis zwischen SOF und GPF stehen GPF auch als ggf. zusätzliche QRF/IRF bereit. Entsprechende Entspannung brachten aber erst die Jahre im Einsatz.
Eine Black-Box war ja wohl auch nicht aufgemacht worden, da kein Zugriff.
Ich kenne keine nichtöffentlichen Details, mir fällt nur immer wieder auf, dass verfügbare Reserven auch bei länger anhaltenden Gefechten nicht herangeführt wurden.
Ist natürlich immer hinterher leichter zu sagen..
Aber vielleicht hab ich Ihren Einwand auch falsch verstanden.
„Wir haben keinen Grund, an der Zuverlässigkeit und am Kampfeswillen der Afghanen zu zweifeln, sagte der stellvertretende Befehlshaber des Bundeswehr-Einsatzführungskommandos, Konteradmiral Rainer Brinkmann, am Mittwoch in Potsdam.“
…
OK, ihm wird ja auch in Potsdam nicht der Arsch weg- oder in den Rücken geschossen … den Jungs an der „Front“ schon ! ! !
nunja ddas gesülze in potsdam ist so durchsichtig wie politisch. kann man abhaken. sind halt die üblichen diplomatischen fingerübungen, die nach so einem vorfall anstehen. da sollte man sich seine galle ruhig für fettes essen aufheben, da wird die dringender gebraucht …
auf arbeitsebene ist die vergleichsweise laxe kampfmoral der „verbündeten“ doch allgemein bekannt, und der befehl die einschlagstellen zu untersuchen wird ja wohl nicht in potsdam entstanden sein …
Wer die Verhältnisse in AFG kennt, weiß, dass auf die ANSF genauso wenig Verlass ist, wie auf die afghanischen Politiker. Unsere Soldaten müssen froh sein, wenn sie nicht von Angehörigen der ANSF hinterhältig erschossen werden, was ja leider schon häufig passierte. Das Statement dieses Admirals ist beschämend und eines deutschen Offiziers absolut unwürdig.
@memoria
Der Punkt ist, die Afghanen planen ihre Operationen inzwischen völlig selbstständig. Das Gleiche gilt für die Durchführung. Man kann darüber streiten, aber es sind ihre Operationen und sie müssen sie durchfechten. Und das tun sie überwiegend auch durchaus gut. Wir unterstützen ggf. mit dem was die Afgh noch nicht haben.
Ich habe keine Ahnung wie derartige Kampfhandlungen sich tatsächlich gestalten.
Aber wenn in der Situation ein Offizier oder mehrere Mannschaften die Angst oder Furcht ergreift, eine Situation falsch einschätzt wird und das alles in einer komplexen Lage – dann steht man halt im Fog of War. Wenige unbekannte Personen treffen an einem zufälligen Tag viele individuelle Entscheidungen. Irgendjemand ist übermüdet, irgendjemand harmoniert nicht mit irgendjemand… Am Schluß ist einer tot. Sagt das dann etwas aus über den Kampfeswillen der ANSF, der Afghanen, die afghanischen Verhältnisse, die Bundeswehr?
@ Auchmal: Im Gefecht unkoordiniert davonzulaufen ist nun mal eine schwache Leistung der Afghanen, auch wenn sich das vom Schreibtisch aus kommentiert sehr überheblich oder zynisch anhört.
@ All: Hätte der stellvertretende Befehlshaber des Einsatzführungskommandos öffentlich die mangelnde Zuverlässigkeit von Verbündeten gerügt, so wäre das in meinen Augen ein militärischer Fehler und nicht nur ein diplomatischer Fauxpas. So etwas sagt man eben nicht öffentlich auf einer Pressekonferenz. Daraus auf Realitätsblindheit der militärischen Führung zu schließen, ist nicht logisch. Wie diese die Lage wirklich einschätzt, entzieht sich natürlich meiner Kenntnis.
@lastboyscout:
Schon klar, dass es nun afghanische Operationen sind und wir in der zweiten Reihe arbeiten sollen. Eine dieser Funktionen ist doch die Gestellung der QRF (QRU der PATF). Den Unterschied zwischen Theorie und Praxis hatten wir kürzlich ja schon anhand des DHQ diskutiert.
Die QRU der PATF MeS greift- gem. Mitteilungen des BMVg/ EinsFüKdo – nicht in die zunehmenden Kämpfe in Baghlan ein. Auch nicht am 4.05.13.
Dies kann taktische oder operative Gründe haben.
Scheint mir jedoch anderweitig begründet.
Wir müssen nach all der Zeit endlich loslassen, aber dabei sollten wir an unseren Heimweg denken.
Stringent scheint mir das oftmals nicht.
Auch nicht in weiteren Folgerungen (Ausbildung, Ausrüstung) – in die ich Einblick habe.
Wenn man mit diesem Eindruck auf die Rückverlegung (erst OP-N, dann KDZ) und die aktuellen Ereignisse in Baghlan schaut, dann kommt schon Sorge auf.
The enemy has a vote…
Daher lastboyscout: be prepared!
Sonst werden wir bald auf dem falschen Fuß bitterbös erwischt.
@M.G.
Dann erinnere ich an die öffentliche „schelte“ von TdM, wir würden nach Anerkenneung gieren …
… „So etwas sagt man eben nicht öffentlich auf einer Pressekonferenz.“
@ memoria
Alles richtig. Aber ich glaube, wir könnten noch 10 weitere Jahre ausbilden und selber wirken. Die Sorgen für die Übergangsphase wären dieselben. Operationsführung ist eben auch immer ein Kompromiß zwischen politischen Vorgaben und taktischen Notwendigkeiten/inhaltlicher Stringenz. Wie ich an anderer Stelle schon sagte „Das Wasser ist nass, der Himmel blau, …“ Die ANSF müssen diese Fighting season mit der Hilfe von ISAF „afghanisch erfolgreich“ abschließen. Dazu gibt es keine Alternative. Aber wer die Lage kennt – wie sie – der weiß, das kann, muss aber keinesfalls funktionieren. Eines ist aber klar, wenn dieser Ansatz nicht funktioniert, dann keiner!
@lastboyscout:
Alles richtig. Es ist Zeit los zu lassen und zu gehen.
Nur leider haben wir unseren Anteil (!) am Übergang bis jetzt suboptimal geplant, vorbereitet und durchgeführt – da kann afghan ownership nicht als Begründung herhalten.
Friktionen gibt es immer, aber realitätsferne Planung ist was anderes.
Am Ende wird die Truppe wiedermal das Beste draus machen.
Hoffentlich genügt dies einmal mehr.
Wir werden es in den nächsten Wochen sehen.
Laut „FAZ“ hatte sich die Polizeieinheit dabei abermals „fluchtartig“ aufgelöst. Während die verbliebenen KSK-Soldaten gekämpft hätten, hätten sich die Afghanen in sicherem Abstand aufgehalten. Der gefallene und der verwundete Soldat hätten knapp zwei Stunden nicht abtransportiert werden können. Die namentlich nicht genannten Abgeordneten, auf die sich die „FAZ“ berief, waren von Generalinspekteur Volker Wieker unterrichtet worden. Auch deutsche Sicherheitskreise bestätigten den „FAZ“-Bericht. Später berichtete auch die „Süddeutsche Zeitung“ unter der Überschrift „Zweimal im Stich gelassen“.
Vielleicht auch von Interesse:
Im Distrik Warduj (Provinz Badakshan) ist eine Polizeistation mit 120 Polizisten seit einem Monat durch die Taliban von der Außenwelt abgeschnitten.
Zur Eskalation in Warduj hat die Global Post einen interessanten Artikel: In remote Afghan district, the roots of insurgency are local