EuroHawk: Abgestürzt in den Wahlkampf

Ein ganz klein wenig hätten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages vorgewarnt sein können. Im Sommer vergangenen Jahres schlug der Bundesrechnungshof (BRH) Alarm: Das Verteidigungsministerium, klagten die Prüfer, wolle die Unterlagen über ein Millionen-Rüstungsprojekt nicht an den BRH herausrücken, weil mit dem Lieferanten Vertraulichkeit vereinbart worden sei. Das Millionenprojekt: Die Riesen-Drohne EuroHawk, im Juli 2011 vom US-Hersteller Northrop Grumman nach Deutschland überführt, zur weiteren Ausrüstung mit moderner Sensortechnik durch die EADS-Tochter Cassidian.

Rückblickend scheint offensichtlich, dass das Misstrauen der Rechnungsprüfer nicht unberechtigt war. Zwar hat das Verteidigungsministerium, in seinen eigenen Worten, die Reißleine gezogen und das Projekt beendet: Zu teuer wäre es geworden, den einen bereits beschafften EuroHawk und die geplanten weiteren vier unbemannten Flieger dieses Modells für eine Zulassung in Deutschland fit zu machen. Wie viel Steuergelder mit dem gescheiterten Anlauf versenkt wurden, seit wann den Deutschen die rechtlichen Probleme klar waren und wer dafür letztendlich die Verantwortung trägt: Das blieb auch nach einer Sitzungs des Bundestags-Verteidigungsausschusses, in der sich Staatssekretär Stéphane Beemelmans den kritischen Fragen der Abgeordneten stellen musste, weitgehend offen.

Damit trudelt der Riesenflieger direkt in den anlaufenden Wahlkampf vor der Bundestagswahl im September. Die Aussagen der Parteienvertreter boten dafür schon eine kleine Kostprobe. So ist aus Unionssicht bedeutsam, dass die ersten Beschaffungsplanungen für den EuroHawk unter Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) stattfanden und der Vertrag 2007 zwar unter dem CDU-Verteidigungsminister Franz-Josef Jung, aber vom SPD-Staatssekretär Peter Eikenboom unterzeichnet wurden. Und das CDU-geführte Ministerium unter Thomas de Maizière das Projekt gestoppt habe. Die Opposition wiederum beklagt, seit Ende 2011, also unter der schwarz-gelben Koalition, hätte klar sein müssen, dass dieses unbemannte Flugzeug in Deutschland auf Hürden bei der Zulassung stoßen würde: Die derzeitige Bundesregierung, sagt der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold, habe das Parlament veräppelt.

Ähnlich kontrovers werden die Kosten gesehen. Mindestens 680 Millionen Euro seien sinnlos ausgegeben worden, klagt die Opposition. Verteidigungsministerium und CDU verweisen dagegen darauf, die für den EuroHawk geplante Aufklärungstechnik sei doch gut und könne in einer anderen Plattform verwendet werden (welche, ist noch ziemlich offen), so dass nur die Kosten für das eigentliche Fluggerät abzuschreiben seien.

Auch wenn die Perspektiven nach politischem Standpunkt unterschiedlich sind: Dass das Projekt EuroHawk als Debakel endet, kann keiner bestreiten. Und ein Debakel ist es gleich in mehrfacher Hinsicht: Der Bundeswehr (und ganz nebenbei, auch dem deutschen Auslandsgeheimdienst BND) fehlen die Aufklärungsergebnisse der so genannten SIGINT, der elektronischen Aufklärung aus der Luft. Was der Stopp des Projekts generell für Drohnenpläne der Truppe und des Ministeriums bedeutet, technisch wie politisch, ist noch völlig offen. Und nicht zuletzt hat sich erneut gezeigt, wie abhängig die deutschen Streitkräfte von der Industrie sind, in diesem Fall der amerikanischen.

Schon für die Ausnahmegenehmigung, mit der der EuroHawk sich in Deutschland in die Luft erheben konnte, waren nach Angaben eines Kenners 6.000 Dokumente vorzulegen. Für eine reguläre Zulassung fehlten dann noch etliche Papiere, die ganz offensichtlich nicht Bestandteil des Vertrages mit dem US-Lieferanten waren und für größere Summen hätten beschafft werden müssen – so kommen die Schätzungen für die Kosten einer Zulassung für den deutschen Luftraum zusammen,  die bei 500 bis 600 Millionen Euro liegen. Und diese Summe wäre voraussichtlich nicht nur einmal fällig geworden – weil in der (inzwischen beendeten) Produktion dieses Drohnenmodells kein Flugzeug mit dem anderen identisch ist.

Wer letztendlich für das Debakel verantwortlich ist, wird sich vermutlich nie endgültig klären lassen: Zu komplex sind bei Großprojekten, in der Rüstung wie im zivilen Leben, die Zuständigkeiten, Berichtswege, die Wechsel der Verantwortlichen auf der Arbeitsebene (oder weiß jemand, wer eigentlich letztendlich das Problem des Berliner Großflughafens zu verantworten hat?).

Und so dürfte das Thema vor allem der Opposition ein wenig Wahlkampfmunition liefern. So dicke hat’s die Bundeswehr ja auch nicht. Für Verteidigungsminister Thomas de Maizière bleibt das Problem: Er hat schon 2011 den Versuch begonnen, mit der Rüstungsindustrie über Großprojekte, die Belastung für den Verteidigungshaushalt und über Umsteuerungen bei lange laufenden, teuren Vorhaben zu reden. So richtig geklappt hat das bislang nur ein einem Fall.

(Foto: Der EuroHawk beim Überführungsflug nach Deutschland am 21. Juli 2011 – Pressefoto Northrop Grumman)