„Atalanta“ verlängert. Und: 59 deutsche Reedereien heuern bewaffnete Wächter an
Der Bundestag hat am (heutigen) Donnerstag die deutsche Beteiligung am EU-Antipiraterieeinsatz Atalanta (Foto oben: die deutsche Fregatte Augsburg) um ein weiteres Jahr verlängert. Nach Angaben des Parlaments stimmten 310 Abgeordnete dafür, die Mission bis Ende Mai 2014 fortzuführen; 206 Parlamentarier stimmten dagegen, 61 enthielten sich (die Liste der namentlichen Abstimmung ist noch nicht online hier das Ergebnis nach Abgeordneten sortiert). Die Grünen hatten einen Antrag vorgelegt, die im vergangenen Jahr beschlossene Ausweitung des Atalanta-Mandats auf die Strandzone wieder zurückzunehmen, dieser Antrag fand jedoch keine Mehrheit. Allerdings haben die EU-Seestreitkräfte von dieser Möglichkeit, so weit bekannt, bisher nur ein Mal Gebrauch gemacht.
Zu diesem Beschluss passt doch gut die Meldung, die ich heute vom Bundesverband der Sicherheitswirtschaft bekam:
Durch den verstärkten Einsatz von privaten Sicherheitskräften auf Seeschiffen haben sich im ersten Quartal dieses Jahres die Piratenangriffe gegenüber dem Vorjahreszeitpunkt weltweit erheblich reduziert. Wurden im ersten Quartal 2012 noch 102 Piratenangriffe vom Internationalen Schifffahrtsbüro (IMB) registriert, reduzierte sich diese Zahl im ersten Quartal 2013 auf noch 66 Angriffe. Im ersten Quartal dieses Jahres wurde kein deutschgeflaggtes Schiff mit privaten Sicherheitsdiensten an Bord angegriffen. Jede 3. Reederei war in den letzten Jahren mindestens einmal direkt von Piraten betroffen, davon 27 Prozent noch im Jahr 2011. „Diese positive Entwicklung ist im Wesentlichen auf den verstärkten Einsatz bewaffneter privater Sicherheitsdienste auf Seeschiffen zur Gefahrenabwehr zurückzuführen. Deren Präsenz schreckt Piraten ab“, so BDSW Präsident Wolfgang Waschulewski. Nach einer Umfrage unter 101 deutschen Reedereien durch die weltweit tätige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers setzen inzwischen 59 Reeder private bewaffnete Sicherheitsdienste ein. In den Jahren zuvor war die Zahl noch wesentlich niedriger: 2009: 12; 2010: 22, 2011: 33.
Dabei muss man natürlich im Hinterkopf haben, dass 59 deutsche Reedereien nicht bedeuten müssen, dass auch nur ein Schiff unter deutscher Flagge von privaten Sicherheitsdiensten bewacht wird – das eine hat ja mit dem anderen nichts zu tun. Insofern ist auch die Aussage, dass im ersten Quartal dieses Jahres kein deutsch geflaggtes Schiff mit privaten Sicherheitsdiensten an Bord angegriffen wurde, ganz leicht irreführend.
Denn das Gesetz mit den entsprechenden Verordnungen, die vor allem die dann vorgeschriebene Zertifizierung dieser privaten Sicherheitsdienste regeln, wird wohl erst im Dezember in Kraft treten. Dafür müssen auch die Verordnungen mit den schönen Namen Seeschiffbewachungsverordnung und Seeschiffbewachungsdurchführungsverordnung gelten. Ich hätte deshalb gerne mal die Statistik über den Einsatz privater Sicherheitsdienste auf deutsch geflaggten Schiffen, derzeit. (Die ja durchaus legal sind, aber im Hinblick auf das neue Gesetz und die Verordnung etwas in einer Grauzone.)
(Foto: Die Fregatte Augsburg begleitet den Frachter Yakima Princess, der für das Welternährungsprogramm Lebensmittel nach Somalia bringt – EUNAVFOR via Flickr unter CC-BY-NC-ND-Lizenz allowing editorial use)
Private Sicherheitsdienste. OK. Aber mit einem staatlichen Sicherheitsdienst könnten z. B. die BW oder die BP noch Geld verdienen.
Netter Gedanke – aber schätzen/vergleichen Sie mal den Tagessatz eines phillipinischen Wachmannes mit dem eines bundesdeutschen Beamten (plus Auslandsverwendungszuschlag).
Die Margen in der Reederbranche sind sehr klein – staatliche Sicherheitsleistungen dagegen selten unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit kalkuliert. Wird also eher nichts aus diesem Geschäftsmodell…
nun…wenn´s bald keine marine mehr gibt, nachdem sie abgeschafft wurde ;)…übernehmen dies halt Private Sicherheitsdienste !!
@Seestratege
das sind keine phillipinischen Wachleute, eher ex-soldaten und ex-polizisten aus Westlichen ländern, für die sind das zudem lukrative Aufträge und die bekommen mehr als ein Soldat oder Polizist mit Auslandszulage. :)
Die BW hat ja sogenannte VPT(Vessel Protection Teams) aber ich meine diese wurden bislang nur auf Versorgern und auf den Schiffen der Welthungerhilfe eingesetzt.
Man kanns auch so sagen: Weil der Staat versagt (der somalische, internationale Gemeinschaft) bewaffnen sich die Seeleute jetzt selber. Klasse.
Nun sollte die NATO wirklich ueber die Beendigung von OCEAN SHIELD nachdenken und sich vielleicht mal ein paar Gedanken ueber mehr Praesenz im oestlichen Mittelmeer machen!
@quantum
Östliches Mittelmeer? Gute Idee.
@T.Wiegold: Den Grundsatz von Roosevelts Außenpolitik (Rede aus dem Jahr 1901):
„Sprich sanft und trage einen großen Knüppel, [dann] wirst du weit kommen.“
hat Russland und vermutlich auch Syrien verinnerlicht….
….die NATO sollte nun aufgrund der Bedrohung erstmal Arthur Neville Chamberlains um Rat fragen….ach verdammt….der ist ja nicht mehr da….!? Ja liebe Leser, welches Herzblatt haettens den gern, das realpolitische, das sich der Verantwortung stellt, oder doch lieber das idealistische, das auch gern mal abwartet bis sich Probleme von selbst loesen?
Die Notwendigkeit / Konsequenz privater Dienste ist nicht das Ergebnis von Fehlern der BW oder der Politik, sondern vielmehr ein Ergebnis des gewaltigen Handelsvolumens, was wir hier durchjagen. Wollten wir das komplett mit Soldaten und Polizisten abdecken, müssten erstmal die Steuern erhöht werden (denn den Staat kann man sich ja nicht mieten) und wir sollten mal fix 100.000 Leute einziehen um das Personal rotieren lassen zu können… Wenn das mal reicht, bislang dürfte nur ein geringer Teil der Schiffe tatsächlich bewaffnete Teams an Bord haben. ^^
Auf See sehe ich bei privaten Diensten sogar weit geringere Probleme, als mitten in einer Kampfzone im Irak oder Afghanistan. Im Grunde ist der Schutz von Schiffen der optimale Einsatz für solche Dienste.