Erster EU-Angriff auf Piratenboote am Strand (Update)

Die EU-Antipirateriemission Atalanta hat in der Nacht zum Dienstag erstmals ihre neuen Möglichkeiten genutzt und Boote somalischer Piraten an Land zerstört. Ein Atalanta-Sprecher sagte Augen geradeaus!, vom Hubschrauber aus seien mehrere Angrifsboote, so genannte Skiffs, mit den Bordwaffen beschossen worden. Zuvor hätten die Marinestreitkräfte mit Aufklärung aus der Luft sicher gestellt, dass keine Menschen von dem Angriff betroffen würden. Welche Nation den Angriff durchführte, wollte der Sprecher nicht sagen. Nach Angaben des Bundesverteidigungsministeriums waren deutsche Soldaten an der Aktion nicht beteiligt.

Die europäischen Piratenjäger waren erst vor kurzem von der EU (und dann die Deutsche Marine auch vom Bundestag) ermächtigt worden, gegen Piraten-Logistik am Strand Somalias bis zu einer Tiefe von zwei Kilometern vorzugehen. Der Angriff soll sich gegen Ziele in der Nähe des Piratenstützpunkts Haradhere gerichtet haben.
(Karte: OpenStreetMap)

Das Atalanta-Kommando in Northwood bei London hob hervor, dass die Aktion nicht nur von den aktuellen EU-Beschlüssen gedeckt sei, sondern auch von der – international anerkannten – somalischen Übergangsregierung gebilligt:

The operation was conducted in accordance with the United Nations Security Council Resolution 1851 and has the full support of the Transitional Federal Government of Somalia. The focused, precise and proportionate action was conducted from the air and all forces returned safely to EU warships on completion. Whilst assessment is on-going, surveillance of the area during the action indicates that no Somalis were injured ashore as a result of EU action.

Speaking about the operation, the Operation Commander of the EU Naval Force, Rear Admiral Duncan Potts said “We believe this action by the EU Naval Force will further increase the pressure on, and disrupt pirates’ efforts to get out to sea to attack merchant shipping and dhows. The local Somali people and fishermen – many of whom have suffered so much because of piracy in the region, can be reassured that our focus was on known pirate supplies and will remain so in the future.”

Die Skiffs wurden offensichtlich mit einem schweren Maschinengewehr zerstört: Nach Angaben des Atalanta-Sprechers wurden die gleichen Waffen eingesetzt, die bislang auch schon zum Stoppen von Piratenbooten auf See genutzt wurden. Zur Aufklärung und Überwachung sei ein Seefernaufklärer eingesetzt worden.

Obwohl es (vorerst?) keine Angaben zu den Kriegsschiffen gibt, von denen aus der Angriff geführt wurde, liegt eine Vermutung nahe: Sowohl die Deutschen als auch die Niederländer haben erklärt, dass sie nicht beteiligt waren. Damit scheint eine französische Aktion am wahrscheinlichsten – die Franzosen haben nicht nur das Kommando vor Ort, sondern sind auch derzeit mit drei Schiffen in der EU-Mission präsent.

Der Zeitpunkt des Angriffs in der Nacht scheint sinnvoll: Damit ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Menschen bei den abgelegten Booten aufhalten, am geringsten – und ein mit Wärmebildkameras ausgerüstes Aufklärungsflugzeug kann besser als bei Tag entdecken, ob es Personen in der Nähe gibt. Allerdings bleibt abzuwarten, wie sich die erklärte Absicht auswirkt, nur Material zu zerstören und nicht auf Menschen schießen zu wollen: Wie groß ist die Gefahr menschlicher Schutzschilde um und unter solchen Booten?

Nachtrag: Associated Press meldet unter Berufung auf Piraten-Angaben, bei dem Angriff seien neben Booten auch Treibstoffvorräte und ein Waffenlager zerstört worden. Auch nach diesen Angaben gab es keine Verletzten oder Toten. Der Atalanta-Sprecher sagte dazu, die Aktion habe sich gezielt nur gegen die Skiffs gerichtet.

Nachtrag 2: Der niederländische Kollege Hans de Vreij verweist darauf, dass die niederländische Fregatte Van Amstel zusammen mit der spanischen Fregatte Reina Sofia vor einem Piratencamp an der Küste zur Aufklärung unterwegs war (offensichtlich wurde dabei auch der Bordhubschrauber der Van Amstel bei einem Aufklärungsflug beschossen). Die niederländische Fregatte nahm dann andere Aufgaben wahr, möglicherweise war die Reina Sofia das Schiff, dessen Hubschrauber den Angriff durchführte.